SWISS FOOTBALL LEAGUE – 23 GRÜNDE GEGEN LIGA-AUFSTOCKUNG UND PLAYOFFS

Zum wiederholten Mal in den letzten Jahren wird in der Swiss Football League über eine Änderung des Ligaformates diskutiert. Dabei gibt es keinen Grund, das Erfolgsformat 10+10 aufzugeben. Die Aufstockung auf 12+10 und darauf aufbauende Überlegungen im Hinblick auf eine Zulassung von U21-Teams in der Challenge League hätten in allen Bereichen negative Auswirkungen auf den Schweizer Spitzenfussball: sportlich, wirtschaftlich, sicherheitstechnisch und auch im Bereich der Talentförderung.

1)   Never Change a Winning Format

Seit Einführung von 10+10 hat die Schweizer Nationalmannschaft mit Ausnahme von 2012 alle Endrunden erreicht. Die Spielzeit für eigene Junioren in der Super League ist dank der 10er-Liga von 10% auf aktuell 21,7% geradezu explodiert. Die Schweiz liegt in diesem Bereich europäisch unter den ersten drei. Die durchschnittlichen Zuschauerzahlen haben von rund 5’000 in der 16-er Liga, über 7’000 in der 12er-Liga auf 11’000 in der 10er-Liga zugenommen. Gemessen an der Einwohnerzahl ist dies auch im internationalen Vergleich ein sehr hoher Wert. Dieser Zuschaueraufschwung hat den Schweizer Profiklubs unter anderem ermöglicht, ihre Talentförderung massiv auszubauen mit heutigen Jahresbudgets der Akademien von bis zu 4 Mio Franken pro Jahr.

Die Schweiz hat zudem mit diesem Format ihren jungen Talenten für den Sprung in eine internationale Topliga eine ideale Plattform bieten können. In gewissen Saisons war die kleine und nicht als «Fussballnation» betrachtete Schweiz im Ausländerranking der Bundesliga sogar auf dem 1. Platz. Und trotz grossem Aderlass an eigenen Talenten und beschränkten finanziellen Mitteln hat es die Super League parallel auch noch geschafft, sich im Klubfussball meist in den Top 15 der UEFA-Fünfjahreswertung zu halten. Sogar Challenge League-Klubs (Lausanne-Sport, FC Zürich, Vaduz) waren europäisch kompetitiv.

2)   Tiefere Zuschauerzahlen vorprogrammiert

Eine grössere Liga geht fast schon automatisch einher mit einem kleineren Zuschauerschnitt. In Österreich haben durch die Ligavergrösserung die Zuschauerzahlen sogar abgenommen obwohl gleichzeitig die Wiener Grossklubs Rapid und Austria neue Stadien eröffnet haben. Egal nach welchem Modus: es gibt mehr Spiele gegen unattraktivere Gegner. Und da die Zuschauereinnahmen sowohl direkt wie auch indirekt (Sponsoren, Werbegelder) für die Schweizer Klubs essenziell sind, ist dies ein ganz wichtiges Argument gegen eine Ligavergrösserung.

3)   Deutlich weniger TV- und Verbandsgelder pro Klub

Mit neu 12 statt 10 Teilnehmern bleibt für jeden einzelnen Klub weniger aus den TV- und Verbandsgeldern übrig. Die Super League-Klubs müssen bei diesen Einnahmenposten mit einer Reduktion um 15-20% rechnen.   

4)   Talentförderung ist in 12er-Ligen kleiner

Die Super League mit aktuell 21,7% ist europaweit die Nummer 3 in Bezug auf den Einsatz von im Klub ausgebildeten Spielern. Der Mythos, dass eine 10er-Liga wegen «grösserem Druck auf die Trainer» zu einer Vernachlässigung des eigenen Nachwuchses führt, ist nachweislich falsch. Ganz im Gegenteil: die Statistik aller europäischen obersten Ligen zeigt, dass die Einsatzzeiten von Spielern aus dem eigenen Nachwuchs mit der Ligagrösse generell abnimmt! Der Unterschied zwischen 10er-Ligen (beinahe 20%) und 12er-Ligen (etwas mehr als 15%) ist dabei speziell gross. In Österreich beispielsweise stammen aktuell nur 18,2% der eingesetzten Spieler aus dem eigenen Nachwuchs, in Schottland gar nur 10,8%.

Wenn, wie in einer 10er-Liga häufig der Fall, alle Teams während der ganzen Saison entweder im Kampf um die Meisterschaft, die Europacup-Plätze oder gegen den Abstieg involviert sind, bringt dies gerade die jungen Spieler in ihrer Persönlichkeitsentwicklung weiter. Tragende Säulen des Nationalteams der letzten Jahre wie Yann Sommer, Steven Zuber oder Tranquillo Barnetta wurden in jungen Jahren im Abstiegskampf gestählt. Geht es in einer Partie zwischen Mittelfeldteams hingegen um Nichts, dann ist die Intensität tief, und die Talente lernen kaum mehr als in einem Testspiel. Erst durch Widerstand und Druck entsteht aus Basiselementen ein Rohdiamant. Talente, die mental und fussballerisch das Zeug für eine Top-Liga mitbringen, werden in der Super League von ihren Trainern auch in schwierigen Situationen gepusht. Ein Ricardo Rodriguez oder Granit Xhaka haben schon mit 17 Jahren konstantere Leistungen auf den Platz gebracht als deutlich erfahrenere Teamkollegen.

5)   Nicht genügend Infrastrukturen und Potential für mehr als 20 Teams, sowie erhöhte Sicherheitsbedenken

Trotz temporärer Suspendierung einiger entscheidender Infrastrukturkriterien aufgrund der schwierigen Nach-COVID-Situation haben in erster Instanz nur 20 Klubs die Swiss Football League-Lizenz für die Saison 22/23 erhalten. Bei konsequenter Anwendung der Lizenzkriterien wären es vor allem die Super League betreffend sogar deutlich weniger gewesen. Trotzdem wird eine Aufstockung auf insgesamt 22 Klubs vorgeschlagen. Als würde die Realität des Schweizer Fussballs ignoriert. Vor einigen Jahren wurde in einer Studie eruiert, dass 20 Fussball-Profiteams angesichts der Grösse und Struktur eines Landes wie der Schweiz die obere Grenze des Möglichen und Finanzierbaren darstellen.

Das leicht grössere Österreich kam über 7’000 Zuschauer im Schnitt nie hinaus und kam zum Schluss, dass es nicht in der Lage ist, 20 Profiklubs zu unterhalten. Deshalb wurde mit der Re-Amateurisierung der 2. Liga ein Schritt zurück gemacht.  Die Schweiz kann zwei professionelle Ligen betreiben. Allerdings nur, wenn sie nicht zu gross sind. Um einen einigermassen sinnvollen Wettbewerb um den Aufstieg in die höchste Liga zu gewährleisten, müsste zudem mindestens die Hälfte der Challenge League-Klubs die (infrastrukturellen) Voraussetzungen für die Super League mitbringen, also insgesamt 12 + 5 = 17 Klubs. Dies ist aber nicht der Fall. Bei einer 12-er Super League müssten zudem 17 Klubs in Bezug auf Sektorentrennung, Installationen und Polizeiaufgebot in der Lage sein, im Ligabetrieb Gästeteams wie den FCB, den FCZ, YB oder St. Gallen empfangen zu können.

6)   Gefahr der Verknöcherung und fehlenden Abwechslung

Falls durch eine Aufstockung auf 12 Teams gewisse Klubs tatsächlich in der Regel von Abstiegssorgen befreit werden, führt dies zu einer Verknöcherung und einem zu geringen Konkurrenzdruck in der Liga. Auch würde es langweiliger werden, wenn ausser FCB und YB weitere Klubs quasi «unabsteigbar» würden und daher zum Inventar der obersten Spielklasse verkommen.

7)   Verwässerung des sportlichen Niveaus

Die Qualität einer Liga wird bestimmt durch die Qualität seiner Spieler. Eine Erste Liga, die aufgestockt wird, wird «von unten» aufgefüllt mit Teams und Spielern, die ansonsten in der Zweiten Liga gespielt hätten. Bei einem Profi-Kader von 25 Mann pro Team sind dies in einem virtuellen Ranking die Profis Nummer 251 bis 300 des Landes. Diese bleiben grundsätzlich auch durch den «Aufstieg am grünen Tisch» die Profis Nummer 251 bis 300. Sie werden nicht wie durch ein Wunder bessere Fussballer. Es ist eher so, dass die besten 100 Profis durch Spiele gegen diese schlechteren Mannschaften weniger stark gefordert werden und die Gefahr besteht, dass sie sich vom tieferen Rhythmus anstecken lassen. Letztendlich wird die durchschnittliche Qualität (Technik, Tempo, Intensität) der Liga tiefer als zuvor sein.

Dies gilt für alle Wettbewerbe jeder Sportart, national wie international. Die Champions League-K.O-Phase mit den besten 16 Teams hat ein höheres Niveau, als die Gruppenphase mit 32 Mannschaften. Den Unterschied bemerken sogar Fussball-Laien. Wäre die deutsche Bundesliga eine 10er-Liga, hätte sie ein Champions League-ähnliches Niveau. Von den Mannschaften 11-18 würden je die besten 3-4 Spieler zu den Top 10 Teams wechseln. Es wäre ein Fussball mit nochmal deutlich höherer Intensität, Tempo und besserer Technik als heute.

Warum setzt die Bundesliga dies dann nicht um? Erstens weil in einem so grossflächigen Land Grossregionen mit mehreren Millionen Einwohnern dann nicht mehr in der Bundesliga vertreten wären. Und Zweitens, weil keine der anderen grossen Ligen diesen Schritt bisher gewagt hat – und Deutschland daher im sportlichen Vergleich mit England, Spanien oder Italien aufgrund der Ligagrösse kein Wettbewerbsnachteil entsteht – sie haben im Gegenteil zurzeit sogar einen kleinen Vorteil. In einem grossen Land wie Deutschland ist zudem der Qualitätsunterschied zwischen dem zehntbesten und dem elftbesten Team des Landes nicht so gross wie in der Schweiz.

8)   Fussball darf nicht «planbar» werden!

Fussball «planbar» machen zu wollen ist ein Anachronismus. Der erfolgreichste Sport der Welt lebt von seiner Unplanbarkeit: Spannung, Überraschungen, Drama, Krisen und  Wiederauferstehung. Er ist eine moderne Passionsgeschichte. Planbarer Fussball ist wie ein Metallica-Konzert in Zimmerlautstärke oder ein Zirkus-Artist, der kein Risiko eingeht. Warum soll man sich als Zuschauer so etwas anschauen gehen und dafür bezahlen?  Für den Schweizer Fussball ist es sehr gut, dass 1,5 von 10 Mannschaften absteigen. Für die Klubverantwortlichen zugegeben nervenaufreibend, aber so soll es auch sein! Wenn viel auf dem Spiel steht, strömen die Zuschauer in Scharen. Die abgrundtiefe Enttäuschung, der Scherbenhaufen, die Radikalkur: das alles zieht Fussballfans in ihren Bann. Im Abstiegskampf kommen häufig ebenso viele Fans ins Stadion, wie bei Spielen um die Meisterschaft.

Profifussball gehört zur Unterhaltungsbranche und diese ist nicht geeignet für Führungskräfte und Mitarbeitende, die mit schnell wechselnden Gegebenheiten nicht zurechtkommen. Klubs wie St. Gallen oder der FCZ haben in den letzten Jahren vom Abstieg in die Challenge League profitiert. Sie konnten sich neu aufstellen, Ballast abwerfen, eine neue Nähe und Begeisterung bei den Fans entfachen und den Wiederaufstieg feiern. Niemand feiert hingegen einen 9. Platz in einer 12er-Liga. «Planbarkeit» in den Fussball bringen zu wollen, bringt Alltag, Bürokratie, Verknöcherung, Stillstand und eine reduzierte Lernfähigkeit. All dies ist schlecht für die internationale Wettbewerbsfähigkeit und den nationalen Unterhaltungsfaktor.

«Allein, weil man nicht absteigen kann, fehlt das Kribbeln im Bauch. Wenn man verliert, geht man nach Hause und denkt sich: Okay, nächste Woche haben wir wieder einen Match.»

(Blerim Dzemaili über die MLS)

9)   Die Challenge League ist gefährdet

Eine Ligavergrösserung der Super League hat auf die Challenge League grössere Auswirkungen, als auf die Super League selbst. Wenn man der Liga die besten zwei Teams wegnimmt, sinkt nicht nur die Qualität der Challenge League, sondern es fallen auch wichtige Einnahmequellen (zugkräftige Gegner) weg. Dazu kommt die sinkende Wahrscheinlichkeit, dass Klubs mit einer grossen Fanbasis wie St. Gallen, FCZ oder Luzern in gewissen Saisons die Challenge League zusätzlich beleben können. Die finanzielle Situation ist in jedem Land in der jeweils untersten Profiliga eng. Das ist beispielsweise in der Dritten Liga in Deutschland nicht anders, als in der Challenge League in der Schweiz. Diese Ligen funktionieren mittlerweile trotzdem gut.

Die Challenge League hat im Verhältnis zu Zweiten Ligen in vergleichbaren Ländern sogar einen sehr hohen Zuschauerschnitt. Eine Super League-Aufstockung könnte aber in der Challenge League zu solchen Mindereinnahmen führen, dass ihr Überleben als zweite Profiliga in Frage gestellt wird. Und dies könnte den Verfechtern einer totalen Verwässerung der zweithöchsten Liga durch die Zulassung von Reserve-Teams der reichen Klubs entscheidenden Auftrieb verleihen.

10) Finanzierung der Jugend-Akademien in mehreren Regionen gefährdet

Der Schweizerische Fussballverband und die Swiss Football League haben in den letzten Jahrzehnten ein ausgeklügeltes System entwickelt und immer weiter verfeinert, um den Nachwuchstalenten eine optimale Entwicklung zu ermöglichen. Die Anforderungen an die Akademien der Profiklubs in Sachen Professionalität der Ausbildung wurden dabei laufend erhöht – was Geld kostet. Dieses zusätzliche Geld konnten die Profiklubs nur dank den in den beiden 10er-Ligen in den letzten zwei Jahrzehnten gestiegenen Zuschauerzahlen und – einnahmen aufbringen.

Die Ligaaufstockung in der Super League (und allfällige Aufstockungen in der Challenge League) gefährdet speziell die wichtigen und grossen Nachwuchsabteilungen an Standorten wie Neuenburg, Aarau, Thun oder Winterthur. Dazu sind auch Wil, Kriens, Schaffhausen und Vaduz bis zu einer gewissen Stufe im Juniorenspitzenfussball des Schweizerischen Fussballverbandes engagiert. Die Mittel dazu werden durch den Profibetrieb generiert. Wenn ein solcher nicht mehr aufrechterhalten werden kann, verliert die Schweiz wichtige Standorte und Ausbildungsplätze für Fussballtalente.

11)   Hunderte von Arbeitsplätzen gefährdet

Kann die Challenge League als Profiliga nicht mehr aufrechterhalten werden, verlieren hunderte von Menschen ihre Arbeitsstelle. Die Zahl der Profiklubs wird dann von 20 auf 12, 14 oder 16 reduziert. Hunderte von Fussballern, Physiotherapeuten, Profi- und Spitzenjuniorentrainer sowie Angestellte der Administration der Klubs verlieren ihren Job. Zudem fallen zusätzlich viele Teilzeit- und Gelegenheitsjobs weg.

12)   Abstieg in Challenge League brutaler

Eine «amputierte» Challenge League würde für einen Super League-Absteiger einen brutaleren Aufprall bedeuten. Die sportliche und finanzielle Differenz zwischen den Ligen wäre so gross, dass ein Abstieg wirklich die Existenz gefährden könnte. Es wäre fast nicht mehr möglich, in der Challenge League eine Mannschaft mit Super League-Potential aufzubauen. Man müsste einen radikalen Schnitt machen und käme aus der sich daraus ergebenden Negativspirale von sinkender Qualität, Einnahmen und Zuschauerinteresse womöglich auch nicht mehr heraus.

13)   Fehlende Stufe in der Talententwicklung

Ein Talent braucht für eine optimale Entwicklung eine nahtlose Treppe, in welcher er Jahr für Jahr Stufe um Stufe nehmen kann. Entscheidend ist, dass jede Stufe vorhanden und für das Talente offen ist. Es gibt zwar Jahrzehnttalente, die den Sprung direkt aus der U18 zum Stammspieler der Super League schaffen, aber solche Fälle sind eine äusserst seltene Ausnahme. Viele Talente benötigen zudem zwischen der Reserve und der Super League den Zwischenschritt in einer tieferen Profiliga wie der Challenge League.

Das Schweizer System setzt erfolgreich darauf, dass die besten Talente möglichst früh durch Widerstände wachsen lernen. Die besten Mädchen spielen möglichst lange bei den Jungs mit und die talentiertesten Jungs möglichst früh bei den Männern. Mit 16 kann ein Talent bereits reif genug für die 1. Liga sein, mit 17 wäre er dann bereit für die Promotion League, mit 18 für die Challenge League und mit 19 für die Super League. Ein Klub, der wie aktuell GC, Luzern oder St. Gallen seine Reserve-Equipe in der 1. Liga engagiert hat, besitzt gegenüber dem FCB, FCZ oder Sion den Vorteil, ein Talent möglicherweise bereits ein Jahr früher gegen Männer in Wettbewerbsspielen einsetzen zu können.  

Für die Stufe Challenge League bieten sich für Talente aus Super League-Klubs dann Leihtransfers an, wie dies zuletzt der FCZ und YB sehr erfolgreich praktiziert haben. Der gleiche Weg ist aber auch über Transfers möglich, wie bei Zeki Amdouni, der von Meyrin über Stade Lausanne-Ouchy (SLO) zu Lausanne-Sport gewechselt ist. Vor seinem Engagement bei SLO wäre der Schritt in eine Super League-Equipe für Amdouni noch zu gross gewesen. Wäre die Challenge League allerdings keine Profiliga, dann wäre dieser Schritt für Amdouni wiederum zu klein gewesen! Er hätte in eine mit der heutigen Challenge League vergleichbare Liga wechseln müssen – und solche Optionen gäbe es dann nur noch im Ausland – zum Beispiel die Prva Liga (Erste Liga Sloweniens).

14)   Die Nationalmannschaft braucht eine starke Challenge League und Super League

Auf Stufe der U19-, U20- und U21-Nationalmannschaften hat die Schweiz im Vergleich zu vielen europäischen Ländern den grossen Vorteil, viele Spieler aufbieten zu können, die Stammspieler in der Challenge League sind und somit Woche für Woche Wettbewerbspartien gegen Profis bestreiten. Dies während bei den Gegnern eine grosse Anzahl von Talenten in dieser entscheidenden Phase ihrer Entwicklung immer noch hauptsächlich gegen andere Junioren- und Reserveteams Partien bestreiten, bei welchen die Resultate zweitranging sind.

Ein Drittel der heutigen Nationalmannschaft (Sommer, Akanji, Schär, Widmer, Zakaria, Freuler,…) hat einen wichtigen Schritt ihrer Entwicklung in der Challenge League gemacht. Das hohe Niveau durch den Profibetrieb der Zweiten Schweizer Liga war dabei ein entscheidender Faktor, um auf dem Weg in die Super League und später europäische Top-Ligen ein Schritt nach dem anderen nehmen zu können. Genauso ist es wichtig, dass beim darauffolgenden Schritt «Super League» das Niveau möglichst hoch ist, was bei einer 10er-Liga stärker gewährleistet ist, als bei einer 12-er Liga.

15)   Die Super League braucht eine starke Challenge League

Seit dem Start der 10er-Liga 2003 ist nur drei Mal ein Aufsteiger in der ersten Saison wieder abgestiegen (zwei Mal Vaduz, ein Mal Yverdon). Eine starke Challenge League bringt Abwechslung in den Schweizer Fussball, weil sie eine Zweiklassengesellschaft verhindert. Vor allem aber erhöht der Druck von unten die Wettbewerbsfähigkeit und damit die Qualität der Super League und ihrer Spieler. Als Analogie auf einer höheren Stufe: Paris St-Germain scheitert selbst mit den besten Spielern und Trainern der Welt in der Champions League auch deshalb immer wieder, weil sie in der heimischen Liga im Vergleich zu spanischen oder englischen Spitzenteams weniger gefordert werden.

16)   Beispiel Österreich

Die Zuschauerzahlen in Österreich sind seit den Ligaaufstockungen (Bundesliga: 12, 2. Liga: 16) und der Zulassung von Reserve-Teams in der 2. Liga stark gesunken. Obwohl die Wiener Grossklubs Rapid und Austria ihre langersehnten neuen Stadien haben eröffnen können, sank der Zuschauerschnitt in der Bundesliga von rund 7’000 auf 6’000. In der 2. Liga haben sich die Zuschauerzahlen durch die Aufstockung sogar halbiert – von rund 1’800 auf 900. Die beiden Spielklassen haben nun nur noch rund die Hälfte des Zuschauerschnittes in der Schweiz. Dies obwohl Österreich im Vergleich etwas mehr Einwohner, eine deutlich eindrücklichere Fussballtradition und keine Konkurrenz durch eine zweite grosse Publikumssportart wie das Schweizer Eishockey hat.

Auch die Qualität speziell der 2. Liga ist durch die Ligaaufstockung in der Saison 18/19 stark gesunken. Beispiel: Haris Tabakovic war in den letzten zwei Saisons viertbester und bester Torschütze der Liga, nachdem er zuvor weder in der Challenge League noch in Ungarn Stammspieler gewesen war. Trotzdem spielen nur noch vier Reserve-Teams in der 2. Liga und zwei davon, Young Violets und Juniors Oberösterreich, stehen aktuell (Mai 2022) auf einem Abstiegsplatz. Nur Rapid II und Liefering (Salzburg) werden sich wohl noch in der Liga halten können. Liefering ist die grosse Ausnahmeerscheinung. Dank einem der weltweit besten und teuersten Ausbildungs- und Scoutingsysteme kann sich die Salzburg-Filiale mit einer reinen U21-Mannschaft weiterhin ohne Probleme in der 2. Liga halten. Juniors Oberösterreich hat hingegen sechs Spieler, die über dem U21-Alter sind, bei Rapid II sind es gar elf und bei den Young Violets zwölf! Das Konzept mit U21-Teams in der zweithöchsten Liga funktioniert also eigentlich nur für Salzburg. Einzelne Spieler gezielt in die 2. Liga auszuleihen würde sowohl sportlich wie auch finanziell für alle Anderen mehr Sinn ergeben.

Auch bei der zuletzt relativ erfolgreichen Phase im Europacup profitiert die Österreichische Liga in erster Linie von Salzburg. Trainer aus der Salzburg-Schule wie Adi Hütter und Peter Zeidler haben auch Schweizer Klubs auf ein höheres Niveau gehoben, und in Österreichischen Klubs gibt es natürlich noch viel mehr solche Coaches. Dasselbe kann man über die Spieler sagen. Die Schweiz profitiert bei Noah Okafor, Philipp Köhn und Bryan Okoh von Salzburg, Österreich bei noch deutlich mehr Spielern aus dieser Akademie, die dann mit Teams wie LASK auch im Europacup Erfolge feiern können. Die Modusumstellung hat Österreich hingegen auf sehr vielen Ebenen geschadet.

17)   Reserve-Teams in zweithöchster Liga schaden deutlich mehr als dass sie nützen

Reserve-Teams der Spitzenklubs in der zweithöchsten Liga mitspielen zu lassen, wird als Massnahme zur Talentförderung verkauft. Das Gegenteil wäre aber der Fall. Und zwar aus folgenden Gründen:

  • Eine solche Liga hätte zu wenig Zuschauer und Einnahmen, um sie auf Profi-Niveau betreiben zu können. Die Gegner dieser U21-Teams wären also vergleichbar mit heutigen guten Promotion League-Mannschaften. Das ist ein zu tiefes Niveau für potentielle künftige Nati-Stützen vom Schlage eines Yann Sommer, Manuel Akanji oder Denis Zakaria im Alter von 18 Jahren, kurz bevor sie Super League-tauglich werden. Sie benötigen zu diesem Zeitpunkt Spielpraxis in einer Profiliga, die vom Niveau her knapp unter der Super League situiert ist.
  • Gleichzeitig hat selbst ein FCB, YB oder ein FCZ nicht genug Talente in einer Altersgruppe, die auf zweithöchster Stufe eine kompetitive Mannschaft bilden könnten. Der FCZ, FCB, YB und Sion kommen bereits in der heutigen drittklassigen Promotion League nicht ohne erfahrene Verstärkungsspieler aus. In einer zweithöchsten Spielklasse müssten die Reserve-Teams möglicherweise die Hälfte der Mannschaft mit abgehalfterten früheren Super League-Profis besetzen: teuer und unnötig. Eine Reserve-Mannschaft, die auf tieferer Stufe spielt (beispielsweise 1. Liga) kann hingegen zu 100% mit eigenen Junioren antreten. In der heutigen Promotion League braucht es etwa zwei Verstärkungsspieler. Aus jeder Altersgruppe eines Klubs wie FCB, YB oder FCZ können es 1-3 Spieler nachhaltig in die obersten zwei Ligen schaffen. Jeder dieser Spieler braucht individuelle Lösungen und Betreuung. Nur für diese 1-3 Spieler aber ein ganzes Reserve-Team (25 Mann) mit Ach und Krach in der zweithöchsten Liga halten zu wollen, macht keinen Sinn.
  • Die Schweiz hat ein föderalistischeres System als beispielsweise Österreich mit mehr Klubs und Regionen, die in der Spitzenjuniorenausbildung an vorderster Front engagiert sind. 14 Klubs haben das volle Programm bis hinauf zur U21 (Reserve-Team). Die Mehrheit dieser Klubs wäre aber mit keinem Reserve-Team in der Zweiten Liga vertreten und könnte auch keine Spieler an die Amateurklubs der Zweiten Liga ausleihen, weil diese keine Profibedingungen aufweisen würden. Die zweithöchste Ligastufe wäre also für Talente aus der Mehrheit der Schweizer Jugendakademien komplett verschlossen. Sinnvolle Entwicklungsschritte Saison für Saison wie bei Sommer, Freuler, Zakaria, Akanji und Co: würden stark erschwert oder gar verunmöglicht.

18) Weniger Spiele (gegen Top-Klubs)

Durch eine Ligavergrösserung gibt es je nach Modus weniger Spiele und mit Sicherheit für den durchschnittlichen Super League-Klub weniger Partien gegen zugkräftige Gegner. Dies wird zu Mindereinnahmen führen. Warum sich zusätzlich zur Rückzahlung der COVID-Kredite noch weitere finanzielle Handicaps aufhalsen?

19)   Weniger verkaufte Saisonkarten

Die Einführung von Playoffs könnte mittelfristig zu einem Rückgang des Saisonkartenverkaufs führen. Der harte Kern wird zwar immer alle Wettbewerbspartien des eigenen Klubs sehen wollen, aber viele aus dem erweiterten Kreis von Sympathisanten werden sich bezüglich Stadionbesuch mehr und mehr auf die (wenigen) Playoff-Partien fokussieren.  

20)   Verlust der nationalen Vormachtstellung der Super League 

Die Super League hat heute in der Schweiz eine Vormachtstellung inne. Da es vom ersten Spieltag an um (voll zählende) Punkte geht, ist die Super League Woche für Woche von Juli bis Dezember und im Februar die Nummer 1 in Sachen TV- und Medienpräsenz im Schweizer Sport. Ab März beginnen im Eishockey die Playoffs und im Fussball ab März / April die heisse Endphase der Saison mit meist mehreren noch offenen Entscheidungen. In dieser Zeit sind Fussball und Eishockey in Sachen Medienpräsenz etwa gleichmässig vertreten.

Mit der Einführung von Playoffs gibt der Fussball seine Vormachtstellung während einem grossen Teil des Jahres leichtfertig auf. Die grosse Mehrheit der Spiele werden eine deutlich geringere Bedeutung und Aufmerksamkeit erhalten als heute. Man kann bis zu einem gewissen Grad von einer Verlängerung der Sommervorbereitung bis in den darauffolgenden April sprechen. Und dann wird innerhalb eines einzigen Monates alles entschieden. Es ist der gleiche Monat, in welchem weiterhin parallel auch der Eishockey-Final (Best of Seven) stattfindet.

Dass unter diesen Voraussetzungen das über viele Monate geringere Interesse innerhalb weniger Wochen durch eine «grenzenlose Playoff-Euphorie» in Sachen Einnahmen noch kompensiert werden könnte, ist höchst fraglich. Zumal es für die Mehrheit der Teams im Gegensatz zum Eishockey im Playoff nur um einen Europacup-Platz geht! Die Super League-Zuschauerzahlen sind schon heute für ein so kleines Land wie die Schweiz an der oberen Grenze des Erwartbaren. Im Eishockey dauert die Playoff-Phase immerhin satte drei Monate. Das Eishockey hat Playoffs, weil Nordamerika in diesem Sport das «Nonplusultra» ist. Und die kleineren Sportarten wie Handball, Basketball, Unihockey oder Volleyball haben spezielle Events und Playoffs eingeführt, um zumindest an einzelnen Tagen im Jahr zu Live-TV-Übertragungen zu kommen. Der Fussball hingegen hat Playoffs in Sachen Medienaufmerksamkeit nicht nötig. Im Gegenteil: es könnte ein Schuss ins eigene Knie werden.

Wer würde bei geringerem Interesse für die Super League von Juli bis April In die Bresche springen? Sicherlich die ausländischen Top-Ligen. Fussballinteressierte Schweizer (speziell die Jungen) werden sich am TV noch viel stärker auf Deutschland, England, Frankreich oder Italien fokussieren. Denn dort geht es in jedem Spiel von Anfang Saison an um entscheidende Punkte für die Meisterschaft. Ausserdem werden kleinere Schweizer Sportarten, Ligen und Events versuchen, in das durch den Fussball hinterlassene Vakuum vorzustossen – mit zusätzlichen Spezial-Events in dieser Zeit.  

21)   Qualität der Spiele und der Talententwicklung sinkt

Nicht nur die Medienaufmerksamkeit wird von Juli bis April abnehmen, sondern auch die Qualität der Spiele. Die Partie FC Zürich – Lausanne-Sport vom letzten Wochenende ist ein Beispiel, wie Super League-Fussball mehrheitlich aussehen wird, wenn es in den meisten Partien um wenig bis nichts geht: langsam, fehlerhaft, uninspiriert. So etwas wäre nicht nur schlecht für die Attraktivität der Liga, sondern auch für die Talentförderung. Mit der 10er-Liga liegt die Super League gemäss internationalen Studien hingegen bezüglich Intensität und Laufbereitschaft im europäischen Vergleich weit vorne. Die Spiele sind grösstenteils attraktiv.  

22)   Sportliche Fairness fehlt

«Über eine ganze Saison gleicht sich Glück und Pech aus». Diese tröstliche Erkenntnis gilt bei einem Playoff-System nicht mehr, speziell bei einem Best-of-3 oder gar Best-of-2 Modus. Einzelne Verletzungen, Sperren oder Fehlentscheidungen können eine ganze Saison kaputt machen. Die sportliche Fairness ist bei weitem nicht mehr im gleichen Mass gewährleistet, wie bei einer normalen Saison mit drei Punkten pro Spiel.

23) Schlechteres UEFA Ranking

Wenn der Zehntplatzierte durch gute Tagesform in einem einzelnen Spiel noch einen Europacupplatz ergattern kann, dann hat dies mittel- bis langfristig negative Auswirkungen auf das UEFA-Ranking der Super League.

Vergeudetes Talent, weniger Zuschauer, geschlossene Liga: Warum eine Aufstockung der Super League für den Schweizer Fussball gefährlich wäre

Bei der für heute angesetzten, aber verschobenen Generalversammlung der Swiss Football League steht neben dem kurzfristig brennenden Thema der weiteren Form und Ausgestaltung der Meisterschaft 2019-20 (weitere Unterbrechung? Geisterspiele? Verkürzte Meisterschaft 2020-21?) auch ein langfristig entscheidendes Thema auf der Traktandenliste, die sogenannte «Ligareform». Über dieses Thema wurde in verschiedenen Medienformaten geschrieben und diskutiert – allerdings in der Regel eher oberflächlich. Die Diskussionen kreisten vorwiegend um zwar interessante, aber letztendlich sekundäre Fragen wie den Spielmodus. Für den Schweizer Fussball viel einschneidendere Themen bezüglich Auswirkungen auf Nachwuchsförderung, Zuschauerzahlen, Einnahmen und Arbeitsplätze blieben zumindest in der medialen Rezeption bisher weitgehend aussen vor.

Dies liegt unter anderem an der starken Fokussierung der Aufmerksamkeit auf die Super League. Viele Kommentatoren kennen fast nur die oberste Spielklasse und sind sich nicht bewusst, wie stark Profifussball, Spitzenamateurfussball, Nachwuchsförderung und Infrastrukturentwicklung mittlerweile miteinander vernetzt sind. Auch die grosse Bedeutung der Challenge League für das ausdifferenzierte, evolutionär gewachsene Gesamtgebilde wird nicht wahrgenommen. Die Swiss Football League und der SFV haben dabei über die letzten Jahrzehnte die Latte in allen Bereichen immer höher gelegt. Profifussball, Spitzenamateurfussball, Nachwuchsförderung und Infrastruktur wurden so alle auf ein deutlich höheres Niveau gehoben. Die Kunst bestand dabei immer darin, die richtige Balance zu finden. Zu tiefe Anforderungen = kein Fortschritt. Zu hohe Anforderungen = die Klubs kollabieren. Die Klubs wurden und werden dabei „ausgepresst wie eine Zitrone“ – durchaus zum Wohle des Schweizer Fussballs. Der Grat ist schmal. Schon eine oberflächlich betrachtet kleine Ligareform kann deshalb das System zum Kippen bringen.

Wer sich mit einem Thema wie der Ligareform beschäftigt, kommt nicht umhin, sich mit Zahlen auseinanderzusetzen. Denn diese entscheiden schlussendlich darüber, ob eine sich vordergründig gut anhörende Idee auch in der Realität Sinn macht. Die Schweiz hat rund 8 Mio Einwohner und 2 Mio Zuschauer pro Jahr in den Super League-Stadien. Das bedeutet: umgerechnet geht jeder vierte Schweizer einmal pro Jahr in ein Super League-Stadion. Zum Vergleich: Deutschland hat 80 Mio Einwohner und 13 Mio Zuschauer pro Jahr in den Bundesliga-Stadien. Jeder sechste Deutsche geht also einmal pro Jahr zu einem Spiel der Bundesliga ins Stadion – weniger als in der Schweiz! Und dies obwohl in Bundesligastadien Weltstars wie Robert Lewandowski oder Erling Haaland zu bestaunen sind – und gleichzeitig in der Super League nicht einmal die besten Schweizer Spieler in Aktion zu sehen sind.

Mit anderen Worten: die Zuschauerzahlen sind in der Schweiz gemessen an der Bevölkerungszahl seit der Einführung der 10-er Liga 2003 tendenziell eher am oberen Rand des Möglichen. Damals sind die Zuschauerzahlen geradezu explodiert – auf durchschnittlich 10’400. So viele gab es in der höchsten Schweizer Liga zuvor noch nie auch nur annäherungsweise. Die 12-er Liga von 1987-2003 hatte eine durchschnittliche Zuschauerzahl von 6’500 – und dies obwohl die Eintrittspreise damals auch inflationsbereinigt deutlich tiefer waren. Das Eishockey ist mit ebenfalls 2 Mio Zuschauern pro Jahr in der National League eine zusätzliche Konkurrenz, wohingegen in Deutschland keine andere Sportart auch nur annähernd an die 13 Mio im Fussball herankommt.

Die Zuschauerzahl ist die lebenswichtige Kerngrösse für den Schweizer Profifussball. Denn neben der im internationalen Vergleich hohen Bedeutung der direkten Zuschauereinnahmen, sind auch die indirekten Einnahmen wie Sponsoring und TV-Gelder letztendlich von der öffentlichen Aufmerksamkeit abhängig, für welche die Zuschauerzahl im Stadion ein entscheidender Indikator ist. Von dieser Kerngrösse hängt schlussendlich unter anderem ab, wie viele Mittel für die Nachwuchsförderung, vom Klub mitfinanzierte Infrastrukturen, Sicherheitsanforderungen oder allfällige Zuschüsse für die Frauenfussball-Abteilung zur Verfügung stehen. Bei einer im Vergleich zu heute deutlich sinkenden Zuschauerzahl würde es zudem schwierig bis unmöglich, Fussballpersönlichkeiten wie Fabian Lustenberger, Guillaume Hoarau oder Valentin Stocker in einem leistungsfähigen Alter in die Liga (zurück) zu holen oder einen Kevin Rüegg, Silvan Hefti oder Eray Cömert so lange in der Schweiz zu halten, wie dies jetzt noch der Fall ist. Darum sollte man sich sehr gut überlegen, ob man auf eine Ligagrösse aufstocken will, die in den 90er-Jahren 38% und in den 70er-Jahren gar 44% weniger Zuschauer in die Stadien gelockt hatte!

In Österreich wurde der Schritt von der 10-er auf eine 12-er Liga 2018 vollzogen. Die Bilanz nach der ersten Saison ist ernüchternd: der Zuschauerschnitt liegt mit 6’400 tiefer als der langfristige Schnitt der 10er-Liga. Und dies obwohl gleichzeitig der Wiener Grossklub Austria auf Anfang Saison sein frisch umgebautes Stadion neu eröffnete und dadurch einen Zuschauerzuwachs von beinahe 50% verzeichnete! Ohne den «Austria-Effekt» wäre der Schnitt mit Einführung der 12er-Liga gar auf eine 5’000er-Zahl gesunken! Ausserdem hatte kurz zuvor „Publikumsmagnet“ Rapid ebenfalls nach langem Warten sein neues Stadion eröffnet. In der laufenden Saison 2019-20 haben sich die Zuschauerzahlen zudem nochmal reduziert – obwohl Österreichische Klubs dank vieler guter Trainer aus der ‘’Salzburger Schule’’ im Europacup so gut abschneiden wie schon lange nicht mehr. Historisch haben die Zuschauerzahlen in der Österreichischen Bundesliga bei Ligareduktionen immer zugenommen und bei Ligaaufstockungen abgenommen! Dass in Österreich trotzdem eine Aufstockung der beiden höchsten Ligen zum Thema wurde, hatte wesentlich damit zu tun, dass unser östliches Nachbarland in ihrer Bundesliga den angepeilten Sprung über die 10’000er-Marke im Gegensatz zur Schweiz nicht geschafft hat. Es war ein bewusster Schritt zurück, aus «Notwendigkeit» und man ist sich der negativen Konsequenzen bewusst.

Auch in der Challenge League hat der Zuschauerschnitt durch die Ligareduktion von einer 18er- über eine 16er- zur 10er-Liga um 36% von 1’400 auf 1’900 zugenommen. In Österreich zeigt sich in der 2. Liga dasselbe Bild: mit der Reduktion von 12 auf 10 Teams wurde 2010 ein Zuschaueranstieg bewirkt. Durch die Wiederaufstockung auf 16 Teams im Sommer 2018 ist hingegen fast die Hälfte der Besucherzahlen weggebrochen! Im neuen Format mit 16 Mannschaften hatte die 2. Liga Österreichs 2018-19 gerade mal noch 929 Besucher im Schnitt – Aufbruchstimmung sieht anders aus.

Besonders interessant für die zur Disposition stehende Variante (12+10 statt 10+10) ist der Vergleich mit Fällen, wo es eine Aufstockung der obersten Liga bei gleichzeitiger Beibehaltung der Anzahl Mannschaften in der zweitobersten Spielklasse gegeben hat. Der am meisten vergleichbare Fall ist Dänemark 2016, wo die oberste Liga von 12 auf 14 Teams aufgestockt wurde, während die zweithöchste Spielklasse bei 12 Mannschaften blieb. Das Resultat? Starker Zuschauerrückgang in beiden Ligen (-18% bzw. -10%)! Das gleiche Bild in Österreich 1982, als die oberste Liga von 10 auf 16 Teams aufgestockt wurde und die 2. Liga bei 16 Mannschaften verblieb. Der Rückgang der Zuschauerzahlen war im Oberhaus mit -29% dramatisch, in der zweithöchsten Spielklasse wars gar noch schlimmer: -34%!

Durch die Aufstockung der obersten Spielklasse wird die Attraktivität beider Ligen reduziert und das Niveau verwässert. Die 2. Liga verliert ihre Zugpferde nach oben und bekommt in aller Regel weniger attraktive Klubs aus der dritthöchsten Liga hinzu. Das Resultat ist ein Zuschauerrückgang, welcher in der Challenge League wohl den Profibetrieb in Frage stellen und potentiell hunderte von Arbeitsplätzen (Fussballer, Staff, Administration, Nachwuchstrainer) gefährden würde. Die Challenge League braucht Klubs wie GC, Lausanne, Xamax, Servette oder auch mal einen FCZ, FC Sion oder FC St. Gallen. Und den jeweiligen Traditionsklubs hat der Abstieg bisher, so schmerzhaft er im ersten Moment war, noch jedes Mal gut getan. In der Regel ging dem Abstieg jedes Mal ein jahrelanges Kränkeln in der höchsten Liga voraus. Unten angekommen stellte sich der Klub neu auf und kam besser aufgestellt wieder zurück. In den 80er-Jahren sind letztmals Vereine permanent im Amateurfussball verschwunden. Seither haben selbst konkursite NLA-/Super League-Klubs alle wieder den Weg zurück nach oben gefunden. Die Erfolgsstories von FCB, YB oder Servette starteten im Unterhaus. Ausserdem ist ein Abstieg immer auch eine Chance für den jeweils aktuellen Jahrgang an Talenten, sich in der Challenge League schneller durchsetzen und etablieren können. So gehörten unter anderem Michael Lang (mit St. Gallen), Loris Benito (Aarau) oder Kevin Rüegg (FCZ) zu den «Profiteuren» des Abstieges ihrer Klubs.

Die Vergleichsgrössen aus Dänemark und Österreich deuten klar darauf hin, dass durch eine Aufstockung der Super League um zwei Teams die Zuschauerzahlen sowohl in der Super League wie auch in der Challenge League sinken werden. Um wie viel Prozent wird dies aber der Fall sein? Dies hängt sicherlich auch von den klubspezifischen Gegebenheiten ab. Deshalb macht als zusätzliche Entscheidungshilfe eine klubbasierte detaillierte Analyse Sinn. Als Basis werden für jedes Heimteam die zuletzt erzielten (durchschnittlichen) Zuschauerzahlen pro Gegner genommen. Ganz rechts in der ganz am Ende des Artikels angehängten vollständigen Tabelle sind die entsprechenden Zahlen für die zur Zeit auf den ersten beiden Plätzen der Challenge League stehenden Lausanne-Sport und Vaduz aufgeführt. Um auf die voraussichtliche Zuschauerzahl pro Heimteam in einer 12er-Liga zu kommen, werden aber nicht die Zahlen von Lausanne und Vaduz verwendet, sondern stattdessen diejenigen von zwei vergleichbaren Auswärtsteams (in der Regel Xamax und Lugano) doppelt gezählt. Denn die Zahlen von Lausanne und Vaduz liegen schon relativ weit zurück und geben daher nur begrenzt die aktuelle Situation wieder. So waren die Zuschauerzahlen in Bern damals generell gegen alle Gegner um rund 10’000 tiefer und in Basel wiederum deutlich höher. Das Resultat der Berechnung: der Zuschauerschnitt pro Gegner würde in der Super League mit einer Aufstockung um zwei Teams per se um etwa 2% zurückgehen. Die totale Zuschauerzahl könnte allerdings in Abhängigkeit des Modus und der Anzahl gespielter Runden noch stärker sinken.

Was wäre nun aber die Auswirkung einer Aufstockung der Super League auf die Zuschauerzahlen in der Challenge League? Wie schon in den «Real life»-Beispielen Dänemark und Österreich gesehen, bewirkte eine Ligaaufstockung der obersten Spielklasse in der zweithöchsten Liga einen Zuschauerrückgang in mindestens ähnlichem Rahmen. Unser Rechenbeispiel zeigt nun, dass eine Ligaaufstockung der Super League die Challenge League am härtesten treffen würde! Es wird davon ausgegangen, dass Yverdon und Rapperswil-Jona die zweithöchste Liga von unten her aufstocken. Bezüglich Teams, welche nach oben wegbrechen würden, wurden zwei Varianten berechnet: 1) Lausanne + Vaduz, 2) Lausanne + GC. Im ersten Fall würde die Challenge League 12% tiefere Zuschauerzahlen schreiben, im zweiten gar 33%! Im Schnitt kann man also von etwa 20% weniger Zuschauern in der Challenge League ausgehen, wenn die Super League auf 12 Teams aufgestockt würde. Auf der anderen Seite wären bei einer Beibehaltung von 10+10 bei einem gelegentlichen Abstieg von Teams wie Luzern, St. Gallen oder FCZ (hat gegen die jetzigen Challenge League-Teams einen Auswärtsschnitt von mehr als 5’500 Fans) die Zuschauerzahlen in gewissen Saisons noch höher als heute. Die Challenge League lebt von ihren Zugpferden.

Von den in der Grösse mit der Schweiz vergleichbaren europäischen Ländern mit 5,5 bis 12 Millionen Einwohnern hatte nur in Belgien (35% Einwohner mehr als die Schweiz) die 2. Liga 2018-19 einen höheren Zuschauerschnitt. Und dies obwohl in den meisten der aufgeführten Länder der Fussball im Gegensatz zur Schweiz die klare Nummer 1 ist. So kommt in unserem Land die Swiss League (2. Liga Eishockey) mit 1’800 Zuschauern pro Partie nahe an die Challenge League heran – die totale Zuschauerzahl pro Saison ist gar höher. Belgien hatte 2018-2019 neben der höheren Einwohnerzahl aufgrund der noch kleineren Liga (acht Teams!) und der Teilnahme von Mechelen (Zuschauerschnitt: 13’500) einen deutlich höheren Zuschauerschnitt. In der Saison 2019-20 (wieder ohne Mechelen) liegt der Schnitt bei 2’900.

Dank dem Faktor, dass in der Schweiz die Teams nr. 11-20 in der Challenge League spielen, ist es auch eine sportlich starke Liga. Es ist bereits elf Jahre her, seit das letzte Mal ein Aufsteiger in die Super League in der darauffolgenden Saison gleich wieder abgestiegen ist. Im Europacup engagierte Challenge League-Teams haben mehr überzeugt als gewisse Super League-Teilnehmer in derselben Saison. Der FC Zürich hielt als Challenge League-ist beide Partien gegen das damalige Spanische Spitzenteam Villarreal ausgeglichen. Lausanne-Sport vermochte das Russische Spitzenteam Lokomotive Moskau auszuschalten und die Gruppenphase zu erreichen. Auch in internationalen Testspielen zeigen Schweizer Zweitligisten gegen Erst- und Zweitligisten anderer Länder gute Leistungen und Resultate. Jungstürmer Dan Ndoye wechselt direkt aus der Challenge League zum Französischen Spitzenteam Nizza, Bryan Okoh zu Salzburg, Simone Grippo und Oliver Buff gingen zu Real Zaragoza, Ivan Kecojevic zu Cadiz oder Marin Cavar zu Chievo Verona. In der Ausbildung der Schweizer Spitzenjunioren gibt es in verschiedenen Bereichen (unter anderem physische Aspekte) Nachholbedarf. Die grössere Erfahrung auf Profistufe von Schweizer Challenge League-Stammspielern ist hingegen im Vergleich mit den Altersgenossen aus anderen Ländern ein grosser Vorteil! Dies fällt bei internationalen Vergleichen auf U19-, U20- und teilweise gar U21-Stufe sofort ins Auge. Die Schweizer Spieler haben diesbezüglich einen Vorsprung, der wesentlich dazu beiträgt, dass überdurchschnittlich viele in der Schweiz ausgebildete Spieler den Sprung in eine Top 5-Liga schaffen.

Die relativ hohe Qualität machte die Challenge League in der jüngeren Vergangenheit zudem zu einem entscheidenden Karriereschritt für mehr als einen Drittel der aktuellen Schweizer Nationalmannschaft! Wer es mit 17 oder 18 Jahren zum Stammspieler in der aktuellen Challenge League schafft, hat sehr gute Aussichten auf eine Top-Karriere. Und wie die Beispiele Jonas Omlin und Christian Fassnacht zeigen, kann auch ein Durchbruch in der Challenge League mit 21 oder 22 Jahren noch den Weg ins Nationalteam ebnen. Auch in der aktuellen Saison kamen mehrere potentielle künftige Nationalspieler in der Challenge League zum Einsatz. Talente mit Qualität werden in allen Challenge League-Mannschaften regelmässig eingesetzt und einige übernehmen gar eine tragende Rolle. Und dies unabhängig von der Tabellenposition – auch Klubs, die um den Aufstieg oder Abstieg kämpfen, setzen konsequent auf Junge. Denn erfahrene Spieler von der gleichen Qualität können sich Challenge League-Klubs in der Regel gar nicht leisten. Die hier zur Illustration zusammengestellte Liste von Top Challenge League-Talenten ist ein Ausschnitt und erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit.

Da die Talente in der Challenge League gut gefordert und gefördert werden, haben YB, FCB, FCZ, Servette, Lugano, St. Gallen, Luzern, Xamax und Sion hoffnungsvolle junge Spieler in diese Liga ausgeliehen oder geben sie fix ab. GC, Lausanne, Aarau oder Winterthur haben selbst eine starke Spitzenjunioren-Academy, aus welcher sie Talente nachziehen. Würde die Challenge League ihren Profistatus verlieren, dann könnten die Schweizer Spitzenklubs ihre Talente nicht mehr mit gutem Gewissen in diese Liga verleihen, weil die Trainingsbedingungen und das Spielniveau nicht mehr genügen würden. Die Talente würden entweder in ihrem entscheidenden Schritt vor dem Sprung in die Super League gestoppt, oder sie müssten im Ausland eine Lösung suchen. Dies wäre verheerend.

In eine völlig falsche Richtung würde daher auch der Ruf nach einer Zulassung von U21/U23-Teams in der zweitobersten Liga gehen. Erstens wäre dies der definitive Sargnagel für den Profistatus der Liga, denn die Zuschauerzahlen würden so noch deutlich stärker in die Tiefe rasseln, als bereits mit einer Aufstockung. Zweitens zeugt die Forderung von einer einseitigen, parteiischen Sichtweise einzelner Grossklubs und ist nicht im Sinne des gesamten Schweizer Fussballes. Der Sprung von der zweithöchsten in die höchste Liga wäre sowohl für Talente wie auch für die Klubs zu gross. Die finanziellen Bedingungen wären so schlecht, dass ein Super League-ist nach einem Abstieg in noch viel grössere Schwierigkeiten geraten würde als heute schon – und den Profibetrieb möglicherweise einstellen müsste. Dies kann nicht im Sinne einer gesunden Durchlässigkeit des Schweizer Ligasystems sein.

U23-Teams würden sowieso nur wenige in dieser zweithöchsten Liga spielen. Beispielsweise Basel, Sion und FCZ, die heute in der Promotion League aktiv sind. Die Talente der anderen Klubs könnten die zweithöchste Liga als Sprungbrett nicht mehr nutzen, weil die Bedingungen bei allen anderen teilnehmenden Teams nicht mehr professionell wären. Das Niveau dieser aufgestockten Liga wäre zwischen der heutigen Challenge League und der heutigen Promotion League anzusiedeln. Selbst in der heutigen Promotion League müssen sich aber die Reserve-Teams von Sion und FCZ mit externen Spielern verstärken, um die Liga halten zu können. So spielt beispielsweise beim FCZ der ehemalige Thuner ‘’Champions League-Held’’ José Gonçalves und der aus Deutschland zurückgeholte 24-jährige Stürmer Shpetim Sulejmani sorgt für die Tore, welche die eigenen Junioren nicht zu schiessen im Stande sind. Basel ist der einzige Klub der Schweiz, der sich fast ausschliesslich mit 18- bis 20-jährigen Spielern aktuell in der Promotion League halten kann. In einer allfälligen zweithöchsten Liga würden das aber selbst die Rotblauen nicht mehr schaffen, und müssten ebenfalls ältere Verstärkungsspieler verpflichten. Wohin dies führt, kann man gut in Deutschland beobachten. Klubs wie Bayer Leverkusen oder Eintracht Frankfurt haben ihre U23 mittlerweile zurückgezogen und viele andere Klubs denken ernsthaft darüber nach. Denn die U23-Teams sind häufig voll von «gestrandeten» Ex-Profis oder Spitzenamateurfussballern, die durchaus mithelfen können, das U23-Team eines Bundesligisten in der Regionalliga zu halten, gleichzeitig aber null Perspektiven auf eine Bundesligakarriere haben. Die wirklich talentierten eigenen Junioren versuchen hingegen meist, falls der Sprung ins Bundesliga-Team nicht direkt gelingt, den Weg über die 2. Bundesliga oder eine Erste Liga in einem Nachbarland zu machen. Es bringt auch dem FC Basel mehr, einen Yves Kaiser oder Konstantinos Dimitriou in eine starke Challenge League ausleihen zu können, statt mit einem mit älteren Spielern verstärkten Reserve-Team in einer qualitativ verwässerten zweithöchsten Liga mithalten zu versuchen.

Schon heute ist es zudem so, dass U21-Teams, die in der 1. Liga engagiert sind, nicht mit aller Kraft in die Promotion League aufsteigen wollen. Denn in der vierthöchsten Spielklasse können diese Klubs mit reinen Juniorenteams spielen und sich auch erlauben, regelmässig 16- oder 17-jährige Talente wie Samuel Kasongo (YB), Bung Tsai Freimann (Luzern), Armin Abaz (St. Gallen) oder Marvin Keller (GC) einzusetzen – was in der viel anspruchsvolleren Promotion League meist nicht möglich wäre. Vor diesem Hintergrund gar Reserve-Teams in der zweithöchsten Liga zu fordern, macht überhaupt keinen Sinn. Ein Klub kann letztendlich nicht auf jeder Stufe ein Team haben: 2. Liga Inter, 1. Liga, Promotion League, Challenge League, Super League. Daher muss so oder so für jeden Entwicklungsschritt eines Talentes eine individuelle Lösung gefunden werden. Entscheidend ist, dass alle Stufen in der Schweiz vorhanden und abgedeckt sind. Dies würde mit einer Aufstockung der Super League auf 12 Teams und erst recht mit einer Aufstockung der Challenge League (unter anderem mit U23-Teams) zunichte gemacht, weil dann die kompetitive zweithöchste Profistufe wegbrechen würde.

Es wäre unter diesen Voraussetzungen zudem auch schwer vorstellbar, wie ein Klub der zweithöchsten Spielklasse in der Schweiz im Juniorenspitzenfussball noch eine U18 oder gar U21 betreiben könnte. Daher, wenn es eine Änderung geben sollte, muss die Tendenz eher dahin gehen, dass die U21-Teams wieder strikter zu echten U21-Teams werden. Beispielsweise könnten die maximal erlaubten Einsätze für Spieler über dem U21-Alter auf zwei pro Saison beschränkt werden. Damit wäre sichergestellt, dass die Stammformation nur aus Talenten besteht – und gleichzeitig immer noch sich nach einer Verletzung im Aufbau befindliche Profis durch zwei Einsätze in der U21 wieder in den Rhythmus spielen könnten. Die Folge wäre, dass in der aktuellen Situation Sion und der FCZ auf allen Positionen regelmässig Junge einsetzen und möglicherweise in die 1. Liga absteigen würden. Die Anhebung des Alters auf U23 wäre kontraproduktiv. Wenn das U21-Alter vorbei ist, ist der Schritt in eine 1. Mannschaft – auf welcher Stufe auch immer – absolut angebracht. Dies wäre auch fairer und gesünder den Spielern, der Challenge League und den Spitzenamateurteams gegenüber.

Die Leihen und Transfers von Super League-Talenten in die Challenge League haben sich in letzter Zeit zudem stark verbessert. In der Vergangenheit war ab und zu das Problem, dass der Super League-ist seine Toptalente im Klub behalten und eher auf der Kippe stehende Talente in die Challenge League verliehen hat. Das Resultat: die auf der Kippe stehenden Talente waren häufig auch nicht gut genug für die Challenge League, und die Toptalente bekamen gleichzeitig zu wenig Spielpraxis auf gutem Niveau. Heute werden viel häufiger Talente, welche durchaus (vorwiegend auf der Ersatzbank) auf dem Super League-Matchblatt stehen könnten, in die Challenge League verliehen und die auf der Kippe stehenden Talente deutlich schneller fix in die Challenge League oder anderswohin abgegeben. Die Toptalente erhalten dank ihrer Qualität viel Spielzeit in der Challenge League. Die auf der Kippe stehenden Talente haben bessere Voraussetzungen für ihren nächsten Schritt, weil es sich für ihren künftigen Klub lohnt, in ihre Entwicklung, ihr Selbstvertrauen und die Verbesserung ihrer Defizite zu investieren. Auf diese Weise haben alle mehr von der Sache: der Super League-Klub, der Challenge League-Klub und nicht zuletzt auch der Spieler selbst.

Für die Entwicklung der Top-Talente ist es nicht nur wichtig, auf möglichst hohem Niveau zu spielen, sondern auch, dass es in den Spielen um viel geht. Im Titelkampf oder Abstiegskampf lernen sie am meisten und entwickeln sich auch als Persönlichkeiten. Beispielsweise spielte der früh von einer Verletzung wieder zurückgekehrte Kevin Rüegg eine sehr wichtige Rolle im zwischenzeitlichen Abstiegskampf des FC Zürich letzten Frühling. Bei Xamax war es unter anderem Kemal Ademi, der mit seiner Mentalität sein Team in den entscheidenden Partien gegen den Abstieg mitriss. Den FC St. Gallen haben vor allem die jungen Spieler an die Super League-Spitze gerannt, gespielt und geschossen. Trainer setzen auf junge Spieler, wenn sie das Gefühl haben, dass sie diesen auch in entscheidenden Momenten vertrauen können. Junge Spieler hingegen, welche nicht in der Lage sind, in solchen Situationen über sich hinauszuwachsen, haben sowieso keine echte Zukunftsperspektive im Profifussball.

Ebenso macht es keinen Sinn, die Super League aufzustocken, damit einzelne Klubs möglicherweise etwas mehr «Ruhe» und «Planungssicherheit» erhalten könnten. Wenn etwas die Zuschauer fasziniert und in die Stadien zieht, so ist es neben dem Titelkampf der Existenzkampf gegen den Abstieg. Das sind die Spiele, wo die Maladière in Neuenburg gegen Aarau seit langer Zeit wieder einmal mit 12’000 Zuschauern ausverkauft ist, oder wo in der Abstiegssaison des FCZ erst der Kybunpark komplett voll ist und anschliessend 16’000 Nasen FCZ gegen Vaduz im Letzigrund sehen wollen. Ja, ein Abstieg soll schwierig und schmerzhaft sein – sonst würde es ja niemanden interessieren. Profifussball ist Teil der Unterhaltungsbranche und da sind Unvorhergesehenes und schlaflose Nächte für die Klubführung der Normalzustand. Und für die Spieler ist es eine Chance, an der Aufgabe zu wachsen.

Weitere Argumente, welche gegen eine Aufstockung sprechen, sind die geringeren Einnahmen pro Klub aus dem TV-Geld und anderen zentralen Einnahmequellen und die zu kleine Anzahl Super League-tauglicher Stadien. Häufig wird vergessen, dass aktuell in Lausanne kein zusätzliches Super League-taugliches Stadion hinzukommt, sondern nur ein altes Super League-Stadion (Pontaise) 1:1 ersetzt wird. Es gibt auch mit dem im Sommer vor der Eröffnung stehenden „Tuilères“ im ganzen Land nur elf Super League-taugliche Stadien: Bern, Basel, Zürich, Sion, Luzern, St. Gallen, Thun, Genf, Neuenburg, Lausanne und Schaffhausen. In Zürich gibt es zwei Profiklubs. Bei einer 12-er Liga würde sich die Super League alleine aufgrund der Infrastruktur fast schon von selbst zusammenstellen. Um eine sinnvolle sportliche Konkurrenzsituation zu schaffen, sollte eigentlich mindestens die Hälfte der Challenge League-Klubs auch administrativ in die höchste Spielklasse aufsteigen können, sonst wird die Meisterschaft zu einer Farce!

Schon bei einer 10er-Liga kann dieses Kriterium nur erfüllt werden, wenn man die (möglichen) Ausnahmebewilligungen mitzählt. Zur Zeit hat Lugano eine, aufgrund des geplanten neuen Projektes auf demselben Gelände, das im November eine weitere politische Hürde genommen hat, und gemäss Vereinbarung mit der Swiss Football League bis Sommer 2021 eine Baubewilligung benötigt (Eröffnung frühestens Ende 2023). Aarau spielte schon zu viele Jahre mit einer Ausnahmebewilligung im Oberhaus und würde aktuell dem Vernehmen nach keine mehr erhalten – das Brügglifeld ist nicht einmal Challenge League-tauglich und aufgrund der Platzverhältnisse offenbar nicht auf Super League-tauglichkeit ausbaubar. Sonderbewilligungen erhalten könnten theoretisch wohl Wil, Winterthur, Vaduz und das aktuell in der 1. Liga Gruppe 2 engagierte Biel. Deren Stadien sind grundsätzlich auf einen möglichen Super League-Ausbau ausgelegt. Voraussetzung wäre aber wohl mindestens ein in die Wege geleitetes Verfahren zum Ausbau des Stadions, welches zuerst lokal einige politische und finanzielle Hürden nehmen müsste. Und es ist auch nicht sicher, ob die erwähnten Klubs ihr Stadion aktuell überhaupt auf Super League-tauglichkeit ausbauen wollen. Ist Winterthur beispielsweise bereit, seine «Bierkurve» und «Sirupkurve» in der jetzigen Form zu opfern? Eine weitere Option wäre, in einer anderen Stadt zu spielen – Winterthur beispielsweise in Schaffhausen (im Letzigrund spielen schon zwei Teams), Wil in St.Gallen. Aber die Klubs würden bei dieser Frage tendenziell wohl eher auf einen Aufstieg verzichten.

Zusammenfassend hat der Schweizer Fussball im Vergleich mit gleichgrossen Ländern dank der Formel 10+10 aktuell eine zweithöchste Spielklasse mit hohem sportlichen Niveau und vielen Zuschauern. Dies ermöglicht es einer wachsenden Anzahl an talentierten Jungprofis auf zweithöchster Profistufe einen entscheidenden Entwicklungsschritt zu machen. Aktuell sind beispielsweise Ndoye, Zeqiri, Vonmoos, Rohner, Pusic oder Alounga diesbezüglich auf den Spuren von Zakaria, Akanji, Sommer und Co.. Eine Aufstockung der Super League von 10 auf 12 Mannschaften würde die Zuschauer- und TV-Einnahmen der Klubs der höchsten Spielklasse leicht reduzieren. Vor allem aber würde es ziemlich sicher die Challenge League ohne ihre dringend benötigten Zugpferde mit massiven Zuschauereinbussen in eine existenzielle Krise stürzen. Der Profistatus könnte möglicherweise nicht mehr aufrechterhalten bleiben, viele Arbeitsplätze gingen verloren, Leuchttürme des Schweizer Fussballs in den Regionen wie Aarau oder Winterthur könnten aufgrund der drastisch reduzierten Einnahmen in der Versenkung verschwinden, ganze Juniorenspitzenfussballorganisationen kaputt gehen und faktisch eine geschlossene Super League entstehen – ohne Auf- und Abstieg. Den Top-Talenten, die sich zur Zeit in grosser Zahl im «Unterhaus» tummeln, würde der Einstieg in den Profifussball auf «Fast-Super League-Niveau» in der Schweiz fehlen und sie müssten sich noch früher und häufiger als heute Richtung Ausland orientieren. In der Super League bestünde zusätzlich die Gefahr, dass aufgrund der fehlenden Konsequenzen von schlechtem Management (kein Druck von «unten») ein gewisser «Schlendrian» Einzug hält.

(Tabellen, Graphiken und Bild: Züri Live, Daten: European Football Statistics, Transfermarkt)