Beste Saisonleistung einer noch ausbaufähigen Mannschaft / YB – FCZ Analyse mit Randnotizen

UNTERSCHIEDLICHE FIEBERKURVE BEI FANS UND MEDIEN / YB – FCZ VORSCHAU (Züri Live)

Die Affiche YB – FCZ wurde einem Spitzenspiel gerecht. Die Intensität war für eine Super League-Partie hoch und die beiden Trainer hatten sich taktisch gerade auch in den Details einiges einfallen lassen. So schien sich beispielsweise der FCZ intensiv auf die YB-Standards vorbereitet zu haben, denn diese wurden in corpore so stark verteidigt, wie man dies beim FCZ noch kaum je gesehen hat. Nicht nur zwei oder drei Spezialisten hatten ihren Gegenspieler und ihre Aufgabe voll im Griff, sondern alle! Daniel Afriyie beispielsweise agierte stark im eigenen Strafraum. Es war ein tolles Teamwork.

Bisher beste Saisonleistung des FCZ

Auf der anderen Seite vermochte beispielsweise Ulisses Garcia als erster Gegenspieler der häufigen Zürcher Spieleröffnung mit den Kopfballweiterleitungen Lindrit Kamberis rechts im Mittelfeld etwas entgegen zu setzen. In der 1. Halbzeit schnitt der FCZ jedem YB-Flämmchen sofort die Sauerstoffzufuhr ab. Die Gelb-Schwarzen brachten kaum eine zusammenhängende Aktion zustande. Das FCZ-Pressing funktionierte besser als dasjenige YB’s. In der 2. Halbzeit konnte der FCZ dann wie üblich die Pace nicht im gleichen Ausmass durchhalten. Diesmal entfalteten aber Einwechselspieler wie Hornschuh, Guerrero oder Rohner etwas mehr Wirkung als in den letzten Partien.

Der Match in Bern ist mit einer Durchschnittsnote von 7,1 die beste Saisonleistung des FCZ (bisher Lugano (H, 3:0) und die Lausanne-Sport (A, 0:0) mit je 6,7). Und nur zwei Partien (ebenfalls “Lugano“ und “Lausanne-Sport“) waren offensiv besser. Die 1. Halbzeit in Bern ist zudem mit Note 7,0 die bisher beste Halbzeit der Saison (bisher 1. Halbzeit in Basel (6,8)). Der FCZ trat wieder im üblichen 3-4-3 mit Antonio Marchesano auf dem Rechten Flügel an. Der Spielaufbau von hinten lief über eine Viererabwehrreihe (Conceição als Linksverteidiger, Boranijasevic rückt nach vorne).

Wicky ändert sein Konzept für die Spiele gegen den FC Zürich und Manchester City

YB-Coach Raphael Wicky änderte für das Spitzenspiel gegen den FCZ und das Champions League-Heimspiel gegen Manchester City die taktische Formation und Ausrichtung mit einem 4-3-3 in der offensiven Phase (6er: Lauper, 8er: Ugrinic und Niasse, Flügel: Monteiro und Elia, Mittelstürmer: Nsamé / Itten). In der defensiven Phase presste YB in der gegnerischen Platzhälfte im 4-4-2 (Doppelsturm: Nsamé und Monteiro, Aussen-Mittelfeldspieler: Ugrinic und Elia), was sich in der eigenen Platzhälfte in ein 4-5-1 verwandelte (Monteiro zurück ins Mittelfeld). Da aber Sandro Lauper und Daniel Afriyie ganz offensichtlich den Auftrag hatten, sich gegenseitig in Manndeckung zu nehmen, rückte Lauper immer wieder in die Abwehrreihe zurück, wenn Afriyie seinen typischen Lauf von der 10er- auf die 9er-Position machte, woraus sich dann bei YB ein 5-4-1 ergab. Dies drängte die Berner noch mehr zurück.

Highlights – Knapp daneben

Personalien – Hornschuh is back

  • Marc Hornschuh: Erster Meisterschaftseinsatz seit Ende August, als er mit seinem Deckungsfehler gegen St. Gallen den späten Ausgleich mitverschuldete – und erstmals diese Saison in der Liga über mehr als zehn Minuten. Hornschuhs Einwechslung in Bern ist wichtig für die Sicherung des Unentschiedens und erinnert an seine besten Einsätze im FCZ-Dress. Früher hatte Hornschuh gegen YB meist Mühe mit dem hohen Tempo, diesmal nicht. Hornschuh ist ein weiterer Baustein einer langsam, aber sicher besser werdenden FCZ-Bank. Sie ist nicht mehr ganz so dünn besetzt wie noch im ersten Saisonviertel.
  • Lindrit Kamberi: Hat bei seinen Kopfballweiterleitungen der hohen Bälle Brechers mit Ulisses Garcia so viel Gegenwehr in der Luft wie bisher noch nie in dieser Saison.
  • Fabio Daprelà: Erstmals seit dem Startspiel gegen Yverdon in der 1. Halbzeit ungenügend. Ist weiterhin noch nicht wieder in der Form von Ende August / Anfang September.
  • Yanick Brecher: Durchschnittlicher Start im ersten Viertel, sein Offensivspiel wird danach deutlich besser. Seine langen, hohen Bälle kommen präzis bis fast an den gegnerischen Strafraum und versetzen das Spielgeschehen zusammen mit dem aggressiven Gegenpressing von Brechers Vorderleuten viel länger als YB lieb sein kann in die Platzhälfte der Berner. Zum dritten Mal MVP nach den Auswärtspartien in Genf und bei SLO und dabei erstmals mit der Offensiv-Maximalnote “10“. Defensiv war er hingegen erst in der 45. Minute zum ersten Mal richtig gefordert.
  • Ifeanyi Mathew: Nach dem defensiv schlechten Auftritt gegen Winterthur in Bern diesbezüglich wie verwandelt. Spielt von Beginn weg fokussiert und aufmerksam. Defensiv bester Mann beim FCZ und so gut wie bisher noch nie in dieser Saison.
  • Nikola Boranijasevic: Nach dem Auswärtsspiel bei SLO auf der Pontaise zum zweiten Mal der offensiv Beste seines Teams, beide Male mit Note “10“. Zum zweiten Mal nach dem Auswärtsspiel bei Lausanne-Sport bester Spieler der 1. Halbzeit. Wiederum eine gute Torchance (Marchesano) nach einem Boranijasevic-Einwurf.
  • Cheikh Condé: Condé lässt gegen YB zum ersten Mal seit dem St. Gallen-Heimspiel in der 2. Hälfte stark nach und ebenfalls zum ersten Mal seit dem Duell mit dem Zeidler-Team hat der Guineer eine schlechte Note in der Offensiven Phase. St. Gallen und YB sind die beiden Schweizer Teams mit dem stärksten Pressing. Gegen solche Gegner fehlt es ihm in gewissen Situation noch an der Entscheidungsschnelligkeit.
  • Jonathan Okita: Seine Standards sind weiterhin gut, aber aus dem Spiel heraus zu viele leichte Ballverluste. Versucht hohe Bälle wieder im Karate-Schritt statt mit der Stirn anzunehmen. Erstmals in dieser Saison bereits in der 1. Halbzeit ungenügend.
  • Armstrong Oko-Flex: Geht konsequenter ins Pressing, als Okita. Offensiv aber zum vierten Mal in Folge schlecht oder ungenügend.

Kommentare – FCZ wie ein Spitzenreiter

Randnotiz I – the missing link

Im aktuellen System des FCZ pendelt der zentrale Angreifer im 3-4-3 je nach Spielsituation und gegnerischer Taktik zwischen 10er- und 9er-Position – und dementsprechend auch die Formation zwischen einem 3-4-3 und 3-4-1-2. Wie vielfach im Eishockey sind es eher die einrückenden Flügel, welche für die Tore sorgen sollen – und nicht in erster Linie der Center. Nun gibt es aktuell auf keiner Position so viele Wechsel während einer Partie wie auf derjenigen im Sturmzentrum. Es ist keine Seltenheit, dass in den 90 Minuten plus Nachspielzeit drei verschiedene Spieler diese Position besetzen. Dies und die Spielweise des FCZ unter Bo Henriksen lassen erahnen, dass man die Idealbesetzung noch nicht gefunden hat. Unter André Breitenreiter war Antonio Marchesano gesetzt. Franco Foda und nun auch Bo Henriksen setzen Marchesano aber häufiger auf dem Rechten Flügel ein. Marchesano wird zwar von jedem Trainer aufgrund seiner Qualitäten als unverzichtbar angesehen, ob er aber eine Idealbesetzung für die zentrale Angriffsposition ist, da gehen die Meinungen offensichtlich auseinander.

Daniel Afriyie beginnt aktuell zwar jedes Spiel als Starter im Zentrum, wirkt dabei aber eher als eine Art Platzhalter, hat häufig wenig Bindung zum Spiel und zeigt seine besten Aktionen, wenn er über den Rechten Flügel angreifen kann – was aber genauso auch für Fabian Rohner gilt. Der Rechte Flügel ist somit vorne sicherlich gut besetzt. Links kann sich Oko-Flex hoffentlich mit zunehmenden Einsätzen als echte Konkurrenz zu Okita entwickeln. Die wohl weiterhin gesuchte Idealbesetzung Henriksens im Zentrum wäre wohl hingegen ein Stürmer vom Typ “Roko Simic“: ein grossgewachsener, spielstarker Mittelstürmer, der sich auch gerne zurückfallen lässt. Idealerweise wäre er zudem defensiv noch etwas besser als Simic. Nur: so einen Stürmertyp mit der für den FCZ benötigten Qualität zu finden und dann auch zu verpflichten grenzt an eine Herkules-Aufgabe. Vielleicht wäre “selber stricken“ eine Option? Zum Beispiel in Form von einem Nachwuchsstürmer aus der U21, Junior Ligue oder Labinot Bajrami, wenn sie es schaffen, in eine solche Rolle hineinzuwachsen… Der Vorteil eines Daniel Afriyie im Zentrum ist allerdings unter anderem seine Defensivqualität im Duell mit dem gegnerischen 6er, welche kaum ein anderer Stürmer in diesem Ausmass mitbringt – ein wichtiges Puzzleteil für die defensive Stabilität des FCZ.

Randnotiz II – Entscheidungen von Schiedsrichter und VAR

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Marchesano: „Am liebsten hängende Spitze“

Antonio Marchesano vom FC Biel wurde bereits Anfang September vom FCZ als Neuzugang für die Saison 2016/17 vorgestellt, und gleichzeitig nochmal für eine Saison an die Seeländer verliehen. Der neue Mehrheitseigner des FC Biel, Carlo Häfeli, und dessen Vorstand haben das Budget des Klubs signifikant erhöht. Mit Transferaktivitäten sollen in der aktuellen Spielzeit CHF 700’000.- erwirtschaftet werden. Mit dem Marchesano-Transfer zum FCZ wurden CHF 230’000.- an Transfereinnahmen früh in der Saison ein Drittel davon realisiert.

Der Tessiner ist zweifellos schon seit Jahren einer der technisch und spielerisch besten Spieler der Challenge League, welchem aber in Sachen Laufvermögen, Qualitäten im Spiel ohne Ball und selbst bezüglich Torgefährlichkeit auch für Verhältnisse der zweithöchsten Liga einiges an Qualität fehlte. Im Sommer vom FC Winterthur zu einem runderneuerten FC Biel gewechselt, wirkte Marchesano nun aber fitter, als die Jahre zuvor. Vor allem wurde er von Trainer Patrick Rahmen auf seiner Lieblingsposition als hängende Sturmspitze eingesetzt, und hatte so einen kürzeren Weg zum Tor. Die Folge waren 10 Tore in den ersten sieben Runden.

Kaum aber hatte der 1.67 m grosse Offensivmann den Vertrag beim FCZ unterschrieben, zeigte seine Leistungskurve stark nach unten – und es folgte nur noch ein einziges Tor bis zur Winterpause, was parallel den ganzen FC Biel in eine sportliche Krise stürzte – auch wenn in diese Phase wegen muskulären Problemen im linken Oberschenkel drei verletzungsbedingt verpasste Spiele fielen. Wegen seiner nachlassenden Torgefährlichkeit und der Rückkehr der zweiten Sturmspitze Gaëtan Karlen wurde Marchesano von Trainer Patrick Rahmen zudem häufiger wieder zurück ins Mittelfeld beordert, wo der aus Bellinzona stammende Offensivmann aber noch schlechter agierte.

Der Tessiner war im Sommer neben dem höheren Jahreslohn (inklusive Zusatzleistungen im tiefen sechsstelligen Bereich) vor allem auch deshalb von Winterthur zu Biel gewechselt, weil ihm dort Einsätze auf seiner Lieblingsposition versprochen wurden. Im Gespräch mit Züri Live äusserte sich Antonio Marchesano Ende Oktober über seine Lieblingsposition, den FCZ und die Möglichkeit eines vorgezogenen Wechsels im Winter:

Unter dem Strich konnte Marchesano seine Super League-tauglichkeit in der Vorrunde nicht unter Beweis stellen. Sami Hyypiäs taktisches Konzept kommt Marchesano entgegen, da der Finne mit einem torgefährlichen Techniker als hängende Spitze hinter Franck Etoundi spielen will. Allerdings gibt es für diese Position aktuell mehr als genug Alternativen. Es ist bereits die Idealposition von solch wichtigen Spielern wie Oliver Buff, Mario Gavranovic und Davide Chiumiento. Hinzu kommen Christian Schneuwly und Artjom Simonyan, die ebenfalls am liebsten und besten in dieser Rolle agieren. Den Sprung von der U20- in die U21-Nationalmannschaft hat Antonio Marchesano in Jugendzeiten nicht geschafft – ob ihm der Sprung in die Super League doch noch gelingt, ist offen. Er wird aber aus athletischen und taktischen Gründen eher noch etwas mehr Anpassungsschwierigkeiten zeigen, als beispielsweise sein Tessiner Offensivkollege Patrick Rossini.