Alles zum Derby-Sieg

Vor dem Derby sprach Trainer Urs Meier intern mit der Mannschaft die Gründe an, die zur Niederlage gegen Thun geführt hatten, und gab auch zu, dass die Lösung des Problemes durchaus auch etwas Zeit in Anspruch nehmen könnte, da es sich um Entwicklungsprozesse von einzelnen Spielern zu mehr Konkurrenzfähigkeit handelt. Am 240. Zürcher Derby war denn auch noch nicht alles gut, allerdings trat der FCZ von Beginn weg als Team ziemlich fokussiert auf, und im Gegensatz zu früheren Gelegenheiten schaltete das Team in Überzahl keinen Gang zurück, sondern zog über weite Strecken ein Powerplay in der gegnerischen Hälfte auf. Dies gegen einen Gegner, bei welchem einige Einzelspieler (Dabbur, Ravet, Pavlovic) eine Topleistung ablieferten, glücklicherweise aber nicht das ganze Team. Der FCZ wurde also natürlich auch wegen der Roten Karte nicht bis aufs äusserste gefordert, musste aber trotzdem immer hellwach bleiben. Und sobald der zu viel Laufarbeit gezwungene Gegner erstmals Müdigkeitserscheinungen zeigte, schlug das Team von Urs Meier mit einem Angriff über rechts sofort zu. Am Ende war der FCZ bestrebt, vor allem die drei Punkte ins Trockene zu bringen.

Statistik:

Tore: 2 – Kajevic (1.Saisontor!), Chermiti

Torchancen: 6  – Djimsiti, Schneuwly, Chermiti. Chikhaoui, Schönbächler, Rodriguez

Vorlagen (zu Toren und Torchancen):  Schneuwly (2), Chiumiento, Nef, Kajevic, Chikhaoui

Top-Aktionen: 8 – Schneuwly (3), Schönbächler (2), Da Costa, Chermiti, Chikhaoui

Noten (Skala 1-10):

Spielfreude: 7

1 vs. 1: 7

Solidarität: 8

Zielstrebigkeit: 6

Standards: 6

Best Player: Christian Schneuwly

Da Costa (7); Nef (7) , Kecojevic (5), Djimsiti (3); Rodriguez (5), Kajevic (6), Schneuwly (8), Schönbächler (7) (91. Kleiber (-)); Chiumiento (7) (72. Rikan(5)); Chikhaoui (5), Chermiti (6) (81. Sadiku (3))

 

Liebe StaPo!

Liebe Zürcher Stadtpolizei,

Als Stimmbürger dieser Stadt gehöre ich zur grossen Gruppe Deiner übergeordneten Vorgesetzten und muss Dich für Deine willkürlichen und gewalteskalierenden Aktionen rund um das Zürcher Fussballderby vom letzten Samstag leider schärfstens zurechtweisen.

Du hast bereits in der Vergangenheit nicht nur gegenüber den Bürgern dieser Stadt und Region schon über die Stränge geschlagen, sondern auch gegenüber Besuchern von auswärts. Darum nochmal: Du hast von uns Bürgern eine grosse Macht übertragen bekommen, nämlich das Gewaltmonopol im öffentlichen Raum. Es gibt also keinen Konkurrenz-Sicherheitsdienst, den man anrufen kann, wenn man mit Deinen Dienstleistungen, Deinen Preisen oder dem Umfang Deiner Einsätze nicht einverstanden ist. Du trägst eine grosse Verantwortung, und das Vertrauen in Dich kann nur gerechtfertigt werden, so lange Du Deine Stellung als Monopolist nicht missbrauchst.

Kurz ein wenig Nachhilfeunterricht über Basiswissen Deiner Tätigkeit, welches Du offenbar in Deiner Berufsausbildung nicht ganz mitbekommen hast. Wir benutzen dazu die allseits beliebte Online-Enzyklopädie Wikipedia. Ein zentraler Begriff für Dich ist die „Rechtstaatlichkeit“. Wie Du sicher irgendwo schon mal gehört hast, ist dies ein Grundprinzip, nach welchem Du Dich als ausführende Gewalt in unserer Demokratie richten musst. Da heisst es zum Beispiel im entsprechenden Wikipedia-Artikel: „Alles staatliche Handeln, das in die Rechte eines Einzelnen eingreift, muss der Situation angemessen sein“. Das heisst, Du solltest die Gesamtsituation im Blick haben, nachvollziehbar und angemessen handeln, und Du solltest auf keinen Fall gewalteskalierend wirken, sondern im Gegenteil deeskalierend. Du bist ja auch weiss Gott kein halbstarker Teenager mehr, der vollgepumpt mit verrückt spielenden Hormonen überreagiert, wenn man ihn nur mal schief anschaut, oder?

Ein zweiter wichtiger Begriff mit dem Du Dich auseinandersetzen solltest, ist derjenige der Kollektivhaftung: „Kollektivhaftung ist die rechtliche Verantwortung einer Gruppe für Handlungen eines oder mehrerer ihrer Mitglieder. Im Falle von Familien spricht man von Sippenhaftung. Sie widerspricht der aufgeklärten Grundhaltung europäischer Kulturtradition, wonach jeder für seine Taten eine individuelle Verantwortung trägt.“ Weiter heisst es, dass Kollektivhaftung mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar sei. Du darfst also nicht in die freiheitlichen Rechte eines Menschen eingreifen, nur weil dieser die gleiche Hautfarbe oder das gleiche Geschlecht hat, wie jemand, der einen Gesetzesverstoss begangen hat. Selbst wenn beide das genau gleiche Trikot von Yassine Chikhaoui tragen, ist Kollektivhaftung ausgeschlossen!! Erstaunlich, nicht wahr?

Nun hast Du Dich trotz Deines schon ziemlich fortgeschrittenen Alters in letzter Zeit wirklich bemüht, Dich über all dieses neumodische Zeugs wie zum Beispiel dieses „Internet“ schlau zu machen und hast dort eine interessante Website mit dem Namen „Google“ entdeckt. Über diese Website hast Du vor dem Zürcher Derby herausgefunden, wann und wo sich ein Teil der FCZ-Fans besammeln und Richtung Stadion marschieren wollen. Du warst extrem stolz auf diese detektivische Glanzleistung und Dein Jagdeifer war nun natürlich geweckt. Denn Dich hatte es schon lange gestört, dass in den offiziellen Statistiken die Zahl der renitenten und gewaltbereiten Fussballfans viel zu wenig beeindruckend war. Du sahst nun Deine Chance mit einer konzertierten Aktion gleich hunderte von Fussballzuschauern als potentielle Hooligans zu fichieren.

Du hast alles vorbereitet, was es dazu braucht: eine geeignete Stelle für die Einkesselung wurde in einer Stabssitzung ausgewählt, mehrere Absperrwagen wurden direkt neben der Marschroute in einer Seitenstrasse versteckt, dazu die richtige Anzahl zusätzlicher Absperrgitter, und die Einsatztruppen wurden minutiös auf den Einsatz vorbereitet, so dass auf das entscheidende Signal hin alles generalstabsmässig ablief. Jeder Handgriff sass, die Abläufe liefen wie am Schnürchen, wie selbst die Opfer dieser Aktion neidlos anerkennen mussten. Darauf warst Du besonders stolz.

Da mir der Bus vor der Nase abgefahren war, kam ich zehn Minuten später an den Albisriederplatz und lief auf dem Weg zum Stadion kurz nach der Einkesselung auf die Szene zu. Hätte ich den Bus noch erwischt gehabt, wäre ich auch eingekesselt worden, und hätte den Match auf „Züri Live“-Radio nicht kommentieren können. Ich war höchst erstaunt, wie friedlich und ruhig sich die unter freiem Himmel Gefangengenommenen zu diesem Zeitpunkt verhielten. Auch davor war der Marsch Richtung Stadion gemäss verschiedensten Zeugenberichten friedlich und bezüglich Pyro oder Böller im „gewohnten Rahmen“ verlaufen. Der einzige, welcher dieser Darstellung widerspricht, ist natürlich Deine Pressestelle, und alle welche deren Mitteilungen ungeprüft abschreiben.

Der Weg des Marsches der FCZ-Fans von der Fritschiwiese zum Stadion ist äusserst kurz und dauert wenige Minuten. Da, wo die Einkesselung stattfand, ist auf diesem Weg der einzige Ort, wo so ein Manöver überhaupt möglich ist – ganze 200 Meter vom Stadion entfernt! Der Spuk des Fanmarsches wäre zwei Minuten später vorbei gewesen. In den Medien liessest Du hingegen verbreiten, der Marsch hätte angehalten werden „müssen“. Für wen? Sicherlich nicht für die Bürger dieser Stadt. Die Fans hätten die Badenerstrasse und die Tramlinie nur wenige Minuten blockiert, Du machtest daraus sechs Stunden! Die Meldung der VBZ, „Fussballfans“ würden die Badenerstrasse seit Stunden blockieren, ist in diesem Zusammenhang natürlich eine unerhörte Verdrehung der Tatsachen.

Angekommen beim Letzigrundstadion war ich dann erstaunt, dass an der Herdernstrasse auf der Gegentribünenseite, beim im Normalfall einzigen Hotspot, wo es Dich als Polizei an einem solchen Spiel wirklich braucht, um die rivalisierenden Fans auseinanderzuhalten, ein paar wenige verstreute Polizisten eher undiszipliniert und in lockerer Stimmung in der Gegend rumstanden. Offenbar wussten diese bereits, dass die FCZ-Anhänger noch Stunden im Kessel eingeschlossen bleiben würden.

Was mich am meisten enttäuscht, ist, wie Du Dich wie ein kleiner Tunichtgut aus der Sache herauszureden versuchst. Deine Aktionen (auch gegenüber dem Marsch der GC-Fans) seien „nicht geplant“ gewesen. Jeder, der dabei gewesen ist, weiss, dass es nicht stimmt. Angefangen bei den Polizisten über die eingekesselten Fans bis zu den Beobachtern der Szene. Warum untergräbst Du noch weiter Deine Glaubwürdigkeit mit Falschaussagen? Warum stehst Du nicht mal wie ein Erwachsener hin, und entschuldigst Dich für Deine Menschenrechtsverletzungen, für die von Dir verursachte Eskalation der Gewalt nach dem Spiel, für Deine völlig sinnlose Blockierung der Badenerstrasse während geschlagenen sechs Stunden, für die andauernde Verdrehung der Wahrheit in Deinen Pressemitteilungen?

Dein Einwand, Du hättest versucht, „Familien aus dem Kessel herauszuholen“ entblösst ja sehr schön die Unrechtmässigkeit und Willkür Deiner Aktion. Nehmen wir an, Deine Aussage stimmt (was Augenzeugen bestreiten), warum holst Du dann Väter oder Mütter aus dem Kessel heraus? Wenn die 800 Fussballanhänger wirklich zu Recht festgehalten worden wären, warum will man dann einzelne aufgrund ihres Familienstatus verschonen? Sind nicht alle Menschen vor dem Gesetz gleich? Es ging also ganz offensichtlich nicht darum, was diese Menschen getan haben, sondern darum, was sie sind. Bist Du ein Fussballfan gibt es schon mal drei Minuspunkte, hast Du aber Kinder, kannst Du wieder Boden gut machen mit zwei Pluspunkten, bist Du eine Frau gibt das einen weiteren Pluspunkt, als Mann hast Du immerhin die Möglichkeit, Krawatte und Hemd anzuziehen, dann kriegst Du diesen Pluspunkt ebenfalls. Ein Südkurvenpulli gibt hingegen schon mal fünf Minuspunkte. So kann jeder auf einer Skala seine Chancen auf Gerechtigkeit im Verhältnis mit der Zürcher Stadtpolizei zusammenzählen. Zwar nicht fair, aber immerhin transparent…

Was Du sicherlich mit Deiner Aktion erreicht hast, ist eine weitere Radikalisierung der Fussballfans. Am eigenen Leib erlebte Ungerechtigkeit prägt gerade junge Menschen enorm. Fussballanhänger im jugendlichen Alter, welche eine solche Polizeiaktion vielleicht das erste Mal miterlebt haben, sind im ersten Moment geschockt, in einer zweiten Phase werden sie aber Groll und Zorn empfinden, und versuchen, die erlebte Ohnmacht zu überwinden, und es sich das nächste Mal nicht mehr einfach so gefallen zu lassen. Aber vielleicht ist Dir das ja auch ganz recht. Denn „böse“ Fussballfans sind immer ein hilfreiches Argument, um im politischen Prozess ein höheres Polizeibudget zu rechtfertigen. Jede Organisation, auch die Polizei, braucht eine Daseinsberechtigung und schafft sich diese häufig gleich selbst. Ebenfalls erreicht hast Du, dass die Südkurve ihr sowieso schon eher wackeliges Vertrauen in Dich nun komplett verloren hat, und Informationen über ihre Pläne wohl nicht mehr öffentlich publizieren wird. Alles wird wieder viel klandestiner ablaufen, mit allen Nebeneffekten, welche dies mit sich bringt. Die Chance zum Dialog und einer gegenseitigen Annäherung, welche es zuvor durchaus gegeben hat, hast Du nun wirksam zerstört.

Mit Deinem direkten Vorgesetzten scheinst Du leider zur Zeit ein leichtes Spiel zu haben. Er ist bis heute nicht darüber informiert, was mit dem eigentlichen Ziel der Aktion, der Erfassung der Personendaten, passieren wird, ist mittlerweile aber trotzdem irgendwie überzeugt, dass Deine Aktion gerechtfertigt war. Unter diesen Umständen überrascht es auch nicht mehr, dass Du ihm das Märchen von der „spontanen Aktion“ aufbinden konntest.

Lukas Stocker, Züri Live