Panorama der Ehemaligen: Popovic trifft im ersten Spiel per Kopf / Brunner auf Bundesligakurs

Das nennt man wohl „eine Geschichte, wie sie nur der Fussball schreiben kann“. Nach seinem für Klub und Spieler wenig erfreulichen halbjährigen Engagement beim FC Zürich trifft Denis Popovic in seinem ersten Spiel für den neuen Klub Krylya Sovetov Samara ausgerechnet auf seinen Ex-Klub Orenburg – und bringt sein neues bereits früh in Unterzahl agierendes Team aus kurzer Distanz per Kopf 1:0 in Führung – das zweite Kopfballtor seiner Karriere. Der auf der 10-er Position agierende Slowene bereitete später mit einem guten Pass in die Tiefe eine „hundertprozentige“ Chance zum 2:0 vor, musste mit seiner Mannschaft aber kurz vor Schluss noch das 1:1 hinnehmen. Nach dem Unentschieden im Abstiegskampf bleibt Samara auf einem Relegationsplatz, der Punkteabstand ins Mittelfeld ist aber nicht gross.

In der 2. Bundesliga lief an diesem Wochenende alles für Arminia Bielefeld und Cédric Brunner: 1:0 Heimsieg gegen Wehen Wiesbaden (mit Heinz Lindner im Tor) während die Aufstiegskonkurrenten Stuttgart, HSV und Heidenheim allesamt verloren. Als Leader der Liga haben die Arminen nun neun Punkte Vorsprung auf den „Barrage-“ und 12 Punkte auf einen Nichtaufstiegsplatz. Dazu beigetragen hat auch Victor Palsson, der bei einem frühen Darmstadt-Konter zum 2:0 gegen Heidenheim per Absatz die Vorlage lieferte.

Noch zu wenig produktiv, aber immer wieder für Unterhaltung gut ist ebenfalls in der 2. Bundesliga Michi Frey mit dem abstiegsgefährdeten Traditionsklub Nürnberg. In seinem ersten Startelfeinsatz für Osnabrück  sah Assan Ceesay vor zwei Wochen eine hart gepfiffene Rote Karte wegen einem Hohen Bein im eigenen Strafraum (Gegenspieler Carlson hatte Kopf tief) und ist immer noch gesperrt. Der vom FCZ an Holstein Kiel verliehene Salim Khelifi hat seit dem Trainerwechsel von André Schubert zu Ole Werner immer mehr an Status verloren und ist jeweils nicht mehr im Matchkader anzutreffen. Bei Trainer Urs Fischer ist Admir Mehmedi schon in der U21 aufgelaufen und hat bis heute in seiner Karriere unter keinem Coach mehr Spiele (80) absolviert. Am Sonntag holte er mit Wolfsburg bei Fischer’s Union ein 2:2 und bleibt auf einem Europacupplatz – fünf Punkte vor seinem Ex-Trainer. Ricardo Rodriguez hat in der Eredivisie für PSV schon fünf Partien und zuletzt gegen Feyenoord 1:1 Unentschieden gespielt. Eindhoven ist in dieser Zeit vom fünften auf den vierten Platz vorgestossen.

Bruder Roberto spielt in Uerdingen viel (2 Tore, 9 Assists diese Saison bisher), kommt aber mit dem ambitionierten Klub in der 3. Liga nicht vom Fleck – zur Zeit nur Rang 11. Der ebenfalls nach Uerdingen gewechselte 1,68.m-Linksverteidiger Hakim Guenouche kommt dort kaum zum Einsatz, während Andreas Maxsö relativ schnell zurück nach Dänemark weitergezogen ist und dort beim viertplatzierten Traditionsklub und ehemaligen Europacupgegner Bröndby mittlerweile Captain ist. Vier Punkte hinter Bröndby liegt Aalborg, das vor Wochenfrist mit Rasmus Thelander in der Innenverteidigung das Maxsö-Team auch dank einem Tor und Assist von Ex GC-Offensivmann Lucas Andersen mit 3:2 besiegen konnte. In der 3. Liga auf dem letzten Platz liegt Carl Zeiss Jena mit Kilian Pagliuca, der mit zwei Toren und fünf Assists eine Zeit lang Stammspieler war, nach einer Rotsperre (zwei Grätschen hintereinander von hinten in Braunschweig) aber aktuell etwas aussen vor ist.

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Nico Elvedi gehört zu den konstantesten Verteidigern der Bundesliga und ist mit Borussia Mönchengladbach unter dem ehemaligen Salzburg-Trainer Marco Rose im Spitzenquintett der Liga dabei. Bei „Transfermarkt“ ist Elvedi mit 35 Mio Euro nach Teamkollege Denis Zakaria und gleichauf mit Manuel Akanji der zweitwertvollste Schweizer Spieler. Djibril Sow hat seinen Stammplatz bei der SGE im Moment an den Österreicher Stefan Ilsanker (in der Winterpause von Leipzig gekommen) verloren. Josip Drmic kommt bei Norwich City in der Premier League nach seiner Oberschenkelverletzung wieder regelmässig als Joker zum Einsatz. Berat Djimsiti, Stammspieler beim Italienischen Team der Stunde, Atalanta, musste beim 7:2-Sieg in Lecce wegen muskulären Problemen pausieren, die er sich beim Aufwärmen zum Champions League-Achtelfinal-Hinspiel gegen Valencia zugezogen hatte. Der in der Winterpause zu Inter gewechselte Innenverteidiger Andi Hoti ist dort Stammspieler in der U17. Marin Cavar ist bei Serie B-Aufstiegskandidat Chievo Verona unter Vertrag. Nach vier starken Einsätzen in der Startformation beim FC Winterthur letzten Frühling wollten ihn die Venetier unbedingt und verpflichteten ihn trotz eines in einem Testspiel gegen Stuttgart erlittenen Kreuzbandrisses.

Joël Untersee blieb nach seiner Rückkehr vom FCZ nach Italien nicht bei Empoli und ist seit einem halben Jahr vereinslos. Loris Benito (ein Saisontor) steht in der Regel bei Girordins Bordeaux (12. Platz) in der Startformation. Neun Punkte hinter Benito in akuter Abstiegsgefahr befindet sich mit Nîmes der in der Winterpause von Dresden nach Südfrankreich gewechselte Moussa Koné. Gleich bei seinen ersten beiden Teileinsätzen in Nizza und gegen Angers gelang dem Senegalesen je ein Tor. Ivan Kecojevic hat in der LaLiga2 von der Atlantikküste (Cadiz) etwas ins Landesinnere (Albacete) gewechselt. In derselben Liga ist Armando Sadiku (Malaga) mit zehn Treffern auf Platz Sieben der Torschützenliste. Raphael Dwamena (Real Zaragoza) ist hingegen seit Anfang Oktober ausser Gefecht und musste sich einer Herzoperation unterziehen.

Maren Haile-Selassie wird bei Xamax weiterhin regelmässig eingewechselt und schlägt dann jeweils auch die Standards. Arbenit Xhemajli hat sich im gleichen Team mittlerweile etabliert. Ganz allgemein spielen bei der Mehrzahl der Super League-Teams mindestens zwei Spieler aus dem FCZ-Nachwuchs (unter anderem Saidy Janko, Christian Fassnacht, Anto Grgic, Filip Stojilkovic, Noah Lovisa, Miro Muheim, André Ribeiro, Francisco Rodriguez). Piu Da Costas Highlight der Vorrunde war das 1:1 in der Europa League auswärts beim grossen Favoriten Dynamo Kyiv, welcher dadurch die K.O-Runde verpasste – bis zur 94. Minute hatte Lugano bei einem Schussverhältnis von 31:7 zugunsten von Dynamo sogar noch mit 1:0 geführt. Fabio Dixon hat beim Challenge League-isten FC Chiasso bisher in 15 Partien fünf Torvorlagen liefern können, zuletzt letzte Woche beim 2:0-Heimsieg gegen Wil. Bei diesem Heimsieg stand auch Izer Aliu als „Sechser“ erstmals in der Startaufstellung der Tessiner. Auf Wiler Seite standen zudem Fabian Rohner sowie Lindrit Kamberi in der Startformation, Bledian Krasniqi (in der Vorwoche noch krank) und Kastrijot Ndau wurden eingewechselt. Shkelzen Gashi ist zurück beim FC Aarau,  wird aber noch nicht eingesetzt. Auf dem Brügglifeld gespielt hat letzte Woche der weiterhin vom FCZ ausgeliehene Albin Sadrijaj (wie üblich im Zentralen Mittelfeld) bei einem 4:4-Torspektakel und hat dabei mit dem 1:0 für den SC Kriens (wo Burim Kukeli Captain ist) in der 23. Minute sein erstes Profitor erzielt. Oli Buff hat bei GC noch keinen Skorerpunkt erzielt.

Jorge Teixeira ist bei St. Truiden (12.) in Belgien nach einer Hüftverletzung wieder daran, sich in die Mannschaft zurückzukämpfen. Dimitri Oberlin hat bei Zulte Waregem (9.) seit September kein Tor mehr erzielt. Stephen Odey ist bei Genk (7.) Joker und vermochte in der Champions League beim Heim-1:4 gegen Liverpool den „Ehrentreffer“ für die Belgier zu markieren.  Mario Gavranovic ist bei Dinamo Zagreb zur Zeit ebenfalls Joker und hat erst vier Liga-Saisontore auf seinem Konto. Ebenfalls in der obersten Kroatischen Liga engagiert ist neben Torhüter Osman Hadzikic (Inter Zapresic) auch Franck Etoundi bei Slaven Belupo Koprivnica. Asmir Kajevic kommt bei der Belgrader Nummer drei Cukaricki (5. Platz) in der Serbischen Version der „Super Liga“ (neben der Schweiz und Serbien tragen auch die obersten Ligen in Argentinien, der Türkei, China, Dänemark, Usbekistan, Malaysia, Indien und Griechenland diese Bezeichnung) in jedem Spiel zum Einsatz. Avi Rikan ist Captain beim Israelischen Spitzenreiter Maccabi Tel Aviv. Pedro Henrique hat in der Türkischen „Süper Lig“ bei Kayserispor (letzter Platz, heute Heimspiel gegen Göztepe) schon sieben Tore erzielt und zwei Gelb-Rote Karten gesehen. In der 13. Runde war der heissblütige Brasilianer nach vier Gelben Karten zusätzlich zu den zwei Gelb-Roten bereits zum dritten Mal gesperrt.

Adis Jahovic spielt seine dritte Saison in der Süper Lig beim vierten Verein und liegt aktuell auf der Torschützenliste hinter Alexander Sörloth (Trabzonspor) und Papiss Demba Cissé (Alanyaspor) und gemeinsam mit Vedat Muriqi (Fenerbahce) mit 12 Treffern auf dem Dritten Platz. Schon in der Saison 17/18 war Jahovic drittbester Torschütze der höchsten Türkischen Spielklasse hinter den Starstürmern Bafétimbi Gomis (Galatasaray) und Burak Yilmaz (Trabzonspor) gewesen. Bei Antalyaspor spielt der Nordmazedonier seit der Winterpause an der Seite von Lukas Podolski. Insgesamt kommt Jahovic in seiner Karriere im Ligafussball bisher auf 126 Tore in 284 Spielen. Der 35-jährige Gökhan Inler ist bei Europa League-Achtelfinalteilnehmer Basaksehir Ergänzungsspieler, genauso wie dessen leicht jüngerer ehemaliger Teamkollege Raffael bei Gladbach. Wie Inler in Istanbul engagiert ist Innocent Emeghara (sechs Saisontore bisher) bei einem Zweitligisten mit Aufstiegschancen in die Süper Lig: Fatih Karagümrük ist der einzige Klub, der im ältesten Teil der Stadt, dem ehemaligen Konstantinopolis, in einem wohl kaum Süper Lig-tauglichen Stadion spielt.

Dusan Djuric spielt bei seinem Stammklub Halmstad in der Superettan (Zweite Schwedische Liga) immer noch Zuckerpässe auf grosse Distanzen und trifft mit schönen Weitschusstreffern. Davide Mariani hat beim emiratischen Tabellenführer Shabab Dubai im letzten Monat nicht gespielt, nachdem er zuvor Stammspieler gewesen war. Yassine Chikhaoui kommt bei Etoile Sportive du Sahel wie einstweilen beim FCZ sporadisch zum Einsatz und für ihn muss bei diesen Gelegenheiten dann ebenfalls jeweils die Aufstellung und Spielausrichtung angepasst werden. Amine Chermiti hat sich hingegen mittlerweile wieder über Saudi-Arabien in die Indische Megapolis Mumbai verabschiedet. Der in St. Petersburg aufgewachsene Artjom Simonyan hat sich im Heimatland seiner Eltern, Armenien, von Alashkert über Ararat zu Rekordmeister Pyunik hochgearbeitet und kam im November bei einer 1:9 (!)-Niederlage in Italien wieder einmal in der Nationalmanschaft zu einem Teileinsatz. Yann Fillion kam seit seit dem definitiven ablösefreien Wechsel vom FCZ in der Winterpause bisher in allen fünf „Suomen Cup“-Partien des Finnischen Zweitligisten Ekenäs zum Einsatz. Nicolas Andereggen hatte in der gleichen Zeitspanne einen Teileinsatz beim Argentinischen Zweitligisten CA Alvarado. Der ehemalige FCZ-Brasilianer Ramazotti wäre aktuell wieder zu haben, nachdem er auf seiner Weltreise in dieser Vorrunde für Daejoon Hana Citizen in der Zweiten Koreanischen Liga drei Mal getroffen, den Klub aber in der Winterpause wieder verlassen hat. Rapperswil-Jona mit Maurice Brunner und Nicolas Stettler hat in der Rückrunde noch Chancen auf den Wiederaufstieg in die Challenge League. Als prominente Neuverpflichtung kam in der Winterpause dem Vernehmen nach Bruno Morgado von Cup-Viertelfinalgegner Sion hinzu. Kay Voser kam in der Vorrunde bei Red Star zu drei Einsätzen. Andrea Guatelli spielt im Tessin beim SC Balerna in der 2. Liga Regional. Das Frauenteam des gleichen Klubs profitiert im übrigen aktuell von den Problemen bei Lugano und ist auf bestem Weg zum Aufstieg in die Nationalliga B.

Bild Züri Live – hinten von links: Christian Schneuwly, Dimitri Oberlin, Francisco Rodriguez, Yanick Brecher, Maurice Brunner, Nico Elvedi, Oliver Buff, Ivan Kecojevic, Yassine Chikhaoui. Vorne von links: Mario Gavranovic, Andres Malloth.

 

FC Zürich – eine der letzten Zufluchtsstätten für Auslaufmodelle des modernen Fussballs

Im klassischen Theater oder in Filmen tauchen immer wieder dieselben Figuren auf, einzig in Frisur und Kleidung an die aktuelle Mode angepasst – und manchmal nicht einmal das. So auch beim FCZ. Da gibt es die Figur des soliden Büezers, der Fussball als Arbeit versteht und es nur dank dieser Einstellung auch in die oberste Spielklasse geschafft hat. Er kommt über den Kampf ins Spiel und regt sich manchmal darüber auf, dass einige der Teamkollegen zu wenig laufen. Und da der Fussballgott manchmal gerecht ist, gelingt ausgerechnet dem Büezer die entscheidende Flanke in der letzten Sekunde einer 36 Runden dauernden Meisterschaft, die den ersten Titel seit 25 Jahren bringt. Oder er schiesst das einzige Tor seiner Karriere in seinem letzten Spiel. Oder er trifft in der Scala des Fussballs artistisch per finnischem Volkstanz-Schritt.

Mit dieser Figur kann sich der Fan identifizieren, der seit seinem 17. Lebensjahr jeden Werktag zwischen fünf und sechs Uhr aufsteht und zwei Mal wöchentlich mit viel Engagement und Herzblut eine Juniorenmannschaft trainiert. Sie taucht in jeder Spielergeneration wieder auf unter Namen wie Urs Fischer, Florian Stahel, Hannu Tihinen oder Alain Nef. Die zweite Figur ist diejenige des Künstlers, des erkannten, noch häufiger aber auch verkannten Genies. Sie liegt all denjenigen FCZ-Anhängern am Herzen, die wissen, dass es für echten Fortschritt und Innovation mehr braucht, als einzig an der Seitenlinie rauf- und runterzuhetzen. Die davon überzeugt sind, dass ein Pass von Zinedine Zidane oder ein Dribbling von Diego Armando Maradona die Welt verändern können, und die von der Schönheit der Ballbehandlung eines Roberto Baggio fasziniert sind. Die wissen, dass Künstler einen Leidensweg durchschreiten müssen, um überhaupt zu Künstlern zu werden – und es dazu Geduld und künstlerische Pausen braucht. Von Köbi Kuhn über Jure Jerkovic, Marcel Raducanu, Gocha Jamarauli und Raffael bis zu Yassine Chikhaoui durfte auch diese Figur nie fehlen.

Eine dritte Figur ist der Typ «durchgeknallter Stürmer». Wer emotional ist, instinktive Entscheidungen fällt, und in seiner Biographie schon manchen Bruch erlebt hat, der fühlt sich seelenverwandt mit einem John Linford, Fredy Chassot, Alhassane Keita, Eric Hassli oder Michi Frey. Die aufgezählten Interpreten der klassischen Figuren sind alles Fussballer aus der wilden Jugend-Ära des Fussballs. Die «Kindheitsära» war die Pionierzeit Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Es war die Zeit der «Unschuld», der improvisierten Fussballfelder und der Geldknappheit, in welcher Mäzenatentum bedeutete, den jungen Burschen einen Matchball zu spenden. In der «Jugend-Ära» (zweite Hälfte 20. Jahrhundert und noch ein paar Jahre darüber hinaus) geschah der grosse Aufbruch. Fussball wird globaler Volkssport, mit Live-Übertragungen zuerst im Radio, dann im TV, sowie eine drastische Zunahme der Anzahl Profispieler.

Mittlerweile ist der Fussball aber in eine neue Ära eingetreten. Er ist erwachsen geworden. Fertig lustig! In den Jugendjahren des Fussballs konnte ein Spieler mit viel Talent noch einen ungesunden Lebenswandel pflegen oder neben dem Fussball Vollzeit arbeiten und trotzdem international mithalten. Da wurden Nationalspieler ohne einen Schimmer von Didaktik Kraft ihres grossen Namens nach Beendigung ihrer Karriere automatisch Trainer in der höchsten Liga. Und auf dem Platz waren die Rollen klar verteilt: es gab die Wasserträger, Haudegen, Knipser und Regisseure mit dem Bewegungsradius eines imaginären Bierdeckels. Ganz unterschiedliche Typen, Charaktere, Figuren – wie im klassischen griechischen Theater.

Der Fussball hat sich professionalisiert und globalisiert. Das Niveau ist gestiegen. Die breit angelegte SFV-Ausbildungsphilosophie seit den 90-er Jahren bringt es mit sich, dass in Super League und Challenge League alle Gegenspieler taktisch und technisch gut ausgebildet sind. Weltweit bieten sich zehntausende Spieler und mindestens ebenso viele Spezialisten drumherum wie Trainer, Medizinisches Personal, Scouts, Analytiker, Ausbildner und so weiter den Klubs an, sorgen für Konkurrenz und können von diesem Sport zu 100% leben. Um nur schon auf dem Niveau einer Super League mithalten zu können, muss jeder Profispieler, vom Torhüter bis zum Mittelstürmer, heutzutage ein Mindestmass an Technik, Spielverständnis, Kraft, mentalen Qualitäten und Laufleistung mitbringen.

Bei dem Tempo, in welchem heute Fussball gespielt wird, geht es erstmal nicht darum, mit dem Ball irgendwelche Wunderdinge zu vollbringen – das können bei dieser Geschwindigkeit sowieso nur ganz wenige. Viel wichtiger ist eine solide erste Ballberührung bei hohem Tempo – und dies vor allem konstant in mindestens 90% der Fälle, dazu Beweglichkeit und Handlungsschnelligkeit. Der moderne Fussball ist besser, aber in vielen Dingen auch gleichförmiger geworden. Um mithalten zu können, darf man heute keine echten Schwachpunkte mehr haben. Gerade die Schwachpunkte waren es jeweils gewesen, die in der Vergangenheit eine Figur, einen Typen charakterisierten.

Der FCZ war immer ein Team der Typen und Charakterköpfe. Die meisten Fans, Journalisten und auch Vereinsverantwortlichen sind in der «Jugend-Ära des Fussballs» aufgewachsen und von dieser geprägt worden. Bis heute werden von allen Seiten in der 1. Mannschaft Figuren gerne gesehen, die etwas aus der Zeit gefallen scheinen. Auch gegnerische Spieler und Trainer haben die letzten Jahre wiederholt von den technischen Finessen von FCZ-Spielern geschwärmt, und gleichzeitig gerne die drei Punkte mit nach Hause genommen. Ein Mimoun Mahi beispielsweise oder ein Benjamin Kololli streicheln zwar den Ball so sanft wie einen Hundewelpen, verschleppen aber auch das Spiel wie ein Spielmacher aus den 80er-Jahren und verursachen gegen heutige laufstarke Gegner viele Ballverluste. Ein Denis Popovic ist so langsam, dass er nur in einem Team mit neun sehr laufstarken Mitspielern funktionieren kann, wie das bei seinem Ex-Klub Orenburg der Fall war. Ein Salim Khelifi oder Antonio Marchesano müssen hart kämpfen, um auf Super League-Niveau physisch und von der Reichweite her bestehen zu können.

YB beispielsweise hat im Jahr 2013 aufgehört, Spieler wie Silberbauer, Ojala oder Jemal zu verpflichten, die den Anforderungen des modernen Fussballs auf Super League-Niveau in einem oder mehreren Bereichen nicht gewachsen sind. Als einzige Ausnahme fand zwischendurch wegen der finanziellen Probleme des FC Biel Benjamin Kololli ein halbes Jahr per Leihe Unterschlupf, wurde dann aber wenig überraschend nicht weiter verpflichtet. Servette hat nach dem Aufstieg schnell gemerkt, dass ein «Bierdeckel-Fussballer» wie Sébastien Wüthrich zwar immer wieder für ein paar Skorerpunkte gut sein kann, aber die Entwicklung des Teams in Richtung modernen Super League-Fussballs behindert. Luzern hat sich aus ähnlichen Gründen von Valeriane Gvilia getrennt. Beim FCZ finden solche Spieler weiterhin Unterschlupf. Ein Grégory Sertic beispielsweise schlurfte jeweils über den Platz, als ob er am Sonntagmorgen in den Hausschuhen durchs Wohnzimmer watscheln würde. Yassin Maouche begriff nicht, dass man in der Super League keinen lockeren Plauschfussball wie mit den Copains in der Badi spielen kann.

Umso schwerer wiegt darum, dass viele dieser Künstler nicht nur ineffizient und wenig teamorientiert spielen, sondern obendrein auch noch teuer sind. Es fehlt dadurch das Geld für beispielsweise einen treffsicheren und gleichzeitig laufstarken Stürmer. Eines der Paradebeispiele ist Yassine Chikhaoui, der acht Jahre lang da und meist eben doch nicht da war, und wenn er zwischendurch wieder mal zurückkam, das Teamgefüge eher störte, als befruchtete. Es gab durchaus auch Künstler, die sich in ihrer Zürcher Zeit entwickelten, wie zum Beispiel Davide Chiumiento, der wieder lernte aufs Tor zu schiessen und sogar Kopfballduelle gegen Verteidiger wie Grégory Wüthrich zu gewinnen begann – für ein paar Monate. Es ist jedem Super League-Klub freigestellt, langsame Techniker wie Asmir Kajevic oder Andres Vasquez zu verpflichten, aber man darf dann nicht erwarten, dass man sicher in der Super League bleibt. Und selbst in der Challenge League ist es auch mit grossen Investitionen nicht einfach, mit Spielmachern alter Schule wie Markus Neumayr, die in der Defensiven Phase praktisch inexistent sind, aufzusteigen.

Wie man Wochenende für Wochenende sieht, reicht es nicht, nur acht Spieler aufs Feld zu schicken, die in allen wichtigen Bereichen auf Super League-Niveau bestehen können. Es müssen elf sein, die in allen Bereichen ein gewisses Mindestniveau mitbringen. Denn die anderen Mannschaften, auch die «Kleinen» der Liga, bringen mittlerweile meistens elf solche Spieler auf den Platz. Und, das ist mehr als nur eine Phrase: ein Team ist immer nur so gut wie ihr schwächstes Glied. Bisher war es häufig so, dass das pure Talent aus dem eigenen Nachwuchs und die Fähigkeit, sich häufig für wichtige Spiele speziell zu motivieren, immer wieder gewisse Schwachpunkte übertüncht haben. Aber der FCZ sollte sich nun langsam aber sicher von Spielern trennen, die an die gute, alte Jugend-Zeit des Fussballs erinnern –  und im modernen, erwachsenen Fussball ankommen – mit elf Spielern auf dem Platz, die als Einzelspieler und im Team in der Lage sind, läuferisch, technisch, mental, physisch sowie bezüglich Geschwindigkeit gegen jedes andere Super League-Team zu bestehen.

Aktuelle Daten – FCZ ist einer der konsequentesten Ausbildungsklubs Europas

Aktuelle Daten des „CIES Football Observatory“ in Neuenburg zeigen, dass der FCZ aktuell zu den konsequentesten Talentförderern Europas gehört. In der Rangliste des Anteils der Spielminuten von Spielern aus dem eigenen Nachwuchs liegt der FC Zürich mit 38,6% an 24. Stelle von 464 untersuchten europäischen Erstligisten. Ganz vorne liegen Sigma Olomouc (Tschechische Republik) und Zilina (Slowakei) mit beinahe zwei Drittel Spielzeit für eigene Junioren. Nur neun Mannschaften liegen über 50%, darunter Dynamo Kyiv und Celta Vigo. Ebenfalls noch vor dem FCZ liegen unter anderem Athletic Bilbao, als einziges Schweizer Team Basel (14., 46,8%), Dinamo Minsk, Anderlecht und Espanyol. Die Zahlen führen die sich unter Deutschschweizer Fussballjournalisten (Print und TV) hartnäckig haltende Behauptung, unter Trainer Ludo Magnin würde gar nicht wie versprochen auf die eigene Jugend gesetzt, oder es handle sich beim aktuellen FCZ gar um eine „Söldnertruppe“, einmal mehr komplett ad absurdum. Zu den Junioren aus der eigenen Academy dazu kommen Talente wie der 17-jährige Becir Omeragic, der zuletzt über die U21 an die Super League herangeführt wurde und in den 38,6% nicht mit enthalten ist, da er dem Servette-Nachwuchs entstammt.

Die Super League als Ganzes liegt in Bezug auf die Einsatzzeiten von im eigenen Klub ausgebildeten Spielern mit im Durchschnitt 24,8% der Spielzeit europaweit gar an der Spitze! Über mangelndes Identifikationspotential mit der Mannschaft können sich die Fans in der Schweiz im Gegensatz zu vielen anderen Ländern nicht beklagen. Über der Marke von 20% liegen ansonsten nur noch die Slowakei, Norwegen, Slowenien, Tschechische Republik und Dänemark. Unter 10% liegen Schlusslicht Türkei (3,7%), Zypern, Italien (5,4%), Portugal (!), Griechenland, Bulgarien und auch Deutschland (8,8%). Bemerkenswert, dass die Premier League-Klubs (12%) mittlerweile mehr als die Bundesliga-Teams auf Spieler aus dem klubeigenen Nachwuchs setzen. Die Super League ist zudem  mit 25,7 Jahren die fünftjüngste Erste Liga Europas – nach der Slowakei, den Niederlanden, Slowenien und Kroatien. Am anderen Ende der Skala befinden sich wiederum die Türkei und Zypern. Dabei sticht der FC St. Gallen als mit durchschnittlich 23,0 Jahren europaweit sechstjüngstes Team hervor: jünger sind nur noch Nordsjaelland (Dänemark, 22,3), Energetik-BGU (Weissrussland, 22,3), DAC (Slowakei, 22,8), Heerenveen (Niederlande, 22,8) und Anderlecht (Belgien, 22,9). Trainer Peter Zeidler liegt damit nochmal deutlich unter den Werten seiner ehemaligen Klubs Salzburg und Hoffenheim, welche als Inspiration für St. Gallens laufintensiven Fussball dienen, für welchen möglichst viele junge Spieler benötigt werden. Der FCZ ist mit Durchschnittsalter 25,1 knapp hinter YB und Luzern aktuell das viertjüngste Team der Liga und europaweit an 67. Position der 464 untersuchten Erstligisten.

Ebenfalls im europaweiten Vergleich hoch ist die Klubtreue bzw. die „Stabilität“, wie dies vom CIES genannt wird,  der eingesetzten FCZ-Spieler. Im Durchschnitt sind diese bereits 29,2 Monate in der 1. Mannschaft des FC Zürich engagiert. Im schweizerischen Vergleich sind nur bei Xamax die eingesetzten Spieler noch länger mit dabei. In Bezug auf den Ausländeranteil und die prozentuale Spielzeit der Einwechselspieler liegt der FCZ im europäischen Durchschnitt. Recht hoch ist hingegen mit 182,9 cm die durchschnittliche Körpergrösse der eingesetzten Spieler. Zu berücksichtigen ist am Beispiel von Assan Ceesay, dass Körpergrösse nicht immer automatisch auch eine grosse „Wasserverdrängung“ bedeutet. Bei YB ist das etwas anders. Die Berner sind mit durchschnittlich 183,6 cm das „grösste“ Team der Super League. Am meisten nach oben gucken müssen die Gegenspieler, wenn sie gegen Union Berlin antreten – Urs Fischer trainiert mit durchschnittlich 187,1 cm das „grösste“ Team Europas.

(Archivbild, von links nach rechts: FCZ-Junioren Nicolas Stettler, Kevin Rüegg und Nils Von Niederhäusern bei einem SFV-Zusammenzug)

 

 

 

Urs Fischer reloaded / vier Baustellen beim FCZ vor dem Start in den Frühling

Am Ende war er da, der schon gegen Luzern geforderte „dreckige“ Sieg. Mal so gewinnen, wie Spitzenteams es jeweils zu tun pflegen, wenn es ihnen nicht läuft – was dem FCZ in den letzten Jahren sehr selten gelungen ist. Aber die Freude über einen Halbfinal-Einzug war auch schon grösser, um es milde auszudrücken – so beispielsweise vor Jahresfrist nach dem 4:3 im damaligen Viertelfinal gegen den FC Thun nach 1:3-Rückstand, allerdings nicht wegen der Leistung (die damals über das ganze Spiel hinweg nicht wesentlich besser war), sondern in erster Linie wegen dem aufwühlenden Spielverlauf inklusive Last Minute-Siegtor.

Am Sonntag war mit dem FC Luzern eine relativ gute Super League-Mannschaft im Letzigrund zu Gast, welche aber momentan in einer kleinen Krise steckt. Gegen ein Luzern in dieser Verfassung hätte der FCZ gewinnen müssen – ein Punkt war zu wenig. Der SC Kriens im Cup-Viertelfinal war nun (zumindest aus Sicht und in der Berichterstattung von Züri Live) erwarteterweise der schwerere Gegner – sogar deutlich schwerer, wie sich herausstellen sollte. Mittelfeldspieler Marco Wiget bestand nach der Partie richtigerweise darauf, dass ein Erfolg seiner Mannschaft zwar eine Überraschung, aber keine Sensation gewesen wäre. Challenge League-Topskorer Nico Siegrist stellte die FCZ-Hintermannschaft von den Flügelpositionen aus wie befürchtet immer wieder vor Probleme. Die Innerschweizer, welche in dieser Saison überhaupt erst zwei Mal auswärts verloren hatten, waren heiss, und wuchsen im Letzigrund nochmal zusätzlich über sich hinaus – es war für alle das Spiel des Jahres – für Einzelne sogar das Spiel ihres Lebens. Ohne die über weite Strecken stark spielenden Andris Vanins und Mirlind Kryeziu im Defensiven Zentrum hätte es noch schwieriger werden können.

Zufrieden mit der Leistung war nach der Partie beim FCZ niemand. Was sind die Baustellen? Am eklatantesten ins Auge fällt zuletzt der eklatante Unterschied zwischen dem Start in eine Partie und dem weiteren Spielverlauf. Bei Ligadominator YB war die erste halbe Stunde sehr gut gewesen. Die Beobachter rieben sich die Augen, denn so stilsicher war der FCZ im Wankdorf in der Meisterschaft in den letzten Jahren kaum mal aufgetreten. Ab Minute 30 schien es aber, als habe jemand beim FCZ den Stecker gezogen und das Licht gelöscht. In Napoli: ein sehr mutiger engagierter Start in die Partie einer jungen Mannschaft, welche den Zweitplatzierten der Serie A immer wieder hinten reindrücken konnte. Kurz vor der Pause liess man erstmals etwas nach und musste prompt das 0:1 hinnehmen. Gegen Luzern: wieder ein sehr guter Start bis zum schönen 1:0-Freistosstreffer von Salim Khelifi, worauf man dann aber unerklärlicherweise einen Gang zurückschaltete. Und würde der FCZ während seiner Spiele vorwiegend so auftreten wie in den ersten 15 Minuten gegen den SC Kriens, könnte man in der Super League mit Thun oder sogar Basel Schritt halten. Spielerisch und taktisch war das FCZ-Spiel wie in Bern oder Napoli bis zu diesem Zeitpunkt formidabel. Stattdessen danach dann aber wieder das bekannte Nachlassen, welches den Gegner ins Spiel brachte.

Der FCZ geht sichtlich mit einer guten Einstellung und einem klaren Plan in die Partien und zwingt diesen jeweils dem Gegner auf. Ab einem Zeitpunkt X fällt dies dann aber alles zusammen, manchmal schrittweise, manchmal auch plötzlich wie ein Kartenhaus. Gegen Gegner wie Luzern oder Kriens kommt dieser Zeitpunkt X nach dem eigenen frühen Führungstor. Gegen Gegner wie YB oder Napoli hingegen eher dann, wenn man nach 30-40 Minuten trotz gutem Spiel sich nicht mit einem Treffer hat belohnen können. Ist es die (vor allem mentale) Müdigkeit nach dem von den Affichen und dem Spielrhythmus her speziellen Rückrundenstart? Oder eher eine Einstellungssache? Fühlt man sich zu sicher, wenn es zu Beginn gut läuft? Oder im Gegenteil zu unsicher, weil man mittlerweile weiss, dass ein guter Start in die Partie überhaupt nichts bedeutet? Auf die zweite Option deutet die Aussage von Hekuran Kryeziu vom zur Zeit fehlenden Selbstvertrauen nach dem Kriens-Spiel hin.

Eine weitere eklatante Schwäche sind Standards. Abgesehen von den direkt geschossenen Freistössen Khelifis und den Penalties Kolollis hat der FCZ bei Offensivstandards lange Zeit kaum etwas zustande gebracht. Dies hat sich nach der Winterpause aber geändert, denn beim Derbysieg entstanden alle FCZ-Tore direkt oder indirekt aus «Stehenden Bällen», und mit Grégory Sertic hat man einen sehr guten Standardschützen hinzubekommen, bei welchem ein daraus resultierendes Tor nur eine Frage der Zeit zu sein scheint. Wirklich schmerzhaft ist aber, dass man zuletzt national in jedem Spiel das wichtige erste Gegentor per Corner-Kopfball erhalten hat. In Bern und gegen Luzern hatte Umaru Bangura jeweils seinen Gegenspieler nicht genügend bedrängt. Gegen Kriens war es nun Kevin Rüegg, welcher Saleh Chihadeh aus den Augen verlor. Die Vermutung von Züri Live, dass zumindest in diesem Punkt der FCZ gegen Kriens die Sache besser im Griff haben sollte, als gegen die vielen grossgewachsenen Luzerner, war also falsch.

Die dritte Baustelle ist der Sturm. Eine Mannschaft, deren Stürmer kaum treffen, ja, sich nur wenige Torchancen erarbeiten können, strotzt selten vor Selbstvertrauen. Der Abgang von Michi Frey und Raphaël Dwamena im Sommer ist bis heute eine Hypothek für das Team und die Trainer. Stephen Odey hat sich lange Zeit wacker gehalten, läuft nun aber seit Ende Vorrunde meilenweit seiner Form hinterher. Assan Ceesay kam in dieser Super League-Saison vor allem auch verletzungsbedingt lange Zeit nicht zum Zug, hat bisher eine Quote von einem Skorerpunkt alle 176 Minuten (alle zwei Spiele einen). Der Gambische Nationalstürmer konnte nach starken ersten Teileinsätzen in Nikosia und Sion insgesamt bisher zu selten seine Stärken ausspielen. Ob es in erster Linie an ihm selbst liegt, an der noch fehlenden Abstimmung mit den Nebenleuten oder dass die richtige Rolle für ihn noch nicht gefunden worden ist? Wohl von allem ein bisschen. Von den neuverpflichteten jungen Stürmern ist Nicolas Andereggen verletzt. Salah Binous ist zur Zeit noch nicht ready für die 1. Mannschaft und grundsätzlich in dieser Rückrunde für die U21 vorgesehen. Yann Kasai könnte hingegen abhängig von den Trainingsleistungen eine Option sein, denn dessen grösste Stärke, das Ball halten, verarbeiten und direkt weiterleiten hat zuletzt im Zürcher Spiel in der vordersten Reihe zu häufig nicht wie gewünscht funktioniert.

Die vierte Baustelle ist Benjamin Kololli. Wie schon gegen Luzern war es vor allem der Waadtländer, der mit einer Reihe von unnötigen Ballverlusten nach rund einer Viertelstunde den Gegner zurück ins Spiel brachte. Kololli ist der Typ Spieler, der von fernen Beobachtern chronisch überschätzt wird, weil er während der ganzen Saison immer wieder mal spektakuläre Einzelaktionen im Programm hat. Wenn so einer dann in einer Abstiegssaison mit Lausanne 16 Skorerpunkte erzielt, sieht es auf den ersten Blick so aus, als seien die Waadtländer TROTZ Kololli abgestiegen. Diejenigen Beobachter, welche nahe dran an Lausanne-Sport waren, werden das aber anders sehen. Der Abstieg mit Lausanne ist ebenso kein Zufall wie dass der Waadtländer in seinem 27. Altersjahr erst 92 Super League-Einsätze auf seinem Konto hat. Etwas ähnlich, wenn auch nicht ganz gleich, sieht es bei dessen Kumpel aus der Jugendzeit, Salim Khelifi, aus. Der Einsatz des flinken Flügelspielers stimmt im Gegensatz zu demjenigen Kolollis immer. Trotzdem ist auch Khelifi nicht ganz zufällig von einem (doppelten) Absteigerverein zum FCZ gestossen, und es passieren ihm ebenfalls, wenn auch nicht im gleichen Ausmass wie bei Kololli, zu viele schmerzhafte Ballverluste. Noch nicht richtig angekommen ist Mittelfeldmann Grégory Sertic, der einerseits sehr gute lange Bälle spielt, gleichzeitig in verschiedenen Szenen auch gegen Kriens eher etwas teilnahmslos agiert. Dass der Franzose kein Leadertyp ist, hat Brice Chevenal im Le Matin vor zwei Wochen beschrieben: „Grégory Sertic, un soldat discret à Zurich“

Diese vier Baustellen müssen vom Trainerteam bearbeitet und dann abgeschlossen werden. Ludovic Magnins Verbindung zu Lucien Favre ist bekannt. Das Temperament der beiden ist aber sehr unterschiedlich, und Magnin hat seine Trainerzeit in der 1. Mannschaft des FCZ bei weitem nicht so schlecht gestartet wie damals Favre. Dafür sind er und sein Trainerteam jetzt ein Jahr nach Amtsantritt in einem Zwischentief angelangt. Vom Saisonverlauf her ähnelt die Formkurve des Magnin-Teams daher stärker derjenigen von Uli Forte – in dessen beider Saisons. Sowohl in der Challenge League-, wie auch in der Super League-Saison startete die Mannschaft unter Forte stark und begann dann ab Ende Oktober / Anfang November plötzlich enorm abzubauen. In der Challenge League-Saison konnte dies dank des Punktevorsprungs und der nach dem ersten Saisonviertel bereits etwas demoralisierten Liga-Gegner gegen aussen noch übertüncht werden. Trotzdem holten in der Rückrunde Xamax gleich viel, Schaffhausen gar mehr Punkte als der FCZ. In der Super League-Saison war dann der eklatante Leistungsabfall nicht mehr so einfach zu verbergen. Der Saisonverlauf nun unter Magnin ist ähnlich wie bei Forte, wenn auch sowohl im Positiven wie auch im Negativen etwas weniger extrem.

Ein klarer Vorteil von Magnin gegenüber Forte ist und bleibt, dass Magnins Art Fussball spielen zu lassen, dem Talentprofil der für die teure FCZ Academy selektierten und ausgebildeten Junioren entspricht. Der viel stärker physisch geprägte «Forte-Fussball» ist hingegen eindeutig besser GC-kompatibel. Dort werden die kräftigen Stürmer und Innenverteidiger ausgebildet, während im Heerenschürli in erster Linie technisch, spielerisch und taktisch starke Mittelfeldspieler entwickelt werden. Als Forte damals Kevin Rüegg aus der Academy empfohlen wurde, hat er diesen als einer der raren physisch starken Academy-Spieler gerne in die 1. Mannschaft eingebaut, setzte ihn aber im Zentralen Mittelfeld ein. Dort kommt aber eine der grössten Stärken Rüeggs, die Schnelligkeit, überhaupt nicht zum Tragen – dafür eine seiner grössten Schwächen: technisch hat der Zürcher Neo-Captain ausser seinem Rechten Innenrist nicht viel zu bieten und hat Schwierigkeiten sich auf Super League-Niveau auf engem Raum mit Ball am Fuss aus einer Drucksituation zu lösen, eine Qualität, die von einem Zentralen Mittelfeldspieler heutzutage unbedingt verlangt werden muss. Toni Domgjoni wollte Forte wie man hört aussortieren und den filigranen Spielmacher Izer Aliu testete er mit wenig Überzeugung als Linker Aussenverteidiger / Linker Aussenläufer. An Simon Sohm hätte Forte sicherlich seine Freude gehabt, aber Bledian Krasniqi oder Lavdim Zumberi wären unter ihm ohne Einsatzchancen geblieben.

Daher ist letztendlich auch die Vergleichbarkeit von Ludovic Magnin mit Uli Forte nur sehr beschränkt vorhanden. Nein, weder Favre noch Forte sind in ihrer Entwicklung als FCZ-Trainer am besten mit Ludo Magnin vergleichbar, sondern… Urs Fischer. Es fängt schon mal damit an, dass beide als Spieler emotionale Verteidigerhaudegen waren mit einer starken eigenen Meinung. Beide sind als Trainer beim FCZ in der Academy langsam, aber konsequent aufgebaut worden und hatten dort Erfolg. Beide waren zu Beginn in der 1. Mannschaft ebenfalls sehr erfolgreich. Fischer führte den FCZ zurück an die Liga-Spitze und beendete in einem engen Titelrennen die Saison auf dem Zweiten Platz – Magnin holte dank einem Derby-Halbfinalsieg gegen Yakin’s GC und dem Finalerfolg gegen Saisondominator YB den Cup nach Zürich. Beide bestritten danach eine für FCZ-Verhältnisse überdurchschnittlich lange Europacupsaison – bei Fischer wars nach dem Erfolg gegen Standard Lüttich und dem Ausscheiden gegen die Bayern in der Champions League-Qualifikation in der Europa League-Gruppenphase etwas weniger erfolgreich, als unter Magnin. Danach folgten im Winter in beiden Fällen für die Saisonhälfte aussergewöhnlich viele Spielerwechsel.

In beiden Fällen konnte sich die Mannschaft nach der Winterpause nicht gleich sofort wieder finden. Es waren gute Ansätze zu sehen, aber die Resultate stimmten (noch) nicht. Die zu grosse Ungeduld im Umfeld und der damals noch nicht von der Familie Canepa dominierten Führungsregie führte schliesslich zur viel zu vorschnellen Entlassung von Urs Fischer. Eine Entscheidung, die den FCZ auf Ebene 1. Mannschaft um Jahre zurückgeworfen hat. In der Folge hangelte man sich von Trainerwechsel zu Trainerwechsel und die ganze Entwicklung endete schlussendlich im Abstieg. Einen anderen Weg schlug beispielsweise der FC Thun ein. Als letzte Saison die Resultate nicht stimmten und die Tabellensituation prekär war, stärkte man Trainer Marc Schneider den Rücken. Als Resultat davon haben sich die Berner Oberländer enorm stabilisiert, liegen völlig verdient zur Zeit auf dem Dritten Platz und stehen im Cup-Halbfinal. Kontinuität ist das Zauberwort. Allerdings zeigt das Beispiel Thun, dass dies nicht nur auf Trainer-, sondern auch auf Spielerebene zu einem wichtigen Erfolgsfaktor werden kann. Letzteres ist für einen Klub wie den FCZ mit der Academy und deutlich häufiger ins Ausland wechselnden Spielern allerdings schwieriger zu erreichen als für den Klub aus der Stockhorn Arena.