Einmalig! FCZ Frauen nr.1 in NLA und NLB!

Die Frauenequipe des FCZ liegt zur Winterpause in der NLA in Front. Allerdings erwächst dem Team von Trainer Dorjee Tsawa von Seiten des FC Neunkirch und des FC Luzern Konkurrenz. Beide Equipen haben ausserdem in dieser Winterpause mit langjährigen Nationalspielerinnen nachgerüstet: Sandy Maendly wechselt aus Italien in den Kanton Schaffhausen, Nicole Remund vom FCZ nach Luzern.  Nach vier Meistertiteln in Folge könnte es dieses Jahr die schwierigste Titelverteidigung seit langem geben.

Im Windschatten der ersten Mannschaft schreibt die von Remo Mayer und Roman Matter trainierte U21-Equipe bisher eine ganz erstaunliche Erfolgsstory. Aufgestiegen in die Nationalliga B, sei die Mannschaft im ersten Spiel in der höheren Liga erst mal vom Tempo überrumpelt worden, wie Torfrau Natascha Honegger gegenüber Züri Live am Rande der Champions League-Partie gegen Lilleström im Oktober meinte. „Überrumpelt“ bedeutete ein 4:4-Unentschieden beim ehemaligen NLA-Team Schlieren. Danach gaben die Zürcherinnen aber während der ganzen Vorrunde nur noch ein einziges Mal Punkte ab – bei der 3:4-Niederlage in Thun am dritten Spieltag. Heraus kam ein Sechspunktevorsprung auf die zweitplatzierten Femina Kickers Worb. Aufsteigen kann die U21 nun aber natürlich nicht mehr – auch die Teilnahme am Cup-Wettbewerb ist nicht möglich. Ein freundschaftlicher Vergleich mit der ein oder anderen Equipe aus der unteren Tabellenhälfte der NLA wäre aber sicherlich interessant.

Weltweit ist es sowohl bei den Männern wie auch bei den Frauen wohl ziemlich einmalig, dass Teams aus dem gleichen Klub sowohl die höchste, wie auch die zweithöchste Liga des Landes anführen! Und dieses Zwischenergebnis haben die Girls vom Heerenschürli mit einer Equipe erreicht, bei welcher die Mehrheit 16-18 Jahre jung ist. Neben Natascha Honegger haben auch U17-Vizeeuropameisterin Kim Dubs, sowie die beiden im Sommer aus Winterthur gekommenen Elena Van Niekerk und Barbara Bösch mit Züri Live im Oktober über ihre Erfahrungen in der Nachwuchsnationalmannschaft und der zweithöchsten Liga des Landes gesprochen:

Adis Jahovic: „Der FCZ wollte mich kaufen“

Adis Jahovic (28) war ab Herbst 2012 für etwas weniger als ein Jahr als Leihspieler des FC Wil für den FCZ am Ball, und erzielte in 19 Partien fünf Tore.

Sein Wechsel nach Zürich folgte auf eine Sperre von neun Partien, nachdem der Mazedonische Nationalstürmer zwei Monate davor auf der Neuenburger Maladière im Spiel gegen den FC Biel Schiedsrichter Patrick Winter aufgrund dessen direkter Roten Karte massiv bedroht hatte. Ziemlich genau ein Jahr nach dem Vorfall von Neuenburg flog der Stürmer erneut gegen den FC Biel vom Platz – und verschwand anschliessend in die Ukraine zu Vorskla Poltava, wo er einen lukrativen Vertrag unterschreiben konnte. Die Saison 13/14 beendete er mit seiner neuen Mannschaft in der Premier Liga auf dem 8.Platz und traf dabei auch gegen die Spitzenteams Shakhtar Donezk und Dinamo Kyiv ins Netz. Wegen des Krieges wechselte Jahovic im darauffolgenden Sommer erst nach Kroatien zu Rijeka, und von da weiter nach Russland in die zweithöchste Liga zum Traditionsteam Krylia Sovetov Samara.

Das Herz des Russischen Fussballs schlägt im Süden

Samara ist eine Millionenstadt an der Volga, der Traditionsklub „Flügel der Sovjets“ wurde 1942 für die Fussballer unter den Arbeitern der während des Krieges aus Moskau nach Samara evakuierten Flugzeugfabriken gegründet worden. Im Süden an Volga, Don und im Nordkaukasus schlägt das eigentliche Herz des Russischen Fussballs. Zwar sind die dortigen Klubs sportlich und finanziell gegenüber den Moskauer Klubs und Zenit St.Petersburg schon immer unterlegen und notorisch erfolglos gewesen, verzeichneten aber trotzdem für russische Verhältnisse immer relativ hohe Zuschauerzahlen. Zur Wende im Jahre 1991 stieg Krylia Sovetov in die russische „Premier Liga“ auf und spielte von da an ununterbrochen während 13 Jahren meist im Mittelfeld oder im Kampf gegen den Abstieg. Meist konnte nur der „Volksklub“ Spartak Moskau den Klubs aus dem Süden wie Krylia Sovetov Samara (langfristig rund 20’000 im Schnitt), Alania Vladikavkaz, Terek Grozny, Kuban Krasnodar, Rotor Volgograd, Anzhi Makhachkala oder Fakel Voronezh bezüglich Zuschauerzahlen das Wasser reichen.

Erneut vom Platz geflogen – trotzdem Stammplatz erkämpft

2014/15 half Adis Jahovic, die „Flieger“ nach deren Abstieg sofort wieder in die oberste Liga zu schiessen, was mit dem 1.Platz in der „Natsionalnoi Ligi“ auch souverän gelang. Zurück im Oberhaus fiel Jahovic erst mal bis im Oktober aus und hat sich danach aber schnell wieder einen Stammplatz erkämpft. Dies vor allem mit einem Doppelpack beim überraschenden 2:0-Auswärtssieg bei ZSKA Moskau Ende November. Einen Monat davor war der Mazedonier allerdings im Russichen Pokal zu Hause gegen Dinamo Moskau wieder mal mit zwei Gelben Karten innerhalb von drei Minuten vom Platz geflogen, worauf Krylia Sovetov die Partie in der Schlussphase mit 0:1 verlor. Seine Konkurrenten im Sturm sind ein Chilenischer und ein Weissrussischer Nationalspieler, je ein Französischer und Russischer Ex U21-Nationalspieler – und der vom FC Thun nach Russland gewechselte Berat Sadik. Der wie Jahovic in Skopje geborene, aber albanischsprachige Finnische Nationalspieler muss seit der Rückkehr von Adis auf den Platz tendenziell froh sein, wenn noch ein Sitz auf der Ersatzbank für ihn frei ist. Krylia Sovetov Samara überwintert in der Premier Liga auf dem 12.Platz von 16 Teams.

 Jahovic im Interview mit „Futbol“

In der neuesten Ausgabe der russischen Wochenzeitschrift „Futbol“ vom 24.Dezember äussert sich nun Jahovic unter anderem über seine Erfahrungen mit Kriegen in Osteuropa, seinen Charakter, Regeln, Gesetze, Schiedsrichter, seine Zeit in der Schweiz, die Derbies in Sarajevo und Zürich, das Interesse des SC Freiburg, Zukunftspläne, sowie die Gründe für seinen Abgang beim FCZ. Jahovic hat noch nicht mitbekommen, dass Chikhaoui nicht mehr in Zürich spielt, und mit den Zahlen nimmt er es nicht immer genau – die Ausführungen sind aber trotzdem interessant. „Züri Live“ hat die interessantesten Teile des ausführlichen Interviews auf Deutsch übersetzt:

Adis Jahovic, man sagt, dass die Flugreisen in der FNL (zweite Russische Liga) das schwierigste seien…

Die grossen Entfernungen sind eine schwierige Angelegenheit. Ich erinnere mich, dass wir 8 Stunden nach Sachalin flogen. Es war unglaublich langweilig und wir hatten nur Economy-Tickets. Zumindest hatte ich einen Sitzplatz in der Nähe des Notausganges und konnte so meine langen Beine strecken. Die einen schauten Filme, andere spielten – oder schliefen. Ich kann aber im Flugzeug nicht schlafen, egal wie viele Stunden es dauert. Gott sei Dank sind die längsten Flüge in der obersten Russischen Liga nun nur noch maximal drei Stunden.

Krylia Sovetov Samara hat ein ausgezeichnetes Trainingszentrum, viele Spieler wohnen da. Sie auch?

Als meine Familie hier war, hatte ich eine Wohnung gemietet. Jetzt wohne ich im Trainingszentrum. Da sind die Rahmenbedingungen gut: Zimmer, Kantine, Reinigungspersonal. Trotzdem fahren wir ausländischen Spieler jeden Tag zusammen zum Essen in ein Restaurant.

Das Interesse von Freiburg

Sie haben letzte Saison 12 Tore erzielt – gab es Angebote von anderen Klubs?

Der Transfer zum SC Freiburg war zu 90% in trockenen Tüchern, aber dann sind sie aus der Bundesliga abgestiegen, und wir sind mit Krylja Sovetov gleichzeitig in die Premier Liga aufgestiegen. Es hat noch ein paar weitere Kontakte mit anderen Vereinen gegeben. Aber ich war auch verletzt und zu weiteren ernsthaften Gesprächen ist es nicht gekommen.

Der SC Freiburg ist nun auf dem Weg zurück in die Bundesliga, liegt auf dem ersten Platz…

Ich bin jetzt hier und denke an keine andere Mannschaft. Wenn es einen Transfer gibt, dann gibt es ihn – aber all meine Gedanken sind bei Krylia Sovetov.

Jahovic und die Referees

Wo haben Sie so gut Russisch gelernt?

So gut kann ich es noch nicht. Aber als ich in der Ukraine für Vorskla Poltava gespielt habe, habe ich jeden Tag ein paar neue Wörter gelernt. Der Trainer hat mir dies aufgetragen. Russisch ist verwandt mit Mazedonisch, also ist es für mich nicht so schwer, wie für andere ausländische Spieler. Als ich in der Schweiz gespielt hatte, habe ich Deutsch gelernt. Ich kann fünf Sprachen – neue Sprachen lernen fällt mir leicht.

Zu Beginn haben Sie auf Russisch sicherlich vor allem die Schimpfwörter gelernt?

Ja, die Fussballer benutzen vorwiegend Schimpfwörter – aber ich tue dies eher selten.

Im Cupmatch gegen Dinamo aber schon?

Wir hatten sehr gut gespielt, Dinamo hatte keine Chancen. Der Schiedsrichter hat einen Penalty nicht gegeben. Das hat mich aufgeregt, worauf ich Gelb bekam. Und die zweite Gelbe war überhaupt nichts – das wird der Schiedsrichter sehen, falls er sich die Szene im Video nochmals anschaut. Ja, es hat auch mit meinem Charakter zu tun. In der Schweiz war ich einmal lange gesperrt, weil ich einem Schiedsrichter an die Gurgel gegangen bin. Ich möchte dieses Thema hinter mir lassen: in Zukunft werde ich nicht mehr negativ mit dem Referee sprechen – hundertprozentig. Ich kann halt einfach Unwahrheiten nicht ertragen – so haben mich meine Eltern erzogen.

Die ersten Schritte in Mazedonien

Mazedonien war in den 90-er Jahren keine ruhige Region. Hatten Sie eine schwierige Kindheit?

Ja, und das Verhältnis zwischen Mazedoniern und Albanern ist bis heute angespannt. Ein Jahr gab es Krieg mit Albanien, Kosovo. Das hat sich alles 50 Kilometer entfernt von unserem Haus abgespielt. Wir hatten einen Keller, in dem wir uns bei Bombardierungen in Schutz brachten. Aber mich interessiert die Politik jetzt nicht mehr.

Haben die Eltern Sport getrieben?

Papa war ein Handball-Profi, aber in Mazedonien gab es keine finanzielle Basis und Perspektiven, daher hat er damit aufgehört. Heute arbeitet er als Elektriker bei der Eisenbahn – Mama ist Hausfrau. Früher hatten wir zudem einen kleinen Laden, den wir aber schliessen mussten. Sowieso ist es seltsam, dass ich schlussendlich beim Fussball gelandet bin. Mein Vater war wie ich gross gewachsen und er dachte, ich würde ebenfalls einmal ein guter Handballspieler werden. Aber ich habe die ganze Zeit vor dem Haus gekickt.  Dafür musste mein Bruder wegen einer Rasenallergie mit dem Fussballspielen aufhören, und betreibt nun Handball.

Euer Vater hat Euch im Sport eng begleitet und trainiert?

Meine Fussballausbildung habe ich bei „Makedonija Gjorce Petrov“ (Klub aus einem Stadtkreis von Skopje: die Red.) genossen. Schon in der Kindheit habe ich die Trainings ernst genommen. Die Eltern sind am Wochenende jeweils an den See raus gefahren und ich blieb in der Stadt, um im Klub nichts zu verpassen. So eine profihafte Einstellung habe ich seit dem Alter von 8 Jahren. Trotzdem war Fussball für mich zu Beginn vor allem eine Freizeitbeschäftigung – wir haben einfach mit Kollegen im Innenhof vor dem Haus gespielt. Mein Freund ging dann in den Klub, und er hat mich überredet, mitzukommen. Ich erinnere mich, dass ich eine halbe Stunde vor dem ersten Training noch zu Hause sass und gut gegessen habe. Das Training war sehr anstrengend, und danach musste ich mich übergeben. So habe ich gleich zu Beginn fürs Leben gelernt, vor dem Training nichts zu Essen.

Haben Sie gleich Fussballschuhe gekauft?

Meine ersten waren Nike, obwohl, vielleicht hiessen sie auch „Nuke“ oder „Naik“. Auf jeden Fall waren es Imitate – und zwei Nummern zu gross. Die Eltern hatten nicht viel Geld, und zudem haben wir zu der Zeit ein Haus gebaut. Ich habe aber auch in diesen Fake-Schuhen meine Tore erzielt. Die ersten echten Markenschuhe hatte ich mit 17.

Wie sieht der Fussball in Mazedonien aus? Ist er etwa auf dem Niveau der FNL (zweite Russische Liga)?

Heute  vielleicht schon – früher aber nicht einmal das. Und der Maximallohn war 500 Mark – und dies nur im erfolgreichsten Klub. Für mazedonische Verhältnisse war das damals viel Geld. Heute sind viele Sponsoren dazugekommen. „Vardar“ zum Beispiel hat einen russischen Besitzer. Heute verdienen die Spieler 20‘000 – 30‘000 Euro. Früher haben wir aus Liebe zum Sport gespielt.

Nicht allein aus Liebe wahrscheinlich?

Mein erster Lohn war 300 Euro. Für mich war das sehr viel Geld! Damit konnte man auch mal mit der Freundin in die Stadt einen Kaffee trinken gehen. Dieses erste Geld habe ich aufgeteilt: 150 Euro für mich – der Rest den Eltern. Zudem habe ich vom Klub gratis Fussballschuhe gekriegt, als ich den Vertrag unterschrieben habe.

„Crazy“ Fankultur in Sarajevo

Warum sind Sie dann so jung nach Bosnien gegangen?

„Makedonija Gjorce Petrov“ hat einen neuen Trainer bekommen, der dem Präsidenten gesagt hat, dass er Adis nicht braucht: „Verringert ihm den Lohn, oder schickt ihn in die Dritte Liga, oder gebt seine Dokumente zurück“. Als mir der Präsident davon erzählt hat, wollte ich weg. Ich war 19, und ein Agent hat mir vorgeschlagen, nach Bosnien zu gehen. Wenn du in ein fremdes Land ziehst, hast Du vorher keine Ahnung, was dich dort erwartet. Ich habe meinen Koffer gepackt, und bin ab nach Bosnien. Bei „Zeljeznicar“ hat der Trainer aber auch nicht auf mich gesetzt. Dafür habe ich bei „Velez Mostar“ gut gespielt, und in 15 Partien 10 Tore erzielt. So hat mich der „FC Sarajevo“ gekauft.

 Sind die Fans die speziellste Erinnerung aus dieser Zeit?

Oh, die sind dort wirklich crazy. Als ich beim FC Sarajevo gespielt habe, sind wir in der Europa League weit gekommen, haben aber ein Spiel in der Meisterschaft verloren. In der Folge sind einen Monat lang die Spieler immer zu Hause geblieben. Es war zu gefährlich, allenfalls eigenen Fans auf der Strasse zu begegnen. Zum Glück konnten wir die Situation wieder gerade biegen, so dass wir uns auf der Strasse wieder zeigen konnten.

Zeljeznicar und FC Sarajevo sind grosse Rivalen. Und Sie haben für beide Klubs gespielt…

Das ist das Derby! Das grösste! Man spricht nur über dieses Spiel – es ist der wichtigste Match des Jahres. Vor einem Sarajevo-Derby stirbt im Normalfall jedes Mal mindestens ein Fan. Aber ich habe nur sehr kurz für Zeljeznicar gespielt, darum hat man es mir beim FC Sarajevo nicht krumm genommen. Wenn ich aber jetzt nach Sarajevo zurückgehen würde, wäre es gefährlich – besser sich nicht auf der Strasse zeigen. Was soll man tun, wenn ein Mensch seine Mannschaft liebt und alles für sie gibt?

Die Fans in Russland halten den Spielern häufig vor: „Wir reisen durchs Land, frieren und feuern euch an – und ihr….?“

Das ist ja die Wahrheit. Als ich in Bosnien gespielt habe, habe ich gemerkt, dass man auf dem Platz zeigen muss, dass man gewinnen will. Für eine Niederlage muss man sich nicht schämen, das ist Fussball, aber man muss immer mit ganzem Herzen bei der Sache sein. Die Leute lieben das.

„Echt abgefahrenes Zürcher Derby – aber wegen jedem kleinen bisschen kommt die Polizei“

Warum haben Sie bis zum Alter von 22 Jahren den Durchbruch nicht geschafft?

Meine Karriere hat erst richtig begonnen, als ich in die Schweiz gekommen bin. In Bosnien hatte ich keinen guten Agenten und PR-Unterstützung, und so war ich nicht im Schaufenster. Wenn über mich mehr geschrieben worden und im Fernsehen berichtet worden wäre, hätte der Durchbruch auch schon viel früher kommen können. Meine Karriere hat also erst mit 24 angefangen – viele Tore für Wil, dann FC Zürich, gleichzeitig habe ich angefangen, für die Nationalmannschaft von Mazedonien zu spielen. Ja, und wenn du älter wirst, denkst du etwas mehr, bevor du handelst.

Was ist der FC Wil für ein Klub?

Das ist wie FNL (zweite Russische Liga). In 33-35 Spielen habe ich 25-26 Tore erzielt. Danach habe ich ein Angebot des FC Zürich erhalten. Zwar sind Scouts aus Leverkusen gekommen, als wir gegen den FC Basel gespielt haben, aber ich habe davon nur aus dem Internet erfahren. Ich habe dort mein Photo gesehen mit dem Titel: „Bayer an Jahovic interessiert“. Einen Agenten hatte ich damals nicht. Niemand hat mich kontaktiert. Der Trainer hatte auch irgendetwas gehört, aber alles blieb schlussendlich auf dem Niveau von „irgendjemand hat irgendetwas gehört“.

Was bleibt aus der Schweiz in Erinnerung?

Dort gibt es das Gesetz, und niemand ist höher als das Gesetz, auch der Präsident nicht. Viele Radarfallen und Geschwindigkeitsbegrenzungen. Fährst du 120 km/h, bist du deinen Fahrausweis los. Darum fahren dort alle nur 50-60 km/h. Was den Fussball betrifft, so gibt es dort technisch gute Fussballer – aber in Bezug auf Kampfgeist und die Physis ist das Niveau tiefer, als in Russland. Es geht alles nur über die Technik. Für den FC Zürich spielte der Tunesier Yacine Chikhaoui. Er hat gut gespielt, kostete etwa 12 Millionen Euro, und dann hat er sich verletzt – und zwei Jahre nicht gespielt. Jetzt kommt er langsam zurück. Er ist zwei Meter gross, aber technisch besser, als Ibrahimovic, dazu schnell. FC Zürich gegen Grasshoppers ist ein cooles, echt abgefahrenes Derby! Obwohl auch hier das Gesetz dem ganzen seinen Stempel aufdrückt: wegen jedem kleinen bisschen kommt die Polizei. Und nun ja, alle wollen für den FC Basel spielen – es ist der beste Klub mit den höchsten Löhnen.

 Die Sache mit der Sperre von neun Spielen – auch eine Frage der strengen Gesetze in der Schweiz?

Es war so: ich hatte den Ball bereits nicht mehr und der Gegenspieler hat mir auf die Socken gehauen. Ich wollte auf die gleiche Weise antworten, habe ihn dann aber gar nicht richtig getroffen, nur leicht berührt. Der Schiedsrichter hat dies gesehen und mir direkt Rot gegeben. Ich habe ihn darauf angeschrien: „Warum Rot für mich? Und meinem Gegenspieler hast du gar nichts gezeigt! Du bringst uns noch um!“. Wir hatten damals einen Lauf – in jeder Partie habe ich ein, zwei Tore erzielt. Anschliessend habe ich dem Schiedsrichter gesagt, dass ich ihn umbringe. Dafür hätte mich die Polizei verhaften können, wenn er eine Anzeige eingereicht hätte. Zum Glück hat die FIFA auf den Schiedsrichter Einfluss genommen, und ihn davon abgehalten. Sie haben ihm gesagt: „Deine Karriere steht doch erst gerade am Anfang – das kannst du doch jetzt nicht gebrauchen…“. Der Schiedsrichter war schlecht. Fussball ist nun mal ein aggressiver Sport. Aber als mein Sohn auf die Welt kam, bin ich ruhiger geworden…

Ausser jetzt zuletzt gegen Dinamo…

Ein bisschen was war da. Starke negative Emotionen kommen vor. Als ich die Rote Karte sah, wusste ich, dass wir nun den Match verloren haben.

Von Schweizer Uhren und dem richtigen Timing

Welches war die teuerste Uhr, die Sie in der Schweiz gekauft haben?

In der Zeit, als ich für den FC Zürich spielte, hatte ich einen Sponsor. Darum habe ich viele dieser Uhren verschenken können: dem Vater, dem Bruder, an Freunde…

Der „FC Khimki“ wollte Sie verpflichten, warum haben Sie damals die Ukraine gewählt?

Khimki? Die haben mich nie kontaktiert. Als beim FC Zürich ein neuer Trainer kam, sass ich wieder auf der Ersatzbank. Als Joker habe ich fünf Tore erzielt, und der FCZ wollte darauf die Leihe beenden, und mich kaufen. Aber ich habe gesagt, dass ich zurück zu Wil gehen will, um von dort aus den Schritt zu einem grossen Klub zu schaffen. In fünf Spielen habe ich sieben Tore erzielt. Daraufhin hat mich sofort „Vorskla Poltava“ gekauft.

Ist das ein grosser Klub?

Etwa auf dem gleichen Niveau wie „Krylia Sovetov“. Andere Varianten, als die Ukraine, gab es ehrlich gesagt zu jenem Zeitpunkt nicht. Und mir wurde bei Vorskla ein gutes Angebot gemacht.

Das Timing, um in die Ukraine zu wechseln, war dann nicht unbedingt ideal….

Ich hatte einen Vertrag für ein Jahr mit einer Option für zwei weitere, und der Klub wollte diesen verlängern.  Ich habe aber abgelehnt, weil der Krieg begonnen hat. Wenn der Krieg schlimmer geworden wäre, hätte ich im Land festsitzen können. Zudem hatte ich Sorgen um meine Frau und das Kind. Am Flughafen Lugansk sind wir auf Soldaten gestossen. Ich habe gerne dort Fussball gespielt, aber ich habe dem Klub gesagt: „Ihr seid im Krieg mit Russland. Das ist keine gute Situation für mich.“ Gleich darauf hat mir Ognjen Vukojevic von Dinamo Kyiv angerufen und mir empfohlen, seinen Agenten zu kontaktieren. Nur wenig später landete ich in Rijeka. Zum Glück ist nicht mehr als ein bisschen Krieg passiert.

Nach der Karriere ein Haus in Deutschland

Haben sich die Fans aus der Ukraine nach Ihrem Transfer zu „Krylia Sovetov“ negativ geäussert?

Ich habe eine Fan-Page – die Fans von Vorskla haben nach dem Sieg gegen ZSKA (mit zwei Toren Jahovics: d.Red.) geschrieben, dass sie mich vermissen, und sich freuen, dass meine Karriere so gut verläuft. „Weil ich mit den Fans immer gut kommuniziert habe“, habe ich nicht ganz Ernst gemeint, geantwortet. Das war nie künstlich. Als Vorskla Dnipro besiegt hat, habe ich dem Klub meine Glückwünsche gesandt und geschrieben, dass ich Poltava vermisse.

Die Nationalmannschaft von Mazedonien kennt man vor allem durch den Namen Goran Pandev. Ist er wirklich so ein seltsamer Typ, wie es nach aussen hin scheint?

Er ist ein sehr positiver Typ, der die Mitspieler unterstützt. Er hat einige Jahre nicht für die Nationalmannschaft gespielt, aber jetzt ist er zurück und meinte:“Ich will nicht zuschauen, wie Mazedonien unten durch muss“. Dies obwohl er genug Geld hätte, um sich auszuruhen.

Und wann wird Adis Jahovic sagen können, dass er genug getan hat, um sich auszuruhen?

Ich habe keine Pläne. Mein Vertrag ist noch zwei Jahre gültig. Wenn es von Krylia Sovetov ein weiteres Angebot gibt – schön! Mir gefällt es in Samara. Sollte es einen Transfer geben – auch gut. Nach der Karriere möchte ich zurück nach Deutschland und ein Haus bauen. Tore erzielen ist auch kein Ziel an und für sich: aber umso mehr, desto besser. Sollten wir aber jedes Spiel gewinnen, ohne dass ich ein Tor erziele – dann ist das trotzdem gut so. Wir brauchen dringend Punkte.

 

 

 

 

Kerzhakov verzichtet auf 750’000.- US-Dollar

Kurz vor Weihnachten legen sich Ancillo und Heliane Canepa mit Aleksandr Kerzhakov den grössten Fussballstar der FCZ-Geschichte unter den Weihnachtsbaum. Aber kann sich der FCZ die St.Petersburger Legende überhaupt leisten? Davon ist auszugehen, denn nicht nur haben die Sommertransfers viele Millionen in die Kasse gespült, die mehr als nur das ominöse „strukturelle Defizit“ decken sollten – Kerzhakov selbst wird den FCZ nicht allzu viel kosten und das Lohngefüge nicht sprengen. Wie der Spieler selbst im Gespräch mit dem Portal „championat.com“ offenbart, habe er zugestimmt, für das kommende Halbjahr (die letzten sechs Monate seines Vertrages mit Zenit) auf die Hälfte seines Salärs zu verzichten. Bei einem Jahresgehalt von 3 Mio US-Dollar verzichtet der „Bombardir“ damit immerhin auf USD 750’000.-.

In den letzten Monaten hat Kerzhakov erste Erfahrungen als TV-Experte gesammelt und zudem ein Projekt mit dem Russischen Fussballverband begonnen. Nun sei er aber zum Schluss gekommen, dass er noch ein paar Jahre Fussball spielen wolle. Kein Geheimnis ist, dass „Kerzh“ im Sommer am liebsten einen neuen Vertrag bei Zenit unterschreiben würde. Dafür  müsse Kerzhakov sich in der Schweiz aber „enorm am Riemen reissen“, wie Fussballexperte  Konstantin Sarsania gegenüber dem täglich erscheinenden „Sovetskij Sport“ meint. Kerzhakovs primäres Ziel im Frühling ist es erstmal, sich wieder für die Russische Nationalmannschaft zu empfehlen. Vor zwei Wochen hat er mit Nationaltrainer Leonid Slutski telephoniert, will aber keine Details des Gespräches preisgeben. Wahrscheinlicher als ein Wechsel zurück zu Zenit ist wohl ein Transfer zu einem ambitionierten Russischen Mittelfeldklub im Sommer, so wie sein Kompagnon Andrei Arshavin, welcher mittlerweile bei Kuban Krasnodar engagiert ist.

Kerzhakov gibt gegenüber „championat.com“ auch Details darüber preis, wie es zum Kontakt mit dem FCZ gekommen sei. Zenit sei in dieser Sache nicht aktiv gewesen, er habe selbst mit seinem Agenten einen Klub gesucht. Sie hätten gemeinsem Angebote von Erstligisten in England, Spanien, Niederlande, Türkei, China und den USA sortiert. Einen Klub in Russland hatte ihm Zenit für den Rest der Vertragslaufzeit verboten gehabt. Das erste Mal vom Interesse des FCZ gehört habe Kerzhakov selbst vor etwa einem Monat. Beim Zürcher Klub hatte Kerzhakov das Gefühl, dass es für seine aktuelle Situation und seine aktuellen Ziele die beste Variante sei. Über die nächste Saison spricht der Stürmer noch nicht, aber es ist kaum anzunehmen, dass er in Zürich bleiben wird. Ohne den laufenden Vertrag bei Zenit im Rücken würde Kerzhakov jeglichen Budgetrahmen und die Gehaltsstruktur des FCZ völlig sprengen. Gemäss eigenen Angaben ist Kerzhakov nicht über den Deal zwischen dem FCZ und Zenit informiert. Ganz offensichtlich wird er seinen Lohn weiterhin von Zenit erhalten. Was die beiden Klubs also an Leihsumme und/oder Lohnanteil von Seiten des FCZ ausgemacht haben, bleibt damit ein Geheimnis der beiden Klubs – aber es ist davon auszugehen, dass der Russische Klub weiterhin auch faktisch den grössten Teil des Salärs übernimmt.

Persönlichen Kontakt mit Trainer Sami Hyypiä hatte Kerzhakov bisher noch nicht. Der Finnische Trainer habe ihn per E-mail in der Mannschaft willkommen geheissen. Auch mit seinem ehemaligen Teamkollegen Artjom Simonyan habe er noch nicht gesprochen. Dafür hat er mit der im freiburgischen lebenden Eishockey-Ikone Vjacheslav „Slava“ Bykov telephoniert. Dieser vermeldet im ebenfalls täglich erscheinenden „Sport Express“, dass der Transfer Kerzhakovs in den Schweizer Medien gut aufgenommen worden sei. Kerzhakov ist zuversichtlich, dass er nach der Wintervorbereitung wieder in Form kommen wird, und ist ausserdem der Meinung, dass für den FCZ noch genug Zeit ist, um sich aus dem Abstiegsstrudel zu befreien: „Ich gehe nicht nach Zürich, um ums Überleben zu kämpfen. Ich glaube, für den FC Zürich wird es nach der Winterpause wieder aufwärts gehen“, äussert sich Kerzhakov gegenüber „championat.com“.

Sascha git alles für Züri! Der Transfer Kerzhakovs zum FCZ wird in den Nachrichten auf NTV (einem der grössten russischen TV-Sender) mit Musik von Schoedo unterlegt (am Ende ist dann aber die Fankurve der „Anderen“ zu sehen): 

https://youtu.be/zgvxtElihbc

Aleksandr „Sascha“ Kerzhakov: „ich traf, ich treffe und ich werde treffen“

Aleksandr („Sascha“) Anatolyevich Kerzhakov ist der grösste Fussballstar, der jemals beim FCZ engagiert war. Illie, Filipescu, Waas, Stürmer und selbst ein Brolin oder Yekini reichen nicht an den Namen Kerzhakov heran. Zu seiner besten Zeit war er als internationaler Topstürmer respektiert. In Russland ist er ein Nationalheld – bester Torschütze aller Zeiten der Russischen Liga (224 Tore), seines Stammklubs Zenit St.Petersburg (161) und der Russischen Nationalmannschaft (30). Seine grössten Stärken sind die Abschlussqualitäten sowohl mit dem Fuss, als auch per Kopf – trotz seiner „nur“ 1,76 m – und in seinen besten Jahren auch die Schnelligkeit. Kerzhakov prägte als Motto über sich selbst, welches mittlerweile in Russland zum geflügelten Wort geworden ist: „Ich traf, ich treffe, und ich werde treffen“.

Kerzhakov trifft im Letzigrund in einem Freundschaftsspiel gegen Italien vor der EM 2012 zum 1:0:  

Allerdings: einen wesentlichen Teil seiner Nationalteam-Tore erzielte Kerzhakov gegen Mannschaften wie Liechtenstein, Andorra oder Luxemburg. Er war zudem nur an einem einzigen Turnier (EM 2012 – Ausscheiden in den Gruppenspielen nach der Niederlage gegen Griechenland) Stammspieler, und gewann mit der „Sbornaya“ nie einen Titel. Der in Kingissepp an der Estnischen Grenze geborene Stürmer kam nicht mal in die Nähe einer Trophäe. Das Tor zum 1:1 als Einwechselspieler im ersten Gruppenspiel der WM 2014 gegen Südkorea war zudem sein einziger Treffer an einem internationalen Turnier. Kerzhakov ist aber nicht nur für seine Tore bekannt, sondern ebenso als Chancentod. Der englische „Guardian“ hat sogar das Verb „kershakoved, to kershakov“ in Umlauf gebracht. Es bedeutet: „aus wenigen Metern eine Riesenchance vergeben“.

Am 10.Juni 2009 hat Kerzhakov in Helsinki gegen Finnland nicht „kershakoved“, und schoss im Rahmen der WM-Qualifikation für Südafrika zwei Tore. Bei beiden Treffern sah sein neuer Trainer Sami Hyypiä nicht gut aus: beim ersten reklamierte der lange, blonde Finne Abseits und liess seinen Gegenspieler ziehen – beim zweiten liess sich Hyypiä im eigenen Strafraum vom russischen Flügelflitzer Bystrov austanzen – Kerzhakov konnte mit dem Abpraller erben. Russland scheiterte anschliessend im Playoff gegen Slowenien.

Kerzhakovs Tore gegen Hyypiä:

Tatsache ist, dass Kerzhakov selbst in seinem Stammklub Zenit bis jetzt mit jedem Trainer Probleme bekam. Als 2012 Hulk und Axel Witsel für insgesamt 100 Millionen Schweizer Franken von Porto und Benfica zu Zenit St.Petersburg wechselten, unterstützte Kerzhakov den Captain Igor Denisov in dessen Streik. Die beiden Multimillionäre wollten nicht akzeptieren, dass die neuen ausländischen Stars mehr Lohn kassierten, als sie. Hauptsponsor Gazprom hätte es sich rein finanziell natürlich mit Leichtigkeit erlauben können, die beiden Champagner-Revoluzzer mit ein paar zusätzlichen Millionen ruhig zu stellen, aber einen damit verbundenen Gesichtsverlust durch Erpressbarkeit konnte sich der grösste Energiekonzern der Welt nicht leisten.

Kerzhakov profitierte wie viele andere russische Fussballer vom vielen Geld, das direkt oder indirekt aus den Staatskassen oder von regierungsnahen „Oligarchen“ im letzten Jahrzehnt in den Russischen Fussball floss. Gleichzeitig hatten diese Spieler wegen der vernachlässigten Jugendarbeit schon in jungen Jahren nur wenig Konkurrenz im eigenen Lande. Da kein Grossklub einen der wenigen potentiellen zukünftigen einheimischen Identifikationsfiguren verlieren wollte, wurden die Talente schon in jungem Alter gehätschelt und sehr gut entlöhnt – und wurden so zu einer verwöhnten Generation mit welcher im Laufe der Jahre selbst die renommiertesten Klub- und Nationaltrainer wie Spalletti, Capello, Hiddink und Co. immer wieder ihre liebe Mühe bekundeten.

Kerzhakov gehört in Russland zur regierungsnahen Promi-Elite, nicht zuletzt auch als grosse St.Petersburger Ikone, von wo mittlerweile der Grossteil der führenden Kräfte im Moskauer Kreml stammt. Als einer von rund 500 sogenannten „Vertrauenspersonen“ unterstützte Kerzhakov die bei Teilen der Bevölkerung umstrittene dritte Wahl Vladimir Putins zum Präsidenten der Russischen Föderation im Jahr 2012. Eiskunstläufer Evgeniy Plyushenko war Kerzhakovs Trauzeuge bei dessen ersten Heirat im Jahr 2005. Mittlerweile ist Kerzhakov bei der dritten Frau angelangt – es ist die Tochter des Russischen Senators Vadim Tjulpanov aus St.Petersburg, der für den sich am Polarkreis befindlichen Autonomen Kreis der „Nenzen“ (Fläche vier Mal so gross wie die Schweiz, bei einer Einwohnerzahl wie Köniz) im Russischen Oberhaus sitzt.

Kerzhakov ist zudem längst Teil der russischen Folkore. In einem Satire-Clip muss er nach dem Ausscheiden in der Gruppenphase der EM 2012 zusammen mit dem rundlich gewordenen Arshavin vor Vladimir Putin antanzen. Arshavin erklärt, dass die schlechten Resultate nicht das Problem der Fussballer seien. Man habe halt einfach ein Tor weniger erzielt, als die Griechen. Und fragt danach Kerzhakov nach einem Pack Pommes Chips. Putin droht mit der Versetzung der Fussballer als Sportlehrer in die ländliche Provinz:

https://youtu.be/EX8WMQ7niBI

Vor einem Jahr entschied sich Zenits Trainer André Villas Boas (Ex-Porto, –Chelsea und –Tottenham) zu einem riskanten Schritt: er sah keinen anderen Weg mehr, als nicht mehr auf die Klubikone Kerzhakov zu setzen. Nicht nur spielte Kerzhakov in den sportlichen Planungen von Villas Boas keine Rolle mehr – es wurde ihm ab Sommer sogar zeitweise verboten, das Trainingszentrum von Zenit auch nur zu betreten. Dazu beigetragen hatte unter anderem die Geschichte, als der unter Flugangst leidende Stürmer wegen einer angeblichen Verletzung  nicht nach Saransk an den Ural mitfliegen wollte, eine Woche später dann aber vor dem Auswärtsmatch im deutlich glamouröseren Monaco plötzlich doch im Flugzeug sass.

Zenit spielte in diesem Herbst eine resultatmässig und auch spielerisch beeindruckende Champions League-Herbstkampagne mit fünf Siegen in sechs Partien gegen Valencia, Lyon und Gent. Der Brasilianische Nationalspieler Hulk wirkt nach den Abgängen von Denisov und Kerzhakov wie aufgedreht, und die russischen Talente einer neuen Fussballergeneration praktizieren modernen, schnellen, taktisch anspruchsvollen Fussball. Artjom Dzyuba hat Kerzhakov sowohl bei Zenit, wie auch im Nationalteam den Rang abgelaufen und ist mit sechs Toren nach Cristiano Ronaldo und Robert Lewandowski bisher der drittbeste Torschütze der Champions League. Gleichzeitig hielt sich Kerzhakov in Moskau mit einem individuellen Trainingsprogramm fit. Er weigerte sich, in der 2.Mannschaft von Zenit mitzuwirken. Diese ist immerhin in der zweithöchsten Russischen Liga engagiert. Ob Sami Hyypiä diese Information bei der Verpflichtung von Kerzhakov kannte? Während der Vorrunde hatte der Finnische Trainer in Bezug auf den FCZ immer wieder betont, dass er es nicht verstehen könne, wenn ein Profi die Möglichkeit, in der 2.Mannschaft Spielpraxis zu sammeln, nicht wahrnehmen wolle. Er selbst hätte das als Spieler auf jeden Fall getan.

Aleksandr Kerzhakov – für den FCZ ein Risikotransfer

Kurz vor der Winterpause schien sich alles wieder einzurenken. Es war in der zweiten Halbzeit in Thun eine Mannschaft auf dem Platz zu sehen, die auf technisch gutem Niveau schnell nach vorne spielte, und solidarisch für einander kämpfte. Es wirkte wie ein Befreiungsschlag. Cabral stand da bezeichnenderweise nicht mehr auf dem Platz. Der Waadtländer hatte seit seiner Ankunft im Sommer mit seiner Egozentrik und Selbstüberschätzung nicht nur einen schlechten Einfluss auf den Teamgeist gehabt, sondern auch im Spiel mit seiner Behäbigkeit und den vielen Fehlpässen einem schnellen und erfolgreichen Fussball im Weg gestanden. Und so wie er häufig im Mittelfeld wenig inspiriert umherirrte und den Zweikämpfen manchmal richtiggehend aus dem Wege ging, war er auch defensiv mehr ein Leck, als die erhoffte Barriere. Genauso nicht auf dem Platz stand mit dem Anpfiff zu Halbzeit zwei der technisch und taktisch limitierte Sadiku mit welchem das Team zuvor immer wieder an Kompaktheit und spielerischer Qualität verloren hatte.

Eine Mannschaft hatte sich gefunden

Stattdessen im Zentrum an der Radnabe des Zürcher Spiels agierte Anto Grgic neben Gilles Yapi. Der 18-jährige zog die gegnerischen ersten Pässe im Mittelfeld wie magisch an, stand immer richtig, und konnte dank seiner Technik und Handlungsschnelligkeit schnell auf Gegenangriff umschalten – genau die Art von Spiel, welche Trainer Sami Hyypiä vorschwebt. Vorne hat zudem der lange Zeit divenhaft agierende Mario Gavranovic in den letzten Monaten eine positive Entwicklung zum Teamspieler genommen. Zudem ergänzt sich der Tessiner immer besser mit Stoss-Stürmer Franck Etoundi, und macht Oliver Buff in der Rolle als zurückhängender Stürmer Konkurrenz. Der Weg, wie man in der Rückrunde dem Abstiegsgespenst erfolgreich entkommen kann, war somit klar vorgezeichnet.

Man nehme die Mannschaft der zweiten Halbzeit in Thun, und addiere den von Trainer Hyypiä gewünschten zweiten schnellen Flügel (neben Kevin Bua) in der Form von Marco Schönbächler, Marvin Graf oder Moussa Koné. Als allfällige Verstärkung in der Winterpause hätte man sich am ehesten einen Verteidiger oder sogar Torhüter vorstellen können. In Idealformation kann die FCZ-Abwehrreihe nach der Rückkehr von Kecojevic zwar einigermassen bestehen, aber fällt nur ein Spieler daraus wegen Verletzung oder Sperre aus, ist die vorhandene Qualität für Super League-Verhältnisse ungenügend.

Kerzhakov ist kein Källström

Eine Basis war aber gelegt, um wieder auf den von Lucien Favre initiierten Weg zurückzufinden, und mit technisch gut ausgebildeten, handlungsschnellen und solidarischen Spielern moderneren und damit erfolgreicheren Fussball zu spielen. Einen Fussball, welcher die Gegner in der Super League vor Probleme stellt. Es sollte wieder ein Herkulesaufgabe werden, gegen den FCZ antreten zu müssen.

Und jetzt Kerzhakov. Noch ein Stürmer. Für die viertbeste Offensive der Liga. Und dass er vorne als erster Verteidiger mit aller Kraft hilft, die Defensive zu stabilisieren, ist eher nicht zu erwarten. Etoundis wertvolles Pensum an Pressingarbeit wird Kerzhakov kaum leisten können. Schon bei den deutlich jüngeren Halbstars wie Gavranovic oder Chermiti dauerte es Jahre, bis sie sich endlich mehr an der Defensivarbeit beteiligten. Kerzhakov ist zudem sicherlich ein Akteur, welchem zuzutrauen ist, das nun mühsam wieder zusammengeflickte Teamgefüge eher zu stören, als noch mehr zu kitten. Einer, der den jungen Spielern Flausen in den Kopf setzen und ein schlechtes Vorbild abgeben kann. Nicht, was den Einsatzwillen betrifft – aber in Bezug auf das Verhalten im Team. Ein zweiter „Kim Källström“ ist Kerzhakov auf keinen Fall. Källström hat in seiner ganzen Karriere in allen Teams immer integrativ gewirkt, Kerzhakov eher das Gegenteil davon. Vielleicht kommt ja alles gut, die individuellen Qualitäten Kerzhakovs sind unbestritten – aber ein Risiko ist es auf jeden Fall, in einer so kritischen Phase einen solchen Spieler mit ins Boot zu nehmen. Kann sich der FCZ dieses Risiko leisten?

„Forward to the Past“ für den FCZ und Kerzhakov

Nach der Verpflichtung von Spielern wie Sadiku, Schneuwly, Cabral oder Marchesano ist der russische Rekordtorschütze ein weiteres Puzzleteil in der neuen FCZ-Transferpolitik, welche immer mehr an die irrationalen späten 80-er und 90-er Jahre erinnert. Mit dem steigenden Einfluss von Ancillo Canepa auf die sportlichen Entscheidungen ist dies auch nicht erstaunlich, denn dieser erinnert in vielen Belangen durchaus stark an den unverwüstlichen Sven Hotz. Der Stadtclub ist so auf direktem Weg nicht „Back to the Future“, sondern „Forward to the Past“, in die Zeit eines Tomas Brolin, John Jairo Trellez oder Adrian Illie, welche alle im heutigen gnadenlos schnellen und taktisch geprägten Spitzenfussball keine Chance mehr hätten, mitzuhalten.

Sollte sich Kerzhakov mit seinem neuen Klub und der Liga identifizieren können, hätte er als kämpferischer Wirbelwind, welcher immer auf seine Chance lauert, und keinen Ball per se verloren gibt, durchaus Potential, ein bei den Fans beliebter Stürmer zu werden. Das primäre Ziel von Aleksandr Kerzhakov ist es allerdings, sich in Zürich fit zu halten, um anschliessend zu Zenit St.Petersburg zurückkehren zu können. Denn sein Erzfeind, Trainer André Villas Boas, wird den Klub aus der nördlichsten Millionenstadt der Welt aller Voraussicht nach spätestens im Sommer verlassen. Einen Wechsel Kerzhakovs innerhalb Russlands liess Zenit nicht zu. Offiziell meldete Kerzhakov zudem Ambitionen auf die Teilnahme an der EM 2016 an, wobei seine Chancen darauf wohl als eher gering einzuschätzen sind, zumal aktuell der Trainer von Zenits Rivalen ZSKA Leonid Slutski gleichzeitig in Personalunion auch für das Nationalteam verantwortlich ist.

Kerzhakovs Kulturschock steht noch aus

Auch über weitere Gründe für Kerzhakovs Wechsel in die Schweiz wird spekuliert. So soll er für die Zeit nach Beendigung seiner Karriere bereits vom Russischen Fussballverband und von Zenit ein Angebot haben, sich strategisch um die Entwicklung des Russischen Fussballs zu kümmern. In dieser Funktion war Kerzhakov dieses Jahr bereits einmal in Spanien auf Erkundungstour. Er schaute sich bei seinem ehemaligen Klub Sevilla und bei Real Madrid die Infrastrukturen an, und auch die Zusammenarbeit zwischen den Verantwortlichen (Trainer 1.Mannschaft, Juniorentrainer, Sportdirektor, Präsident…). In der Schweiz soll Kerzhakov erkunden, wie es der hiesige Fussballverband schafft, mit einer so kleinen Bevölkerungszahl so viele gute Fussballer zu produzieren. Seine Bezugsperson Vitali Mutko war früher Präsident von Zenit, der Russischen Profiliga und des Fussballverbandes, und ist heute in einer eher unüblichen Kombination gleichzeitig Russischer Minister für Sport, Tourismus und Jugendpolitik – und Mitglied des FIFA-Exekutivkomitees.

Dazu kommen als dritter Faktor allenfalls auch noch private Gründe. Mit seiner zweiten Lebensabschnittspartnerin ging es im November in St.Petersburg vor Gericht in einer weiteren Runde um das Sorgerecht für den zweijährigen Sohn Igor (welches zum wiederholten Male Kerzhakov zugesprochen wurde). Die Angelegenheit wurde auf dem ersten Kanal des staatlichen russischen Fernsehens in einer 70-minütigen „Diskussionssendung“ mit Involvierung von Ex-Partnern, Freunden, Bediensteten und Anwälten ausführlich und lautstark breit getreten. Kerzhakov hat zudem eine Tochter, welche bei seiner ersten Frau lebt. Gemäss dem Russischen Boulevard steht es zudem um die dritte Ehe des Russischen „Bombardirs“ zur Zeit nicht zum besten.

Der Trainingsstart am 4.Januar in Zürich wird für den Zenit-Star dann sicherlich zu einem kleinen Kulturschock werden, wenn er erstmals Ivan Kecojevic in dessen Smart und Alain Nef auf dem Velo vorfahren sieht – und sich mit den schmucklosen, einfachen städtischen Infrastrukturen in der Saalsporthalle und der angrenzenden Allmend Brunau bekannt machen wird. Kein abgegrenzter klubeigener Campus, wie es Kerzhakov sein ganzes Sportlerleben lang gekannt hat, und wie es auch schon zu Sowjetzeiten üblich war, sondern ein Training mitten unter Freizeitsportlern, Spaziergängern, Hunden, Skatern und Besuchern des nahen Einkaufszentrums. Selbst der bestverdienende FCZ-Akteur erhält einen Klacks im Vergleich zum Salär Kerzhakovs, welches mit Sicherheit weiterhin (grösstenteils) von Zenit überwiesen wird. In diesen Momenten wird sich wohl mitentscheiden, ob die Leihe für Kerzhakov und den FCZ zum Erfolg wird – oder nicht.

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„Etoundi mit Pendlerqualitäten“: Viertelfinal Spielinfos & Analysen

1512 cup thun fcz performance

Gegen ungewöhnlich harmlose und ausgebrannt wirkende Thuner schaffte es der FCZ trotzdem mit einem 0:1-Rückstand in die Pause zu gehen. Cabral agierte noch schlechter, als gegen Sion, soweit das überhaupt möglich war – und zeigte langsam über den Platz schlurfend eine indiskutable Leistung mit einem Fehlpassfestival par excellence. Das Spiel des FCZ kam trotz zwei guter über Bua eingeleiteter Torchancen nicht in die Gänge.

1512 cup thun fcz stats

Nach der Pause stand dann eine wie ausgetauscht wirkende Equipe auf dem Platz. Das Mittelfeldduo Yapi/Grgic harmonierte prächtig und kurbelte das Spiel an. Anto Grgic antizipierte zudem hervorragend die Spieleröffnungen des Gegners, und stand immer am richtigen Ort. Etoundi nutzte das Selbstvertrauen durch den Siegestreffer gegen Sion und konnte sich noch einmal steigern – mit noch mehr Balleroberungen im Mittelfeld, zwingenden Offensivaktionen, und Kaltblütigkeit im Abschluss.

FCZ im Halbfinal in Sion

Der FCZ trifft im Cup-Halbfinal am 2./3.März auswärts auf den amtierenden Cupsieger FC Sion. Nach den Auswärtserfolgen bei Tavannes/Tramelan, Wohlen, YB und Thun spielt das Team von Sami Hyypiä im Semifinale zum dritten Mal auswärts gegen einen Super League-Vertreter um den Einzug in den Final im Letzigrund!

Der FCZ hat sich 1981 im Cup-Halbfinal im Wiederholungsspiel auf dem Weg zur einzigen Cupfinalniederlage gegen Lausanne zu Hause gegen Sion durchgesetzt. Die anderen drei Cup-Duelle mit den Wallisern gingen gemäss dbfcz.ch alle im Tourbillon verloren. Sion und der FCZ haben beide mit null beziehungsweise nur einer Niederlage in den Cupfinals eine hervorragende Bilanz. In den Halbfinals haben aber beide Teams schon häufig verloren.

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