Teamentwicklung unter der Lupe: FCZ zieht seine Schlüsse aus der Rückrunde

Der FCZ scheint die Erkenntnisse der Saison 2018/19, speziell der letzten beiden Partien in Luzern (0:3) und gegen St. Gallen (1:1) in die Vorbereitung der neuen Spielzeit mitgenommen zu haben. Nach dem desolaten Auftritt vor allem des Zürcher Mittelfeldes mit dem Zentrum Sertic / Rüegg / Marchesano und den Seitenspielern Schönbächler / Kololli in Luzern gab es zu Hause gegen einen FC St. Gallen, welcher mit einem Sieg noch die direkte Europa League-Qualifikation hätte erreichen können, eine stark verbesserte Leistung – der FC Zürich hätte an den Chancen gemessen das Spiel sehr gut auch gewinnen können. In den sechs Testpartien vor der neuen Saison agierte FCZ-Coach Ludo Magnin nun konsequent mit der gleichen Grundaufstellung wie im St. Gallen-Spiel mit einem 4-4-2 beziehungsweise 4-4-1-1 – je nachdem, ob neben dem gesetzten Assan Ceesay Antonio Marchesano oder mit Blaz Kramer ein zweiter klassischer Mittelstürmer auf dem Feld stand.

Die Startaufstellung in Leipzig gibt einige Hinweise, wie der FCZ zum Saisonstart gegen Lugano am kommenden Sonntag beginnen könnte – also mit Marchesano. Wie im St. Gallen-Match standen zudem auch in Leipzig die beiden 18-jährigen Simon Sohm sowie Becir Omeragic in der Startformation. In beiden Fällen kann man sagen, dass sie nicht einfach nur spielen, weil sie jung sind, sondern sie machen das Team tatsächlich besser. Dies war bereits bei ihren Einsätzen letzte Saison zu sehen. Sohm vermag mit seiner aussergewöhnlichen Kombination von Qualitäten in den drei entscheidenden Bereichen des Fussballs (Technik, Speed, Physis) der Mannschaft mehr Spielkontrolle und Sicherheit zu geben. Omeragic agiert schon sehr abgeklärt und hat eine hohe Spielintelligenz. Er ist zwar gelernter Innenverteidiger, scheint aber zum jetzigen Zeitpunkt im Erwachsenenfussball rechts besser aufgehoben zu sein.

Es gibt aber auch Änderungen im Vergleich zum St.Gallen-Spiel. So agierte damals Toni Domgjoni im Zentrum neben Sohm – in der aktuellen Vorbereitung spielte der Stammspieler der letzten Saison aber kaum eine Rolle. Die Position neben Sohm ist für Neuverpflichtung Denis Popovic vorgesehen, der nach einem eher unglücklichen ersten Kurzeinsatz gegen Stuttgart sich bei RB Leipzig schon deutlich verbessert zeigte und die Qualitäten andeutete, die ihn letzte Saison zum Leistungsträger bei Orenburg in der Russischen Premier Liga gemacht haben. Salim Khelifi bestätigte als agiler Wirbelwind seine aufsteigende Form von Ende Rückrunde. Auf der anderen Flügelposition schwankt Benjamin Kololli weiterhin zwischen zu viel Nonchalance und torgefährlichen Offensivaktionen. Dem frischgebackenen Vater Mimoun Mahi fehlt es noch an Fokus und Handlungsschnelligkeit.

Die linke Seite mit dem offensiv ausgerichteten Kharabadze ist weiterhin ein defensiver Schwachpunkt. Zudem musste man sich im Verlauf der Vorbereitung immer wieder um die Abwehrreihe in corpore Sorge machen. Nef weg, Maxsø weg, Pa Modou weg, Rüegg noch verletzt, Mirlind Kryeziu völlig ausser Form, Kharabadze in der Rückwärtsbewegung im Schneckentempo unterwegs. Schon letzte Saison hatte man bei gegnerischen Standards über weite Strecken der Saison Mühe, da mit Maxsø und Nef nur zwei gute defensive Standards-Spieler vorhanden waren, von denen häufig nur einer auf dem Platz stand. Die Situation hat sich diesbezüglich noch weiter verschärft. Aktuell gibt es keinen Spieler mit den defensiven Standard-Qualitäten von Maxsø oder Nef im Kader. Der neuverpflichtete Nathan ist diesbezüglich zwar besser als die Anderen, aber nicht auf dem Niveau der beiden erwähnten Cracks. Der Brasilianer feierte in Leipzig sein Début im FCZ-Dress und zeigte, was man von ihm aus seinen Zeiten bei Servette und GC kennt – ein Spieler mit viel Mentalität und eher geringen technischen Fähigkeiten im Aufbauspiel – unter dem Strich aber sicherlich ein Spieler, welcher dieser Mannschaft gut tut.

Die auffälligste Änderung im FCZ-Spiel, auf die im Verlauf dieser Vorbereitung der Fokus gelegt wurde, war die tiefere Staffelung und das Konterspiel. Über viele Jahre war der FCZ eine Mannschaft gewesen, die das Spiel machen und den Ball haben will. In einzelnen Partien der letzten Saison probierte es Trainer Magnin bereits mit „tief stehen und lauern auf Kontergelegenheiten“, und dies funktionierte zum Beispiel beim 1:1 in der Vorrunde gegen den FC Basel grundsätzlich gut bis sehr gut. Allerdings war der FCZ unter allen Super League-Teams der letzten Saison in Sachen schnellem Umschalten in die Offensive so ziemlich die schlechteste Mannschaft. Darauf wurde nun daher in der Saisonvorbereitung ein spezieller Fokus gelegt – vor allem auch weil diese Spielweise der aktuellen Mannschaft eigentlich entgegenkommt.

Es ist daher kein Zufall, dass Assan Ceesay, der schon in seiner ersten Saison beim FCZ immer wieder gute Ansätze gezeigt und von den häufig eingesetzten Akteuren den drittbesten Züri Live-Notenschnitt gehabt hatte, in jedem Vorbereitungsspiel einen Treffer erzielte und alle 35 Minuten einen Skorerpunkt lieferte. Im schnellen Umschaltspiel fühlt sich der Gambier in seinem Element – nach dem Ballgewinn wird beim FCZ der Ball schnell zu Marchesano oder Aliu befördert, die das Leder dann in der Regel mit einer Ballberührung direkt in die Tiefe spielen. Da es in einer solchen Situation Räume hinter der Abwehr gibt, ist Schnelligkeit wichtiger als Präzision – der langbeinige Ceesay erläuft auch einen nicht hundertprozentig präzisen Ball.

Dies funktionierte in den Testpartien von Anfang an gut. Womit der FCZ aber diesen Sommer lange Zeit Mühe hatte, war die Rückwärtsbewegung und Staffelung bei gegnerischem Ballbesitz. Daran hat man ganz offensichtlich nun aber im Trainingslager im Inntal gearbeitet, denn in Leipzig war dieser Aspekt des Zürcher Spiels deutlich verbessert. Wenn man tief steht und die Staffelung gut ist, dann hat dies den zusätzlichen Vorteil, dass so die individuellen Mankos der Abwehrreihe besser kaschiert werden können. Auf den Auftakt gegen Lugano darf man daher auch aus taktischer Sicht gespannt sein, denn letzte Saison vermochte Lugano dem FCZ mit einer tiefen Staffelung und schnellem Umschaltspiel gleich 11 Punkte abzuknöpfen und liess kein einziges Gegentor zu. Schafft es der FCZ, die Tessiner mit deren eigenen Waffen zu schlagen?

 

Izer Aliu nach neun Monaten zurück – FCZ mit ordentlichem Test gegen den FC Wil

Der FCZ gewinnt nach dem Auftakt-Unentschieden gegen Winterthur seinen zweiten Test gegen einen Challenge League-isten im Heerenschürli mit 4:0. Der Rhythmus war trotz der Hitze etwas höher, als noch im ersten Testspiel. Salim Khelifi zeigte vollen Einsatz und war in der 1. Halbzeit der auffälligste Spieler auf dem Platz. Dass der Flügelspieler dann auch das 1:0 durch Marco Schönbächler, der halblinks alleine vor Torhüter Kostadinovic auftauchte, mit einem Sololauf mustergültig vorbereitete, war die logische Folge davon. Blaz Kramer gewann jedes Kopfballduell und bringt allgemein mehr Gradlinigkeit in die Zürcher Vorderreihe. Bangura und vor allem Sauter verteilten die Bälle von hinten.

Britto vermochte auch in seinem zweiten Testspiel gute Ansätze zu zeigen. Auf der Rechtsverteidigerposition scheint er auf Super League-Niveau auf den ersten Blick auch etwas besser aufgehoben zu sein, als im Zentrum. Als (im Vergleich zum in die Challenge League abgewanderten Fabio Dixon talentierteren) Backup von Kevin Rüegg könnte man sich den Ivorer gut vorstellen. Als zweiter Testspieler neu mit dabei war im Defensiven Mittelfeld der türkischstämmige Belgier Erdem Sen (30) vom Portugiesischen Erstligaabsteiger GD Chaves, der seine ersten Einsätze im Erwachsenenfussball beim FC Kreuzlingen hatte. In der Anfangsphase war dieser an mehreren Offensivaktionen beteiligt, unter anderem kratzte Wil-Keeper Kostadinovic einen Sen-Kopfball reaktionsschnell von der Linie. Insgesamt fehlte es Sen in dieser Partie aber an Geschwindigkeit – er kam mehrmals spät in die Zweikämpfe und vermochte sich nur noch mit Fouls zu behelfen.

An Lavdim Zumberi lief die Partie in den ersten 45 Minuten weitgehend vorbei, auch wenn er zwei Mal zum Abschluss kam. In der 62. Minute kam dann Izer Aliu nach neun Monaten verletzungsbedingter Absenz zu seinem Comeback. Auch wenn der 19-jährige nur knapp eine halbe Stunde auf dem Platz stand, versteckte er sich trotzdem über weite Strecken, um dann nach einem eigenen Abschluss im Strafraum in der 84. Minute allerdings doch noch mit einem öffnenden Pass nach rechts aussen auf Matteo Di Giusto das 3:0 einzuleiten. Di Giusto selbst ist nach seiner Leihe in der Freiburger U19 wohl eher ein Kandidat für die FCZ U21, die vor einem schwierigen Umbruch und möglicherweise der herausfordernsten Saison der letzten Jahre in der Promotion League steht.

Weshalb sah man unter anderem beim heutigen Gegner Wil. Da standen in der 1. Halbzeit die letzte Saison in der Promotion League zu den Stammspielern gehörenden Bledian Krasniqi (leihweiser Wechsel) und Kastrijot Ndau (fixer Transfer) auf dem Platz und traten abwechslungsweise die Standards. Sie bringen ins Team der vom zurückgekehrten Routinier Philipp Muntwiler angeführten Ostschweizer das wichtige spielerische Element mit ein. In der 2. Halbzeit agierte zudem Ex FCZ-Junior Filip Stojilkovic als Stossstürmer und der über vier Jahre für die FCZ U21 auflaufende Yannick Kouamé als Linksverteidiger im Dress der Wiler. Diese Position hatte der gelernte Stürmer schon beim FCZ in letzter Zeit mehrfach eingenommen gehabt. Dazu wurde in der 54. Minute für den mit muskulären Problemen ausgeschiedenen Mergim Brahimi mit Valentino Pugliese ein weiterer junger Spieler mit FCZ-Vergangenheit eingewechselt. Für Dynamik und Schnelligkeit könnten beim FC Wil in der kommenden Saison die beiden 22-jährigen Kwadwo Duah (von YB) und Ibrahima Gueye (Sion U21, im Test) sorgen.

Auf FCZ-Seite vermochte sich Nicholas Andereggen auf der linken Seite leider erneut nicht in Szene zu setzen. Yann Kasai traf mit einem nicht sonderlich scharf oder platziert geschossenen Nachschuss nach einem Eckball des FCZ mit Rechts zum 2:0. In der Schlussphase konnte Assan Ceesay das Nachlassen des Gegners zu je einem Treffer nach einer Flanke Di Giustos (im Strafraum in den Ball „reingelaufen“) und einem Steilpass des engagiert spielenden Stephan Seiler (Schlenzer mit links alleine vor Kostadinovic) nutzen. Der von Challenge League-Absteiger Rapperswil-Jona zurückgekehrte Sangoné Sarr fiel auf der Innenverteidigerposition weder speziell positiv noch negativ auf.

FC Zürich – Wil 4:0 (1:0)

Tore: 35. Schönbächler (Khelifi) 1:0; 60. Kasai 2:0, 84. Ceesay (Di Giusto) 3:0, 89. Ceesay (Seiler) 4:0.

FC Zürich (1. Hz.): Brecher; Britto, Bangura, Sauter, Kempter; Sen, Sohm; Khelifi, Zumberi, Schönbächler; Kramer.

FC Zürich (2. Hz.): Brecher; Rohner, Kamberi, Sarr, Erne; Di Giusto, Sen (62. Aliu), Seiler, Andereggen; Ceesay, Kasai.

Wil (1. Hz.): Kostadinovic; Nick Von Niederhäusern, Rahimi, Schmied, Wörnhard; Muntwiler, Ndau; Seidija, Krasniqi, Duah; Silvio.

Wil (2. Hz.): Kostadinovic; Celant, Rahimi, Schmied, Kouamé; Schmid, Breitenmoser; Gueye, Brahimi (54. Pugliese), Ajdini; Stojilkovic. 

FCZ – Wil Vorschau und Aufstellungen

Was schon von vornherein klar ist: im zweitletzten Heimspiel der Saison gegen den FC Wil wird der FCZ nicht mit der Stammformation auflaufen. Uli Forte und Sandro Chieffo werden die letzten drei Partien nutzen, unter „Wettkampfbedingungen“ Spieler aus der zweiten oder gar dritten Reihe im Einsatz zu sehen – wobei bei einer Partie, welches für beide Teams für die entscheidenden sportlichen Ziele nicht mehr ausschlaggebend ist, nur halbwegs von Wettkampfbedingungen gesprochen werden kann.

Für die Spieler des FC Wil gibt es aber trotzdem drei wichtige Gründe, im Letzigrund einen möglichst guten Auftritt hinzulegen: 1) gegen den FCZ zu punkten, ist immer prestigeträchtig, 2) die einzelnen Spieler wollen sich für die kommende Saison beim eigenen und/oder anderen Klubs empfehlen, 3) Wil möchte wie alle Teams aus dem Tabellenkeller die Saison keinesfalls sportlich auf dem letzten Platz beenden, wobei es angesichts des Drei-Punkte-Abzugs strittig ist, was „sportlich auf dem letzten Platz“ bedeutet. Zur Zeit hat Wil fünf Punkte Rückstand auf Chiasso und Le Mont (zwei Punkte ohne Punktabzug).

Wil hat mit dem begehrten Mattia Bottani, Samir Fazli und Johan Vonlanthen grundsätzlich für Challenge League-Verhältnisse immer noch sehr viel Qualität auf dem Platz. Zu Beginn einer Partie haben die Wiler in den letzten Wochen auch meist mithalten können, fallen dann aber häufig nach dem ersten Gegentor etwas auseinander. Ex FCZ-Stürmer Vonlanthen agiert unter dem neuen Trainer Maurizio Jacobacci neu als Sturmspitze, sündigte dabei zuletzt aber häufig im Abschluss. Eine gute Offensive beginnt aber sowieso hinten im Spielaufbau, und da musste Wil seit den Abgängen in der Winterpause gemischt mit mehreren Verletzungen immer wieder etwas improvisieren.

Mit Magnus Breitenmoser, dem Zürcher Etienne Scholz und dem aus der Eintracht Frankfurt-Jugend stammenden David Roesler sind aktuell drei Akteure Stammspieler, welche einen Grossteil der Saison zuvor in der U20 des FC Wil in der 2.Liga Interregional verbracht haben. Zudem muss Mittelfeldspieler Basil Stillhart häufig in der Innenverteidigung aushelfen. Rechts in der Innenverteidigung spielt der lange verletzt gewesene Dylan Stadelmann, links (oder in der Mitte) der meist etwas demotiviert wirkende Routinier Arnaud Bühler.

Dies sind die heutigen Aufstellungen:

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Drama, Drama, Drama – bis der Vorhang fällt (Le Mont-Serie, Teil 6)

Der Klub hat genug: Rückzug, Neuanfang in einer tieferen Liga. Der Abstiegskampf ist damit entschieden. Die Rede ist vom FC Seefeld, der die Ostgruppe der 1.Liga freiwillig verlässt. Und weil Locarno bereits deutlich abgeschlagen ist, sind damit die im Abstiegskampf befindlichen Winterthur II, Seuzach, Balzers und Thalwil vorzeitig so gut wie gerettet. Deutlich mehr Schlagzeilen machte zuletzt aber der vergleichbare Fall in der Challenge League: der angekündigte freiwillige Rückzug von Serge Duperret mit seinem FC Le Mont nach insgesamt vier Jahren im Unterhaus des Schweizer Profifussballs.

Der umtriebige Gemüsehändler hat den Dorfklub von der 3. Liga aus gleich zwei Mal in die Challenge League geführt, und sich auf dem Weg dazu als einer der vielen unterklassigen Cupschrecks von YB profiliert. Zuerst als Trainer, dann „nur“ noch als Präsident. Noch hat Duperret bis morgen Donnerstag Zeit, doch noch Rekurs gegen den erstinstanzlichen Lizenzentzug einzureichen. Diese Information ist deshalb relevant, weil Duperret in der Vergangenheit in schöner Regelmässigkeit in den Medien angekündigt oder angedroht hat, seine Mannschaft aus dem Ligabetrieb zurückzuziehen – und dann doch weiter machte. Zuletzt war dies vor einigen Wochen der Fall gewesen, als er über die Medien Druck auf den Gemeinderat von Le Mont ausübte, um die Mitfinanzierung der Stadionmiete und Sicherheitskosten der kommenden Challenge League-Saison auf der Lausanner Pontaise durch die Kommune zu erwirken. Und noch im März hatte Duperret öffentlich von einer möglichen Kooperation mit Lausanne-Sport gesprochen. Dies obwohl er sich schon vor längerer Zeit mit dem Lokalrivalen verkracht hatte, und Lausanne eher eine Zusammenarbeit mit Nyon, Yverdon oder Vevey ins Auge fasst.

Woher kam nun diese erneute emotionale Trotzreaktion des Le Mont-Präsidenten, nachdem er die Resultate der Lizenzkommission erfahren hatte? Dass der FC Le Mont die Lizenz wie üblich auch diesmal nicht in Erster Instanz erhalten wird, war für Duperret alles le-mont-logo-verschwommenandere als eine Überraschung, wie er in einem Interview mit „24 heures“ noch am Freitag freimütig einräumte: „Wir haben die Lizenz noch nie in Erster Instanz erhalten. Die Liga wird uns wohl sagen, dass wir das Budget von 1,9 auf 1,5 Millionen Franken reduzieren müssen (weil das in Erster Instanz angegebene Budget von Le Mont nicht garantiert werden kann: die Red.).“

Diese Aussagen mussten den neutralen Beobachter schon etwas überraschen. Hat doch Le Mont auf die aktuelle Saison hin den Vollprofibetrieb eingeführt, erstmals ein Wintertrainingslager organisiert – und in der kommenden Saison erhält jeder Challenge League-ist aus dem neuen TV-Vertrag garantiert mehr als eine halbe Million Schweizer Franken. Le Mont würde  also deutlich mehr als bisher von der Liga erhalten. Trotz diesem Geldsegen und der durch die Gemeinde Le Mont gewährten Unterstützung der „Pontaise-Kosten“ reicht es finanziell plötzlich nicht mehr. Dafür kann es nur eine Erklärung geben: offensichtlich wollen Duperret und sein Partner Pascal Roux auf die kommende Saison hin ihre bisherige finanzielle Unterstützung nicht  mehr im gleichen Rahmen leisten.

Wie ernsthaft unter diesen Voraussetzungen die Bemühungen um die Challenge League-Lizenz schlussendlich noch waren, oder ob der bald das Pensionsalter erreichende Duperret tief im Innern eigentlich bereits auf der Suche nach einem Grund für die Verkündigung des freiwilligen Abstieges war, bleibt offen. Auf jeden Fall war der gute Grund am Sonntagabend tatsächlich da – zuerst erlitt Le Mont zu Hause trotz 30 Minuten Überzahlspiel gegen den mit vielen Nachwuchsspielern angetretenen direkten Konkurrenten Wil mit 0:1 eine schmerzhafte Niederlage. Trotz dem administrativen Punktabzug gegen die St.Galler war der Vorsprung Le Monts somit auf zwei Punkte geschrumpft, und ausserdem verzeichnen die Waadtländer die schlechteste Tordifferenz der Liga. Und noch am selben Abend erfuhr Duperret definitiv davon, dass sein Klub die Lizenz in Erster Instanz nicht erhält, Wil hingegen schon. Die Ostschweizer hatten mit einer Parforceleistung innert kürzester Zeit das Budget reduzieren und eine relativ breit gestreute finanzielle Unterstützung für die kommende Saison sichern können.  

Duperret wusste nach dem Lizenzentscheid nun vor allem auch, dass aus der Promotion League Kriens, Rapperswil-Jona und Nyon aufsteigen dürfen. Was dies bedeutete, war klar: im Vergleich zu den letzten Jahren auch in Zweiter Instanz weniger Nachsicht gegenüber Sorgenkindern wie Le Mont von Seiten der Lizenzkommission! Sicherlich nicht ohne Folge für die Entscheidungsfindung blieb natürlich auch die sportliche Entwicklung der Mannschaft in der Rückrunde. Duperret, der immer die höchstmöglichen Ambitionen verfolgt hat, inklusive eines möglichen Super League-Aufstieges, wendet sich in den Westschweizer Medien auch gegen die Spieler und bezeichnet diese als „undankbar“.

sous-ville-farbstift-zeichnungDabei wurde die Negativentwicklung durch seine eigenen Personalentscheide in der Winterpause wesentlich beeinflusst. Das Prunkstück des Herbstes war die äusserst solide Dreierabwehr Lucas – Tall – Marque gewesen. François Marque verabschiedete sich im Winter aber ins Sultanat Brunei, und spielt nun in der Singapurischen S-League mit dem Ex FCZ-Stürmer Ramazotti. Lucas wurde an den FC Luzern verkauft. Mit der Transfersumme könne er den ganzen Klub einen Monat finanzieren, rechtfertigte Duperret den Abgang des Brasilianers. Dies mag durchaus stimmen – es macht die Aufgabe, den Klassenerhalt zu bewerkstelligen, für Trainer Dragani dann aber natürlich deutlich schwieriger. Es braucht in der kompetitiven Challenge League manchmal nur zwei Wechsel, um aus einer Gewinnermannschaft eine Verlierermannschaft zu machen – und umgekehrt.

Le Mont stellte auf Viererabwehr um, und die stattdessen neu geholten Kaja Rogulj (von Luzern) und Cabral (vereinslos) waren, man muss es so klar und deutlich formulieren, klassische „Nieten“. Mit seinem für Challenge League-Verhältnisse katastrophalen Zweikampfverhalten war Rogulj an einem grossen Teil der bisher 23 Rückrundengegentore direkt beteiligt. Cabral fiel auch bei Le Mont von Anfang an durch sein herablassendes Verhalten gegenüber Mitspielern auf, ohne dies auch nur ein klein bisschen durch Leistung kompensieren zu können. Zwei Spiele hintereinander war der Mittelfeldspieler zudem abwesend in Paris wegen eines verstorbenen Onkels.

Fällt der Vorhang am Freitag tatsächlich? Wird Le Mont bis dahin wirklich keinen Rekurs eingereicht haben? Eines ist sicher – ein Abgang von Serge Duperret und seinem FC Le Mont ist nur auf eine Art und Weise vorstellbar – mit viel Drama.

Le Mont-Serie, Teil 1 (Wintervorbereitung, Simonyan und Cabral)

Le Mont-Serie, Teil 2 (Interview mit Artjom Simonyan)

Le Mont-Serie, Teil 3 (Anthony Favre)

Le Mont-Serie, Teil 4 (Bye Bye, Baulmes)

Le Mont-Serie, Teil 5 (François Marque im Dienste seiner Königlichen Hoheit)

Wir sind FC Wil! Die andere Seite der Story

„Gaht’s no?“, „Nöd ganz bachä?“, „Geschter ztüüf id Guttere glueget?“. So und ähnlich stelle ich mir die Reaktion auf den Titel dieses Artikels in Teilen meines Fussballumfeldes in etwa vor. Ja, der FC Wil ist nicht das Schätzli der Nation und in der Ostschweizer Beliebtheitsskala gegenüber dem alles beherrschenden FC St. Gallen weit im Hintertreffen – sogar in Wil selbst! Auch in den Fankurven des Landes haben die Wiler keine Freunde – mit Ausnahme ein paar treuer Nasen in der Schaffhauser Bierkurve. Kein Wunder lässt sich einfach und folgenlos auf dem Klub herumtrampeln – von Politikern, Journalisten und Fussballinteressierten landauf landab. Auf dieses Schwarze Schaf konnte man sich schnell einigen.

Kein Wunder, lassen sich von Seiten der Disziplinarkommission der Liga schnell mal Punktabzüge aussprechen. Und dies gleich doppelt! Einmal aufgrund von nicht vollständig bezahlten Januarlöhnen und einmal wegen entsprechend ebenfalls fehlendem Nachweis der dazugehörigen Sozialversicherungszahlungen. Also zwei Tatbestände, welche materiell eigentlich identisch sind. Es geht dabei um nicht komplette Nachweise bei drei Spielern. Das Strafmass wirkt aus neutraler Sicht willkürlich. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Liga das Strafmass auf der Basis der Anzahl BLICK-Schlagzeilen kalkuliert. Einen faden Beigeschmack erhält die Sache ausserdem dadurch, dass Heinrich Schifferle, Vizepräsident von Abstiegskonkurrent Winterthur, nach dem Rücktritt von Wil-Präsident Bigger in der Liga-Exekutive noch mehr Einfluss geltend machen kann, selbst wenn diese keine direkte Entscheidungsgewalt in Disziplinarfragen hat.

Dabei sollte für eine seriöse Rechtssprechung keine Rolle spielen, wie beliebt ein Klub ist, wie viele reisserische BLICK-Schlagzeilen produziert wurden, und ob direkte Konkurrenten in der Liga-Exekutive Einfluss haben. Es kann nicht sein, dass wie bei einer mittelalterlichen Hexenjagd einfach aufgrund schlechter Presse dem Instinkt bergholz-silhouette-hagelnachgegeben wird, „irgendetwas“ gegen das Schwarze Schaf unternehmen zu müssen. Fehler passieren überall. Würde die Disziplinarkommission in Zukunft bei den monatlichen Abrechnungen die Verschärfung des Lizenzreglements wirklich immer so streng bewerten wie aktuell beim FC Wil, dann würden die Super League und Challenge League zunehmend am Grünen Tisch entschieden. Es gewinnt der Klub mit den zuverlässigeren „Bürogummis“, und nicht derjenige mit der besseren Fussballmannschaft. Dazu kommt die ebenfalls völlig unsinnige Regel der Bestrafung eines Klubs bei „unbewilligtem Eigentümerwechsel“ welche gegen fundamentalste rechtsstaatliche Prinzipien verstösst. Denn für eine Bestrafung muss eine rechtswidrige Handlung gegeben sein. Ein Eigentümerwechsel hingegen kann gänzlich ohne Beteiligung und sogar ohne das Wissen des Klubs vonstatten gehen.

Das Klubbudget innerhalb von wenigen Wochen um rund das Fünffache zu kürzen, wie die Wiler Verantwortlichen dies im Februar unter enormem Zeitdruck bewerkstelligten, ist eine Parforceleistung, welche 99% der Besserwisser nicht hingekriegt hätten. Besserwisser sind auch in diesem Fall das Gegenteil von Bessermachern. Im Gegensatz zu allen Besserwissern hat das Team um Präsident Roger Bigger den Klub über ein Jahrzehnt mit bescheidenen Mitteln und grossem Einsatz erfolgreich geführt. Für heutige Bundesligaspieler wie Fabian Schär oder Dario Lezcano, aber auch erfolgreiche Schweizer Trainer wie Marcel Koller oder Uli Forte war der FC Wil in dieser Zeit der entscheidende Entwicklungsschritt.

Warum „sind wir FC Wil“? Weil Wil kein Spezialfall, sondern viel eher typisch für alle nicht mit Champions League-Millionen gesegneten Schweizer Profiklubs ist. Es wird schnell vergessen, dass vor zwei Jahren die langjährigen verdienstvollen gewerblichen Sponsoren des FC Wil zum Schluss kamen, dass aufgrund des damals neuen FIFA-Verbots der „Third Party Ownership“ an Spielern ein Engagement wie bisher für sie nicht mehr finanzierbar ist. Sie mussten den Klub so oder so abgeben. Es wurde händeringend nach einem neuen Besitzer für den Klub gesucht, so wie fast alle Klubs in der Schweiz aktuell, in der jüngeren Vergangenheit oder in baldiger Zukunft händeringend nach neuen Verantwortlichen suchen müssen. In der Region liess sich niemand finden. Mehmet Nazif Günal aus der Türkei war schlussendlich die beste konkrete Variante. Und es war mit Sicherheit eines der seriösesten Angebote für eine Übernahme, das ein Schweizer Verein in den letzten Jahren erhalten hat. Es wurden in der Folge dann auch tatsächlich Nägel mit Köpfen gemacht und die finanziellen Verpflichtungen immer pünktlich bezahlt.

Alle haben vom ambitionierten Projekt in Wil und dem frischen Geld aus der Türkei profitiert. Das lokale Gewerbe und vor allem natürlich die Spieler, deren Arbeitsbedingungen stark professionalisiert und die Löhne wesentlich angehoben wurden. Die Medien hatten eine interessante Story. Die ganze Challenge League hat sportlich einen Schritt nach vorne gemacht. Der FC Wil war der FCZ der Saison 2015/2016. Das Team mit Stars wie André Santos, Mert Nobre oder Egemen Korkmaz hat das Niveau der Liga angehoben und jeder wollte sie unbedingt besiegen. Viele Teams wurden aus einer gewissen Lethargie gerissen, allen voran Lausanne-Sport. Den Waadtländern taten die kompetitiven Duelle mit Wil gut. Die Mannschaft entwickelte sich weiter und hat nach dem Aufstieg Chancen, sich in der Super League zu behaupten. Lausanne, Aarau und Lugano profitierten zudem über lukrative Transfers auch direkt vom Geldsegen aus der Türkei.

Es ist ja nicht so, dass die Liga im Geld schwimmen würde. Zustupf von aussen ist grundsätzlich immer willkommen, denn die TV-, Sponsoring- und Zuschauereinnahmen bleiben nun mal auf einem vergleichsweise bescheidenen bergholz-habel-3Niveau. Die anderthalb Jahre, in welchen Mehmet Nazif Günal da war, hat er einen stark positiven Beitrag zum Schweizer Fussball geleistet. Und jetzt? Ohne Zweifel bleibt vor allem die Abruptheit des Abgangs des Türkischen Milliardärs höchst unbefriedigend. Aber sonst? Die Spieler müssen auf ihre finanziellen Privilegien wieder verzichten und sind zurück auf dem alten Niveau von vor der Günal-Ära. Der Stadionausbau, dem die Stadtverwaltung sowieso skeptisch gegenüberstand, wir nun doch nicht realisiert. Wil ist wieder dort, wo es vor der Günal-Ära war. Ein Klub, der finanziell eher zu den ärmeren Klubs der Challenge League gehört und auch mal zwischendurch mit einem Abstieg in die Promotion League rechnen muss, wo Wil eines der Top-Teams wäre.

Fussball ist ein Spiel – und es ist Unterhaltung. Natürlich sollte der Sport nicht zum Casino werden, aber ebensowenig zu einem langweiligen „Beamtenhalma“ auf Sparflamme verkommen. Die Besitzer von Fussballklubs riskieren ihr persönliches Geld, keine Pensionskassenvermögen braver Rentensparer. Wo liegt also genau das Problem? Das oberste Ziel im Spitzenfussball ist der sportliche Erfolg. Auch weltweit macht kaum ein Fussballklub Profit. Die Klubs geben alles Geld aus, das sie haben. Manchmal auch mehr. Aus diesem Grund leben fast alle Fussballklubs ständig am Rande der Insolvenz. Genauso wie auf dem Platz um jeden Meter gefightet wird, geht es auch neben dem Platz in der Schweiz bei allen nicht mit jahrelangen Champions League-Millionen gesegneten Klubs finanziell immer eng zu und her. Man kann und will keine wesentlichen Rücklagen für die Zukunft bilden, denn dies könnte die sportliche Wettbewerbsfähigkeit im Hier und Jetzt kompromittieren. Auch die Fans, Sponsoren und Medien messen die Klubs fast ausschliesslich am kurzfristigen sportlichen Erfolg.

Nach dem „französischen“ Abgang Günals, schlug in den Zeitungsspalten wieder die Stunde der populistischen Vorschläge. Zum Beispiel, dass Ausländern generell der Besitz von Schweizer Fussballklubs verboten werden soll. Oder dass von Eigentümern verlangt werden soll, die Löhne und Sozialleistungen für ein ganzes Jahr im voraus auf ein Sperrkonto einzuzahlen. Das Problem soll also mit immer mehr Restriktionen und Hürden gelöst werden. Diese Stossrichtung fusst allerdings auf einem fundamentalen Denkfehler. Das Grundproblem ist, dass die Klubs bei einem anstehenden Besitzerwechsel keine guten Kandidaten finden. Dies ist nicht wirklich überraschend, wie das Beispiel Wil plastisch vor Augen führt. Vereinsverantwortliche und Vereinsbesitzer erwartet von Seiten der Öffentlichkeit das ganze Spektrum von Skepsis über Undankbarkeit bis zu Beleidigungen und Hetzkampagnen und sogar offenem Hass oder wie im Fall Chagaev gar strafrechtlichen Konsequenzen für ihr Engagement.

Selbst Gigi Oeri und Bernhard Heusler (FCB) beim sportlich und finanziell erfolgreichsten Klub der Schweiz waren und sind davor nicht gefeit. Wer einen Fussballklub übernimmt, riskiert, alles zu verlieren: Zeit, Geld, Ruf, Sicherheit und Freiheit. Wer will sich und seinem unmittelbaren Umfeld so etwas noch antun? Die Antwort: nur Menschen, die entweder unwissend oder verrückt sind. Der bestmögliche Fall sind „positiv Verrückte“ à la Constantin, Canepa oder Rihs. Aber diese sind eine rare Spezies. Bernhard Heusler wollte direkt nach der Übernahme der Aktienmehrheit Gigi Oeris an der FC Basel Holding einen neuen Mehrheitsbesitzer finden – und schaffte es nicht! Selbst der äusserst erfolgreiche FCB mit einem enorm gut vernetzten Wirtschaftsanwalt an der Spitze benötigte geschlagene fünf Jahre, um mit Bernhard Burgener endlich den „Oeri-Nachfolger“ zu finden. Und nur dank dem mit der Champions League verbundenen Geldsegen musste man in der Zwischenzeit keinen Schnellschuss machen.

Im Interesse des Schweizer Fussballs sollte es sein, dass die Übernahme eines Fussballklubs so attraktiv ist, dass sich bei einer anstehenden Nachfolgeregelung mehrere valable Kandidaten dafür interessieren, so dass der Klub den besten Kandidaten hinsichtlich Nachhaltigkeit, Herzblut, Verwurzelung in der Region sowie finanzieller Unabhängigkeit auswählen kann. Es braucht also ganz sicher nicht noch zusätzliche Hürden für potentielle Interessenten. Stattdessen sollte die Eignerschaft an einem Schweizer Fussballklub für gute, einheimische Interessenten wieder attraktiver gemacht werden. Dazu gehört ein Abbau zu restriktiverer Regularien und eine fairere, ausgewogenere Presse für die aktuellen Verantwortlichen. Es muss sich wieder lohnen, einen Schweizer Fussballklub zu übernehmen und finanziell zu unterstützen.

(lst)

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