FC Zürich im Clinch zwischen attraktivem Kulturwandel und alten Erfolgsrezepten

In der Winterpause hat der FC Zürich einen ambitionierten Kurswechsel vorgenommen, welcher den ganzen Klub betrifft. Der Zeitpunkt, das Tempo und die Radikalität der Änderungen sind dabei für Schweizer Verhältnisse aussergewöhnlich.

Eigene Jungs bringen Qualität und Emotionen – der Überflieger fehlt aber

Wie sah der bisherige Status Quo aus? Über die FCZ Academy haben im letzten Jahrzehnt überdurchschnittlich viele Talente den Schritt zum Profifussballer im In- und Ausland geschafft. Dies vor allem auch dank der vorbildlichen Zusammenarbeit mit Challenge League-Klubs, an erster Stelle dem FC Wil. Im Gegensatz zu früher leiht der FC Zürich heute nur noch Talente in die Challenge League aus, auf die man wirklich setzt – und gibt ihnen in der zweithöchsten Liga in der Regel zwei Jahre Zeit zu reifen. Allerdings: ein richtiges Top-Talent von welchem man eine langfristig entscheidende Rolle im A-Nationalteam erwarten kann, gab es aus dem Heerenschürli wohl schon lange keines mehr – möglicherweise mit Ausnahme des heute bei Hoffenheim aktiven Zidan Tairi. Dies ist ein Phänomen, welches nicht nur den FCZ betrifft.

Mit den Resultaten der Nachwuchsteams war es in den letzten Jahren ähnlich: gut, aber nicht überragend. Man spielte häufig um die Juniorentitel mit – und gewann sie gelegentlich auch. Das Reserve-Team (U21) zeigte zusammen mit demjenigen des FCB die grösste Konstanz in der Promotion League. In der 1. Mannschaft sind zudem überdurchschnittlich viele Profis anzutreffen, die aus dem eigenen Nachwuchs stammen. Yanick Brecher, Lindrit Kamberi, Mirlind Kryeziu oder Bledian Krasniqi bringen nicht nur Qualität, sondern auch Emotionen ins Zürcher Spiel. Allerdings lief der Einbau der neuesten Jahrgänge zuletzt harzig – speziell seit der Meistersaison unter dem die 1. Mannschaft eher konservativ ein- und aufstellenden André Breitenreiter. Ob dies allerdings nur an den Trainern der 1. Mannschaft lag, ist fraglich. Auf jeden Fall war die U18 der Saison 17/18 die letzte richtig produktive in Sachen Talent-Output: Matteo Di Giusto, Bledian Krasniqi, Simon Sohm, Ilan Sauter, Filip Stojilkovic, Henri Koide, Stephan Seiler, Guillaume Furrer, Sayfallah Ltaief. Danach folgten drei schlechtere Jahrgänge. Vom Team der Saison 18/19 beispielsweise scheinen ein Filip Frei, Silvan Wallner, Soheil Arghandewall, Nils Reichmuth, Kedus Haile-Selassie & Co. unter dem Strich nicht auf dem gleichen Entwicklungskurs zu sein.

Zwischen neuem Konzept und erfolgreichem „Meister-System“

In der Academy wurde über viele Jahre vorwiegend im in der Schweizer Nachwuchsausbildung allgemein vorherrschenden 4-3-3 gespielt – in einer klassischen Spielweise. In gewissen Altersstufen wurden zudem als Teil der Ausbildung wochenweise andere Systeme und Spielweisen ausprobiert. Die U21 trat in der Zeit unter Genesio Colatrella hingegen in einem eher abwartenden und resultatorientierten 4-1-4-1 auf. Die 1. Mannschaft wiederum präferierte spätestens seit der Meistersaison das damals so erfolgreiche schnelle Umschaltspiel durch die Mitte im 3-4-1-2. Dass dieses System und diese Spielweise am besten zum Kader passt, zeigt sich bis heute immer wieder. Bo Henriksen konnte so auf die Erfolgsspur zurückkehren – und auch unter dem Duo Ural / Romano holte man zuletzt mit diesem System und dieser Spielweise in Basel und Genf vier Punkte.

Man wich also in der 1. Mannschaft aufgrund des Resultatdruckes zuletzt in gewissen Partien von der eigentlich angestrebten dominanten Spielweise ab. Diese hatte man davor am ausgeprägtesten in den Auswärtspartien in Luzern, Lugano und Yverdon mal mehr und mal weniger erfolgreich umgesetzt gehabt. Aufgrund dieser aktuell wechselhaften Spielweise liegt die 1. Mannschaft unter dem neuen Trainer-Duo in Sachen Ballbesitz „nur“ an 3. Stelle hinter YB und Lugano. Dies sind aber trotz allem fünf Prozentpunkte mehr als der eigene Saisonschnitt. Die Ballbesitzzahlen der U21 haben sich unter dem neuen Coach Ricardo Moniz bisher noch etwas weniger stark gesteigert. In den zahlreichen Testpartien agiert dieses Team allerdings bereits sehr dominant. In der Academy wird die neue Spielweise hingegen bereits ohne Kompromisse durchgezogen. Von den vier Elite-Teams stehen drei beim Ballbesitz teils mit grossem Vorsprung an der Spitze ihrer Liga. Und die Team-Resultate sind gut.

Im Pressing nun vor YB und St. Gallen

Beim Hohen Pressing sieht es ähnlich aus. Von der U15 bis zur U19 liegt der PPDA-Wert durchs Band zwischen fünf und leicht über sechs. Zum Vergleich: kein Super League-Team bewegt sich in diesem Bereich! Unter dem Trainerduo Ural / Romano steht der FC Zürich neu mit einem Durchschnittswert von 6,64 für das intensivste Pressing der Liga – vor YB und dem FC St. Gallen. Die U21 liegt diesbezüglich in der Promotion League an Zweiter Position hinter St. Gallen. FCZ-Teams erreichen zudem seit Jahresbeginn 2024 hohe Werte bei Leistungsindikatoren wie „Anzahl Pässe“, „Anzahl Pässe ins Angriffsdrittel“, „Vorwärtspässe“, „Vorstösse mit Ball“, „Schüsse“, „Flanken“, „Eckbälle“, „Erlittene Foulspiele“ – und dies mit auf mehreren Altersstufen bereits ziemlich verjüngten Equipen. Das Frauen-Team von Trainerin Jacqueline Dünker hat seit der Winterpause vor allem beim Pressing zugelegt, tut sich aber in Ballbesitz mit dem neuen Konzept noch etwas schwer. Alles in allem ist der neue FCZ-Stil intensiv, modern und attraktiv. Ein Fragezeichen gibt es bezüglich der Eignung des aktuellen Kaders der 1. Mannschaft für diesen Spielstil. Ausserdem muss man auf Sicht auf jeden Fall auch das Energie-Management über eine ganze Saison hinweg im Auge behalten.

Vor etwa zehn Jahren war das dominante „Juego de posicion“ in der damaligen Form unter der etwas abschätzigen Bezeichnung „Tiki-Taka“ in unseren Breitengraden verpönt, und galt als eine seltsame sowie überholte katalanisch-spanische Spezialität. Heute scheint es, kommt auf dem Niveau des internationalen Klub-Fussballs niemand mehr am Erbe und den Prinzipien des einflussreichsten Trainers der heutigen Zeit, Pep Guardiola, vorbei. Speziell die Premier League als beste Liga der Welt ist davon durchdrungen. Alle einigermassen erfolgreichen Teams inklusive Aussenseiter wie der ehemalige Hyypiä-Klub Brighton & Hove Albion basieren ihr Spiel darauf. Selbst „Gegenpressing-Papst“ Jürgen Klopp wurde mit Liverpool erst dann richtig erfolgreich, als er vermehrt “Guardiola-Prinzipien“ in sein Spiel einfliessen liess. In der Bundesliga ist Bayer Leverkusen unter Xabi Alonso aktuell das leuchtende Beispiel für den Erfolg des Positionsspiels.

Ein FCZ in der Übergangsphase ist schwierig auszurechnen

Der Kulturwandel sorgt für Konfliktstoff bis in die Schweizer Nationalmannschaft, in welcher die von Coaches wie Guardiola, Arteta und Alonso geprägten Granit Xhaka und Manuel Akanji ihre im Klub gewohnte Spielweise entgegen der ursprünglichen Ausrichtung unter Murat Yakin auch in der Landesauswahl implementiert sehen wollen. Dabei stellt sich in der SFV-Auswahl eine ähnliche Fragestellung wie beim FC Zürich: ist das aktuelle Kader dafür geeignet? Sind beispielsweise die Innenverteidiger technisch stark und schnell genug? Wie sieht es mit dem Torhüter aus? Ausserdem ist die Qualität der für die im Positionsspiel nötige Breite sorgenden Flügelspieler entscheidend. Die beiden etablierten FCZ-Stürmer Marchesano und Okita fühlen sich an der Seitenlinie nicht wohl, sind im Umschaltspiel im 3-4-1-2 am stärksten. Oko-Flex und Rohner können auf dem Flügel spielen, stehen aber im zweiten Glied – und werden wohl beide als zu wenig zuverlässig gesehen.

So ist es aktuell in der 1. Mannschaft ein Hin und Her zwischen Partien in denen der FCZ im 4-3-3 oder 4-2-3-1 mit Dominanz auftritt – und anderen wo man dann wiederum das Direktspiel und die langen Bälle präferiert wie beispielsweise beim 1:0-Sieg bei Servette. Positiv formuliert ist es aktuell für die gegnerischen Trainer schwierig den FCZ auszurechnen. Selbst das eine Stunde vor Spielbeginn publizierte Matchblatt gibt dem gegnerischen Coach aktuell keine Auskunft über die vorgesehene FCZ-Spielweise, denn Nikola Boranijasevic beispielsweise hat zuletzt alles gespielt: Rechtsverteidiger in einer Viererabwehr, Aussenläufer im 3-4-1-2 – oder sogar als Aussenverteidiger einer Fünferabwehr (defensiv) und gleichzeitig Flügelstürmer (offensiv) in einem hybriden 4-3-3 / 5-3-2 wie im Liga-Heimspiel gegen Winterthur. Der FCZ tritt mit demselben Personal sehr unterschiedlich auf und ist daher für alle Seiten eine Wundertüte. Das wird sich aber ziemlich sicher auf nächste Saison hin ändern.

Daten: Wyscout, Liga, Saison 23-24, FCZ (N) = FCZ unter Ural / Romano bzw. Moniz.

Promo für den Schweizer Fussball! Bilanz des ersten Jahrzehnts Promotion League und Bewertung der SFV-Spielklassen-Reform

Der Schweizerische Fussballverband hat entschieden, ab der Saison 2022/23 die Spielklassenstruktur von der Promotion League über die 1. Liga bis zur 2. Liga Interregional leicht anzupassen.

Neue SFV-LigastrukturQuelle: football.ch

Die U21 des FC Zürich ist seit dem Start der Promotion League 2012/13 in dieser eingleisigen „Dritten Liga“ des Schweizer Fussballs dabei. 16/17 und 17/18 erreichte das Heerenschürli-Team mit Izer Aliu, Toni Domgjoni, Kevin Rüegg, Fabian Rohner und Co. jeweils den 5. Platz. Die letzten drei Jahre war man eher im Abstiegskampf involviert.

U21-Kader sind zu 80-90% tatsächlich „U21“

Bisher war die Anzahl der U21-Teams in der Promotion League auf maximal vier limitiert. Tatsächlich waren zuletzt nach dem Abstieg von St. Gallen volle fünf Jahre durchgängig nur drei Reserve-Teams (FCB, FCZ und Sion) in der obersten Amateuerklasse gewesen. Basel war dabei der einzige Klub, der es in all den Jahren schaffte, mit einem (fast) reinen U21-Team jeweils die Klasse zu halten. Die Rotblauen setzten höchstens punktuell aus Verletzungen zurückkommende Kaderspieler der 1. Mannschaft in ihrer Zweiten Mannschaft ein – abgesehen von jungen Offensivtalenten, die formell zur Ersten Mannschaft gehörten, aber dort aufgrund der grossen Konkurrenz wenig Chancen auf Einsätze hatten.

YB hat beim Aufstieg diesen Sommer am Ende einer verkürzten Saison davon profitiert, dass die U21-Teams gegenüber den Amateurmannschaften aufgrund der Coronasituation einen klaren Vorteil hatten. Die Berner fahren diese Saison im „Oberhaus“ eine ähnliche Linie wie der FCB. Dass der FC Sion sich so lange in der Promotion League hat halten können, liegt vor allem an einer trotz tiefer Einwohnerzahl, grosser Distanzen und hoher Wintersportaffinität erstaunlich produktiven Walliser Nachwuchsarbeit. Gleichzeitig spielen aufgrund der überdurchschnittlichen Grösse des Profikaders einzelne Profis konstant in der Reserve.

FCZ: Rodriguez und Montolio als erfahrene Verstärkungsspieler

Der Weg des FCZ lag in den letzten Jahren irgendwo in der Mitte zwischen diesen Polen. Im Gegensatz zu früheren Zeiten hat man die U21 zuletzt nicht mehr so regelmässig wie früher zur Heranführung von Spielern aus dem Super League-Kader nach Verletzungen benutzt. Stattdessen wurde das U21-Kader mit ein bis zwei gestandenen Führungsspielern verstärkt – tendenziell ein Innenverteidiger und ein Mittelstürmer. Aktuell agiert in der Zentralen Abwehr der 25-jährige aus dem Villarreal-Nachwuchs stammende Genis Montolio (rund 75 Partien auf Drittliganiveau in Spanien) sowie weiter vorne der zurückgekehrte Schwamendinger Mittelfeldtechniker Roberto Rodriguez (31). Theoretisch gehört auch noch Stürmer Shani Tarashaj (26) dazu, aber dieser spielt ebenso zur Zeit keine Rolle wie José Gonçalves (36), welcher mittlerweile als Teammanager häufig für die 1. Mannschaft unterwegs ist.

U21-Teams im Spitzenamateurfussball mitentscheidender Faktor für Erfolg der Nati

Aus rein egoistischer Sicht hätte der FCZ eher gegen die Reform sein müssen, um den Vorteil der Höherklassigkeit gegenüber der Mehrheit der Konkurrenten beibehalten zu können. Was zählt ist aber die Nützlichkeit eines Ligasystems für den Schweizer Fussball insgesamt. In Sachen Schweizer Nachwuchsförderung ist die Anpassung der Spielklassenstruktur eine gute Sache. Die Schweiz hat in der Talententwicklung viele Nachteile, wie der aufgrund der geringen Bevölkerungszahl eingeschränkte Talentpool oder ein fehlender Titel auf A-Nationalteam-Stufe als Referenz. Der grösste Vorteil im Vergleich mit vielen anderen Ländern war in den letzten Jahren hingegen immer, dass die Schweizer Jungs dank der Integration der U21-Teams in den Spitzenamateurfussball in der Regel in jüngerem Alter zu regelmässigen Wettbewerbspartien gegen Männerteams kommen.

Zwei Wege führen nach Rom über den Spitzenamateurfussball

Ähnlich wie die besten Mädchen enorm davon profitieren, gegen Jungs spielen zu können, profitieren Jungs davon, schon früh gegen richtige Männer antreten zu dürfen. Kein Training und kein Test kann eine solche Wettkampferfahrung ersetzen! Dies zeigt sich immer wieder in den internationalen Vergleichen auf Junioren-Nationalteamstufe und später auch in der A-Nationalmannschaft. Die grosse Mehrheit der aktuell erfolgreichen Nati hat in jungen Jahren einen ganz entscheidenden Schritt in Richtung nationale und internationale Reife im Spitzenamateurfussball genommen – sei es innerhalb oder wie im Fall von Renato Steffen oder Christian Fassnacht gar ausserhalb einer professionellen Fussball-Akademie! So holt man sich schon früh die Wettkampfhärte und Frechheit, um einem Paul Pogba in einem EM-Achtelfinal in der entscheidenden Szene den Ball vom Fuss zu klauen. Der Vorteil eines Manuel Akanji, Yann Sommer, Denis Zakaria, Noah Okafor, Xherdan Shaqiri oder Djibril Sow gegenüber einem Steffen oder Fassnacht war, dass sie neben den wertvollen Einsätzen gegen Top-Amateurteams in den Akademien zusätzlich zahlreichere und in aller Regel bessere Trainings hatten.

Ewige Rangliste Promotion LeagueQuelle: Transfermarkt.ch, Stand: 2.12.21

Promotion League oder 1. Liga Classic?

Der grosse Vorteil einer U21 auf Stufe Promotion League ist sicherlich, dass diese im Vergleich zur 1. Liga Classic oder 2. Liga Interregional nicht nur physisch, sondern auch technisch und taktisch gefordert wird. Rund die Hälfte der Spieler der Promotion League-Teams hat zumindest Challenge League-Erfahrung. Vor allem ist der Schritt von der Promotion League in die Challenge League oder Super League weniger gross.

Welche Vorteile hat die 1. Liga? Die grössten Talente in einem U21-Team sind in der Regel nicht die am häufigsten sondern die jüngsten eingesetzten Spieler. Im Team von 12/13 (siehe Grafik weiter oben) also Nico Elvedi, Saidy Janko, Francisco Rodriguez oder der später verletzungsgeplagte Marvin Graf – oder heute Stürmer Labinot Bajrami (stammt ursprünglich vom FC Winterthur und ist über einen durch die „Malenovic-Affäre“ ziemlich kurzen Zwischenschritt bei GC im Heerenschürli gelandet).

Würden diese Top-Talente, um die es im Hinblick auf die 1. Mannschaft ja schlussendlich mehrheitlich geht, eine Stufe tiefer in der 1. Liga mehr zum Einsatz kommen? Antwort: ein bisschen ja. Das Hauptkriterium für den richtigen Zeitpunkt ihres ersten Einsatzes im Erwachsenenfussball ist allerdings der physische Entwicklungsstand und diesbezüglich gibt es zwischen der 1. Liga und der Promotion League keinen allzu grossen Unterschied.

Punkte pro Saison Promotion LeagueQuelle: Transfermarkt.ch, Stand: 2.12.21

Mehr als 40 Profiteams`! Die Schweiz am oberen Rand ihrer Möglichkeiten

Die in der Promotion League, 1. Liga und 2. Liga Interregional engagierten Männer sind genauso wie die Frauen der Women’s Super League Spitzenamateure und bewegen sich somit in einem gleichzeitig sehr abwechslungs- wie anforderungsreichen Alltag als ambitionierte Sportler mit Beruf, Ausbildung und teilweise auch schon eigener Familie. Das Zuschauerpotential reicht auf diesen Stufen nicht aus, um mit den geringen Einnahmen den Spielern und Spielerinnen echte Saläre bezahlen zu können. Dabei unterstützen die sportbegeisterten Schweizer ihre Lieblingsteams so treu in den Stadien, dass mehr als 40 Profimannschaften mit entsprechend Tausenden von Arbeitsplätzen in Fussball und Eishockey unterhalten werden können. Das ist sehr viel. Das deutsche Bundesland Niedersachsen beispielsweise (gleiche Einwohnerzahl wie die Schweiz) hat in Fussball, Eishockey, Handball und Basketball zusammengenommen rund 10-15 Profimannschaften. Auch wenn man berücksichtigen muss, dass Teile Niedersachsens zu den Einflussgebieten Hamburgs und Bremens gehören, steht die Schweiz im Vergleich sehr gut da.

Deshalb ist die Spitze der Schweizer Fussballpyramide mit zwei 10er-Ligen ideal. Da die Challenge League unter Profibedingungen betrieben werden kann, sind die Spieler und Klubs mit der Super League konkurrenzfähig und bieten daher das ideale Biotop für den letzten Schritt zum Spitzenniveau. Was passiert, wenn ein Land von der Grösse der Schweiz die obersten Ligen zahlenmässig verwässert, sieht man aktuell sehr schön am Beispiel von Österreich, wo das einst sehr ansehnliche sportliche Niveau der zweithöchsten Liga innert kürzester Zeit in den Keller gesunken ist. Was eine Ligavergrösserung in der Super League oder Challenge League alles für schädliche Auswirkungen auf Talentförderung, Zuschauerzahlen, Arbeitsplätze und den sportlichen Wettbewerb hätte, erklärt der folgende Artikel: Vergeudetes Talent, weniger Zuschauer, geschlossene Liga: Warum eine Aufstockung der Super League für den Schweizer Fussball gefährlich wäre.

Mehr regionale Derbies

Die Spitzenamateure bewegen sich im Spannungsfeld und Übergangsbereich zwischen der Profi- und der Amateurwelt und werden dies immer tun. Schon manch ein Spieler, Funktionär oder Zuschauer eines Klubs aus der 2. Liga Interregional hat sich die Frage gestellt, ob er nicht lieber ein Derby gegen das Nachbardorf in der 2. Liga oder 3. Liga Regional hätte, als in einen anderen Kanton zu reisen, um dort gegen einen wenig bekannten Gegner auf höherem Niveau anzutreten. Die grösste Änderung der aktuellen Reform der SFV-Spielklassenstruktur setzt genau an diesem Punkt an.

Auch wenn die Promotion League und die 1. Liga-Gruppen leicht vergrössert werden, wird der Spitzenamateurbereich insgesamt durch die starke Reduktion der Anzahl Teams in der 2. Liga Interregional massiv reduziert – zugunsten der regionalen Ligen. Einige regionale Derbies wie Rorschach-Goldach – St. Margrethen, Seuzach – Wiesendangen oder Schattdorf – Altdorf könnten wiederbelebt werden. Diejenigen, die sich aber für den Spitzenamateurfussball mindestens auf Stufe 2. Liga Interregional entscheiden, werden dafür noch etwas mehr investieren müssen. Es entsteht eine klarere Abgrenzung als bisher.

Spitzenamateurfussball profitiert von Nachwuchs-Akademien

Spitzenamateur-Teams wie Breitenrain, Köniz, YF Juventus oder SC Brühl bestehen zu grossen Teilen aus Spielern, die in den Jugendakademien der Profiklubs ausgebildet worden sind. Es trifft also in der Promotion League in gewisser Weise die ältere Generation auf die jüngere Generation der Akademien. Von den eigenen Nachwuchsspielern aus der weiter oben aufgelisteten FCZ U21-Generation der Saison 12/13 hat mehr als ein Drittel mehr oder weniger direkt den Weg in den Spitzenamateurfussball gefunden. Weitere sind nach zwei bis fünf Profijahren, in denen sie sich letztendlich nicht nachhaltig auf höchster Stufe etablieren konnten, später noch zusätzlich dazugestossen. Dazu kommen Spieler, die ihren Weg „von unten“ an die Spitze des Amateurfussballs geschafft haben. Sie alle haben mit den U21-Teams sowie vielen weiteren Spitzensportlern anderer Sportarten in der Schweiz gemeinsam, dass sie viel in ihren Sport investieren, ohne davon leben zu können. Und sie alle können Stolz darauf sein, dass sie in den Spitzenamateurligen einen ganz wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der künftigen Schweizer Nationalmannschaft beitragen.

„Wild Cards“? Wozu?

Zum Abschluss doch noch ein kleiner Kritikpunkt an der SFV-Reform: Wofür „Wild Cards“ in der ersten Saison? Und nach welchen Kriterien werden diese überhaupt vergeben? Das ist ein unnötiger Präzedenzfall. Die U21-Teams sollen sich wie alle anderen von Anfang an auf sportlichem Weg für eine höhere Liga qualifizieren. Dies bedeutet dann automatisch, dass sie für die höhere Liga auch wirklich sportlich bereit sind.

Thomas Bickel zum Rückrundenauftakt über Leihspieler, Wackelkandidaten und die U21

„Kontinuität“ ist das am meisten benutzte Wort an der FCZ-Pressekonferenz vor dem Rückrundenauftakt am Samstag gegen Luzern, welche nauch im Zeichen der wenige Minuten davor erfolgten Vertragsverlängerung von Trainer Ludovic Magnin steht. Der Waadtländer ist mittlerweile ein Viertel seines Lebens im FC Zürich – vor genau 10 Jahren wechselte er als routinierter Spieler vom VfB Stuttgart in die Limmatstadt. Wie gross Kontinuität und Identifikation geschrieben werden, sieht man unter anderem daran, dass selbst ohne die ausgeliehenen Spieler mitzuzählen mit Yanick Brecher, Mirlind Kryeziu, Kevin Rüegg, Simon Sohm, Toni Domgjoni, Vasilie Janjicic und Marco Schönbächler fast ein Drittel der 1. Mannschaft sogar noch länger als ein Jahrzehnt im Verein sind. Kontinuierlich soll sich auch jeder einzelne Spieler und die Mannschaft als Ganzes in der Rückrunde 2019/2020 weiterentwickeln. In der Vorbereitung und speziell im Trainingslager wurde vor allem Wert darauf gelegt, das Teamgefüge noch robuster werden zu lassen, damit in Zukunft mit Rückschlägen im Spiel besser umgegangen werden kann.

Neben den Leihen von Assan Ceesay und Osman Hadzikic ins Ausland wird weiterhin eine Lösung für Denis Popovic gesucht, welcher mittlerweile mit der U21 trainiert. Am Samstag ab 19 Uhr gilt der Fokus den 18 Spielern, welche Trainer Magnin ins Matchkader aufbieten wird. Getreu dem Motto von Züri Live, „mehr als 93 Minuten“, dreht sich das Gespräch mit Leiter Sport Thomas Bickel aber vorher zuerst mal noch in einer ausführlichen Auslegeordnung um diejenigen Spieler, die da nicht dazugehören werden – darunter neun ins In- und Ausland verliehene FCZ-Profis. Dabei werden Fragen geklärt wie: „Wie ist der Kontakt zu den Leihspielern?“, „Warum hat der FCZ Filip Stojilkovic nicht zurückgeholt?“, „Wie gross sind Levan Kharabadzes Chancen auf eine Zukunft beim FC Zürich?“ oder „Woran muss Maren Haile-Selassie noch am meisten arbeiten?“: 

Young Boys – FC Zürich | Super League 5. Runde 2019/2020 | Züri Live Vorschau

Frage zum Spiel: Ist die Fleischposition im Sandwich zwischen zwei YB-Champions League Playoffpartien ein Vorteil für den FCZ?

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Rückrundenstart: zur Lage der Liga

Nicht dass es noch irgendjemanden erstaunen würde: als FCZ Sommer-Neuverpflichtung Benjamin Kololli sein Tor im Auswärtsspiel gegen AEK Larnaka mit einem unvermittelten Sprung in den drei Meter tiefen Stadiongraben vor den mitgereisten Fans feierte, setzte der Waadtländer nichts weiter als eine Tradition fort. Wenn im Schweizer Fussball irgendetwas verrücktes, unvorhergesehenes passiert, ist der FCZ nicht weit. Von unmöglichen Meisterschaftsentscheidungen in letzter Sekunde über Stiere und Marder, die aufs Spielfeld rennen bis zu Stromausfällen… – der Stadtclub scheint die Aura des Abnormalen und Unberechenbaren mit sich herumzutragen wo immer er auch hinreist. Pazzo. Wohl kein Zufall daher das Motto der Choreo im ersten Derby zum Saisonstart: «All Irr» – mit den Konterfeis von Ludo Magnin, Ancillo Canepa und Michi Frey im Zentrum.

Die sportlichen Verantwortlichen des Klubs haben das Ziel, mittel- bis langfristig wieder Richtung nationale Spitze vorzustossen. Dass dies noch ein langer Weg werden kann, ist klar. Der YB-Meistertitel wurde auch nicht an einem Tag erbaut. Die Qualität und vor allem Mentalität in einzelnen Spielen über sich hinauszuwachsen hatte der FCZ in den letzten Jahren aber immer und sie wurde unter Trainer Ludo Magnin gar noch verstärkt. Als im Cupfinal, den man mit irren Last Minute-Wendungen gegen Thun und GC erreicht hatte, gleich eine ganze Reihe von Spielern besser agierten, als sie es eigentlich können, musste man sich schon die Augen reiben. Weiter gings im Jahr 2018 mit zwei hochverdienten Derbysiegen, drei gewonnenen Europa League-Duellen in Serie in der ersten Hälfte der Gruppenphase und einer starken Leistung im Heimspiel gegen YB (3:3), nachdem man zu Saisonbeginn in Bern (0:4) noch zu viel Risiko gegangen war.

Ähnlich verliefen die beiden Duelle mit dem FCB – zuerst überraschte und kontrollierte man die Rot-Blauen beim 1:1 im Letzigrund mit einer ungewohnten Taktik und hätte das Spiel unter normalen Umständen gewinnen müssen. Dann baute man Basel auswärts aber auch einmal mehr mit einer schlechten Halbzeit im St. Jakob Park wieder auf. Zudem ging dem Letzigrund-Team zum Ende der Vorrunde hin die Energie aus. Diese und ähnliche Entwicklungen wurden auf Züri Live bereits beim traditionellen Vorrundenrückblick im Anschluss an die letzte Partie gegen Lugano durchgekäut und haben von ihrer Aktualität auch anderthalb Monate später nichts eingebüsst – so wie auch die Diskussion einiger aus unterschiedlichen Gründen interessanter FCZ-Protagonisten des Herbstes wie Alain Nef, Benjamin Kololli, Victor Palsson oder Marco Schönbächler:

Und sonst so in der Liga? Nachdem der alte Basler Trick der «Wegbeförderung» von YB-Sportchef Christoph Spycher zur Nationalmannschaft nicht geklappt hat, müssen sich die Rot-Blauen wohl mehr denn je in den nächsten Jahren mit YB als ernsthaftem Konkurrenten herumschlagen – zumal die Zuschauerzahlen, welche die Basis der Potenz eines (Schweizer) Klubs bilden, sich immer mehr angleichen. In dieser Hinsicht hat sich übrigens auch der FCZ dem Rückrundenauftaktgeber St. Gallen angenähert, dessen Umsatz im Vergleich zu den Zürchern in den letzten Jahren immer etwa 7-10 Mio CHF höher gewesen war.

Aus anderen Gründen noch etwas höher liegt das geschätzte Budget des FC Sion, wo Spieler- und Trainerberater Donato Blasucci einmal mehr für seine Klienten Murat Yakin und Marcos Otero mit Verhandlungen und den daraus resultierenden langfristigen Vertragsverlängerungen sehr erfolgreich war. Im Wallis fiebert man bereits dem Cup-Viertelfinal am 27. Februar gegen Yakins Ex-Klub Basel entgegen. Neben Titelverteidiger FCZ und Meister YB sollte man den drittplatzierten FC Thun im Cup-Rennen nicht ausser Acht lassen. Die Berner Oberländer sind, nachdem sie ihr Team im Sommer zusammenhalten konnten, ambitioniert und träumen schon lange von der zweiten Cupfinalteilnahme nach 1955. Bei Luzern hängt vieles vom erfahrenen Offensivspieler Pascal Schürpf ab, bei GC von der jungen Entdeckung Djibril Diani. Lugano versucht, Vorteile aus den Spielerhändeln mit Juve zu ziehen.

Eine ähnliche Strategie, nur noch etwas akzentuierter, fährt eine Stufe tiefer das mittlerweile eng mit dem FC Lugano verflochtene Chiasso, welches alle sechs Monate die (sehr junge) Mannschaft jeweils komplett umbaut. Ganz anders der SC Kriens in seinem umgebauten Kleinfeld, der weitgehend auf seine seit Promotion League-Zeiten eingespielte Mannschaft setzt, zu der diesen Winter mit Albin Sadrijaj und Liridon Berisha zwei weitere Spieler aus dem FCZ-Nachwuchs gestossen sind. Rapperswil-Jona hat junge Spieler von praktisch allen grossen Super League-Klubs übernommen – als Partnerklub von GC, der eine Kooperation mit YB und einen ehemaligen FCZ (Academy)-Trainer in seinen Reihen hat.

Schaffhausen hat keine einfachen Wochen und Monate vor sich und muss neben dem Hinschied des langjährigen Präsidenten Aniello Fontana auch dem schleichenden Zuschauerschwund  entgegenwirken. Solche Probleme hat Rivale Winterthur nicht. Vor allem auch dank Rückkehrer Davide Callà spielen die Winterthurer Löwen wieder einmal an der Tabellenspitze mit. Dies ist keine Überraschung für jemanden, der Callà im Frühling im Kreise der FCB U21-Equipe beobachten durfte. Wil holt seit dem Amtsantritt von Trainer Konrad Fünfstück überdurchschnittlich viel aus seinen Möglichkeiten heraus. Im ersten Halbjahr von dessen Amtszeit konnten die Früchte der taktisch und läuferisch hervorragenden Arbeit seiner Equipe noch nicht geerntet werden, weil die Stürmer jegliche Torgefährlichkeit vermissen liessen. Seit Cortelezzi, Savic und Co. aber das gegnerische Gehäuse ab und zu wieder treffen, geht es auch in der Tabelle mit den Ostschweizern aufwärts.

Vaduz setzt wieder vermehrt auf Spieler aus dem Rheintal, sei es aus dem Liechtensteinischen, dem St. Gallischen oder dem Vorarlbergischen. Der frühere Züri Live-Experte Mario Frick baut vermehrt eigene Nachwuchskräfte ein, darunter seinen 17-jährigen Sohn Noah. Trotzdem bleibt Vaduz ambitioniert – wenn auch nicht im gleichen Masse wie der FC Aarau, welcher diesen Winter mit der Verpflichtung von Markus Neumayr das Kader mit einem weiteren langjährigen Super League-Routinier verstärkt hat. Zum Auftakt gegen den FC Wil gelang dem zuletzt beim Iranischen Traditionsklub Esteghlal engagierten Deutschen gleich ein Freistosstor aus sehr spitzem Winkel. Seine Laufleistung in dieser Partie war überschaubar, aber das wurde von mehreren seiner Mitspieler kompensiert.

Die weiteren Aufstiegsfavoriten neben Aarau sind und bleiben aber natürlich die beiden ewigen Rivalen Lausanne-Sport und vor allem Servette. Die Genfer haben die Mannschaft, welche letzte Saison im Aufstiegsrennen gegen ein immer wieder effizientes Xamax gescheitert war, zusammengehalten und weiter verstärkt. Seinen Teil zur Servette-Tabellenführung nach der Vorrunde beigetragen hat auch Stürmer Alexandre Alphonse (36), welcher einiges fitter und robuster wirkt, als er es selbst zu seinen besten FCZ-Zeiten (211 Wettbewerbspartien für den Stadtclub) je war.

Die drittklassige Promotion League hat sich mittlerweile ganz klar etabliert und bewährt. Das Niveau ist deutlich höher als es in der dreigleisigen 1. Liga je war – und es nimmt von Jahr zu Jahr weiter zu. Ambitionierte 1.Liga-Teams wollen unbedingt in die Promotion League aufsteigen und in dieser Liga wiederum gibt es eine Reihe von Klubs, die das Ziel Challenge League haben. Zu letzteren gehört aber ursprünglich nicht zwingend der aktuelle Tabellenleader Stade Lausanne-Ouchy. Dieser spielt seit Jahren mit mehr oder weniger derselben Mannschaft und hat mit dieser den FCZ im Cup schon zwei Mal fordern können. Nun haben die Waadtländer mit dieser nur punktuell verstärkten Equipe in der Vorrunde deutlich ambitionierteren Klubs wie Yverdon, Stade Nyonnais oder Bellinzona den Garaus gemacht.

Würde «SLO» überhaupt aufsteigen wollen, und wenn ja, wo würden sie spielen? Auf der Pontaise beziehungsweise im neuen Stadion auf den Tuilières? Auf Anfrage von Züri Live geben sich die Verantwortlichen zuversichtlich, dass sie (wohl mit ein paar infrastrukturellen Anpassungen) auch in ihrem direkt am See in Vidy gelegenen Kleinstadion «Juan Antonio Samaranch»  in der Challenge League spielen dürften. Zumindest ist die Anfrage bei der Liga deponiert. Die Reserve-Equipe des FCZ profitiert enorm vom stetig steigenden Niveau der Promotion League mit vielen ambitionierten Equipen, muss sich gleichzeitig aber auch etwas einfallen lassen, um die Liga halten zu können. Für die Rückrunde wird die Equipe von Trainer Marinko Jurendic daher in der Abwehr wohl mit Routinier José Gonçalves (Ex-Winterthur und -Thun) verstärkt werden, genauso wie durch Einsätze der jungen neu verpflichteten Stürmer Binous, Andereggen und Kasai.

 

„Freue mich auf Schönbi“: YB Heimspiel-Vorschau mit Georgio Mettler und Ludo Magnin

Züri Live-Experte Georgio Mettler „YB wird effizienter sein, als Lugano“ analysiert den FCZ vor dem Heimspiel gegen den souveränen Meisterschaftsleader YB und spricht über die Spieler, die im Verlauf des letzten Jahres den Sprung von der U21 in die 1.Mannschaft geschafft haben wie Aliu, Rexhepi, Rohner, Rüegg und (wieder) Brecher. Dazu gibt es Statements von Cheftrainer Ludo Magnin. Mettler wird am 15. April beim „Rückspiel“ in Bern als Experte dabei sein. Das Spiel aus dem Letzigrund kommentiert Lukas Stocker mit dem angehenden Mediziner Martin „Polo“ Büchel. Michi Frey ist gesperrt, Neuverpflichtung Tobias Schättin rekonvaleszent, und Innenverteidiger Bangura ist fraglich. Antonio Marchesano und Raphaël Dwamena konnten hingegen unter der Woche wieder mittrainieren. Davor trifft die U21 um 16h im Heerenschürli im Derby auf United mit dem Teilzeit-Comeback von Marco Schönbächler als Highlight:

Von Anfang Woche – die Soccer Lounge zum Spiel YB – FCZ: mit Carlos Varela, Ivan Benito und Lukas Stocker (Züri Live):

Warum Brecher die neue Nr. 1 ist – Kadertalk nach der Disco-Party in Basel

Die Disco-Party vom Samstagabend in Basel konnte leider auf Züri Live nicht kommentiert werden, da auch das Netz des Telekomanbieters weitgehend zusammengebrochen war. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Match zu einem späteren Zeitpunkt diesen Frühling neu angesetzt wird. So zogen Mannschaft, Fans und auch Medienleute unverrichteter Dinge wieder ab. Oder doch nicht ganz? Denn das Spielchen rund um die Aufstellungen der beiden Equipen war vor dem Match gespielt worden. Beim FCB hätte Samuele Campo eine Chance in der Startformation bekommen, und der Ex-FCZ-ler Kevin Bua hätte an Stelle des ehemaligen Zürcher Nachwuchsmannes Dimitri Oberlin ebenfalls die Partie auf dem Platz begonnen. Angesichts des weiterhin verletzten Eder Balanta und des gesperrten Taulant Xhaka hätte Basel-Coach Raphaël Wicky fast schon gezwungenermassen im Gegensatz zum mit 0:2 verlorenen Cup-Halbfinal in Bern auf eine Viererabwehr gesetzt – mit dem Paraguayer Blas Riveros an Stelle von Raoul Petretta auf der linken Seite. Fabian Frei und Valentin Stocker wären auf der Ersatzbank gesessen.

Beim FCZ waren nach Trainer Ludovic Magnins Ankündigung («wer gegen Basel in der Startformation steht, ist die (vorläufige) Nummer 1») die Ereignisse vor der Partie diesmal wichtiger und vor allem entscheidender als das Spiel selbst. Das Trainerteam hat sich für Yanick Brecher (24) entschieden, der nun aller Voraussicht nach bis Ende Saison zwischen den Pfosten stehen wird. Aus Magnins Begründung war herauszulesen, dass es durchaus gute Gründe für Andris Vanins (37) gegeben hat, schlussendlich aber den Ausschlag gab, dass Brecher besser zur von Magnin angestrebten Spielidee passt. Auch wenn dies nicht weiter erläutert wurde, ist klar, worum es dabei in erster Linie geht. Brecher ist mit den Füssen überdurchschnittlich gut und kann mit seinen Spieleröffnungen zu einem wichtigen Puzzleteil im Angriffsspiel des FCZ werden. Die Erfolgschancen eines jeden Vorstosses werden mit einem schnellen und gleichzeitig präzisen Ersten Pass deutlich erhöht. Wie wenn man im Schach «einen Zug voraus» ist. Die immer wiederkehrenden Probleme Brechers im Timing und in der Entscheidungsfindung können Magnin nicht entgangen sein. Aber es geht ihm sicherlich vor allem auch darum, seine Spielidee mit der ganzen Mannschaft möglichst rasch zu implementieren und braucht dafür einen Torhüter, mit welchem dies möglich ist. Der Torhüter sollte die mittelfristige taktische Entwicklung des Teams als Ganzem nicht bremsen.

Das offensive Denken hat Priorität. Letzte Saison hat Lucien Favre bei Nizza einem Innenverteidiger, der sich viel zugemutet, und dabei mit einem Fehlpass ein Gegentor verursacht hatte, in der Pause mitgeteilt: «Ich wechsle dich nicht wegen diesem Pass aus. Aber ich werde dich auswechseln, wenn du diesen Pass nicht wieder genau gleich zu spielen versuchst.» Magnin hat sicherlich von verschiedenen Trainern Ideen übernommen, aber die «Favre-Schule» ist bereits jetzt in verschiedenster Hinsicht am deutlichsten erkennbar. Magnin will Mut und Risiko belohnen. Wer Risiko nimmt, hat kurzfristig eine erhöhte Fehlerwahrscheinlichkeit, lernt gleichzeitig aber mehr. Und wer das Risiko beherrschen lernt, erreicht individuell und als Team ein höheres Level. Vor diesem Hintergrund kann davon ausgegangen werden, dass die Zeit von Andris Vanins als Nummer 1 auch mittelfristig abgelaufen ist. Was aber nicht automatisch bedeutet, dass Brecher auch nächste Saison sicher die Nummer 1 sein wird.

Lässt sich ein Torhüter finden, der mit den Füssen ähnlich gut wie Brecher, gleichzeitig in der Kernarbeit eines Torhüters noch solider ist, wäre ein Transfer nicht ausgeschlossen. Der nach Rapperswil ausgeliehene Novem Baumann (22) steht in der Hierarchie zu Recht hinter Yanick Brecher und kommt kaum in Frage. Yann-Alexandre Fillion (22) soll in der U21 zu Einsatzzeit kommen, aber ob der Kanadier auf der Basis der neuen Prioritäten in der «Torhüterdoktrin» noch als mögliche künftige Nummer 1 gesehen wird, steht stark auf dem Prüfstand. Calvin Heim (17) hat einiges an Potential, aber dass er bereits im Sommer ein ernsthafter Nummer 1-Kandidat in der 1. Mannschaft sein könnte, ist aufgrund der noch fehlenden Erfahrung eher unwahrscheinlich.

Aufgrund der Startformation ist am wahrscheinlichsten, dass der FCZ in Basel mit einem modifizierten 4-4-2 (4-4-1-1 beziehungsweise 4-2-3-1) angetreten wäre. Aber auch das zuletzt übliche 3-4-1-2 wäre mit dieser Formation denkbar gewesen. Dass Ludovic Magnin Izer Aliu im Zentralen Mittelfeld das Vertrauen schenkt, ist wie schon zu einem früheren Zeitpunkt besprochen, keine Überraschung. Somit konnte erwartet werden, dass dieser in dieser Englischen Woche zwei Mal zum Einsatz kommt. Das wäre nach der Pause im Cup-Halbfinal in Basel wieder der Fall gewesen. Der zur Zeit formschwache Rasmus Thelander wäre auf der Bank gesessen. Wenn Mirlind Kryeziu im Training Gas gibt, hat er sicherlich Chancen, in nächster Zeit zu Einsätzen zu kommen. Kevin Rüegg sieht Magnin grundsätzlich auf der Rechten Seite (ist aber natürlich bei Bedarf immer auch eine Option im Zentrum) und Fabian Rohner wohl vorwiegend im Sturm (mit Option Flügelpositionen).

Auf der Ersatzbank in Basel wären neben Roberto Rodriguez und Stephen Odey ausserdem Toni Domgjoni und Maren Haile-Selassie gewesen, während Lavdrim Rexhepi beim Rückrundenauftakt der U21 im Heerenschürli gegen Promotion League-Leader Kriens ein Tor zum 3:1-Heimsieg beitrug (weitere Torschützen; Yannick Kouamé und Liridon Berisha). Die Innerschweizer (mit den ehemaligen FCZ U21-Spielern Stefano Cirelli und Marco Mangold, sowie dem früheren U18-Coach Bruno Berner an der Seitenlinie) sind wie letzte Saison Aufstiegsfavorit, haben personell eine Topmannschaft und eine gute Spielanlage, machen sich aber mit Unaufmerksamkeiten in gewissen Spielphasen das Leben immer wieder selbst schwer. Den Jungs aus der FCZ U21 könnte die Ernennung ihres bisherigen Trainers zum Chefcoach der 1. Mannschaft nochmal einen zusätzlichen Schub verleihen, weil die Chancen jedes Einzelnen auf Einsätze im Profiteam weiter gestiegen sind.

Interimistisch wird die Mannschaft zur Zeit von Academy-Leiter Heinz Russheim betreut. Bemerkenswert, dass Lindrit Kamberi (18) in der Dreierabwehr diesmal im Zentrum agierte und Florian Stahel halbrechts. Vor allem aber erfreulich: nach 16-monatiger Verletzungs- und Rehapause steht Marvin Graf (22) erstmals wieder in einem Wettbewerbsspiel auf dem Platz und zwar in der Sturmspitze. In der Wintervorbereitung hatte der schnelle Offensivmann auch Trainings mit der 1. Mannschaft absolviert. Eingewechselt wurde der ebenfalls längere Zeit verletzt gewesene Juniorennationalspieler Kenith Catari (18), genauso wie der aus der U18 aufgerückte Defensivmann Noah Lovisa (17). Auf der Ersatzbank sass der ebenso neu aus der U18 dazugestossene Offensivspieler Guillaume Furrer (16). Stürmer Filip Stojilkovic (17) gehört genauso neu der U21 an. Laut unbestätigten Quellen soll auch Mittelfeldspieler Sandro Stalder (21) von Winterthur zurückgekehrt sein. Der in der Winterpause auf der linken Seite getestete Ambre Nsumbu (20) tauchte hingegen (noch?) nicht im Matchkader auf.

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