Totale taktische Variabilität unter Breitenreiter (FCZ-Sommer, Teil 2)

Neben den ersten 30 Minuten gegen Aarau und Kriens, die jeweils sehr erfreulich aussahen, war auch fast die gesamte Partie gegen Feyenoord ansprechend: vor allem die Zweite Halbzeit, als die jungen Spieler beider Teams gegeneinander antraten und der FCZ dabei klar dominierte. Und gegen Vaduz gab es trotz erheblichem Kräfteverschleiss direkt nach dem Trainingslager kein Gegentor.  

Absicherung und „deutsche“ Tugenden

Was lässt sich über die Änderungen in Taktik und Spielweise unter dem neuen Trainerduo Breitenreiter / Scholtysik sagen? Auf jeden Fall ist diese nochmal eine ganze Portion stärker auf defensive Absicherung und Stabilität ausgerichtet, als unter Massimo Rizzo. Dieser hatte im Vergleich mit der etwas «vogelwilden» Magnin-Zeit bereits mehr defensive Stabilität reingebracht und Breitenreiter geht nochmal einen wesentlichen Schritt weiter in diese Richtung. Wohlgemerkt: mehr defensive Stabilität bedeutet nicht automatisch, dass man weniger Tore erzielt. Die FCZ-Torproduktion wurde ja in der ersten Hälfte der Rizzo-Amtszeit verbessert! Eine stabile Defensive ist eine wichtige Grundlage für gutes Offensivspiel. Ohne Balleroberungen kann man keine Tore erzielen.

Breitenreiter selbst redet gegen aussen gerne von offensivem Fussball, den er mit seinem Team auf den Platz bringen will. Die Frage bei solchen Aussagen ist aber immer: verglichen mit wem? Er hat vermutlich gewisse Trainerkollegen (in Deutschland) im Kopf, im Vergleich zu denen er sich offensiver orientiert sieht. Magnin oder Rizzo gehören aber sicherlich nicht dazu. Stattdessen erinnert nach den ersten Eindrücken der Wechsel zu Breitenreiter bei den Profis demjenigen zu Inka Grings in der Frauen-Equipe. Sie setzte ebenfalls stärker auf Physis und defensive Stabilität, als noch ihr Vorgänger  – und das Team entwickelte sich auf dieser Grundlage positiv. Manchmal stimmen die Clichés von den «deutschen Tugenden» halt eben doch noch.

Ein Potpourri an taktischen Formationen eingeübt

Ein wichtiges Beispiel für stärkere defensive Ausrichtung ist das Verhalten der Offensiven Flügelspieler, die angehalten sind, sehr viel mehr Defensivarbeit zu verrichten, als dies noch unter Breitenreiters Vorgängern der Fall gewesen ist. Sie sind selbst bei einer Viererabwehr dafür verantwortlich, dass der Gegner nicht zum Flanken kommt, so dass sich situativ sogar eine Sechser-Abwehrreihe bilden kann. Ein weiteres konservatives Element ist, dass dem Ball mehr Sorge getragen wird. Im Normalfall wird nicht schnell von Defensive auf Offensive umgeschaltet, sondern ein kontrolliertes Aufbauspiel betrieben – allerdings durchaus mit Rhythmuswechseln. Ist Breitenreiter ein Jugendförderer? Seine Vergangenheit spricht eher dagegen. In Paderborn und Hannover hatte er mit die ältesten Teams der Liga und in dem einen Jahr bei Schalke baute er nur einen kleinen Teil einer extrem talentierten Generation aus der «Knappenschmiede» in die Mannschaft ein. Wie dies beim FCZ aussehen wird, lässt sich nach der Vorbereitung noch nicht beurteilen. Die Wahrheit wird sich in den Wettbewerbsspielen zeigen.

Welche taktische Formation bevorzugt Breitenreiter? Diese Frage kann man nach den Vorbereitungspartien ebenfalls nicht beantworten. Er liess in den sechs Partien in nicht weniger als sechs  verschiedenen taktischen Formationen spielen – und abgesehen vom klassischen 4-4-2 (nur gegen Kriens) wendete er alle mehr als einmal an. Wenn das Ziel gewesen sein sollte, den FC Lugano über die taktische Formation des FCZ zum Saisonstart im Dunkeln zu lassen, dann ist dies sicherlich gelungen. Auch diesen Artikel zu lesen, wird diesbezüglich den Tessinern wenig bringen. Es wurde insgesamt gleich häufig mit Dreier- oder Viererabwehr gespielt. Das unter Magnin und Rizzo klar bevorzugte 4-2-3-1 lag in der Sommer-Vorbereitung auch bei Breitenreiter ganz knapp vorne. Es gab viele konservativ-kritische Stimmen, die Ludovic Magnin für seine gelegentlichen taktischen Wechsel kritisierten. Breitenreiter wird voraussehbar auch in Wettbewerbsspielen die taktische Ausrichtung noch deutlich häufiger als Magnin wechseln. Dies muss aber überhaupt nichts Negatives bedeuten – letztendlich wurde auch letzte Saison wieder das Team mit den häufigsten Wechseln der taktischen Formation mit grossem Vorsprung Schweizer Meister.

6:1 gegen Kriens, 1:4 gegen Xamax – wo liegt die Wahrheit? (FCZ-Sommer, Teil 1)

Vorschau Osmanlispor – FC Zürich

Dem FCZ muss in Ankara ein Husarenstück gelingen, um als erster Zweitligist der Europa League-Ära (Aachen hatte es zu Zeiten des UEFA-Cup mit einem etwas einfacheren Modus auch schon geschafft) unter die besten 32 der Europa League einzuziehen. Osmanlispor hat bis zum 2:2 gegen Villarreal in vier Europacupheimspielen mit einem Gesamtskore von 10:0 kein Tor kassiert. Dem Europa League-Wettbewerb wird beim aktuellen Leader der Gruppe L höchste Priorität beigemessen. Die Zuschauerzahlen sind in diesem Wettbewerb fünf Mal höher als bei Ligapartien und gerade auch die vielen ausländischen Topspieler scheinen im europäischen Schaufenster deutlich motivierter aufzutreten, als im Ligaalltag. Ein Phänomen, welches man beim FCZ diese Ssison zum Glück nicht beobachten muss, auch wenn die beiden Auswärtsspiele in Villarreal und Bukarest bisher die besten Partien des Herbstes waren. Ansonsten zeigt die Formkurve beim FCZ in den letzten Wochen eher etwas nach unten, wenn man die Züri Live-Durchschnittsnoten als Massstab nimmt.

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Trainer Uli Forte kann in seinem Kader personell und taktisch aus dem Vollen schöpfen, und daher sind verschiedene Aufstellungen denkbar. Vermutlich wird der FCZ wegen der Offensivstärke von Osmanlispor speziell zu Spielbeginn in erster Linie auf Absicherung mit gelegentlichen Kontern bedacht sein, um dann im Spielverlauf auch mit Offensiveinwechslungen zuzulegen. Das grundsätzlich defensivstarke Osmanlispor erhält seine Gegentreffer vorwiegend in der Schlussphase. Kay Voser wurde gegen Villarreal nach seiner Verletzung in Genf zu früh reingebracht, und daher wird Trainer Uli Forte diese Personalie mit Vorsicht behandeln. Armando Sadiku ist zudem zur Zeit erst etwa bei 50% seiner Leistungsfähigkeit. Wie in Villarreal könnten Winter und Rodriguez als Offensivunterstützung des Stossstürmers (Cavusevic) agieren und dann allenfalls wie im Heimspiel gegen Villarreal in der Schlussphase bei Offensivwechseln auf die Aussenläuferpositionen zurückrücken.

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Der in Zürich nach 20 Europacupspielen ohne Niederlage erstmals geschlagene Osmanlispor-Trainer Mustafa Akcay hat im Sturmzentrum die Wahl zwischen dem Kameruner Pierre Wébo (Ex-Fenerbahce, -Osasuna) und dem Rumänen Raul Rusescu (Ex-Steaua, – Sevilla, -Braga). Rusescu hat in den beiden Partien gegen Villarreal drei Tore erzielt, und wurde wohl am Wochenende im Heimspiel gegen Karabükspor (2:1) geschont, als er nur eingewechselt wurde. Für Trainer Uli Forte ist der Nigerianer Umar der gefährlichste Offensivspieler beim Gegner – in Zürich ist er wohl aus Osmanlispor-Sicht etwas zu spät eingewechselt worden. Der Holländer und Hinspieltorschütze Adam Maher könnte diesmal in der Startformation stehen.

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FCZ-Kabine im Osmanli Stadi

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FCZ-Fansektor im Osmanli Stadi

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