Testspielbilanz FCZ: Von den Neuzugängen kommt noch zu wenig

Die Testspielbilanz des FCZ diesen Sommer ist mit zwei Siegen, zwei Unentschieden und zwei Niederlagen ausgeglichen. Gegen die nominell etwas höher eingestuften Strasbourg und Göztepe konnten die Spiele tendenziell positiv gestaltet werden, wobei die Gegner in ihrem Vorbereitungsprogramm weniger weit fortgeschritten waren, als der FCZ, was immer das Hauptkriterium für die Leistungsfähigkeit ist (neben aktueller Intensität des Trainings und eingesetztem Personal). Gegen die Unterklassigen Schaffhausen und Sandhausen gab es hingegen jeweils eine 1:2-Niederlage, wobei die Partie gegen Sandhausen unter dem Strich ausgeglichen, und gegen Schaffhausen eher der FCZ mehr „am Drücker“ war. In den ersten 45 Minuten (4:0) gegen Göztepe zeigte die Mannschaft eine Qualität, die in einigen anderen Partien etwas fehlte – die Zielstrebigkeit in der Angriffszone. Die Partie gegen Thun (1:1) war der intensivste und qualitativ beste Match – ein Abnützungskampf auf spielerisch, läuferisch und kämpferisch bereits relativ hohem Niveau. Leider resultierten aus diesem Spiel auch die beiden schmerzhaften Verletzungen von Marco Schönbächler und Antonio Marchesano – genau diejenigen beiden Spieler, die in der Endphase der letzten Meisterschaft am stärkten aufsteigende Form gezeigt und klare Hoffnungsträger für die neue Saison gewesen waren.

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Es wurden wie so häufig mehrere Systeme gespielt (4-4-2, 3-5-2, 4-1-4-1,…), aber die Tendenz ging insgesamt Richtung 3-4-3 – und dies mit sehr offensiv ausgerichtetem Personal. Mit dem aktuellen Kader bringt diese Formation verschiedene Vorteile. Da die Qualität beim FCZ eher vorne liegt, sollte der Ball in der gegnerischen Hälfte gehalten werden – dazu braucht es aber ein gutes Pressing – grundsätzlich nicht die grösste Stärke von Moussa Koné und Raphael Dwamena. Ein laufstarker Mittelstürmer wie Frey oder Cavusevic ist darum neben einer lückenlosen Pressingformation, welche das 3-4-3 bietet, essentiell. Die drei Stürmer rotieren viel, aber grundsätzlich kommen Koné, Dwamena (und Rohner) vorwiegend über die Flügel, wo sie ihre Schnelligkeit ausspielen können. Rodriguez, Winter und Haile-Selassie sind von Haus aus eigentlich auch offensive Flügel, wurden aber in dieser Vorbereitung vorwiegend als Aussenläufer eingesetzt – analog zu Brunner oder Pa Modou – und dies funktionierte ganz ordentlich.

Die Defensivzentrale ist die Position, wo der FCZ nach dem Abgang von Ivan Kecojevic und den Verletzungen Kryezius und Alesevics gerne einen Spieler verpflichtet hätte. Es konnte aber bisher keiner gefunden werden, der bezahlbar ist und gleichzeitig den FCZ weiterbringt. Umaru Bangura hat auch in der Challenge League häufig nicht überzeugen können (als einziger Verteidiger mit ungenügender Züri Live-Durchschnittsnote). Der Captain von Sierra Leone kann zwar immer wieder seine Schnelligkeit und Technik ausspielen, hat aber in den Zweikämpfen, im taktischen Verhalten und in der Luft klare Defizite. Alain Nef hatte gegen Thun und Schaffhausen je einen Fehler dabei, der zu einer Topchance des Gegners führte, war allerdings in den letzten zwei Jahren in Wettbewerbspartien der konstanteste FCZ-ler und gerade in engen Spielen immer voll da – und letztendlich für den Wiederaufstieg enorm wichtig. Nicht ohne Grund wurde der Zürcher von den FCZ-Fans mit klarem Vorsprung zum „Spieler der Saison“ gewählt.

Durch die Verletzungen und Abgänge wurde Burim Kukeli in der Vorbereitung hauptsächlich in der Verteidigung eingesetzt. Dem Albanischen Nationalspieler fehlt der Antritt von Bangura – er ist dafür aber bezüglich defensivem und offensivem Spielverständnis unvergleichlich, und kann durch Cleverness und Antizipation mögliche gegnerische Torchancen im Keim ersticken. Neuverpflichtung Pa Modou Jagne wurde auf allen hinteren Positionen links oder halblinks getestet – also auch in der Dreierabwehr. Der Gambier ist für diese Position durchaus eine valable Option. Anders sieht es bei Cédric Brunner aus, der in der Dreierabwehr hinten jeweils einen zu starken Unsicherheitsfaktor darstellt. Der junge Albin Sadrijaj ist zudem nach den Eindrücken der Testpartien immer noch relativ weit davon entfernt, dass man auf ihn bauen könnte – im Gegensatz zu einem gesunden Kryeziu oder Alesevic. Dies nachdem der 20-jährige wie schon im letzten Sommer in den Vorbereitungspartien viel Einsatzzeit und im Juni zudem einen Profivertrag erhalten hatte. Der zu Xamax abgewanderte Arbenit Xhemajli schien schon etwas weiter entwickelt zu sein.

testspiele-skorerpunkte-minuten-1707Aus Sicht von Züri Live hat Trainer Uli Forte zur Zeit mit Nef, Bangura, Kukeli und Pa Modou nur vier wirklich valable Spieler für die drei (oder zwei) Innenverteidigerpositionen zur Verfügung, wobei zumindest bei dem sich im Aufbautraining befindlichen Armin Alesevic der Wiedereinstieg absehbar erscheint. Am Donnerstagvormittag stand dieser in Umkehrung der Situation der letzten Wochen und Monate zusammen mit Kay Voser und Assistenztrainer Sandro Chieffo als einziger im Regen auf dem Platz, während Antonio Marchesano in den Katakomben der Saalsporthalle seine Übungen absolvierte, und der Grossteil der Mannschaft im Fitnesszentrum war. Umaru Bangura wird wohl am ehesten als „gesetzt“ in die Saison starten. Dies gilt wohl ebenso für den neuverpflichteteten Pa Modou Jagne – egal auf welcher Position. Auch Michael Frey wird wohl als Stammspieler beginnen. Trotz harzigen Testpartien könnte man sich bei ihm vorstellen, dass er zum Derby hin bereit sein wird. Von den beiden neuen Mittelfeldspielern Yassin Maouche und Victor Palsson kann man dies eher nicht behaupten – wobei das Team auf der Position im Zentralen Mittelfeld auch ohne die Neuzuzüge genug Auswahl hat.

Von den Teenagern hat sich Kevin Rüegg bereits im Verlauf der letzten Rückrunde als Stammspieler etabliert und im Verlauf der Vorbereitung weitere Fortschritte gemacht. Maren Haile-Selassie und Fabian Rohner machten zudem den Eindruck, dass man sie jederzeit ins kalte Wasser werfen kann, und dass sie auch in der Super League im ein oder anderen Spiel für die Differenz sorgen könnten. Auch Izer Aliu trat engagiert und im Vergleich zur letzten Saison deutlich verbessert auf. Er ist in dieser Verfassung durchaus eine ernsthafte Option, gerade auch wenn es im Spiel nach vorne Ideen und andere Lösungen braucht.

Auf der Torhüterposition sind die Rollen klar verteilt, wie es scheint. Andris Vanins hat in den Vorbereitungspartien zum Teil die Captainbinde getragen und übernimmt auch sonst noch stärker als schon zuvor eine Leaderrolle im Team, und gibt seine Kommandos von hinten heraus mittlerweile zu grossen Teilen in Schweizerdeutsch. Yanick Brecher hat in der Vorbereitung den Eindruck bestätigt, dass er nach der Verletzungspause gereifter zurückgekehrt ist – das Niveau eines Andris Vanins bringt er allerdings nicht mit.

 

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