Wir sind FC Wil! Die andere Seite der Story

„Gaht’s no?“, „Nöd ganz bachä?“, „Geschter ztüüf id Guttere glueget?“. So und ähnlich stelle ich mir die Reaktion auf den Titel dieses Artikels in Teilen meines Fussballumfeldes in etwa vor. Ja, der FC Wil ist nicht das Schätzli der Nation und in der Ostschweizer Beliebtheitsskala gegenüber dem alles beherrschenden FC St. Gallen weit im Hintertreffen – sogar in Wil selbst! Auch in den Fankurven des Landes haben die Wiler keine Freunde – mit Ausnahme ein paar treuer Nasen in der Schaffhauser Bierkurve. Kein Wunder lässt sich einfach und folgenlos auf dem Klub herumtrampeln – von Politikern, Journalisten und Fussballinteressierten landauf landab. Auf dieses Schwarze Schaf konnte man sich schnell einigen.

Kein Wunder, lassen sich von Seiten der Disziplinarkommission der Liga schnell mal Punktabzüge aussprechen. Und dies gleich doppelt! Einmal aufgrund von nicht vollständig bezahlten Januarlöhnen und einmal wegen entsprechend ebenfalls fehlendem Nachweis der dazugehörigen Sozialversicherungszahlungen. Also zwei Tatbestände, welche materiell eigentlich identisch sind. Es geht dabei um nicht komplette Nachweise bei drei Spielern. Das Strafmass wirkt aus neutraler Sicht willkürlich. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Liga das Strafmass auf der Basis der Anzahl BLICK-Schlagzeilen kalkuliert. Einen faden Beigeschmack erhält die Sache ausserdem dadurch, dass Heinrich Schifferle, Vizepräsident von Abstiegskonkurrent Winterthur, nach dem Rücktritt von Wil-Präsident Bigger in der Liga-Exekutive noch mehr Einfluss geltend machen kann, selbst wenn diese keine direkte Entscheidungsgewalt in Disziplinarfragen hat.

Dabei sollte für eine seriöse Rechtssprechung keine Rolle spielen, wie beliebt ein Klub ist, wie viele reisserische BLICK-Schlagzeilen produziert wurden, und ob direkte Konkurrenten in der Liga-Exekutive Einfluss haben. Es kann nicht sein, dass wie bei einer mittelalterlichen Hexenjagd einfach aufgrund schlechter Presse dem Instinkt bergholz-silhouette-hagelnachgegeben wird, „irgendetwas“ gegen das Schwarze Schaf unternehmen zu müssen. Fehler passieren überall. Würde die Disziplinarkommission in Zukunft bei den monatlichen Abrechnungen die Verschärfung des Lizenzreglements wirklich immer so streng bewerten wie aktuell beim FC Wil, dann würden die Super League und Challenge League zunehmend am Grünen Tisch entschieden. Es gewinnt der Klub mit den zuverlässigeren „Bürogummis“, und nicht derjenige mit der besseren Fussballmannschaft. Dazu kommt die ebenfalls völlig unsinnige Regel der Bestrafung eines Klubs bei „unbewilligtem Eigentümerwechsel“ welche gegen fundamentalste rechtsstaatliche Prinzipien verstösst. Denn für eine Bestrafung muss eine rechtswidrige Handlung gegeben sein. Ein Eigentümerwechsel hingegen kann gänzlich ohne Beteiligung und sogar ohne das Wissen des Klubs vonstatten gehen.

Das Klubbudget innerhalb von wenigen Wochen um rund das Fünffache zu kürzen, wie die Wiler Verantwortlichen dies im Februar unter enormem Zeitdruck bewerkstelligten, ist eine Parforceleistung, welche 99% der Besserwisser nicht hingekriegt hätten. Besserwisser sind auch in diesem Fall das Gegenteil von Bessermachern. Im Gegensatz zu allen Besserwissern hat das Team um Präsident Roger Bigger den Klub über ein Jahrzehnt mit bescheidenen Mitteln und grossem Einsatz erfolgreich geführt. Für heutige Bundesligaspieler wie Fabian Schär oder Dario Lezcano, aber auch erfolgreiche Schweizer Trainer wie Marcel Koller oder Uli Forte war der FC Wil in dieser Zeit der entscheidende Entwicklungsschritt.

Warum „sind wir FC Wil“? Weil Wil kein Spezialfall, sondern viel eher typisch für alle nicht mit Champions League-Millionen gesegneten Schweizer Profiklubs ist. Es wird schnell vergessen, dass vor zwei Jahren die langjährigen verdienstvollen gewerblichen Sponsoren des FC Wil zum Schluss kamen, dass aufgrund des damals neuen FIFA-Verbots der „Third Party Ownership“ an Spielern ein Engagement wie bisher für sie nicht mehr finanzierbar ist. Sie mussten den Klub so oder so abgeben. Es wurde händeringend nach einem neuen Besitzer für den Klub gesucht, so wie fast alle Klubs in der Schweiz aktuell, in der jüngeren Vergangenheit oder in baldiger Zukunft händeringend nach neuen Verantwortlichen suchen müssen. In der Region liess sich niemand finden. Mehmet Nazif Günal aus der Türkei war schlussendlich die beste konkrete Variante. Und es war mit Sicherheit eines der seriösesten Angebote für eine Übernahme, das ein Schweizer Verein in den letzten Jahren erhalten hat. Es wurden in der Folge dann auch tatsächlich Nägel mit Köpfen gemacht und die finanziellen Verpflichtungen immer pünktlich bezahlt.

Alle haben vom ambitionierten Projekt in Wil und dem frischen Geld aus der Türkei profitiert. Das lokale Gewerbe und vor allem natürlich die Spieler, deren Arbeitsbedingungen stark professionalisiert und die Löhne wesentlich angehoben wurden. Die Medien hatten eine interessante Story. Die ganze Challenge League hat sportlich einen Schritt nach vorne gemacht. Der FC Wil war der FCZ der Saison 2015/2016. Das Team mit Stars wie André Santos, Mert Nobre oder Egemen Korkmaz hat das Niveau der Liga angehoben und jeder wollte sie unbedingt besiegen. Viele Teams wurden aus einer gewissen Lethargie gerissen, allen voran Lausanne-Sport. Den Waadtländern taten die kompetitiven Duelle mit Wil gut. Die Mannschaft entwickelte sich weiter und hat nach dem Aufstieg Chancen, sich in der Super League zu behaupten. Lausanne, Aarau und Lugano profitierten zudem über lukrative Transfers auch direkt vom Geldsegen aus der Türkei.

Es ist ja nicht so, dass die Liga im Geld schwimmen würde. Zustupf von aussen ist grundsätzlich immer willkommen, denn die TV-, Sponsoring- und Zuschauereinnahmen bleiben nun mal auf einem vergleichsweise bescheidenen bergholz-habel-3Niveau. Die anderthalb Jahre, in welchen Mehmet Nazif Günal da war, hat er einen stark positiven Beitrag zum Schweizer Fussball geleistet. Und jetzt? Ohne Zweifel bleibt vor allem die Abruptheit des Abgangs des Türkischen Milliardärs höchst unbefriedigend. Aber sonst? Die Spieler müssen auf ihre finanziellen Privilegien wieder verzichten und sind zurück auf dem alten Niveau von vor der Günal-Ära. Der Stadionausbau, dem die Stadtverwaltung sowieso skeptisch gegenüberstand, wir nun doch nicht realisiert. Wil ist wieder dort, wo es vor der Günal-Ära war. Ein Klub, der finanziell eher zu den ärmeren Klubs der Challenge League gehört und auch mal zwischendurch mit einem Abstieg in die Promotion League rechnen muss, wo Wil eines der Top-Teams wäre.

Fussball ist ein Spiel – und es ist Unterhaltung. Natürlich sollte der Sport nicht zum Casino werden, aber ebensowenig zu einem langweiligen „Beamtenhalma“ auf Sparflamme verkommen. Die Besitzer von Fussballklubs riskieren ihr persönliches Geld, keine Pensionskassenvermögen braver Rentensparer. Wo liegt also genau das Problem? Das oberste Ziel im Spitzenfussball ist der sportliche Erfolg. Auch weltweit macht kaum ein Fussballklub Profit. Die Klubs geben alles Geld aus, das sie haben. Manchmal auch mehr. Aus diesem Grund leben fast alle Fussballklubs ständig am Rande der Insolvenz. Genauso wie auf dem Platz um jeden Meter gefightet wird, geht es auch neben dem Platz in der Schweiz bei allen nicht mit jahrelangen Champions League-Millionen gesegneten Klubs finanziell immer eng zu und her. Man kann und will keine wesentlichen Rücklagen für die Zukunft bilden, denn dies könnte die sportliche Wettbewerbsfähigkeit im Hier und Jetzt kompromittieren. Auch die Fans, Sponsoren und Medien messen die Klubs fast ausschliesslich am kurzfristigen sportlichen Erfolg.

Nach dem „französischen“ Abgang Günals, schlug in den Zeitungsspalten wieder die Stunde der populistischen Vorschläge. Zum Beispiel, dass Ausländern generell der Besitz von Schweizer Fussballklubs verboten werden soll. Oder dass von Eigentümern verlangt werden soll, die Löhne und Sozialleistungen für ein ganzes Jahr im voraus auf ein Sperrkonto einzuzahlen. Das Problem soll also mit immer mehr Restriktionen und Hürden gelöst werden. Diese Stossrichtung fusst allerdings auf einem fundamentalen Denkfehler. Das Grundproblem ist, dass die Klubs bei einem anstehenden Besitzerwechsel keine guten Kandidaten finden. Dies ist nicht wirklich überraschend, wie das Beispiel Wil plastisch vor Augen führt. Vereinsverantwortliche und Vereinsbesitzer erwartet von Seiten der Öffentlichkeit das ganze Spektrum von Skepsis über Undankbarkeit bis zu Beleidigungen und Hetzkampagnen und sogar offenem Hass oder wie im Fall Chagaev gar strafrechtlichen Konsequenzen für ihr Engagement.

Selbst Gigi Oeri und Bernhard Heusler (FCB) beim sportlich und finanziell erfolgreichsten Klub der Schweiz waren und sind davor nicht gefeit. Wer einen Fussballklub übernimmt, riskiert, alles zu verlieren: Zeit, Geld, Ruf, Sicherheit und Freiheit. Wer will sich und seinem unmittelbaren Umfeld so etwas noch antun? Die Antwort: nur Menschen, die entweder unwissend oder verrückt sind. Der bestmögliche Fall sind „positiv Verrückte“ à la Constantin, Canepa oder Rihs. Aber diese sind eine rare Spezies. Bernhard Heusler wollte direkt nach der Übernahme der Aktienmehrheit Gigi Oeris an der FC Basel Holding einen neuen Mehrheitsbesitzer finden – und schaffte es nicht! Selbst der äusserst erfolgreiche FCB mit einem enorm gut vernetzten Wirtschaftsanwalt an der Spitze benötigte geschlagene fünf Jahre, um mit Bernhard Burgener endlich den „Oeri-Nachfolger“ zu finden. Und nur dank dem mit der Champions League verbundenen Geldsegen musste man in der Zwischenzeit keinen Schnellschuss machen.

Im Interesse des Schweizer Fussballs sollte es sein, dass die Übernahme eines Fussballklubs so attraktiv ist, dass sich bei einer anstehenden Nachfolgeregelung mehrere valable Kandidaten dafür interessieren, so dass der Klub den besten Kandidaten hinsichtlich Nachhaltigkeit, Herzblut, Verwurzelung in der Region sowie finanzieller Unabhängigkeit auswählen kann. Es braucht also ganz sicher nicht noch zusätzliche Hürden für potentielle Interessenten. Stattdessen sollte die Eignerschaft an einem Schweizer Fussballklub für gute, einheimische Interessenten wieder attraktiver gemacht werden. Dazu gehört ein Abbau zu restriktiverer Regularien und eine fairere, ausgewogenere Presse für die aktuellen Verantwortlichen. Es muss sich wieder lohnen, einen Schweizer Fussballklub zu übernehmen und finanziell zu unterstützen.

(lst)

„Underachievers“ – grosse Halbzeitbilanz der Challenge League, 2.Teil

Die Rückrunde hat begonnen. Nach der Hälfte der absolvierten Meisterschaft in der Challenge League können die zehn beteiligten Clubs in folgende drei Kategorien eingeteilt werden, je nachdem ob sie über, unter oder den Erwartungen entsprechend klassiert sind:

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Im Ersten Teil haben wir auf die drei Teams geschaut, welche in der Vorrunde die Erwartungen übertroffen haben. Nun sind die „Underachievers“ dran.

FC Wil: Vom Hauptkonkurrenten zum Sanierungsfall

Die Fragestellung zum FC Wil bei der Vorrunden-Rückschau auf Züri Live am 12. Dezember war: „Neue Kontinuität unter Martin Rueda?“. Gleichentags wurde im Bergholz Rueda beurlaubt, und die Realität des Unstetigen hatte das Thema bereits wieder obsolet gemacht. Der Aargauer war ein Trainer gewesen, welcher die Liga bestens kennt. Er richtete kurz nach seiner Anstellung selbstbewusst kämpferische Worte nach Zürich. Der FC Wil könne noch aus eigener Kraft aufsteigen, da man noch dreimal gegen den FCZ spielen würde. Das galt schon nicht mehr nach der 0:3-Niederlage in Ruedas erstem Spiel in der 7. Runde beim FC Winterthur. Wieder wurde dort, wie schon in Neuenburg, in einem wichtigen Moment ein Penalty verschossen, diesmal beim Stand von 0:0 durch Samir Fazli, der zu Beginn der Zweiten Halbzeit innerhalb von 15 Minuten nach übermotivierten Fouls auch noch zweimal die Gelbe Karte sah – und so vom Platz gehen musste.

Drei Lattentreffer zeigen auf, dass Wil nicht schlechter, aber weniger effizient war. Danach holten die Ostschweizer aber aus 5 Spielen das bergholz-silhouette-hagelMaximum von 15 Punkten und verkleinerten den Rückstand auf den FCZ tatsächlich. In den folgenden sieben Spielen führten aber nur noch vier tor- und trostlose Unentschieden zu Punkten, am Schluss der Vorrunde daheim gegen Neuchâtel Xamax, und zu Beginn der Rückrunde auch zu Hause gege Le Mont. Der Punkt gegen Xamax kam glücklich zustande. Kein Wunder! Rueda liess gleich sechs regelmässig eingesetzte Spieler auf die Reservebank oder gar Tribüne setzen. Diese Aktion verdeutlichte bereits frühe Abnützungserscheinungen. Die sportlichen Verantwortlichen um Verwaltungsrat Abdullah Cila und Sportdirektor Roland Koch reagierten auf die mässige Phase und auf das letzte, ungenügende Spiel mit der erneuten Entlassung des Cheftrainers. Während unter Ugur Tütüneker 1,33 Punkte pro Spiel gewonnen wurden, kam Rueda auf einen knapp besseren Schnitt von 1,5.

Zu allen 9 Vorrundenheimspielen des FC Wil kamen zusammengezählt weniger Personen in die IGP-Arena als zum Startspiel des FCZ gegen den FC Winterthur an einem regenreichen Montagabend in den Letzigrund, 12’590 vs. 13’704. Realistisch gesehen hatte der FC Wil schon vor dem Rückrundenstart mit 22 Punkten Rückstand keine Chance mehr, in die Super League aufzusteigen. Im Wochentakt folgten daraufhin die wenig Hoffnung erweckenden Meldungen von den Abgängen von Captain Egemen Korkmaz, Murat Akin, Paul Papp und Gjelbrim Taipi, dann die ausstehenden Januarlöhne, und schliesslich die Meldung vom Rücktritt aller türkischen Verwaltungsräte und dem Verkauf der Mehrheit des Aktienpaketes an eine offenbar illiquide Türkische Gesellschaft. Die in diesem Zusammenhang erläuterten Zahlen von Wils verbliebenen Verwaltungsräten bestätigten die Vermutung, dass Wil in dieser Saison mehr Geld für die 1.Mannschaft ausgab, als der FCZ. Zu hoffen bleibt, dass die Ostschweizer die nächsten Wochen überleben und wie in der Vergangenheit als gut geführter Challenge League-Klub weiterexistieren werden. Jeder solche Klub ist wichtig als Stütze des Schweizer Fussballs.

FC Aarau: harte Spielweise als Bumerang

Schon der Start in die neue Saison im heimischen Brügglifeld gegen den FC Chiasso verlief für den FC Aarau harzig. So kann auch diese Vorrunde beurteilt werden. Zwei direkte Rote Karten gegen Olivier Jäckle und Geoffrey Tréand in der Schlussphase dieses Spiels zeigten ein grundsätzliches Problem, der von Trainer Marco Schällibaum eingestellten Mannschaft: überbordender, teilweise kurzzeitig unkontrollierter Einsatz über der Grenze von gesunder, aggressiver Härte. Sechsmal musste ein Aarauer Spieler das Feld vorzeitig verlassen, durchschnittlich in jedem dritten Spiel. Stephane Bèsle verursachte eine solche Situation gleich zwei Mal. Da einzelne Schlüsselspieler so wegen Sperren zusätzlich fehlten, mangelte es bei Aarau etwas an der Feinabstimmung.

aarau-bruegglifeld-gegentribuene-negativDabei holten die Aargauer aus den ersten 5 Spielen noch 11 Punkte. Der Bruch kam in der 9. Runde im heimischen Brügglifeld in der 94.Minute, als dem über weite Strecken überlegenen FCZ in letzter Sekunde in einem emotionalen Spiel doch noch der verdiente Ausgleich gelang, wobei ein Schuss von Kecojevic durch Sandro Burki entscheidend abgelenkt wurde. Danach folgten 5 Spiele mit nur einem erst noch etwas glücklich erkämpften Punkt daheim gegen den FC Winterthur. Wie schon in der Abstiegssaison vor zwei Jahren war das herbstliche Heimspiel gegen den FCZ der Aarauer Knackpunkt und Beginn einer Negativserie. Der Geist von Sandro Wieser scheint immer noch im Brügglifeld herumzuspuken. Das 3:6 gegen den gleichen Gegner im Letzigrund war immerhin ein Torspektakel, bei welchem Aarau einen guten Anteil am unterhaltsamen Spiel hatte. Die letzten kleinen Aufstiegshoffnungen gingen dann in der 16.Runde daheim gegen Neuchâtel Xamax verloren.

Der Gast wendete einmal mehr in der 2. Halbzeit ein Spiel und gewann nach vorherigem Rückstand durch ein Tor von Raphaël Nuzzolo in der 88. Minute mit 2:3. Der 4. Rang ist das weniger Schlechte in der bisherigen Saisonbilanz. Schlimmer ist der desillusionierende Rückstand von 22 Punkten auf den FC Zürich. Der FC Aarau wollte länger im Rennen um den Aufstieg dabei bleiben. Das Ziel für den restlichen Saisonverlauf muss vor allem sein, mehr Konstanz und mehr Disziplin ins Spiel zu bringen und so einen Boden zu legen für die kommende Saison. Immerhin kamen durchschnittlich 3’990 Zuschauer zu den Heimspielen.

FC Winterthur: Derbystimmung kontrastiert mit Alltagssorgen

Das erste und das letzte Spiel bildeten den Rahmen für den FC Winterthur in dieser ersten Saisonhälfte. Der gemeinsame Nenner waren jeweils besondere klimatische Bedingungen, der Gegner, das Resultat und die überragenden Saisonrekordzuschauerzahlen in den jeweiligen Stadien, verbunden mit der Stimmung auf den Rängen. Während der FC Winterthur im Letzigrund chancenlos war, und etwas zu wenig mutig agierte, hätte der Club daheim bei besserer Chancenauswertung einen Punkt erreichen können. Genau dieses letzte Spiel zeigte aber schuetzi-sulzer-christmas-tree-foliedie Gefahr auf, in der sich der FC Winterthur befindet. Der mittlerweile durch das interne Duo Romano/Zuffi ersetzte Trainer Sven Christ musste wohl keinen Spieler speziell dazu motivieren, in einem solchen Kantonsderby alles zu geben. Man bekam vom favorisierten Gegner grossen Respekt und Anerkennung für die umsichtige Durchführung des Anlasses, verlor am Ende das Spiel aber nach aufopferndem Kampf dennoch.

Anders sieht es aus, wenn der FC Winterthur beispielsweise in Baulmes antritt, wo die Spieler oft mangelhaft auftreten, ungenügende Leistungen und Resultate erbringen, auch wenn es in dieser Vorrunde bei einem Chancenplus in der Nachspielzeit durch Ex FCZ-Stürmer Silvio immerhin zu einem 1:1 reichte. Silvio erzielt einen grossen Teil der Tore der nach Le Mont zweitschlechtesten Offensive der Liga. Zu viele Spieler scheinen in der sogenannten „Wohlfühloase“ Winterthur zu stagnieren und der Sprung von der Juniorenabteilung mit gutem Ruf in die 1.Mannschaft funktioniert auch nicht mehr so reibungslos wie auch schon. Die Zeiten, als an den Olympischen Sommerspielen von London 2012 mehr als die Hälfte der Schweizer Stammformation ehemalige Winterthurer Junioren waren, sind vorläufig vorbei. Auswärts stehen die Eulachstädter immer noch bei nur einem Sieg und sind mitten im Abstiegskampf angelangt.

FC Schaffhausen: Neues Stadion, neues Glück? 

Schaffhausen geriet nach gutem Start in eine Ergebniskrise mit nur einem Punkt aus elf Spielen. Es ist aber möglich, dass sich Schaffhausen vom Tabellenende noch klar wird lösen können. Bisher war die schwache Defensive zu sehr von den Toren von Demhasaj abhängig. Neu neues-stadon-von-aussen-bwwerden nun die Heimspiele im neuen Stadion im Herblingertal auf Kunstrasen ausgetragen. Dort soll es dann im Gegensatz zur Vorrunde mehr als nur einen Heimsieg geben. Beim letzten Heimspiel auf der altehrwürdigen Schaffhauser Breite Anfang Dezember setzte es im Direktduell mit Chiasso vor 2‘000 Fans eine 1:2-Pleite ab. Der langjährige Schaffhausen-Mäzen und -Präsident Aniello Fontana konnte krankheitshalber nicht dabei sein.

Mit dem neuen Trainer Murat Yakin, der 2010 schon den FC Thun zum Aufstieg in die Super League geführt hat, soll es wieder aufwärts gehen. In jener Aufstiegssaison wie auch in den folgenden drei Super League-Jahren war Mittelfeldspieler Muhamed Demiri ein wichtiger Baustein der Berner Oberländer gewesen. Nun hat ihn Trainer Yakin in Basel bei den Old Boys in der Promotion League wieder ausgegraben. Dazu kamen sechs weitere Neuzugänge, davon vier von Super League-Klubs. In den Wintertestspielen konnten die Munotstädter YB und St.Gallen besiegen.

Von Toni Gassmann und Lukas Stocker

 

Beendet die Challenge League die Saison mit 10 Teams?

Die Züri Live-Experten Toni Gassmann und Ronny Bien waren sich schon im Dezember uneinig. Was ist Deine Meinung?

Beendet die Challenge League die Saison 2016/17 mit allen 10 Teams?

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Chiasso ist in finanziellen Schwierigkeiten und muss in der Winterpause mit Lurati und Milosavljevic sein Tafelsilber nach Sion verkaufen. Schaffhausen bewegt sich gleichzeitig durch die Krankheit des langjährigen Präsidenten und Eigentümers Aniello Fontana ausgerechnet kurz vor der Eröffnung des neuen Stadions wochenlang in ein Führungsvakuum. In Winterthur sucht man fieberhaft nach einem neuen finanziellen Standbein für die Ära nach Mäzen Hannes W. Keller. Der Saudi Monquez Alyousef gibt beim FC Wohlen die Aktienmehrheit wieder ab. Le Mont-Präsident Serge Duperret hat Sorgen, weil er ab nächster Saison nicht mehr in Baulmes spielen kann, und droht über die Medien mit dem Rückzug seines Klubs aus der Challenge League, wenn die Gemeinde ab nächster Saison nicht die Hälfte der Stadionmiete auf der deutlich teureren Lausanner Pontaise übernimmt.

In Aarau und Genf, wo im Herbst bei manchen Spielen das Zuschauerinteresse gross war, herrscht zum Rückrundenauftakt gähnende Leere auf den Tribünen. Schliesslich verlässt mit Mehmet Nazif Günal der grösste Mäzen („Investor“ ist im Fussball der falsche Begriff) des Schweizer Fussballs den FC Wil Knall auf Fall und ohne Adieu zu sagen. Der finanzielle Liga-Krösus der Challenge League muss innert kürzester Frist gewaltig abspecken und ist in erster Linie wegen der Abruptheit des Abgangs und der fehlenden Zeit für einen geordneten Übergang konkursgefährdet. Noch aber besteht die Challenge League aus 10 Teams, und dass alle die Saison zu Ende spielen, ist immer noch realistisch.

Würde dies eintreffen, würde der Winterthurer Züri Live-Experte Toni Gassmann Recht mit seinem Tipp behalten, den er im Dezember auf einen Steilpass des Schaffhausers Ronny Bien gegeben hat, welcher schon damals diesbezüglich skeptischer war:

Marchesano ist kein „zwei für eins“: Servette – FCZ Analyse

Nach dem Schlusspfiff wunderten sich die Genfer Journalisten über ihr Heimteam: «Die haben so schlecht trainiert, und spielen dann plötzlich so gut», hiess es. Die Erwartungshaltung war vor der Partie tief gewesen. Im Vergleich zur ersten Begegnung im November, als die Haupttribüne voll war, kam gleich ein Mehrfaches weniger Zuschauer ins Stadion, nur 2’600. «Die Genfer sind noch nicht im Fussballfieber», meinte Servette-Medienchef Didier Rieder lakonisch dazu. Das wird sich nach dem heutigen Spiel vielleicht ändern.

Servette hatte also offenbar «schlecht trainiert» und dazu eine wenig erbauliche Testspielphase erlebt – zwei Partien wurden abgesagt, und darauf folgten eine 1:2-Niederlage gegen Ruch Chorzow, ein 1:5 gegen Thun und am Ende noch ein 1:0-Sieg gegen Etoile Carouge. Der FCZ auf der anderen Seite hatte von sechs Partien fünf gewonnen und phasenweise geglänzt, vor allem gegen Dinamo Bukarest und den FC St.Gallen.

Die Präsenz war beim FCZ vor allem in der 1.Halbzeit da. Über weite Strecken wurde das Spieldiktat übernommen, um jeden Ball gekämpft und nach vorne ein paar sehr gute Direktkombinationen konstruiert. Negativ war aber, dass daraus diesmal zu wenig echte Torchancen resultierten. Und die eine Grosschance wurde von Dzengis Cavusevic wegen eines einfachen technischen Fehlers nicht verwertet. Der Slowene schaffte es nicht, mit Ball am Fuss eine 90 Grad-Drehung zu vollziehen. Cavusevic machte das richtige, aber nicht richtig. Das Leder wurde von Jérémy Faug-Porret am Boden mit dem Oberarm gespielt. Dahinter wäre das Tor leer gewesen. Und es hätte Penalty geben müssen.

«Der unbedingte Wille, das Tor zu erzielen, war nicht da», meinte danach der Sportliche Leiter Thomas Bickel im Interview mit Züri Live nicht nur in Bezug auf Cavusevic. Der Slowene hatte in der Wintervorbereitung drei Tore erzielt, und dabei einen bisher ungewohnt klaren Killerinstinkt gezeigt.

Nach dem Pausentee kam Servette besser aus der Kabine. Der FCZ begann das Spiel mehr und mehr aus der Hand zu geben, und in der 65. Minute fanden die Grenats dann das, was ihnen in den ersten beiden Saisonbegegnungen gegen den FCZ gefehlt hatte: das Wettkampfglück. Nach einem Jonglier-Doppelpass mit Matias Vitkieviez erzielte Anthony Sauthier mit einer Direktabnahme aus 25 Metern ein absolutes Traumtor. Der Ball senkte sich im Hohen Bogen über Torhüter Vanins in die entfernte linke Ecke und war gleichzeitig scharf. Keine Chance für Andris Vanins, der nur noch mit der Schulter zucken konnte. Daniel Visentini schrieb danach in der «Tribune de Genève» zu Recht: «Hätte Cristiano Ronaldo solch ein Tor erzielt, es würde in der Folge wochenlang auf allen Kanälen rauf- und runtergespielt». Ohne wirklich eine Torchance gehabt zu haben, führte Servette mit 1:0.

Der FCZ wollte nun zu viel, spielte zu hektisch und übermotiviert. Anstatt zu versuchen, den guten Faden der 1. Halbzeit wieder aufzunehmen, zerbröselte das Spiel an der übertriebenen Erwartungshaltung an sich selbst. Wer nicht Real Madrid oder Barcelona heisst, der muss klugerweise bei gewissen Spielverläufen auch erst mal mit einem Unentschieden zufrieden sein und geduldig, bis zur letzten Minute versuchen, doch noch die entscheidende Torchance zu kreieren. Stattdessen wurde im Zweifelsfall der Ball hoch in den gegnerischen Strafraum geschlagen, wo Servettes am Boden nicht immer über alle Zweifel erhabener Torhüter Jérémy Frick den Luftraum sicher beherrschte. Wegen der schnellen Ballverluste wurden beim FCZ viele überflüssige und kraftraubende Laufwege nötig.

Der Realismus wäre angebracht gewesen vor allem auch aufgrund eines Gegners mit einer sehr guten Leistung. Die Servettiens waren bei den ersten beiden Saisonbegegnungen, wo sie jeweils auch hätten in Führung gehen können, mit einem 0:3 und 0:4 schlecht bedient gewesen. Diesmal lief das Spiel unter anderem durch die vergebenen Topchancen von Cavusevic und Rodriguez für sie. Die Ambitionen der Genfer sind hoch. Spätestens nächste Saison soll der Aufstieg in die Super League her. Trotz gutem Vorsprung auf den Abstiegsplatz wurde beim Aufsteiger Trainer Anthony Braizat in der Winterpause durch Meho Kodro ersetzt.

Mit William Le Pogam in der ersten Elf, sowie Jean-Pierre Nsamé und Mirsad Hasanovic im 17-er Kader hatte Züri Live im Gegensatz zur SFL drei Servettiens ins Challenge League-Dream Team der Vorrunde gewählt. Gegen den FCZ zeigte sich vor allem das junge Zentrale Mittelfeld mit Mirsad Hasanovic (21) und Yassin Maouche (19) im Vergleich zur bereits sehr guten Vorrunde noch mal verbessert.

Alain Nef erzielte kurz vor Schluss per Kopf nach Freistossflanke von Marchesano den 1:2-Anschlusstreffer, und als Dwamena von zwei hektisch verteidigenden Servettiens knapp innerhalb des Strafraums von hinten überrannt und zu Boden gedrückt wurde, lag gar noch der Ausgleich in der Luft. Schiedsrichter Schnyder pfiff aber auch diesmal nicht. Nef war wie immer ein kämpferisches Vorbild, es unterlief ihm aber auch der Fehler, welcher zum Penalty und 0:2 führte. Nef schoss den ehemaligen Teamkollegen Alphonse an, von dem er am 13.Mai 2006 in der 30.Minute den Ball zugespielt erhalten hatte, um dann die Flanke auf Keita zum 1:0 zu schlagen. Nsamé lief in den Strafraum Richtung des freiligenden Balles und Vanins kam zu spät.

Bereits in der Schlussphase der Vorrunde liess der FCZ defensiv nach. Damals hatte Nef die Mannschaft beispielsweise in Chiasso und Winterthur fast im Alleingang aus dem möglichen Schlamassel gezogen. Diesmal gelang dies dem Geburtstagskind nicht mehr. Neben sich ein Umaru Bangura, der nach einem Schlag vor einer Woche gegen St.Gallen erst als angeschlagen gemeldet war, und seinen Partner in der Innenverteidigung entweder nicht unterstützen konnte oder wollte. Nef war überall anzutreffen, Bangura praktisch unsichtbar, abgesehen von der 72.Minute, als er sich beim Lattenschuss Vitkieviez’ von diesem etwas einfach überspielen liess.

Cédric Brunners Limiten wurden klar aufgezeigt, Nicolas Stettler kämpfte wie ein Berserker, aber meist unglücklich. Das Zentrale Mittelfeld bot ebenfalls zu wenig Schutz. Marchesanos Defensivschwäche ist bekannt. Er ist kein Yapi, der als «zwei-für-eins» sowohl magistrale lange Pässe spielen und gleichzeitig auch die wichtigen Defensivaufgaben gut wahrnehmen kann.  Daneben Burim Kukeli, der die Vorbereitung kaum mitmachen konnte und bei welchem schon vor einer Woche gegen St.Gallen ersichtlich war, dass er eigentlich noch nicht bereit für den Rückrundenstart ist. Im Nachhinein betrachtet kann man natürlich debattieren, ob es nicht erfolgsversprechender gewesen wäre, den jungen Kevin Rüegg ins kalte Wasser zu werfen. Buff, Rodriguez und Schönbächler waren bemüht, aber häufig einen halben Schritt zu spät. Und die eingewechselten Winter, Dwamena und Koné vermochten keine echten Akzente zu setzen.

Eine Niederlage musste mal kommen. Jetzt wo auch Hoffenheim verloren hat, gibt es wohl in ganz Europa kein ungeschlagenes Team mehr. Wie die Mannschaft nun darauf reagieren wird (wie ein «FCB der Challenge League», oder nicht…), wird entscheidend dafür sein, ob in der Rückrunde tatsächlich ein weiterer Schritt vorwärts gemacht werden kann.

Servette FC – FC Zürich 2:1 (0:0)

Tore: 65. Sauthier (Vitkieviez) 1:0, 83. Nsamé (Penalty, Nsamé) 2:0, 90. Nef (Marchesano) 2:1.

Servette: Frick; Sauthier, Mfuyi, Faug-Porret, Le Pogam; Hasanovic, Maouche (76. Doumbia); Vitkieviez, Alphonse (84. Fargues), Delley (68. Berisha); Nsamé.

FC Zürich: Vanins; Brunner, Nef, Bangura (78. Koné), Stettler; Schönbächler (61. Winter), Marchesano, Kukeli, Rodriguez; Buff, Cavusevic (61. Dwamena).

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