Die vier Offensivwaffen des FC Winterthur – Kantonsderby in der Züri Live-Vorschau

19 Grad und leicht bewölkt soll es am Matchtag um 17:45 beim Anpfiff zum Kantonsderby durch Schiedsrichter Sandro Schärer auf der Schützenwiese sein. Von Nebel ist in der Wettervorhersage nicht die Rede. Der Match wirft trotzdem seine Schatten voraus. Nach vier Siegen und sechs ungeschlagenen Challenge League-Begegnungen in Folge zeigte Winterthur am letzten Sonntag beim 1:2 in Wohlen erstmals wieder eine eher mässige Leistung.

Viele sagen: angesichts des gesicherten Ligaerhaltes war der Kopf bereits beim letzten echten Highlight der Saison – dem Heimspiel gegen den FCZ. Mehr als 8‘000 Tickets sind bereits abgesetzt – es wird erneut ein ausverkauftes Haus erwartet. Und wie im Dezember wird wohl etwa die Hälfte der Zuschauer aus FCZ-Anhängern bestehen. Die Vorfreude und die Anspannung sei auch in der Mannschaft zu spüren, sagt am Vortag FCZ-Trainer Uli Forte an der gut besuchten Pressekonferenz.

Auch die nahende Meisterschaftsentscheidung spielt dabei natürlich eine Rolle. Aufgrund der klar besseren Tordifferenz als Xamax sollten zwei Siege im Normalfall für den Aufstieg reichen: „den ersten dieser beiden Siege wollen wir in Winterthur holen“, lässt Forte keine Zweifel über das einzige Ziel für Samstag. Gewinnt der FCZ in den kommenden drei Partien der Englischen Woche (in Winterthur, plus die Heimspiele gegen Servette und Wil) mindestens sieben Punkte, dann wäre der sofortige Wiederaufstieg schon in einer Woche sicher perfekt.

Wenig überraschend erwartet Forte in Winterthur aber „ein enges Spiel, wie schon im Dezember, als wir erst kurz vor Schluss die Entscheidung herbeiführen konnten“. Die Zielsetzung ist dieselbe, wie gegen Le Mont, nicht aber die Erwartungshaltung und die Tonalität. Denn damals forderte der Zürcher die drei Punkte ultimativ „ohne wenn und aber“.

Winterthur hat in den letzten sieben Partien immer getroffen und dabei im Schnitt pro Partie fast 2,5 Tore erzielt. Dies vor allem auch dank eingeübter Spielzüge, die immer wieder praktisch identisch umgesetzt werden. Züri Live beschreibt die aktuell vier gefährlichsten Offensivwaffen Winterthurs.

Offensivwaffe Nr. 1: Bei hoch stehenden Gegnern spielt der halbrechte Verteidiger Julian Roth gerne aus der Hüfte heraus einen hohen Ball gerade oder leicht zur Mitte gezogen auf Radice oder Silvio hinter die Abwehr – erstmals erfolgreich angewandt beim 1:2-Anschlusstreffer im Cup-Viertelfinal bei YB. Gegenstrategie: Roth darf in der Nähe der Mittellinie kein Raum und Zeit gegeben werden, um seinen langen Ball zu spielen.

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Offensivwaffe Nr. 2: Ebenfalls bei relativ hoch stehender Abwehr – Gianluca Frontino (oder Karim Gazzetta) löst sich vom Bewacher und bietet sich zwischen den Linien an, leitet den Ball dann schnell direkt weiter in die Tiefe für den lauernden Silvio. Gegenstrategie: Bewegt sich Frontino zwischen die Linien müssen die Alarmglocken läuten, und einer der Innenverteidiger ihm sehr eng auf den Fersen bleiben.

offensivwaffe-2-winterthur-rueckrunde-1617Offensivwaffe Nr. 3: Die linke Seite mit dem schnellen, zielstrebigen und spielerisch starken Luca Radice ist die offensiv gefährliche Seite der Winterthurer, gerade auch beim Umschaltspiel – auch weil der halblinke Verteidiger Tobias Schättin sich in der Regel drei bis vier Mal pro Spiel effektiv in den Angriff einschaltet. Der schnelle Ball Schättins an den nahen Pfosten auf Manuel Sutter hat beim 2:2-Ausgleich bei YB gut funktioniert – darum haben die beiden den Spielzug beim 2:1-Führungstreffer im Letzigrund gegen den FCZ vor zwei Monaten gleich nochmal identisch wiederholt. Gegenstrategie: Vorbereitet darauf sein, dass Winterthur über ihre linke Seite gerne Überzahlsituationen schafft. Vor allem darf sich der Rechte Aussenverteidiger nicht so herauslocken lassen, wie dies Voser in der abgebildeten Szene passiert ist.

offensivwaffe-3-wintrthur-rueckrunde-1617Offensivwaffe Nr. 4: Gianluca Frontino war in den letzten Wochen der effektivste Standardspezialist der Liga. Bei Eckbällen suchte er zuletzt immer den Kopf von Mittelfeldspieler Robin Kamber (1,87m). In Aarau spielte Frontino Anfang April den Ball von der rechten Seite zwei Mal identisch auf Kamber – beim ersten Mal konnte Torhüter Pelloni noch parieren – der zweite Kopfball sass. Nur drei Wochen später probierten es die beiden gegen den gleichen Gegner auf der Schützenwiese in der Anfangsphase zum dritten Mal – zum zweiten Mal mit Erfolg. Gegenstrategie: Frontinos Bälle sind mit Raumdeckung nicht einfach zu kalkulieren. Deshalb sollte sich ein hartnäckiger Manndecker auf Kamber fokussieren.

offensivwaffe-4-winterthur-1617-rueckrundeIm Tor steht bei Winterthur der im Sommer zu YB zurückkehrende David Von Ballmoos, welcher sich auf seinem Status als designierter Mvogo-Nachfolger etwas auszuruhen scheint, und in der aktuellen Saison eher Rückschritte gemacht hat. Unter anderem hat der Emmentaler vor zwei Monaten im Letzigrund dem FCZ den 2:2-Ausgleich geschenkt. Die Dreierabwehr mit Roth, Katz und Schättin ist offensiv überdurchschnittlich potent, nach hinten aber auch fehleranfällig und nicht besonders zweikampfstark. Der Sechser Kreso Ljubicic spielt eine durchschnittliche Saison. Der aus dem Servette-Nachwuchs stammende Karim Gazzetta hat zuletzt grosse Fortschritte gemacht und ist ein agiles und beachtenswertes Element im Winterthurer Mittelfeld.

Der aus dem FCB-Nachwuchs stammende Robin Kamber stand sich in seiner noch jungen, aber bereits wechselvollen Karriere bisher meist selbst im Weg. Talent wäre zweifellos vorhanden. Seine grösste Stärke ist der Abschluss mit beiden Füssen und seit neuestem auch per Kopf. So effizient wie aktuell unter Romano/Zuffi war der 21-jährige bisher noch nie in seiner Karriere. Auf der linken Aussenbahn findet der Winterthurer Luca Radice bei seinem Stammklub zur Zeit wieder zu alter Stärke und war vor zwei Monaten auch für die Winterthurer Führung im Letzigrund verantwortlich. Der aus dem FCZ-Nachwuchs stammende Leandro Di Gregorio zeigt auf der rechten Seite hingegen wechselhafte Leistungen. Er kämpft um seine Zukunft als Profi.

Der von Schaffhausen gekommene Gianluca Frontino wird in Winterthur wieder auf seiner Paradeposition als hängende Spitze eingesetzt und dankt es mit vielen Torbeteiligungen. Er ist das Winterthurer Pendant zu Oliver Buff oder Antonio Marchesano beim FCZ, gehört sicherlich nicht zu den schnellsten Offensivkräften der Liga, kann aber jederzeit für die Differenz sorgen.  Der ehemalige FCZ-Stürmer Silvio ist aktuell in Form und hat in den letzten fünf Partien sechs Tore und ein Assist beigesteuert. Im Dezember auf der Schützenwiese bekam ihn Umaru Bangura nicht in den Griff. Der FCZ konnte das Spiel nur gewinnen, weil Alain Nef die Manndeckung Silvios übernahm.

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Der FCZ bereitete sich im Freitagstraining mit Videostudium und anschliessend auf dem Platz spezifisch auf den FCW und dessen Spielsystem vor. Wer einen roten Überzieher anhatte, spielte einen Winterthurer. Die Rollen wurden mehrmals gewechselt, so dass dies jeder mal tun musste. Der Fokus lag dabei für die blauen „Zürcher“ auf der Offensive, aber es wurden auch einzelne defensive Aspekte von Trainer Uli Forte angesprochen.

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Michael Kempter und Andris Vanins sind wieder im Training dabei, beide sind aber noch fraglich für den Samstag. Ist Vanins bereit, dann steht er auf der Schützenwiese auch wieder im Tor. Kevin Rüegg wird nach seinen zuletzt starken Leistungen wohl ziemlich sicher erneut in der Startformation stehen – möglicherweise neben Antonio Marchesano, der sich zuletzt bei seinen Teileinsätzen ebenfalls empfehlen konnte. Eventuell kehrt Oliver Buff in die Startformation zurück. Der viel beanspruchte Raphael Dwamena könnte vor den zwei kapitalen Heimspielen nächste Woche gegen Servette und Wil auf der Schützenwiese von der Bank kommen. Roberto Rodriguez ist nach seiner Sperre zurück. Nicolas Stettler spielte zuletzt solide und wird wohl selbst dann auf der linken Seite auflaufen, wenn Kempter wieder fit  sein sollte.

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Zu verspielt bis überhastet: FCZ – FCW 2:2 Spielbericht und Highlights

Der FCZ kommt in der Rückrunde weiterhin nicht in die Gänge. In der Ersten Halbzeit des Kantonsderbys fehlte es an Biss, Laufbereitschaft und Zielstrebigkeit, wohingegen der Gegner von Beginn weg top motiviert und diszipliniert auftrat. Der wiedergenesene Ivan Kecojevic sass diesmal noch auf der Ersatzbank, während Mirlind Kryeziu und Sangoné Sarr (Siegtorschütze) zuvor im Heerenschürli mit den jungen Zürchern die Old Boys aus Basel mit 2:1 besiegten. Umaru Bangura betrieb an der Seite von Alain Nef nicht zum ersten Mal alles andere als Eigenwerbung. Der 29-jährige hatte auch gegen die Offensivleute des Challenge League-Tabellenletzten Probleme, sich in den Zweikämpfen durchzusetzen. Vor dem 0:1 schlug er zudem sieben Meter vor dem eigenen Tor am Ball vorbei und beim 1:2 hob Bangura beim Pass von Lanza auf Schättin unaufmerksam das Offside auf.

Aussenverteidiger Kay Voser agierte erneut unglücklich. Und Roberto Rodriguez fällt nach einer weitgehend guten Vorrunde wieder in alte Muster zurück: zu viel Nonchalance, und der Versuch, aus dem Stand heraus alles mit Technik zu lösen. Aus genau diesem Grund konnte sich der Zürcher bisher noch nie richtig in der Super League etablieren. Seine kontinuierlichen Nominationen für die Startformation sind mittlerweile nur noch schwer nachzuvollziehen. Schönbächler und Rohner wird eine solche Rolle aktuell aber offenbar (noch) nicht zugetraut.

Schlecht lief es dem FCZ auch schon in der Vergangenheit immer, wenn gewisse Spieler auf dem Platz zu wenig wollten, und andere dies dann zu kompensieren versuchten, in dem sie zu viel wollten und überhastet agierten – Adrian Winter ist zur Zeit das Paradebeispiel für letzteres. Eine dafür typische Szene ereignete sich vor dem 0:1 durch Radice, als Winter dem Torschützen zuerst nicht konsequent genug folgte, dies dann mit grossem Einsatz wettmachte, dabei aber die komplizierte Variante wählte. Anstatt den im Strafraum freiliegenden Ball geradeaus in die LED-Bande zu knallen und einen Eckball in Kauf zu nehmen, wollte Winter mit einem komplizierten Drehschuss den Ball ins Seitenaus klären – und schoss stattdessen Teamkollege Voser ins Gesicht – Luca Radice bedankte sich. Davor hatte Bangura mit einer ungeschickten Abwehraktion, bei welcher er mit Nef zusammegeprallt war, einen Corner verursacht.

Das alles erinnerte stark an den Treffer zum 1:2 beim Cup-Viertelfinal in Basel, als Dwamena im eigenen Strafraum Nef bei der Kopfballklärung unglücklich dazwischenfunkte. Das zweite Winterthurer Tor wiederum war praktisch identisch mit dem zweiten Tor der Eulachstädter in Bern bei ihrem Viertelfinalerfolg im Cup. Erneut verletzungsbedingt ausscheiden musste bereits früh Oliver Buff nach einem penaltyreifen Foul von Zlatko Hebib. Der gleiche Hebib foulte später im Luftkampf auch Raphael Dwamena im eigenen Strafraum. Vor Wochenfrist war der gleiche Hebib mit seinem Hands verantwortlich für den Siegtreffer des Xamaxiens Raphaël Nuzzolos vom Penaltypunkt aus gewesen. Diesmal blieben seine ungeschickten Interventionen im eigenen Strafraum ohne Folgen.

FC Zürich – Winterthur 2:2 (0:1)

Tore: 39. Radice 0:1; 73. Dwamena (Schönbächler) 1:1, 75. Sutter (Schättin) 1:2, 86. Dwamena (Kukeli) 2:2.

FC Zürich – Vanins; Voser, Nef, Bangura, Kempter; Winter, Yapi (61. Koné), Kukeli, Rodriguez (68. Schönbächler); Buff (28. Marchesano), Dwamena,

FC Winterthur – Von Ballmoos; Roth, Katz, Hebib (74. Schättin); Di Gregorio, Ljubicic, Radice; Gazzetta, Kamber (70. Lanza); Frontino, Sutter (82. Avanzini).