Ceesay und Marchesano: Gegensätze ziehen sich an / Xamax – FCZ 1:2 Analyse

Vor dem kapitalen Direktduell gegen den Barrageplatz zwischen Xamax und FCZ war viel vom Ausfall Raphael Nuzzolos die Rede. Weniger thematisiert wurden die ebenfalls wegen Sperre fehlenden Stephen Odey und Igor Djuric. Der Ausfall von den dreien, welcher letztenendes am stärksten ins Gewicht fiel, war derjenige des unauffälligen Tessiners Djuric. Beide Zürcher Tore wurden über die Seite von dessen Ersatz Arbenit Xhemajli (und Janick Kamber) kreiert, wobei es sich beim zweiten um einen schnellen Gegenstoss handelte, bei welchem Xhemajli noch nicht in seine Position zurückgeeilt war. Zwei Mal musste dieser zusehen, wie sein ehemaliger Teamkollege Kevin Rüegg aus dem 98-er Jahrgang im Zürcher Nachwuchs innerhalb von sieben Minuten seine ersten zwei Super League-Tore erzielte. Bereits anlässlich der analogen Wende vom 0:1 zum 2:1 zugunsten des FCZ im März im Letzigrund hatte Xhemajli bei beiden Zürcher Treffern keine gute Falle gemacht. «Wenn wir gewinnen wollen, müssen wir besser verteidigen» meinte denn auch nach dem Spiel der langjährige Liverpool-Verteidiger und aktuelle Xamax-Coach Stéphane Henchoz.

Bei aller Euphorie über den Sieg in Neuenburg darf man daher nicht vergessen, dass der FCZ zur Zeit nur in der Lage ist, Tore zu erzielen, wenn es beim Gegner in der Verteidigung einen solchen Schwachpunkt gibt – wie zum Beispiel Quentin Maceiras’ schlechte Verteidigungsarbeit beim Eckball gegen Sion, wo der sich als einziger Zürcher im Strafraum überhaupt nicht vom Fleck bewegende Stephen Odey trotzdem freistehend einköpfen kann. Oder GC’s Aleksandar Cvetkovic, welcher mit schlechtem Stellungsspiel im Derby Assan Ceesay den 1:0-Führungstreffer ermöglicht. Als Regel gilt: verteidigen beim Gegner alle Abwehrspieler auf Super League-Niveau, gelingt dem FCZ aktuell kein Treffer. Für eine allfällige Barrage, die immer noch möglich ist, wäre immerhin der Vorteil für den FCZ oder einen anderen Super League-Klub, dass Aarau und Lausanne zwar ein Super League-reifes Mittelfeld und Angriff haben, in der Verteidigung hingegen eher Akteure vom Schlage Cvetkovic, Xhemajli oder Maceiras in der Aufstellung stehen.

Während man bedauern kann, dass die Offensivqualität des FCZ aktuell nicht zu mehr reicht, kann man gleichzeitig immerhin positiv vermerken, dass das Team zumindest solche Schwachpunkte beim Gegner auszunutzen vermag. Obwohl der erste Treffer Kevin Rüeggs aus einem Spielaufbau und der zweite nach einem schnellen Gegenstoss entstand, waren beide Male mit Rüegg, Ceesay, Marchesano und Schönbächler zu grossen Teilen die gleichen Akteure beteiligt. Speziell das ungleiche Duo Antonio Marchesano (1,68m) / Assan Ceesay (1,88m) ist hier hervorzuheben – Gegensätze ziehen sich an. Vor dem 1:1 waren beide je drei Mal am Ball, spielten sich im Mittelfeld auf der Seite gegenseitig den Ball zu, bis die Gegenspieler herausgelockt und der Raum für einen Steilpass offen war. Auch beim 2:1 war der Laufweg und die Schnelligkeit Ceesays und der gut geschlagene Ball Marchesanos in die Tiefe entscheidend, um die gegnerische Unorganisation in der Rückwärtsbewegung konsequent auszunutzen.

In der Ersten Halbzeit hatte der FCZ nur einen einzigen Abschluss durch Schönbächler zu verzeichnen gehabt. Nach dem 0:1-Rückstand wurde die Zurückhaltung dann aber abgelegt. „Es gibt Mannschaften, die hätten dieses Spiel in dieser Situation nicht mehr gedreht“ fand Zürichs René Van Eck nach der Partie neben einigen Kritikpunkten durchaus auch Lob für sein Team. Ab der 60. Minute kam der FCZ in einen Flow. Marchesano, der im Zentrum jeweils den ein oder anderen Ball verloren hatte, zog sich in Ballbesitz auf eine speziell auch dank des gegnerischen 3-5-2 geschütztere Position auf der Seite zurück und leitete so dank Raum und Zeit im Spielaufbau die erste Topchance von Kasai und beide Zürcher Treffer mit präzisen Zuspielen ein. Erstaunlich beim Ausgleich die präzise Rücklage Assan Ceesays mit seinem schwächeren Rechten Fuss, worauf Kevin Rüegg den Ball mit seinem schwächeren Linken Fuss direkt fast optimal traf und (wohl glücklicherweise) dank seiner Schnelligkeit vor dem ebenfalls Richtung Ball stürmenden Benjamin Kololli vor Ort war. Beim 2:1 leitete Ceesay mit Rechts den Ball gar in einer ausgezeichneten 135 Grad-Drehung direkt auf den eingewechselten Yann Kasai weiter, welcher überlegt und erfolgreich für Kevin Rüegg auf dessen starken Rechten Fuss ablegte.

Gerade die Hereinnahme von Yann-Aimé Kasai erlaubte Ceesay häufiger über die Seite auszuscheren, wo sich der Gambier besser in Szene setzen kann. Auch schon in anderen Partien zuletzt, unter anderem dem 1:0-Heimsieg gegen Sion, ist Ceesay im Verlauf der Partie vermehrt über den Flügel gekommen. In seinem dritten Einsatz in der 1. Mannschaft des FCZ hatte der Neuenburger Kasai gegen seinen Stammklub Xamax zwei Mal gut vorbereitet von Assan Ceesay zuvor zwei Chancen auf den Ausgleich nicht nutzen können. Kevin Rüegg begann die Partie als Rechter Aussenläufer. In der Ersten Halbzeit brachte der Zürcher Captain so zehn seiner insgesamt 16 Top-Aktionen auf den Platz. Nach der Einwechslung Yann Kasais für Toni Domgjoni in der 55. Minute übernahm Rüegg Domgjonis Achter-Position neben Antonio Marchesano auf welcher er schon beim 0:1 in Sion von Beginn weg agiert hatte. Hier hatte Rüegg weniger Top-Aktionen, dafür die entscheidenden. Grégory Sertic blieb auf der Sechser-Position. Dies im Gegensatz zum 0:3 zuletzt in Basel, als Rüegg als „Sechser“ und Sertic zusammen mit Domgjoni auf den beiden Achter-Positionen aufgelaufen waren. Dieser Unterschied war entscheidend: hätte Rüegg wie im St. Jakob Park auf der Sechser-Position gespielt, hätte es die beiden Tore nicht gegeben. Sertic und Marchesano haben  nicht den Speed von Rüegg, welcher gegen den manchmal etwas unaufmerksamen einzigen Xamax-Sechser Serey Dié die Lücken zu nutzen vermochte. Züri Live-MVP Rüegg hatte allgemein einen grossen Aktionsradius und half in der Zweiten Halbzeit speziell auf der linken Seite Kolollis mehr als einmal in der Defensive aus, um weiteres Ungemach zu verhindern.

Der FCZ hatte Vorteile beim Passspiel, während Xamax mehr Zweikämpfe gewann. In der oberen Etage war die Neuenburger Überlegenheit mit 70% gewonnenen Luftduellen gar eklatant. Dementsprechend stellte sich der FCZ darauf ein und brachte im ganzen Spiel lediglich fünf Flanken in den Strafraum – man versuchte die Bälle tendenziell lieber halbhoch oder flach vor den Strafraum zu spielen. Umaru Bangura opferte sich für die Mannschaft und verletzte sich bei zwei Rettungsaktionen in der Ersten Halbzeit – die erste nach einer gedankenlosen Rückgabe von Grégory Sertic und die zweite im Anschluss an einen Ballverlust Alain Nefs in der Vorwärtsbewegung. Bei der zweiten Aktion rempelte er an der Seitenlinie den sich im vollen Lauf befindlichen Kemal Ademi um. Der Tages-Anzeiger, offenbar beeindruckt von Ademis bei Valentin Stocker abgeschauter Theatralik hätte in dieser Szene fälschlicherweise einen Platzverweis ausgesprochen – Gelb war korrekt. So lange der Schiedsrichter richtig entscheidet, ist es ja noch ganz amüsant, zuzuschauen, wie einem auf den Boden fallenden Spieler erst etwas spät noch in den Sinn kommt, dass dies eine gute Gelegenheit wäre, einen Platzverweis für einen Gegenspieler herauszuschinden, und dann wie in einer Primarschulturnübung mit seitlichen Bodenrollen selbständig am Boden Tempo aufnimmt, sich das überhaupt nicht getroffene Knie hält, und eine schmerzverzerrte Grimasse reisst. Dafür hätte es einen Platzverweis gegen Walthert nach dessen Handspiel ausserhalb des Strafraums geben müssen. Für Bangura kam Maxsø – kein anderes Team hat so viele verletzungsbedingte Wechsel bereits in der Ersten Halbzeit zu verzeichnen – in den letzten sechs Super League-Partien waren es vier.

Benjamin Kololli unterliefen zwischen der 41. und der 58. Minute fünf kapitale Ballverluste, die alle zu exzellenten Gegenstossmöglichkeiten für Xamax führten – eine davon zum Neuenburger Führungstreffer in der 49. Minute. Schönbächler, Marchesano und Sertic gewinnen nach einem kurz gespielten Freistoss Serey Diés mit durchdachtem lokalem Mittelfeldpressing den Ball, über Kololli und Marchesano kommt dieser zu Ceesay, der das Leder gut auf Kololli weiterleitet und gleichzeitig von Oss „gecheckt“ wird. Schiedsrichter Schärer lässt zu Recht Vorteil laufen, denn Kololli ist in einer ausgezeichneten Position, hat mit dem sich noch nicht in Bewegung befindlichen Sejmenovic und Xhemajli nur noch zwei Gegenspieler vor sich und vier gute Optionen zur Verfügung: 1) selbst mit Ball und Tempo durch die Lücke zwischen Sejmenovic und Xhemajli durchzubrechen, 2) rechts Domgjoni ins Laufduell mit Xhemajli Richtung Tor zu schicken, 3) mit Domgjoni Doppelpass zu spielen, oder 4) auf der linken Seite den viel Raum vor sich findenden schnellen Schönbächler mitzunehmen. Stattdessen führt Kololli den Ball gemächlich vorwärts und läuft schlussendlich in einem Pulk von vier zurückgeeilten Xamaxiens auf, und verliert den Ball gegen Sejmenovic. Die Kugel landet bei Kamber auf der linken Xamax-Seite. Dieser spielt der Seitenlinie entlang einen langen hohen Ball mit viel Drall nach vorne. Pululu deckt den direkten Zugriff zum Ball gegenüber Maxsø geschickt ab. Durch den starken Drall nimmt das Leder beim Aufspringen auf dem Kunstrasen eine starke Richtungsänderung. Beim Versuch diese abrupte Richtungsänderung mitzuvollziehen, rutscht Maxsø aus und muss Pululu ziehen lassen – Ademi lenkt Pululus Hereingabe ins halbleere Tor. Es waren 17 Sekunden, welche im Normalfall den FCZ sehr stark in die Bredouille gebracht hätten. Es ging nochmal gut,  aber so eine Wende gelingt nicht häufig. Mit solch wiederholt vermeidbaren Fehlern schlussendlich das wichtige 0:1 zu kassieren ist nicht akzeptabel.

Am Mittwoch kommt der FC Thun in den Letzigrund. Bei diesem bringen die vor kurzem auf den Platz zurückgekehrten Matteo Tosetti und Moreno Costanzo deutlich mehr Qualität in die Offensive als noch in den Wochen zuvor. Die Defensive verzeichnet vor allem im Zentrum und teilweise auch bei Standards aktuell aber gewisse Schwachstellen. Thun hat mit seinem 1:0-Heimsieg gegen Lugano den Klassenerhalt zu 98% in der Tasche, da Sion und Xamax Mittwochs parallel in der Direktbegegnung aufeinandertreffen. Selbst im für Thun schlimmsten Fall (Niederlage im Letzigrund, Xamax gewinnt in Sion) hätten die Berner Oberländer immer noch zwei Runden vor Schluss sechs Punkte Vorsprung auf den Barrageplatz und zusätzlich ein ziemlich beruhigendes Polster in Punkto Tordifferenz (ca. +10) – auch wenn Sion in der zweitletzten Runde noch bei GC spielen darf und zum Abschluss Thun zur Direktbegegnung empfängt. Gegen Thun hat der FCZ genauso wie im Vergleich mit dem anschliessenden Gegner Luzern in dieser Saison bisher eine positive Bilanz und vor allem ungewöhnlicherweise schon sechs Tore erzielt (gegen Luzern gar sieben). Ohne den gesperrten Bangura könnten bei einer Dreierkette die in Neuenburg am Ende des Spiels auf dem Platz stehenden Nef, Maxsø und Mirlind Kryeziu auflaufen. Eine zu bedenkende Alternative gegen die konterstarken Thuner ist der schnelle Becir Omeragic als Bangura-Ersatz an Stelle von einem dieser drei – oder auf der Rechten Seite.

Xamax – FCZ 1:2 (0:0)

Tore:  49. Ademi (Pululu) 1:0, 77. Rüegg (Ceesay) 1:1, 84. Rüegg (Kasai) 1:2.

Xamax: Walthert; Sejmenovic, Oss, Xhemajli (86. Karlen); Gomes, Serey Dié, Kamber; Doudin, Pickel (46. Di Nardo); Pululu (83. Ramizi), Ademi.

FCZ: Brecher; Nef, Bangura (38. Maxsø), M. Kryeziu; Rüegg, Sertic, Schönbächler (88. Omeragic); Domgjoni (55. Kasai), Marchesano; Ceesay, Kololli.

 

(Standbild: Teleclub)

Temperatursturz – warum der FCZ in der Zweiten Halbzeit beinahe unterging / FCB – FCZ 3:0 Analyse

Grosse Euphorie Samstagnacht unter den FCZ-Fans: ein Fahnenmehr in blau-weiss erwartet die Mannschaft nach ihrer Rückkehr aus Grozny am Flughafen – nach dem 1:1 Auswärtsunentschieden in Tschetschenien ist der FC Zenit Russischer Meister. Aber davon soll hier nicht die Rede sein. Sondern von einer Begegnung am gleichen Abend, welche die Bezeichnung «Klassiker» definitiv nicht mehr verdient. Der Begriff wird mehrheitlich noch in Basel als Werbeslogan propagiert, um (erfolglos) zusätzliche Zuschauer ins Stadion zu locken. Die Marketingphrase hat sich aber abgelutscht. Der «Clasico» ist die Begegnung der beiden über lange Zeit dominierenden Mannschaften – das sind wenn schon YB und der FCB. Die Berner lagen in den letzten zwölf Saisons nur vier Mal nicht in den Top 2 und gar nur einmal nicht in den Top 3 der Liga. Gegen den FCZ haben sie nun 15 Meisterschaftspartien in Folge nicht mehr verloren. Ein «Derby» gar, von welchem einzelne Basler Akteure manchmal schwadronieren, ist die Begegnung FCB – FCZ natürlich sowieso nicht.

Das Auf und Ab geht weiter. In den letzten sieben Wochen musste der FC Zürich nur drei Mal ausserhalb des Letzigrund-Stadions antreten – das waren gleichzeitig wohl die drei schlechtesten Partien in dieser Phase (zu Null-Niederlagen in Sion, Lugano und Basel). Insgesamt hat der Stadtclub in diesem Kalenderjahr ausserhalb des Letzigrunds erst drei Tore erzielt. Im Stade de Suisse und im St. Jakob Park kann der FCZ meist 30-45 Minuten mithalten, aber über 90 Minuten scheint der FCZ im Gegensatz zu den meisten Liga-Konkurrenten in diesen Stadien in der Meisterschaft kaum eine Chance auf auch nur einen Punktgewinn zu haben. Und dies schon seit Jahren. Der «Expected Goals»-Wert des FCZ vom Samstag in Basel ist sein drittschlechtester der Saison nach dem kürzlichen 0:1 im Tourbillon gegen Sion sowie dem 1:1 in Razgrad im Dezember.

Auch mit René Van Eck an der Seitenlinie setzte der FCZ auf das in den letzten Partien erprobte System mit drei Verteidigern, dem 6er- Rüegg hinter zwei Achtern und zwei Sturmspitzen. Die Aussenläufer Schönbächler und Kharabadze standen dabei aber tendenziell höher, als noch im Heimspiel gegen Sion. «Löcher wie Edamer» habe man im Zentrum gehabt, meinte Van Eck nach der Partie an der Pressekonferenz. Dies begann schon in der 1. Minute, als Sertic, Rüegg und Schönbächler kollektiv schlecht standen. Erst mit der Hereinnahme von Simon Sohm in der 54. Minute wurde die Organisation im Mittelfeld besser. An Sohms Seite steigerte sich vor allem Captain Kevin Rüegg merklich, wohingegen Toni Domgjoni zwar wie immer bemüht war, diesmal aber über die ganze Partie hinweg deutlich mehr schlechte als gute Aktionen zu verzeichnen hatte.

In die Zweite Halbzeit startete der FCZ zuerst besser als der Gegner und hatte nach 23 Sekunden bereits eine Torchance durch Stephen Odey. Grégory Sertic hingegen spielte zwar ab und zu mal einen guten Ball in die Tiefe, trat im ersten Spiel nach seiner Verletzungspause ansonsten aber ähnlich auf, wie in den meisten seiner bisherigen Partien: halbherzig, nonchalant und mit schlechter Körpersprache. Der Franzose hat einerseits, wenn er weit hinter dem Ball steht, ein gutes Gespür für die Passwege des Gegners – aber auf Höhe des Balles ist er andererseits in Zweikämpfen und Laufduellen beim Bemühen, den Ball zu gewinnen, selten eine Hilfe. Zudem geht durch den Leihspieler immer wieder die Kompaktheit flöten. Seine eher halbherzige Haltung war dann auch entscheidend bei der wichtigsten Szene des Spiels, als er Gegenspieler Zambrano beim Eckball Zuffis kurz nach der Pause wegen fehlender Aufmerksamkeit aus den Augen verlor und dieser zum 1:0 für den FCB traf. Dies ist umso ärgerlicher, als sich der FCZ bei gegnerischen Eckbällen im Verlauf der Rückrunde merklich gesteigert hat, und auch diesmal abgesehen von Sertic alle ihre Gegenspieler bei diesen Situationen im Griff hatten.

Stephen Odey hatte mehr gute als schlechte Aktionen, muss aber nach einem unnötigen Ballverlust und anschliessendem taktischen Foul in Neuenburg gesperrt zuschauen. Im Heimspiel gegen Sion vor Wochenfrist vermochte Assan Ceesay noch fast jedes Kopfballduell im Mittelfeld zu gewinnen, in Basel stimmte sein Timing in der Luft dann aber plötzlich wieder nicht mehr. Auch kam der hagere Gambier durch das bessere lokale Pressing Basels nicht zu seinen gefährlichen raumgreifenden Aktionen. Schon anlässlich der anderen beiden Duelle des Frühlings gegen den FCB wurde es an dieser Stelle erwähnt: das aktuelle Team von Marcel Koller ist nicht mehr mit demjenigen des Herbstes vergleichbar. Die Art und Weise, wie die „Bebbis“ mit Kombinationsspiel und Laufwegen einen Gegner taktisch aushebeln können, ist mittlerweile sogar wieder auf einem höheren Niveau als bei YB. Dazu kam gegen den FCZ ein Valentin Stocker, der erstmals so richtig wieder an seine besten Zeiten als Teenager vor seinem ersten Kreuzbandriss erinnerte. Die Zweite Halbzeit Stockers am Samstagabend war sicherlich eine der besten 45 Minuten aller Super League-Spieler in dieser Saison.

Ähnlich wie zuletzt häufig Roger Assalé bei YB übernahm Stocker die Rolle des in der Mittel- und Angriffszone überall auftauchenden Spielmachers innerhalb des Forward-Trios. In erster Linie Kevin Bua, aber auch Ricky Van Wolfswinkel suchten die Tiefe, kamen aber über Rechts selten durch, da Andreas Maxsø wie eine Wand allem, was Kharabadze (und Sertic) durchliessen, den Eintritt in die Gefahrenzone verwehrte. Alain Nef spielte zwar ebenfalls eine gute Partie, aber das Niveau von Maxsø erreichte er nicht. Basel fand schnell heraus, dass die rechte Zürcher Seite mit Schönbächler und Domgjoni sehr löchrig war, und spielte daher fast alle seine in der Zweiten Halbzeit zahlreichen gefährlichen Angriffe und Gegenstösse über links. Selbst bei einem Ballverlust des FCZ auf der anderen Spielfeldseite wurde ab einem gewissen Zeitpunkt von den Rot-Blauen immer schnell der Seitenwechsel nach links gesucht. Schönbi hatte zwar einige gute, aber auch viele zu wenig konsequent durchgezogene Aktionen: im entscheidenden Moment kein Druck auf den Gegenspieler, ungenaue Pässe oder Flanken oder wenig inspirierte Versuche, sich mit dem Kopf durch die Wand durchzusetzen. Im Offensivspiel fehlte über seine Seite die Breite und im eigenen Strafraum war er bei Flanken von der anderen Seite jeweils zu weit weg von seinem Gegenspieler, was zu zwei von drei guten Möglichkeiten Basels in der Ersten Halbzeit führte.

So wie Rüegg sich in der Zweiten Halbzeit verbesserte, baute dafür der in der 1. Halbzeit aufmerksam agierende Umaru Bangura um so mehr ab. In der ersten Viertelstunde nach der Pause war er zusammen mit Schönbächler und Sertic der Schwachpunkt beim FCZ. In den ersten 45 Minuten war die Dreierabwehr noch in corpore gut gestanden. Im Zweiten Durchgang nahmen hingegen die undurchdachten Aktionen zu. Typisch die Szene vor dem 0:2. Anschliessend an einen Basler Durchbruch über ihre Linke Seite kommt der Ball auf Rechts, wo das Heimteam wegen Maxsø aber nicht durchkommt. Man spielt zurück in die Mitte vor den Strafraum, wo sich dann mit Bangura, Nef, Schönbächler und Domgjoni gleich vier Spieler erfolglos auf Stocker stürzen und dieser dadurch mit Van Wolfswinkel und Zuffi gleich zwei Mitspieler in eine Position alleine vor dem Zürcher Tor anspielen kann. Aus dem Trio Bangura / Nef / Schönbächler hätte nur einer herauspreschen sollen – am ehesten Nef.

Der aus Zürcher Sicht mit Abstand positivste und hoffnungsvollste Aspekt der Partie waren die Einsätze von Simon Sohm und Becir Omeragic. Diese zwei trugen ganz wesentlich dazu bei, dass der FCZ zwei, drei Mal eine minutenlange Druckphase in der gegnerischen Hälfte aufzuziehen vermochte. Da wurde gut antizipiert, Zweite Bälle gewonnen und es entstand Zug Richtung gegnerisches Tor. Der 18-jährige Sohm hat sich geöffnet, fühlt sich nun als gleichwertiger Spieler, bietet sich an, denkt mit, wirkt reifer. So kann er sein grosses Talent noch deutlich besser in die Waagschale werfen, als zuvor. Auch der 17-jährige Omeragic, dessen erster Einsatz in der Super League durch einen Wadenbeinbruch verzögert worden war, fand sich sofort gut ein und war in der Schlussphase offensiv wie defensiv ein Pluspunkt – dass er alleine gegen zwei Basler (Stocker, Ajeti) das 0:3 nicht zu verhindern vermochte, kann man ihm nicht vorwerfen. Anders sieht die Bilanz beim mittleren Zürcher Einwechselspieler Kololli aus. Weiterhin versucht dieser meist erfolglos bei Zuspielen aus der Zürcher Abwehr den Gegenspieler abzuschirmen, anstatt dem Ball entgegenzulaufen. Auf Super League-Niveau endet dies meist mit einem schmerzhaften Ballverlust. Ausserdem ist «Benji» bezüglich Zielstrebigkeit und Schnörkellosigkeit weit vom Niveau eines Sohm oder Omeragic entfernt. Noch nie war die Diskrepanz innnerhalb des Teams bei den Züri Live-Noten so gross, wie nach diesem Match – drei Maximalnoten «10» und eine «9» stehen einer Minimalnote «1» und drei «2»-ern gegenüber.

In den Bereichen Ballbesitz, Eckbälle, Schüsse nebens Tor, Offsides, Fouls und Verwarnungen war die Bilanz der Partie FCB – FCZ ausgeglichen. Der grosse Unterschied besteht bei den Schüssen aufs Tor bzw. Expected Goals. Für die vielen Top-Chancen von Basel in der Zweiten Halbzeit waren zusammenfassend drei Faktoren entscheidend:

  1. Die defensiv zu schwache Rechte Seite des FCZ (Schönbächler, Domgjoni)
  2. Die zu gefährlichen Basler Gegenstössen führenden zahlreichen Fehler und Ballverluste speziell von Kharabadze und Kololli sowie Bangura ab der 65. Minute
  3. Der sich im zweiten Durchgang in einen aussergewöhnlichen Spielrausch steigernde Valentin Stocker

Diese Faktoren führten passend zum Wetter zu einem Temperatursturz in der Gefühlswelt der FCZ-Gemeinde. Giftige Fouls und umstrittene Szenen gab es hingegen im Vergleich zum Cup-Halbfinal deutlich weniger – dafür ging es für den FCB um zu wenig. Zwei versteckte Stürmerfouls von Suchy und Zambrano im gegnerischen Strafraum, einmal «Hals würgen von hinten» von Stocker gegen Rüegg im Mittelfeld, sowie einmal ein absichtliches gesundheitsgefährdendes Unterlaufen von Suchy gegen Kololli direkt nach dessen Einwechslung. Das war «vergleichsweise wenig» im Verhältnis zu vorletzter Woche. Auf Zürcher Seite stiess Bangura in der Ersten Halbzeit nachdem er zwei Mal hintereinander im eigenen Strafraum unaufmerksam gewesen war, den zum Kopfball hochsteigenden Van Wolfswinkel von hinten – und hätte sich über einen Penaltypfiff nicht wirklich beklagen können.

Basel – FCZ 3:0 (0:0)

Tore:  49. Zambrano (Zuffi) 1:0, 66. Van Wolfswinkel (Stocker) 2:0, 90.+2 Ajeti (Stocker) 3:0.

Basel: Omlin; Widmer, Suchy, Zambrano, Riveros; Xhaka, Frei (73. Balanta); Stocker, Zuffi, Bua (76. Zhegrova); Van Wolfswinkel (84. Ajeti).

FCZ: Brecher; Nef (80. Omeragic), Bangura, Maxsø; Schönbächler, Rüegg, Kharabadze; Domgjoni, Sertic (54. Sohm); Ceesay (67. Kololli), Odey.