Punktebilanz: nur Favre besser als Meier

Die „Angst vor einer Negativspirale“ war gemäss Präsident Ancillo Canepa an der heutigen Medienkonferenz im Letzigrundstadion der Grund für die Entbindung vom Amt als Cheftrainer von Urs Meier beim FC Zürich, . Hätten nur 20 Stunden zuvor Gavranovic und Sadiku in der 93.Minute an der Seitenlinie nicht gemeinsam den Zweikampf gegen Kim Källström verloren, und damit dem jungen Florian Kamberi im Derby die Chance auf den Siegtreffer in letzter Sekunde eröffnet, würde der Trainer heute immer noch Urs Meier heissen. Dies wollte der FCZ-Präsident zwar verständlicherweise nicht zugeben, aber die detaillierte Begründung der Freistellung lässt keinen anderen Schluss zu.

Situation der Freistellung wie bei Urs Fischer

Die Situation erinnert sehr stark an die Freistellung von Urs Fischer, dem späteren erfolgreichen Thun- und jetzigen Basel-Trainer vor dreieinhalb Jahren. Auch damals hatten in der Winterpause Leistungsträger wie Rodriguez, Mehmedi, Djuric, Alphonse und Margairaz alle gleichzeitig den Klub verlassen. Auch damals wurde der Trainer von den Medien mit unfundierter Kritik eingedeckt. Dabei gelang es Fischer damals erstaunlich schnell, den Umständen entsprechend mit dem noch vorhandenen Personal und einzelnen eher namenlosen Zuzügen in kurzer Zeit das Team neu auszurichten. Mehrere Spieler (Buff, Drmic, Djimsiti, Nikci) blühten auf, die „Neuen“ Glarner und Pedro Henrique fügten sich gut ein, es gab damals in sechs Partien nur eine einzige schlechte Halbzeit: gegen Sion. Die Resultate waren natürlich schwankend, was aber in einer solchen Phase völlig normal ist.

Auch im Sommer 2015 agierte die durch Verletzungen und Abgänge stark ersatzgeschwächte Mannschaft von Urs Meier in den ersten vier Partien der Saison schon erstaunlich kreativ, spielfreudig, kämpferisch und geschlossen. Der Start gegen YB war stark, gegen Vaduz ging es zu Beginn nahtlos so weiter, bis ein Spieler, welchem sonst nie einen Fehler unterläuft, eben auch mal einen solchen beging: Burim Kukeli. Dies brachte die ganze Mannschaft kurzzeitig etwas aus dem Tritt. Die Partie gegen Dinamo Minsk war dann wirklich als einzige schlecht, bevor das stark ersatzgeschwächte Team im Derby wieder eine klare Reaktion zeigte, und gegen offensiv zur Zeit enorm starke Grasshoppers mindestens ein Unentschieden verdient gehabt hätte. Spieler, die zu Beginn noch Problemspieler waren, wie Chermiti, Sadiku oder Koch, zeigten zuletzt klar aufsteigende Tendenz, Buff übernahm immer mehr Verantwortung, die jungen Sarr, Brunner und Simonyan begingen zwar Fehler, aber die positiven Eindrücke überwogen.

Meier mit bester Punktebilanz nach Favre

Niemals werde ich die Gesichter der Spieler im persönlichen Gespräch vergessen, nachdem im November 2012 Urs Meier definitiv neuer Cheftrainer geworden war: offen, fröhlich, optimistisch, mit strahlenden Augen, als habe soeben die Sonne eine schwere Nebelschicht vedrängt. Sie fühlten sich von Meier respektiert und teilten seine Ideen von Fussball.  Dementsprechend gedrückt war nun offenbar auch die Stimmung heute bei der Verkündung von dessen Freistellung. Präsident Ancillo Canepa ist sicherlich hoch anzurechnen, dass er Urs Fischer und später Urs Meier eine Chance als Cheftrainer gegeben hat. Und die lokalen Medien, welche von Beginn weg eine negative Einstellung gegenüber diesen beiden Trainern gehabt hatten, wurden Lügen gestraft. Dass nun aber in beiden Fällen nach einem enormen personellen Umbruch und dem Abgang von mehreren Leistungsträgern die Geduld beim Präsidenten aufgrund der durchzogenen Resultate bereits nach wenigen Spielen aufgebraucht war, scheint eher unverständlich.

Zusätzlich unverständlich ist es, wenn man die Punktebilanz von Urs Meier beim FCZ anschaut – er kommt auf 1.66 Punkte pro Spiel. Seit Jeandupeux-Zeiten vor mehr als 30 Jahren hatte nur ein einziger FCZ-Trainer in der NLA/Super League einen besseren Punkteschnitt: Lucien Favre (1.86). Sogar der später mit dem FC Thun und aktuell mit Basel sehr erfolgreiche Urs Fischer hatte einen leicht schlechteren Schnitt (1.59) genauso wie Meistertrainer Bernard Challandes (1.63). Fischer und Challandes sind bekannt dafür, aus einem Team das Maximum herausholen zu können – Meier hat diese beiden nun sogar noch übertroffen. Ist dies nicht eher ein Zeichen dafür, dass diese Bilanz unter den aktuellen Voraussetzungen das maximal Erreichbare für den FCZ darstellt? Sind die Erwartungen nicht etwas zu hoch? Der Erfolg und die Titel, welche der FCZ in den letzten Jahren feierte, hätten viele Teams, die vor der Ära Favre auf Augenhöhe mit dem FCZ oder gar vor diesem waren, sehr gerne selber gefeiert. Und dass ein neuer Weltklassetrainer à la Favre dem FCZ erneut über den Weg läuft, ist eher unwahrscheinlich.

„Unruhe“ im Blätterwald wird kein Ende nehmen

An der Pressekonferenz wurde Ancillo Canepa gefragt, ob er nun die Hoffnung habe, dass mit den Abgängen von Meier und Chikhaoui die Unruhe rund um den Verein ein Ende haben werde. Canepa antwortete, dass im Verein selber in letzter Zeit immer Ruhe geherrscht habe. Dies klingt für jemanden, der regelmässig die lokalen Medien wie Tages-Anzeiger oder NZZ konsumiert, auf den ersten Blick etwas unglaubwürdig, entspricht aber tatsächlich der Realität. Die „Unruhe“ findet vorwiegend im Biotop des Blätterwaldes statt. Der Journalist hätte die Frage also eher sich selber stellen müssen.

Canepa äusserte zum Abschluss dann noch die Hoffnung, dass der neue Trainer bei den Medien besser ankommen würde. Diese Hoffnung ist aber illusorisch. Wir reden hier von den gleichen Medien, die auch gegenüber Favre, Challandes und Fischer immer sehr kritisch waren. Einzig bei Rolf Fringer (Punktebilanz: 1,21) waren sie dank dessen Eloquenz etwas gnädiger eingestellt. Aber der Trainer des FCZ und alle Situationen rund um den Klub werden auch in Zukunft in den Zürcher Medien immer aus dem negativst möglichen Blickwinkel dargestellt werden. Dies wird sich so lange nicht ändern, wie die aktuelle Generation der Zürcher Fussball-Journalisten aktiv sein wird, denn diese besteht zur Mehrheit aus GC- und FCB-Sympathisanten. Diese werden auch in Zukunft nicht müde werden, möglichst wenig über Fussball, und möglichst viel über „Unruhen“ und Pseudo-Problemchen beim FCZ zu schreiben und zu berichten. Damit muss man sich als FCZ-Supporter einfach abfinden, und auch in Zukunft nur den eigenen Augen und Ohren vertrauen.

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