Zweiter 3:0-Sieg gegen Lugano – allerdings ganz anders zustande gekommen als der erste. Der Heimsieg im Letzigrund war gegen ein Lugano, das damals mit zwei Siegen in die Saison gestartet war, einer der besten FCZ-Auftritte der bisherigen Saison. Im Cornaredo traf man nun aber auf ein äusserst ersatzgeschwächtes, vom Europacup müdes und vor allem vorne wenig potentes Lugano. Das Aufbauspiel der Tessiner von hinten heraus war zwar gut durchdacht. Der FCZ hatte lange Mühe mit dem Tessiner Dreieraufbau, Roman Macek übernahm überraschenderweise die Rolle des spielgestaltenden Sechsers und Verteidiger Hajdari bot sich immer wieder in vorgerückter Position im Mittelfeld an. Daniel Afriyie griff trotzdem vorne an und übernahm nicht wie üblich den gegnerischen Sechser: der Zugriff fehlte ihm aber. Da Lugano-Coach Croci-Torti zu Beginn das Trio Steffen / Aliseda / Mahou auf der Bank schonte, waren die Bianconeri sobald der Ball im Angriffsdrittel ankam, mit ihrem lombardischen Latein dann aber am Ende. Als die drei “Offensiv-Tenöre“ schlussendlich eingewechselt wurden, war die Partie beinahe schon entschieden. Dies vor allem auch dank zwei starken Assists des Zürcher MVP’s Adrian Guerrero. Neben Fabio Daprelà (bis zu dessen erneut verletzungsbedingter Auswechslung in der 50. Minute) und Antonio Marchesano war Guerrero einer von drei früher im Tessin aktiven FCZ-Protagonisten, die im Cornaredo eine gute Leistung ablieferten.
Offensiv magere Kost vom FCZ
Insgesamt war es eine der schlechtesten FCZ-Partien der bisherigen Saison. Nur das Heimspiel gegen St. Gallen (1:1) und die Cup-Partie in Tuggen (3:0) hatten eine minim schlechtere Züri Live-Durchschnittsnote. Die 1. Halbzeit war im Vergleich mit den letzten drei Partien gegen Stade Lausanne-Ouchy, Bellinzona und Servette zwar wieder etwas verbessert (Note: 6,1), in der 2. Halbzeit betrug der Notenschnitt dann aber gerade mal noch 5,0. Vor allem offensiv war es zusammen mit der Cup-Erstrundenpartie gegen Red Star der bisher schlechteste FCZ-Auftritt der Saison – gleich acht Spieler erhielten offensiv eine ungenügende bis schlechte Note. Dies obwohl man durchaus immer wieder für Übergewicht beim Spiel über die Seiten sorgte, indem sich Guerrero, Boranijasevic und Conceição manchmal alle auf die gleiche Seite verschoben – oder es wurde wie beim 0:1 gegen ein zentral massiertes Lugano erfolgreich mit Seitenwechseln gearbeitet.
Highlights – War ein Traumangriff
Personalien – Guerreros zweites Doppel-Assist
Nikola Boranijasevic: Erstmals diese Saison eine ungenügende 1. Halbzeit. Seine Kreise werden durch den vor ihm agierenden Rodrigo Conceição eingeengt, hat daher in Lugano Mühe, sich zu entfalten.
Yanick Brecher: Zum sechsten Mal in dieser Saison der defensiv beste Mann beim FCZ. Seine 2. Halbzeit ist allerdings ungenügend.
Lindrit Kamberi: Zwei Torbeteiligungen. Für einmal kein Positionswechsel nach der Wallner-Einwechslung, Kamberi bleibt auf halbrechts.
Rodrigo Conceição: Wie im Stadtderby bester FCZ-Spieler der 1. Halbzeit.
Adrian Guerrero: Zweites Doppel-Assist der Saison nach Stade Lausanne-Ouchy (auswärts). In den letzten drei Partien die tragende Säule in einer durchzogen auftretenden Mannschaft.
Cheikh Condé: Nach der längeren Verletzungsunterbrechung in der 2. Halbzeit (Pflege Steven Deanas) findet er den Tritt nicht mehr und baut stark ab.
Jonathan Okita: Schlechter Start in die Partie mit zwei Ballverlusten hintereinander. Hat aber seine zwischenzeitliche Torflaute überwunden – mit drei Toren in den letzten vier Partien.
In dieser Saison war die Leistung des FCZ in der Ersten Halbzeit häufig besser als in der Zweiten. Am ausgeprägtesten der Fall ist dies bei Jonathan Okita und Bledian Krasniqi, aber auch Conceição, Kamberi, Mathew, Condé, Afriyie und Marchesano sind für den Leistungsabfall nach der Pause verantwortlich. Nikola Katic ist von den regelmässig eingesetzten Spielern das einzige Gegenbeispiel. Der Zentrale Innenverteidiger ist in der 1. Halbzeit im Schnitt ungenügend, nach dem Pausentee ordentlich. Dazu kommen mit Santini, Oko-Flex und Kryeziu noch drei wenig eingesetzte Spieler mit ebenfalls signifikant besseren Noten im 2. Durchgang. Alle diese vier Akteure gehören zu den grössten und kräftigsten Spielern im Kader. Die Innenverteidiger Katic und Kryeziu brauchen in einer Partie offenbar Zeit, um in die Gänge zu kommen, während bei den Offensivspielern Santini und Oko-Flex Joker-Einsätze wohl bessere Noten bringen, da ihre im Vergleich zu leichtgewichtigen Spielern vermutlich schlechteren Ausdauerwerte nicht “ins Gewicht“ fallen.
Katic und Kamberi steigern sich von tiefem Niveau, Daprelà mit Problemen
Der Saisonstart von Yanick Brecher war gut und seine Leistungsentwicklung ging im Verlauf einer ersten Phase der bisherigen Saison noch weiter aufwärts bis und mit dem 5. Spieltag gegen den FC St. Gallen – mit dem Höhepunkt einer Maximalnote “10“ beim Auswärtsspiel auf der Pontaise gegen Stade Lausanne-Ouchy, als er unter anderem beim Stand von 0:0 einen Penalty von Alban Ajdini parierte. Danach ging die Kurve von Brecher allerdings kontinuierlich abwärts bis und mit dem Auswärtssieg in Luzern – vor allem auch wegen einer ungenügenden Note beim 2:2 in Basel. Die Tendenz in den Partien gegen Winterthur und in Bern ging nun zuletzt aber wieder aufwärts. Ersatzkeeper Zivko Kostadinovic erhielt für seinen Einsatz gegen Red Star die Note “6“, in Tuggen dann aber trotz dem Clean Sheet eine ungenügende “4“. Wird Kostadinovic auch im Achtelfinal in Bellinzona zwischen den Pfosten stehen?
Nach einem schlechten Start gegen Yverdon wurde die Dreierabwehr von Fabio Daprelà getragen. Seit seiner Rückkehr nach der kurzen Pause (nicht eingesetzt in Tuggen und bei Lausanne-Sport) agiert der Zürcher nicht mehr auf dem gleichen Niveau wie zuvor und tendiert aktuell eher in Richtung Durchschnitt. Die Verletzungsprobleme, welche er aus Lugano mitgebracht hat, scheinen hartnäckiger Natur zu sein. Dafür hat sich Lindrit Kamberi nach einer längeren Baisse zuletzt wieder gefangen und in Bern gegen YB zum ersten Mal seit seinem starken Start gegen Yverdon-Sport, als er MVP war, wieder eine Note “8“ erreicht. Mirlind Kryeziu (Note “5“ gegen Red Star und eine “7“ in Tuggen) wurde bisher noch nicht richtig geprüft und hinterliess bei seinen Cup-Auftritten vor allem defensiv gewisse Zweifel. Silvan Wallners Leistungskurve zeigt nach unten – nach einem ungenügenden Einsatz bei Lausanne-Sport und einem schlechten in Luzern. Nikola Katic begann die Saison schlecht und steigert sich kontinuierlich von einem tiefen Niveau, so dass er nun nach dem YB-Spiel erst zum zweiten Mal in dieser Saison im Gleitenden Durchschnitt der letzten fünf Partien im genügenden Bereich ist.
Conceição nach harzigem Start mittlerweile sportlich ein Gewinn
Bei den Aussenläufern konnte Selmin Hodza seine Chancen in der aktuellen Saison bisher nicht nutzen. Sein Notenschnitt bewegt sich in der Regel um eine “4“ herum. Rodrigo Conceição startete gut gegen Red Star, hatte danach in der Liga aber Anpassungsprobleme. Erst mit seinen Leistungen gegen Winterthur und YB konnte er sich in die Zone des genügenden Notenschnitts hieven. Heute sieht es so aus, als sei Conceição der “Königstransfer“ im Sommer gewesen, denn ein gleichwertiger Ersatz für die Dauerläufer Boranijasevic und Guerrero fehlte dem FCZ aus sportlicher Sicht am meisten. Bei Boranijasevic und Guerrero selbst ging die Tendenz seit Saisonstart eher abwärts, auch wenn es durch die gute Partie in Bern der ganzen Mannschaft wieder eine kleine Korrektur nach oben gab. Boranijasevic lag dabei bisher eine ganze Note vor Guerrero, in erster Linie aufgrund der Offensivleistung. Interessant ist allerdings, dass Boranijasevic zwar viele gute Aktionen hat, seine Statistiken bezüglich Torbeteiligungen und Abschlussbeteiligungen bisher hingegen nur durchschnittlich daherkommen. Seinen Offensivaktionen fehlt also bisher insgesamt die Effizienz.
Im Zentrum hatte Miguel Reichmuth nach seinem gelungenen Teileinsatz gegen den Fünftligisten Red Star vorläufig keinen weiteren Einsatz in der 1. Mannschaft mehr. Arad Bar konnte sich bisher hingegen nicht empfehlen. Das Duo Condé / Mathew ist klar gesetzt. Das gegenseitige Verständnis der beiden auf dem Platz ist mit der Zeit gewachsen, auch wenn ihre individuellen Leistungen in der aktuellen Saison bisher noch nicht das Niveau ihres in beiden Fällen starken Startes beim FCZ in der letzten Saison (Condé im Sommer, Mathew im Winter) erreicht hat. Condés beste Phase in der aktuellen Saison waren die beiden Auswärtspartien in Basel und bei Lausanne-Sport (mit je einer Note “9“). Die Leistungskurve von Mathew ist von Spiel zu Spiel ein stetiges Auf und Ab mit der Bestleistung zuletzt bei YB (ebenfalls Note “9“) – die Tendenz zeigt bei ihm aufwärts. Marc Hornschuh hat nach einem durchschnittlichen Saisonstart zuletzt bei seinem Teileinsatz im Spitzenspiel bei YB wieder einmal ein Empfehlungsschreiben abgegeben.
Marchesano,“Ruuuner“ und Afriyie am konstantesten
Der FCZ spielt diese Saison mit einer Dreierabwehr und einem Vierermittelfeld. Vorne gibt es je nach Spielphase, Situation und Gegner die Variante mit einem flachen Dreimannsturm oder einem Zehner mit zwei Sturmspitzen davor. Auf diesen drei Positionen wurden diese Saison schon zehn Spieler vorwiegend eingesetzt. Zwei Spieler pendeln etwas zwischen Sturm und Mittelfeld: Krasniqi spielte vereinzelt auch im Vierermittelfeld, währenddessen Mathew umgekehrt mehrmals in der Schlussphase einer Partie vorne auf der Zehnerposition eingesetzt wurde. Herausragend ist ganz klar Antonio Marchesano, der die ersten beiden Saisonpartien gegen Yverdon und in Genf verpasst hatte. Er startete dann gut gegen Lugano und seither ging es kontinuierlich immer noch weiter aufwärts. Sein Notenschnitt insgesamt liegt bei 7.5, der Notenschnitt der letzten fünf Partien aber bereits über 8.0. Donis Avdijaj hatte nach einem guten Start gegen Yverdon einen sehr schlechten Einsatz in Genf und einen ungenügenden gegen Red Star. Bledian Krasniqi zeigte nach einem guten Start zwei schlechte Spiele hintereinander gegen Lugano und Stade Lausanne-Ouchy und kam danach erstmal nur noch im Cup zum Einsatz. Im Stadtderby konnte er sich dank seinem ersten Super League-Tor aus dem Spiel heraus dann teilweise wieder etwas rehabilitieren.
Der von Coach Henriksen halbenglisch “Ruuuner“ genannte Turbo-Fabian hatte zwar zwei schlechte Einsätze in Basel und gegen GC (trotz seines Assists), insgesamt aber bisher eine ordentlich bis gute Saison. Seine Spielnote ist mehrheitlich eine “6“ oder “7“. Ein herausragendes Spiel von ihm gab es bisher noch nicht, aber er hat immerhin schon sechs Skorerpunkte auf seinem Konto (davon vier in der Liga) bei 471 Einsatzminuten. Der Forward mit dem aktuell drittbesten Formstand nach Marchesano und Rohner ist Daniel Afriyie. Der Ghanaer liegt seit der 2. Runde in der Züri Live-Benotung dank seiner geringeren Fehlerquote und deutlich besseren Defensivarbeit konstant rund eine ganze Note vor dem Spektakelspieler Okita. Ivan Santini kam bisher erst zu 130 Einsatzminuten und erzielte dabei drei Cup-Tore. In der Liga gab es bisher nur Kürzesteinsätze. Armstrong Oko-Flex hatte in Luzern und Bern schon etwas längere Liga-Einsätze als Santini und erzielte in Cup und Liga bisher je ein Tor – verlor aber auch Bälle, die zu gefährlichen Gegenstössen und Gegentoren führten. Junior Ligue kam bisher nur zu einem Teileinsatz gegen Red Star. Labinot Bajrami wurde noch nicht eingesetzt.
Was für ein Kontrast zum Saisonstart vor Jahresfrist! Anstatt als Meister in der 1. Runde zum zweiten Mal in zwei Jahren auswärts beim Ligadominator YB starten zu müssen, diesmal zum Auftakt ein Heimspiel gegen Aufsteiger Yverdon-Sport. Der FCZ war mental und taktisch parat und liess den nach einem relativ grossen Umbruch noch uneingespielten Liganeuling nicht ins Spiel kommen. Der für Tosin (Vertragsverhandlungen) zu seinem Startelfdébut kommende Daniel Afriyie (22) aus Kumasi heftete sich im Spiel ohne Ball meist an die Fersen von Yverdons “6er“ Boris Cespedes. In den letzten Testpartien hatte man vorne in der Tendenz noch Raumdeckung im 3-4-3 gespielt gehabt – so hingegen wurde es auch im Spiel mit Ball eher wieder das übliche 3-4-1-2, wobei Fabian Rohner und Jonathan Okita je nach Spielsituation durchaus auch mal über die Seiten kamen. Mit anderen Worten: es war eine hybride taktische Formation.
FCZ taktisch gut eingestellt
Der FCZ legte Wert darauf, im Spielaufbau eine klare Überzahl zu haben und die Ansätze des Yverdon-Pressings im Keim zu ersticken. Man profitierte dabei allerdings auch davon, dass die beiden Yverdon-Spitzen Beyer und Kevin Carlos wenig Defensivarbeit verrichteten. Im Vergleich zu den letzten Saisons befanden sich die FCZ-Akteure in der 1. Halbzeit viel in Bewegung und dies mit gutem Timing. Häufig hatte der Ballführende zwei Anspielstationen, die sich beide (in unterschiedliche Richtungen) in Bewegung befanden. Auch wurden im 3-4-1-2 häufig Positionswechsel vorgenommen. So tauchten abwechslungsweise Mathew oder Condé im Spielaufbau in der Dreierabwehrkette auf, Kamberi rückte auf die rechte Aussenbahn und Boranijasevic ins Mittelfeldzentrum. Auch die drei Stürmer tauschten flexibel ihre Positionen untereinander.
Kurze Anläufe mit Ball in der Mitte von Katic machten vor allem für LIndrit Kamberi über halbrechts nach einem diagonalen Rückpass Raum für Vorstösse in die gegnerische Platzhälfte frei. Dies vor allem auch, weil Yverdon sich aufgrund der Zürcher Dominanz bald mal in der eigenen Platzhälfte in ein 6-2-2 zurückzog. Die zentralen Abstände dieser Sechserkette waren aber aus lauter Vorsicht und Respekt vor dem Gegner so gering gehalten, dass der FCZ trotz allem über aussen mit einer fast unbedrängten Rohner-Massflanke hinter die Abwehr zum 1:0-Führungstreffer kam. Yverdon’s Innenverteidiger-Neuverpflichtung Mohamed Tijani wirkte während seines ganzen Einsatzes bis zu seiner verletzungsbedingten Auswechslung in der 53. Minute etwas überfordert, obwohl er sich aus der tschechischen Fortuna Liga einen ähnlichen Rhythmus wie in der Super League eigentlich gewohnt sein sollte. In der 28. Minute stoppte er als letzter Mann den schnellen Fabian Rohner mit einem Notbremsefoul, für das er eigentlich hätte vom Platz fliegen müssen. Ein weiterer Stoss in den Rücken von Afriyie an der Strafraumgrenze und von Rohner im Strafraum drin waren in der Tendenz ebenfalls regelwidrig. Ein etwas ähnlicher Fall auf Zürcher Seite war mit Fabio Daprelà ebenfalls eine Neuverpflichtung, die nach einer wenig überzeugenden 1. Halbzeit mit muskulären Problemen ausschied. Der FC Zürich legte einen Fokus aufs Gegenpressing. Wenn dieses mal unzureichend funktionierte, dann wegen individuellen Unzulänglichkeiten.
Wie üblich: mehr FCZ-Torchancen bei weniger Ballbesitz
In der 1. Halbzeit hatte der FCZ 60% Ballbesitz. Mit der Führung im Rücken überliess er Yverdon in der 2. Halbzeit das Spieldiktat. Die Waadtländer riskierten gezwungenermassen mehr, ihre Aussenmittelfeldspieler standen höher. Wie in den letzten Jahren üblich, kam der FCZ mit wenig Ballbesitz (38% in der 2. Halbzeit) zu deutlich mehr Torchancen. Über die gesamten 90 Minuten betrug der FCZ-Ballbesitz 48.4%, das Schussverhältnis 17:5 und die Expected Goals 1.79:0.23. Dazu passten die Einwechslungen von Bledian Krasniqi und Donis Avdijaj in der 69. Minute, die beide im Umschaltspiel ihre Stärken haben. Durch taktische Kniffe verschaffte der FCZ seinen Stürmern beim Kontern zusätzlichen Platz. Die Züri Live-Analyse der Tore und Gegentore hat ergeben, dass die starke Reduktion von Standard- und Kopfballtoren 22/23 im Vergleich zur Meistersaison das grösste Problem war. Gegen Yverdon nahm sich der FCZ diese Erkenntnis zu Herzen. Wie schon in den Testspielen angedeutet funktionierten die Standards wieder besser. Und man erzielte zwei Kopfballtore – eines davon nach einer Kopfballweiterleitung bei einem Eckball.
Personalien
Lindrit Kamberi: beim Saisonstart erneut parat. Wie schon beim Startspiel in Bern vor Jahresfrist ist der 23-jährige der beste Mann beim FCZ. Lässt im Gegensatz zu Katic oder Daprelà seinen Gegenspielern keinen Meter Raum, ist zudem in der Vorbereitung des 1:0-Fphrungstreffers entscheidend beteiligt. Nicht nur das: kein Spieler beim FCZ war an so vielen Abschlüssen beteiligt (11) wie der Volketswiler.
Nikola Katic: Ein Tor erzielt, aber in der defensiven Phase erneut Note “1“. Hatte als einziger Spieler der Startformation bis zur 63. Minute keine einzige Defensivaktion, die Pluspunkte verdient gehabt hätte.
Nikola Boranijasevic: Nach einem durchschnittlichen Start in die Partie sprudelte der Serbe in der 2. Halbzeit nur so vor Spielfreude und bot dem Publikum ein Schmankerl nach dem anderen.
Fabian Rohner: Offensiv mit seiner Monsterflanke zum 1:0 mitentscheidend. In der Anfangsphase der Partie war er aber vor allem im Gegenpressing sehr wichtig und verhinderte den ein oder anderen schnellen Yverdon-Gegenstoss. Baute in der 2. Halbzeit ab.
Daniel Afriyie: Die Bewertung „bemüht“ wird in Arbeitszeugnissen in der Regel eher negativ bewertet. Auf die 1. Halbzeit von Afriyie traf dieser Ausdruck sowohl im Negativen wie im Positiven zu. Mit dem Rücken zum Tor verlor der Ghanaer zu viele Bälle und leitete so den ein oder anderen Yverdon-Konter ein. Zudem stand er in einzelnen Situationen falsch. Er steigerte sich aber bereits nach der Pause.
Bledian Krasniqi: Schon letzte Saison fiel auf, dass seine Offensiv- und Defensivleistung häufig sehr unterschiedlich gut ist – wie wenn er sich in einem Spiel nur auf eines von beidem konzentrieren könnte. Krasniqi hat von Haus aus in erster Linie offensive Qualitäten. Letzte Saison fokussierte er sich als Teil seiner Entwicklung bewusst stärker auf die defensive Phase, und war dabei speziell bei gegnerischen Umschaltsituationen immer wieder wichtig. Nun werden von Krasniqi aber wieder mehr Assists und Tore erwartet. Nach seiner Einwechslung galt sein Fokus daher ganz offensichtlich diesem Ziel. Krasniqi war mehrmals nahe dran, dieses auch in die Tat umzusetzen. Seine Performance in der defensiven Phase litt aber darunter.
Der FCZ hat vor der letzten Direktbegegnung mit Servette in dieser Saison mit den Grenats eine ausgeglichene Punktebilanz – wie auch mit Luzern, Winterthur und GC. Das Team von Alain Geiger hat zuletzt YB zuhause mit 2:1 geschlagen – und drei Wochen später auswärts gegen den gleichen Gegner mit 1:6 verloren. Allerdings waren im Stade de Suisse Miroslav Stevanovic und Gaël Clichy nicht mit dabei – mindestens ersterer wohl als Schonung für das Heimspiel gegen den FCZ. In den letzten Monaten konnte sich Servette vorne in der Tabelle halten, obwohl man vorwiegend Unentschieden gespielt hat (insgesamt schon 14x in dieser Saison). Eigentlich müsste Servette in der Tabelle näher an YB dran sein, denn die letzten acht Partien hat man immer deutlich mehr und bessere Torchancen zu verzeichnen gehabt, als dann Tore daraus resultiert sind. Es fehlte also an der Abschlusseffizienz. Dies obwohl Servette vorne mit Chris Bedia einen Mittelstürmer von hoher Qualität in seinen Reihen hat.
Antunes bestimmt das Spielsystem
Miroslav Stevanovic wird mit grosser Wahrscheinlichkeit gegen den FCZ wieder in der Startformation stehen. Bei Gaël Clichy ist dies etwas weniger voraussehbar. Der Zahn der Zeit nagt am 37-jährigen. Auf der Linksverteidigerposition hat ihm zuletzt Anthony Baron auch qualitativ etwas den Rang abgelaufen. Beim Meisterschaftsspiel gegen Lugano (0:0) wurde Clichy in einem für Servette ungewöhnlichen Rhombus auf der Sechserposition eingesetzt. Hinten hatte der lange Zeit sehr konstant spielende Yoan Severin zuletzt etwas Probleme und könnte durch Steve Rouiller ersetzt werden, der nach einem entscheidenden Fehlpass in der Schlussphase im letzten Auswärtsspiel in Lugano in der Gunst von Alain Geiger gesunken war.
Wenn Alexis Antunes von Beginn weg aufläuft, spielt Servette eher in einem 4-2-3-1, da es diesen im Zentrum stark nach vorne zieht – und der zweite Achter (beispielsweise Cognat) daher mehr Absicherungsarbeiten verrichten muss. Das erfolgreiche Grundsystem Servettes bleibt aber das 4-3-3 mit zwei Achtern. Mit Douline fehlt aus dem französischen Mittelfeld-Triumvirat mit Cognat und Valls allerdings weiterhin der eigentliche Stammspieler auf der Sechserposition.
Die FCZ-Spielvorschau als Orakel der Aufstellung?
In der Spielvorschau des Klubs wurden Lindrit Kamberi und Nikola Katic interviewt und dies ist beim FCZ diese Saison nicht immer, aber häufig ein Zeichen, dass sie in der Startformation stehen. Nach dem guten Auftritt gegen St. Gallen gäbe es allerdings kaum Gründe, um an der Dreierabwehr Omeragic / Kryeziu / Aliti zu rütteln. Möglicherweise wird der wiedergenesene Guerrero physisch behutsam herangeführt und könnte daher unter der Woche eine kleine Zwischenpause einlegen. Ebenfalls auf der Ersatzbank beginnen könnte Blerim Dzemaili (gleiches Alter wie Clichy). Im Verhältnis zwischen Condé und Mathew feilt Bo Henriksen in den letzten Partien noch etwas an der Rollenverteilung. Diejenige des St. Gallen-Spiels mit Condé als Abräumer auf der Sechserposition und Mathew etwas weiter vorne hat sehr gut geklappt. Auf der Rechnung haben muss man auch, dass Selnaes wieder einmal von Beginn weg auflaufen könnte.
Blick ins FCZ-Leistungszentrum. Grosses Interview mit dem Leiter Academy, Heinz Russheim – TEIL 1 von 4
Wer ist das Herz eines Vereins? Einige würden sagen: die 1. Mannschaft. Für andere ist es die Vereinsführung. Die Dritten meinen: natürlich die Fans! Es gibt aber auch noch eine vierte Sichtweise: die Nachwuchsabteilung! In ihr entwickeln sich die zukünftigen Identifikationsfiguren und Botschafter des Klubs. Sie tragen schon seit früher Jugend das Vereinswappen auf der Brust und in jeder Altersstufe heisse Derbys aus. Sie sprechen die Sprache der Fans und können auswärtige Zuzüge in den Klub einführen. Die Juniorenabteilung bildet ausserdem die handfeste Verbindung zur aktiven Fussballfamilie der Region. Jeder Amateurverein ist stolz, wenn er einen eigenen Jungen in den Profiklub bringen kann.
Blerim Dzemaili (Oerlikon, Unterstrass, YF Juventus), Fabian Rohner (SV Höngg) und Gianni De Nitti (Red Star) stammen von Stadtvereinen. Lindrit Kamberi (Volketswil), Selmin Hodza (Uster), Ilan Sauter (Maur) und Yanick Brecher (Männedorf) aus der Agglomeration. Mirlind Kryeziu und Bledian Krasniqi können sich hingegen an ihr Leben vor dem FCZ fast nicht erinnern. Sie traten praktisch gleichzeitig in die Schule und den Stadtclub ein. Miguel Reichmuth kam mit 12 Jahren vom schwyzerischen Ibach.
Leiter Academy beim FC Zürich ist Heinz Russheim. Seit mehr als 11 Jahren im Verein, seit April 2013 als Technischer Leiter. Anders als die Mehrheit seiner Pendants bei Schweizer Klubs bringt Russheim einen fundierten pädagogischen Background mit: Sportlehrerstudium an der ETH, Tätigkeit als Lehrer und Ausbildner in der Allgemeinbildung an Berufsschulen, beim Bundesamt für Sport oder an der ETH. Bis 2009 hat er noch selbst Schule gegeben. Der FCZ gehört seit vielen Jahren im Nachwuchsbereich zu den besten Ausbildungsklubs der Schweiz und führt das Label des Schweizerischen Fussballverbandes als eines der Nationalen Leistungszentren. Russheim hat Heinz Moser als neuen Leiter Entwicklung zur Seite gestellt erhalten, der vom SFV kommend das Konzept gleich selbst in einem Klub in die Tat umsetzen kann. Moser ist zuständig für «den Roten Faden» durch den ganzen Klub inklusive Frauen und Profis und die langfristige Entwicklung. Russheim ist der Leiter des Nachwuchsbereiches der Jungs (Academy und Footeco), in welchem auch ein paar der talentiertesten Mädchen aktiv sind.
Züri Live: Heinz Russheim, wir befinden uns im dieses Jahr neu eröffneten «Home of FCZ». Der FC Zürich hat als erster von mehreren Vereinen das Zertifikat «Leistungszentrum» vom Schweizerischen Fussballverband erhalten. Muss man nun Jahr für Jahr «zittern», ob man das Label wieder erhält, oder ist dies mit dem aktuellen Angebot gesichert?
Heinz Russheim: Das ist zur Zeit ziemlich fix. Als wir uns 2015 beworben haben, konnten wir darlegen, dass wir alle Kriterien erfüllen. Wir erfüllten sie bereits, bevor es das Label überhaupt gab. Und es gibt nicht Jahr für Jahr wieder neue Kriterien. U16-, U18- und U21-Trainer müssen festangestellte Profis sein. Auch den Talent Manager, Leiter Goalies oder Leiter Athletik hatten wir schon vorher zu 100% angestellt. In einem Leistungszentrum darf man diese Rollen nicht auf verschiedene Personen splitten.
ZL: Zuletzt wurde heiss über den Super League-Modus diskutiert. Für den Ausbildungsbereich scheint aber vor allem die Aufstockung der Super League auf 12 Mannschaften nicht ungefährlich zu sein. Das Geld für die Jugendakademien kommt ja letztlich aus dem Profifussball. Wenn Klubs wie Aarau, Thun, Xamax, Wil, Schaffhausen oder Vaduz durch das Fehlen der besten zwei Gegner weniger Einnahmen generieren, kriegen sie dann nicht Probleme mit der Finanzierung ihres Spitzenjuniorenbereiches?
HR: Da müsste man die Einnahmenstruktur analysieren. Wenn durch die zwei Top-Klubs, die in die Super League verschwinden, in der Challenge League die Zuschauerzahlen sinken, dann hätte das schon einen negativen Einfluss auf die Finanzierbarkeit der Nachwuchsabteilungen. Wenn aber die Zuschauereinnahmen keinen wesentlichen Teil des Budgets abdecken, sehe ich nicht einen riesigen Einschnitt – ausser die Sponsoren würden aufgrund des Zuschauerrückgangs und damit verminderter Attraktivität die zugesprochenen Gelder ebenfalls kürzen.
ZL: Was hat sich für Dich persönlich mit dem Einzug ins Home of FCZ verändert?
HR: Die Wege sind natürlich wesentlich kürzer geworden. Bisher habe ich jeweils gependelt. Am Mittwoch bin ich beispielsweise um 8 Uhr im Heerenschürli ins Training, dann in die Geschäftsstelle im Stadtzentrum und dann um 13 Uhr wieder raus nach Schwamendingen fürs Nachmittagstraining. Auch die Kommunikation intern ist direkter. Wenn es etwas mit der Buchhaltung zu diskutieren gibt, kann man drei, vier Zimmer weiter schnell fragen gehen und muss kein Mail schreiben.
ZL: Nicolas Chappuis hat den Sprung in den Staff der 1. Mannschaft geschafft – ein Verlust für die Academy?
HR: Ja klar. Einerseits ist jeder, der raufgeht, grundsätzlich ein Verlust. Andererseits ist es ein gutes Zeichen für die Academy. Ich mag mich noch erinnern, als Chappuis vor etwa acht Jahren von Etoile Carouge in die U14 gekommen ist. Er war Assistent von Magnin. 2018 als Magnin in die 1. Mannschaft befördert wurde, hatten Chappuis und ich zwei Wochen lang die U21 zusammen. Erst ich mit ihm als Assistent, dann er mit mir als Assistent. Dann war er Assistent bei Massimo Rizzo’s U18 und letzte Saison U17-Cheftrainer, dazu verantwortlich für das technische Equipment und die Spielanalysen. Wenn die 1. Mannschaft jemanden aus dem Academy-Staff «absaugt», ist das für mich nicht primär ein Verlust. Ich habe gegenüber Ancillo und Heliane Canepa immer betont, dass für jede Position in der 1. Mannschaft ein valabler Kandidat im Nachwuchs vorhanden sein sollte – egal ob Konditionstrainer, Cheftrainer oder Goalietrainer.
ZL: Was sind die Kriterien, auf die beim FCZ bei der Trainerauswahl für die Academy am meisten geachtet wird?
HR: Die Diplome sind vorgegeben, da gibt es Mindestanforderungen: ab U16 aufwärts das A-Diplom. In den Stufen darunter gibt es ebenfalls die entsprechenden Auflagen (B-Diplom). Durch das Bestehen der Prüfung beweist ein Trainer, dass er die notwendige Fachkompetenz hat. Natürlich gibt es Unterschiede zwischen «sehr gut» oder nur «knapp» bestehen. Aber die Prüfung ist nur eine Momentaufnahme. Ein Tag. Eine 5,5 ist zwar für den Moment besser als eine 4,5, aber der Kandidat hat vielleicht ein ganz anderes Prüfungsthema erwischt, als sein Studienkollege. Es heisst noch gar nicht, dass er dann auch der bessere Trainer sein wird. Für mich wird die Sozialkompetenz immer wichtiger. Der Umgang mit den Spielern ist zentral.
ZL: Und dies täglich…
HR: Ja. Ich hatte grad gestern ein Gespräch mit einem Gymischüler bei uns. Die haben über 30 Stunden Schule, dazu Hausaufgaben, Prüfungsvorbereitung. Und trainieren bei uns vier Mal abends. Wenn dann einer mal etwas müde ist, muss der Trainer die Empathie mitbringen, dafür Verständnis zu haben. Das hat man als Trainer und Mensch – oder man hat es nicht. Beim A-Diplom lernt man das auf jeden Fall nicht. Fordernd kann man trotzdem sein. Aber Verständnis für die Chancen, Gefahren, Freuden und Ängste der Jugendlichen muss vorhanden sein, und der Trainer muss damit umgehen können.
ZL: Bei einem Profiklub wie dem FCZ gibt es Legenden, Spieler mit Verdiensten, die man aufgrund der Klubpolitik gerne nach der Spielerkarriere in der Organisation halten möchte. Man kommt dann auf der Suche nach einer passenden Position schnell mal auf die Idee «Nachwuchstrainer» – obwohl der Ex-Profi möglicherweise nicht die beste Besetzung dafür ist. Hat sich in diesem Punkt mittlerweile etwas getan? Hat ein von der Sozialkompetenz und Pädagogik her starker Nachwuchstrainer eines kleinen Vereins aus der Region gute Chancen, sich in der Auswahl der Bewerber gegen einen Ex-Profi durchzusetzen?
HR: Wenn man keinen Hintergrund als Spielerprofi hat, ist es sehr schwer, bei den Grossvereinen reinzukommen. Wir hatten Fischer, Magnin oder Petrosyan. Colatrella hat ebenfalls in der obersten Liga gespielt, Romano war auch Profi.
ZL: Zumindest von der U15 an abwärts scheint es aber weniger Ex-Profis auf der Trainerposition zu geben…
HR: Ja, U15 kommt mir jetzt auch grad keiner in den Sinn. Der Einstieg ist aber meist in der U14 – und dann geht es direkt in das Leistungszentrum (U16). Man muss wissen: vor etwa 20 Jahren war die Philosophie des SFV, möglichst vielen ehemaligen Super League- und sowieso National-Spielern den Einstieg als Trainer zu ermöglichen. Denn diese haben die Erfahrung beispielsweise auch vor 50’000 Zuschauern zu spielen. Sie wissen, was auf dem Platz abläuft. Sie haben einen grossen Rucksack. Sie haben das Fachliche als Profispieler selbst erlebt und umgesetzt: «Was mache ich im Pressing? Wohin stehe ich? Wie verteidige ich?». Grundsätzlich alles. Das war die Stossrichtung.
Meines Erachtens hat man etwas zu wenig darauf geachtet, dass die Sozialkompetenz die dominante Qualität ist, die ein Nachwuchstrainer haben muss – ganz klar wichtiger als vieles andere. Diese Meinung wird nicht von allen geteilt. Natürlich muss ein Nachwuchstrainer im Spitzenjuniorenfussball eine Ahnung davon haben, was auf dem Fussballplatz abläuft. Aber das Pendel schlägt für mich zu stark in Richtung ehemalige Top-Spieler aus. Der Umgang mit einer U16 oder U18 ist nicht das Gleiche, wie mit der 1. Mannschaft. Sie trainieren zwar gleich viel, aber der Juniorenspieler macht nebendran noch eine Lehre, geht in die Schule, ist in der Entwicklung, in der Pubertät – das braucht vom Trainer spezielle Kompetenzen.
Thomas Tuchel oder Julian Nagelsmann waren als Spieler nicht auf dem Niveau ihrer jetzigen Mannschaften. Sie arbeiten erfolgreich, weil sie einen sehr guten Umgang mit ihren Spielern pflegen. Franz Beckenbauer vertraute als DFB-Teamchef fast ausschliesslich auf seine Sozialkompetenz. Das Training leitete ein Anderer.
ZL: Gut mit Jugendlichen umgehen zu können, ist eine spezielle Qualität… In gewisser Hinsicht schwieriger als mit Männern.
HR: Was heisst schwieriger? Das würde der Aufgabe der Eins-Trainer auch nicht gerecht. Dort kann man beispielsweise auch einmal eine «Diva» in der Mannschaft haben. Wie geht man damit um?
ZL: Im Nachwuchs hat man natürlich als Trainer etwas mehr Autorität und Möglichkeiten, Druck auszuüben. In der 1. Mannschaft ist der Trainer wohl das schwächere Glied im Mannschaftsgefüge.
HR: Das ist zwangsläufig so. Wenn’s nicht läuft, dann muss bei den Profis immer wieder der Trainer gehen. Auch wenn es häufig nicht die richtige Entscheidung ist.
Nur für den FCZ ändert Luzern-Trainer Mario Frick bisher sein bewährtes Rhombus-System. Erstmals in der letzten Runde der abgelaufenen Saison im Letzigrund – und nun erneut. Luzern-Innenverteidiger Simani sprach nach dem Spiel davon, dass man zu Beginn zu viel Respekt vor dem Meister gehabt habe. Hätte Frick das System auch geändert, wenn er gewusst hätte, dass der FCZ nicht im üblichen 3-4-1-2 spielt? Dass beide Mannschaften in einem klassischen 4-4-2 antraten, trug auf jeden Fall seinen Teil dazu bei, dass die Partie letztendlich torlos blieb. Gemessen an den Züri Live-Durchschnittsnoten hat sich die Mannschaft von Franco Foda defensiv von Spiel zu Spiel gesteigert. Allerdings war gegen dieses Luzern zu verteidigen deutlich einfacher, als zuvor gegen Qarabag. Mit Andy Gogia war im Letzigrund nur ein einziger eingesetzter Akteur defensiv ungenügend. Der MVP des Qarabag-Auswärtsspiels, Cheick Condé, war diesmal hingegen vor allem offensiv stark.
Grund für Probleme mit gegnerischem Pressing wirklich nur vermeidbare individuelle Fehler?
Personelle Überlegungen werden auf Seiten von FCZ-Coach Foda ihren Teil dazu beigetragen haben, sich für ein 4-4-2 zu entscheiden. In dieser Formation konnte er Andy Gogia und Jonathan Okita von Anfang an eine Chance geben und dadurch andere Akteure schonen. Man sah in dieser Partie aber auch plastisch die Nachteile dieses Systems für die Mannschaft. Im 3-4-1-2 mit lauffreudigen Aussenläufern Guerrero und Boranijasevic hat der FCZ sowohl viel Breite wie auch viel Tiefe im Spiel. Breite: hinterste Reihe fünf, im Mittelfeld vier und vorne ebenfalls vier. Die Tiefe wird dadurch hergestellt, dass vier Reihen auf dem Platz stehen und nicht nur drei, was sowohl offensiv als auch defensiv Vorteile hat. Im 4-4-2 hingegen werden die beiden Schlüsselspieler Guerrero und Boranijasevic zurückgebunden und können ihre Qualitäten nicht voll einbringen. Für die Gegner eröffnet sich zudem die zusätzliche Option einen langen hohen Ball über die drei Reihen hinweg hinter die Abwehr zu spielen.
Den Spielaufbau hinten heraus bestritt der FCZ erneut vorwiegend flach und hatte wie in Bern mit dem Pressing des Gegners phasenweise grosse Probleme. Dies obwohl Luzern in diesen Situationen den Zürcher Sechser nicht in Manndeckung nahm und daher immer wenn Condé zurückkam und sich ausserhalb des Deckungsschattens der Stürmer anbieten konnte, das Frick-Team gezwungen war, zurückzuweichen. Captain Yanick Brecher sah nach der Partie im Interview mit Züri Live allein einfach vermeidbare individuelle Fehler als Ursache der Probleme. Schon vor der Breitenreiter-Zeit hatte die Mannschaft immer wieder etwas die Tendenz, die eigenen kollektiven und individuellen Fähigkeiten zu überschätzen und Niederlagen mit unerklärlichen Fehlern von einzelnen Spielern zu erklären – anstatt die Spielweise des Teams an die Realitäten und echten Kräfteverhältnisse anzupassen. Gegen Luzern war es viel eher so, dass sich der FCZ nur dank dem ungewöhnlich unpräzisen Passspiel Luzerns schadlos halten konnte.
Bessere Bank als in Bern – letztjährige Effizienz fehlt offensiv und defensiv
Der FCZ spielte wie sich das schon in der Vorbereitung angedeutet hatte, mehr über die Seiten. Man sieht mehr Flanken und Kopfbälle. Die letzte Viertelstunde vor der Pause war der FC Zürich aber völlig von der Rolle und gewann praktisch keine Zweiten Bälle im Mittelfeld mehr. Luzern kam zu Chancen beinahe im Minutentakt. Eine positive Veränderung zum YB-Spiel war, dass diesmal beim FCZ Einwechselspieler (namentlich Dzemaili, Rohner und Santini) einiges bewegen konnten und ihre Mannschaft nochmal in die Nähe des möglichen Siegtreffers brachten. Insgesamt hatte der FCZ mehr Ballbesitz und in der 1. Halbzeit ein Plus an Grosschancen. Ganz generell hätte das Spiel nach „Expected Goals“ tatsächlich ebenfalls Unentschieden enden müssen – allerdings 1:1. In Bern wäre nach diesem Kriterium ein 2:2-Unentschieden anstatt der 0:4-Niederlage korrekt gewesen und in Baku hätte man gar 2:1 gewinnen müssen. Dies vor allem auch, weil die Tore Qarabags aus Positionen erzielt wurden, die häufig nicht einen Torerfolg zur Folge haben. Torhüter Brecher konnte die wuchtigen Abschlüsse von Wadji und Kady aber jeweils nicht parieren.
Der FCZ kennt solche Spiele. Vor zwei bis drei Jahren lief es jeweils gegen St. Gallen so wie nun in Baku. Zu Beginn überrollt der Gegner den FC Zürich wie ein Tsunami, so dass man das Gefühl bekommt: diese zwei Mannschaften gehören eigentlich nicht in die gleiche Liga. Wenn die Kräfte des Gegners nach der anfänglichen Parforce-Leistung dann aber nachlassen, schlägt der FCZ zurück. Der Unterhaltungsfaktor solcher Spiele ist hoch. Da St. Gallen am Ende aber mehrheitlich auf der Verliererseite stand, sah dessen Coach Peter Zeidler irgendwann von solchen Matchplänen wieder ab. Sein Team hatte jeweils in der Hochenergiephase schlichtweg weniger Tore erzielt, als es danach im „übersäuerten“ Zustand kassierte. Im Unterschied zu St. Gallen vermochte Qarabaq auch in der 2. Halbzeit in vereinzelten Aktionen nochmal das Tempo zu erhöhen und Nadelstiche zu setzen, so dass der FCZ nach dem 2:3-Anschlusstreffer nicht mehr allzu viel riskieren wollte.
Qarabaq mit grosser taktischer Flexibilität
Wer die Leistung oder Taktik des FCZ in Baku beurteilen will, muss daher berücksichtigen, dass in den zwei Halbzeiten zwar personell der gleiche, vom Energie-Level her aber ein komplett unterschiedlicher Gegner auf dem Platz gegenüberstand. Natürlich hat der Auftritt des Letzigrund-Teams in der 2. Halbzeit optisch deutlich besser gewirkt, aber der Unterschied bezüglich Leistung war nicht so gross, wie es auf den ersten Blick scheint. In Problemen steckten in den besonders intensiven ersten 20 Minuten Qarabaqs beim FCZ viele. Bei Marc Hornschuh handelte es ich aber nicht nur um ein paar Probleme, sondern er war im Mittelfeldzentrum mit dem Tempo des Gegners überfordert. Und dass der sehr beständige Fidan Aliti in der Super League sein oberes Limit ausreizt und kaum Luft nach oben hat, war auch schon immer klar. Aber auch er machte natürlich sofort wieder eine bessere Figur, als Qarabaq die Puste ausging.
Dass die Aseris das Spiel schlussendlich gewannen, hat viel mit den Einzelleistungen von Ibrahima Wadji zu tun. Der 27-jährige Senegalese war vor einem Jahr als einer der besten Torschützen der Norwegischen Liga ans Kaspische Meer gezogen und in den Europacupduellen mit dem FC Basel die auffälligste Figur. In der 1. Runde der diesjährigen Saison gegen Lech Poznan lief das Spiel hingegen an ihm vorbei, auch weil Qarabaq jeweils über die Flügel spielte. Gegen den FCZ änderte Coach Qurban Qurbanov die Taktik. Das intensive Pressing / Gegenpressing aus dem Lech-Rückspiel wurde beibehalten, aber es wurde vorwiegend durch die Mitte angegriffen.
Selnaes-Début, Condé MVP, Marchesano und Guerrero steigern sich
In der 1. Halbzeit spielte der FC Zürich wie letzte Saison im 3-4-1-2 mit Manndeckung auf dem ganzen Platz. Der im Vergleich zum YB-Spiel verbessert auftretende Antonio Marchesano deckte im Spiel ohne Ball Jankovic, Dzemaili folgte Almeida auf Schritt und Tritt, und Hornschuh hätte Ozobic neutralisieren sollen. Die Lösung Qurbanovs gegen die Manndeckung: einer der beiden Flügel (Kady oder Zoubir) bot sich jeweils zusätzlich zentral an und trieb den Ball nach vorne, die Vier gegen drei-Überzahl ausnutzend. Nachdem der FCZ zur Pause auf ein 3-4-3 mit Raumdeckung umgestellt hatte, verlegte sich Qarabaq sofort darauf, die typischen Schwachstellen der Raumdeckung auszunutzen: die sich bietenden Lücken zwischen den Linien. Dazu stellte Qurbanov seinen besten Mann Kady vom Flügel auf die Zehnerposition, wo der Brasilianer nun häufig Raum vorfand und so das 3:1 vorbereiten konnte.
Der zur Pause für Hornschuh eingewechselte Cheikh Condé bestätigte die positiven Eindrücke seiner Spiele in Tschechien, der Vorbereitung und in Bern. Bereits in seinem zweiten Wettbewerbsspiel wird er zum Züri Live-MVP. Mit dem Guineer verbesserte sich schlagartig die Balance zwischen Offensive und Defensive. Mirlind Kryeziu und Blerim Dzemaili wirken (noch) fitter als letzte Saison. Als Qarabaq nicht mehr so intensiv ins Pressing ging, lancierte Kryeziu mit langen Bällen und Seitenwechseln das Zürcher Spiel und verwandelte den Foulpenalty zum 2:3 sicher. Offensiv war er der beste Spieler des FCZ in Baku. Bei Marchesano und Guerrero war bereits eine klare Steigerung im Vergleich zum Auftakt in Bern erkennbar. Fabian Rohner sorgte als Stürmer in der 1. Halbzeit immer wieder für Entlastung und provozierte Szenen, die zu einem Penalty oder Platzverweis des Gegners hätten führen können.
Ole Selnaes kam als Letzter der vier Neuzugänge und trotzdem überraschend früh zu seinem Wettbewerbsdébut für den FCZ – nicht überraschend mit guten Offensivaktionen und defensiven Defiziten. In der Match-Vorschau stand, dass das Duell zwischen Boranijasevic und Linksverteidiger Dzafarguliyev entscheidend werden könnte. Letztendlich führten zwei Fehler des für Dzafarguliyev eingewechselten Bajramov, der nach Krasniqi-Steilpass Boranijasevic im Strafraum zu Fall brachte, das späte 2:3. Insgesamt entsteht nach der Auswärtspartie in Aserbaidschan das Gefühl, dass die Mannschaft auf einem guten Weg ist und schon in den kommenden Partien die ersten positiven Resultate folgen werden.