Nicht der erste FCZ-Torjäger in der Türkei: der «Freygeist» auf den Spuren von Erci Sahin

«Jede Krise ist auch eine Chance». Wer hat diese Lebensweisheit nicht schon zu hören bekommen? Auch wenn es in gewissen Situationen auch mal etwas zynisch daherkommen mag: der Spruch ist wahr – und aktuell wohl für niemanden wahrer, als für Michael Frey. Die Währungskrise hat über Nacht auch die Türkische Fussballwelt auf den Kopf gestellt. Noch quasi vorgestern wäre es unvorstellbar gewesen, dass einer der drei grossen Istanbuler Klubs einen Spieler wie Frey als teuersten Transfer des Sommers vorstellt. Ein neuer Stürmer in diesen Klubs musste jeweils im Minimum ein paar Länderspiele für die Niederlande, Frankreich oder Spanien auf der Visitenkarte haben. Frey ist selbst für die nicht wirklich mit internationalen Topstürmern gesegnete Schweiz noch nie in der A-Nationalmannschaft aufgelaufen.

Auf der persönlichen Ebene wird Frey in Zürich immer noch sehr gemocht – von den Mitspielern, Fans und auch auf der Geschäftsstelle. Für seinen weiteren Weg im Profifussball nach Fenerbahce hat er sich aber wohl in der letzten Woche keine Vorteile verschafft – speziell in der Schweiz nicht. Etwas paradox erscheint auch, dass der nicht aufs Maul gefallene «Freygeist» gerade jetzt in die Türkei wechselt, wo Türkische Bürger selbst wegen kritischer Äusserungen auf Sozialen Medien über profane Themen wie Wirtschaftspolitik vom sich scheinbar in Richtung Totalitarismus entwickelnden Staat drangsaliert werden.

Frey ist nicht der erste FCZ-Torjäger, welcher mit viel Tamtam in die Türkei wechselt. Ercüment Sahin aus dem eigenen Nachwuchs kam in der Abstiegssaison 87/88 beim FCZ zu seinen ersten Einsätzen in der 1. Mannschaft und die damalige sportliche Krise war auch für ihn als jungem Stürmer die Chance, um sich als kommender Stammspieler zu empfehlen. Insgesamt erzielte der heutige U17-Trainer 68 Wettbewerbstore für den FC Zürich und wechselte nach einer zwischenzeitlichen Leihe in Chiasso 1995 zu Bursaspor, nachdem zuvor jahrelang Angebote der Istanbuler Grossklubs unter anderem an den für die damalige Zeit hohen Ablöseforderungen von FCZ-Präsident Sven Hotz (CHF 1 Mio) gescheitert waren.

Im Interview mit Züri Live im April schilderte Sahin, wie er im ersten Jahr in der Türkei auf Wolke 7 schwebte («kann ich jedem empfehlen»), aber auch den Druck, an dem man je nach charakterlichen Voraussetzungen zerbrechen kann. Hier nochmal extra kompakt zusammengeschnitten die Ausschnitte über das Türkei-Abenteuer aus jenem dreiviertelstündigen Gespräch:

Eines ist sicher: selbst falls Michi Frey in nächster Zeit seinen Lohn kaum ausbezahlt bekäme und wenig spielen würde… das, was er aktuell an Anfangseuphorie in Istanbul erlebt, ist einem Spieler seines im internationalen Vergleich eher bescheidenen Kalibers normalerweise nicht vergönnt. Er wird dies sein Leben lang nicht vergessen.