FCZ heute wieder mit erfolgreicher Derby-Taktik?

Im 273. Zürcher Derby wird FCZ-Trainer Magnin nicht auf der FCZ-Bank sitzen. Somit entgeht dem Publikum die mögliche Fortsetzung des Disputs mit GC-Trainer Thorsten Fink nach dem letzten Derby, als der Waadtländer von seinen jungen Spielern redete und dass der FCZ noch mehr Tore hätte schiessen können, was den GC-Coach kurz nach der empfindlichen Niederlage auf die Palme brachte. In Bezug auf das Durchschnittsalter der beiden Mannschaften durchaus etwas verständlich. GC trat schon damals mit einer jungen Equipe (Durchschnittsalter: 23,3 Jahre, mit Bajrami, Zesiger, Diani, Pinga, Ngoy, Kamber) an im Vergleich zum FCZ, der mit Durchschnittsalter 27,8 Jahren (unter anderem mit Bangura, Nef und Winter) eigentlich eine sehr erfahrene Truppe aufs Feld geschickt hatte. Dies war beim ebenfalls mit 2:0 durch den FCZ gewonnenen ersten Derby der Saison noch anders gewesen, als die beiden Startformationen (25,2 vs. 25,1 Jahre) gleich alt gewesen waren.

Für heute könnte der FCZ durchaus wieder eher mit einer erfahreneren Mannschaft antreten, da Alain Nef (vor allem im Falle einer Dreierabwehr) oder Adrian Winter (nachdem die Flügelspieler in St. Gallen nicht wirklich überzeugt hatten) echte Alternativen für die Anfangsformation darstellen. Angesichts des weiteren Ausfalls von Pa Modou (und Kevin Rüegg) wird das Aussenduo im Falle einer Viererabwehr wohl erneut Untersee / Kharabadze lauten und damit relativ jung sein – Adrian Winter wäre aber rechts auch in diesem Fall eine Alternative. Im Derby vom Dezember hatte GC «keinen Stich» gehabt, was die damalige Aufregung bei Coach Fink miterklärt. Es war das offensiv harmloseste Spiel der «Heugümper» im gesamten letzten Jahr mit einem mickrigen statistischen Wert von gerade mal 0,05 erwarteter Tore («expected Goals»). Anders gesagt: GC hätte in 20 solcher Spiele nach Einschätzung der Analysten total nur 1 Tor erzielt. Dieser Wert war sogar noch tiefer als bei der 0:4-Klatsche mit einem Mann weniger zuletzt gegen den FC Basel (0,07).

Aber Achtung! Der dritttiefste Wert an erwarteten Toren im Laufe des letzten Jahres (0,09) reichte GC beim Derby vom 25. Februar trotzdem zum Sieg. Das 1:0 von Jeffren in der 16. Minute bedeutete gleichzeitig das Endresultat. Es war der letzte Derbysieg der Grasshoppers, damals noch unter Trainer Murat Yakin und beim Amtsantritt Ludovic Magnins. Rasmus Thelander hatte beim entscheidenden Gegentreffer eine «lange Leitung», erwartete immer noch einen GC-Angriff über die Seite inklusive Anweisung an Kevin Rüegg, höher zu stehen, als die GC-Attacke sich längst Richtung Mitte verlagert hatte. Dann kam der später mit Gelb-Rot vom Platz fliegende Cédric Brunner auch noch zu optimistisch aus seiner Position raus. Am Ende wurde aus den 0,09 expected Goals aber nur ein Tor, weil einerseits der Abschluss von Jeffren stark war und andererseits vor allem Yanick Brecher falsch stand und den eigentlich vom Druck machenden Bangura wesentlich begrenzten Abschlusswinkel nicht wirklich abdeckte. Den Assist mit einer direkten Weiterleitung hatte übrigens Rifet Kapic geliefert, der gestern bei seinem Ex-Verein und Bosnischen Tabellenführer FK Sarajevo als Leihspieler von GC vorgestellt wurde.

Der FCZ kann nach drei Jahren, in welcher GC die Oberhand hatte, diese Saison bereits im dritten Derby das Stadtduell für sich entscheiden! Speziell an den ersten beiden Derbies der Saison war, dass sie gleichzeitig die Spiele mit dem kleinsten FCZ-Ballbesitz darstellten. Die Jungs von der Allmend Brunau hatten gegen GC also im Schnitt noch weniger Ballbesitz als gegen YB, Basel oder Leverkusen. Wird das heute von Assistenztrainer und ehemaligen Verteidigerhaudegen René Van Eck an der Linie gecoachte Team dem Gegner auch diesmal das Szepter überlassen und sich (ähnlich wie St. Gallen gegen den FCZ am Mittwoch) fast ausschliesslich aufs Kontern und Toreschiessen fokussieren?

Folge des Verjüngungsprozesses: U21-Aufgebot für Rüegg, Domgjoni, Kryeziu

Neben Kevin Rüegg (fünf Länderspiele) ist erstmals auch der sehr konstante Leistungen zeigende Toni Domgjoni von U21-Nationaltrainer Mauro Lustrinelli aufgeboten worden. Auch Innenverteidiger Mirlind Kryeziu ist wieder im Aufgebot dabei und könnte im September gegen Bosnien-Herzegowina oder Liechtenstein zu seinem ersten U21-Länderspiel kommen. Das gleiche gilt für den Zürcher Vasilije Janjicic, der beim HSV als Stammspieler in die Saison gestartet ist. Wie die Daten auf dbfcz zeigen, entwickelt sich das Durchschnittsalter der FCZ-Startformationen (aktuell: 24,54 Jahre) wieder klar in die gleiche Richtung wie zu Lucien Favre’s erfolgreichen Zeiten.

Die jüngsten Teams hatte der FCZ in den Meistersaisons 05/06 und 06/07 (Dzemaili, Raffael, Stahel, Abdi,…), sowie 12/13 (Drmic, Djimshiti, Buff, Benito,…), als der ehemalige U21-Trainer Urs Meier nach der verunglückten Fringer-Episode mit einer Aufholjagd Ende Saison noch den Vierten Platz erreichte. Als in der Saison 15/16 der Altersschnitt des FCZ erstmals seit 14 Jahren wieder über dem Ligadurchschnitt war, stieg der Letzigrund-Club ab (auch beim Abstieg 1988 lag das Durchschnittsalter über dem Ligaschnitt). Mit einer noch älteren und erfahreneren Mannschaft konnte man dann in der darauffolgenden Saison in der Challenge League bestehen. Nicht ausser Acht gelassen soll zudem, dass der FC Zürich in den erfolgreichen Zeiten der 70er-Jahre eine überdurchschnittlich erfahrene Mannschaft hatte – wobei dies vor allem im athletischen Bereich noch andere Zeiten waren.

(Graphik: dbfcz.ch)

Streitfrage bei Abstieg: Kaderumbruch oder Kontinuität?

Der FCZ hat sich trotz Abstieg für die Europa League qualifiziert. Nun kommt es noch besser. Raffaele Poli, Leiter des CIES Sports Observatory Neuchâtel, versichert in seinem Referat im Rahmen der FCZ Museum-Veranstaltung „Das Spiel lesen – Tore, Taktik, Transfersummen“, dass dies keinen negativen Einfluss auf die Leistung in der Meisterschaft haben wird – zumindest statistisch gesehen. Dass Trainer und Journalisten den Grund für schlechte Leistungen in der Meisterschaft immer wieder in der „Europacupbelastung“ suchten, sei statistisch falsch, und häufig eine Ausrede.

Auch das Durchschnittsalter des Teams habe statistisch  keinen Einfluss auf den Erfolg. Beim FCZ ist das Durchschnittsalter des Kaders in den letzten zwei Jahren um rund ein Jahr gestiegen. Es gibt aber offenbar genauso viele Beispiele von Teams mit sinkendem Durchschnittsalter, welche Misserfolg haben. Was allerdings durchaus einen signifikant positiven Einfluss auf den Erfolg in europäischen Fussballteams habe, sei die Kontinuität. Wenn Teams mit vergleichbaren Voraussetzungen einander gegenübergestellt werden, schneiden im Durchschnitt diejenigen besser ab, wo es weniger Kadermutationen gibt. Die vielen weiterlaufenden Verträge im FCZ wären aus dieser Sicht also positiv zu werten.

Allerdings sagt eine Durchschnittsbetrachtung vielleicht wenig aus, wenn ein Spezialfall wie ein Abstieg eintritt. „Um in einer Zweiten Liga Erfolg zu haben, braucht man die besten Zweitligaspieler, nicht gescheiterte Erstligaspieler“ meint zum Beispiel einer der Teilnehmer des Anlasses. Dies ist eine Strategie, die von den FCZ-Konkurrenten Wil und Xamax konsequent verfolgt wird. So hat sich der FC Wil bereits letzte Saison mit dem schnellen Marvin Spielmann das grösste Talent der Challenge League vom FC Aarau geangelt. Auf die neue Saison hin kommt unter anderem vom gleichen Verein wahrscheinlich der dynamische Igor Nganga dazu – ausserdem wurden Toptorschütze Jocelyn Roux von Lausanne und der unnachgiebige Aussenverteidiger Dylan Stadelmann von Wohlen verpflichtet. Auf jeder Position holen die Äbtestädter die Besten der Liga. Xamax fährt mit den Neuverpflichtungen von Ramizi, Karlen, Kilezi und Corbaz einen ähnlichen Weg.

Nichts von der Präsentation und den Diskussionen mitbekommen hat Cupsieger-Trainer Uli Forte, der gegen Ende der Veranstaltung persönlich im FCZ Museum vorbeikommt, um den Cupsieger-Pokal zur Mamma nach Hause zu bringen. Dies hat er bisher mit jedem gewonnenen Pokal so gemacht. Die gleiche Trophäe war daher schon vor drei Jahren mal im Hause Forte zu bestaunen, ebenso der Pokal für den Challenge League-Titel mit St.Gallen. Fussball besteht halt selbst heute nicht nur aus Zahlen, Analysen und Statistiken – sondern immer noch auch sehr stark aus Tradition, Ritualen und Aberglauben.

Soll der FCZ nach dem Abstieg in der Kaderplanung auf Kontinuität setzen?

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