FC Winterthur: am Scheideweg

Der FC Winterthur ist zum Meisterschaftsstart im Letzigrund der erste Gegner des FCZ. Der Kantonsrivale startete mit folgender Aufstellung gegen Rapperswil-Jona in die Sommervorbereitung:

1606 winterthur aufstellung testspiel in rapperswil

Mit dem Zuzug des Innenverteidigers Savvas Exouzidis hat sich Winterthur im Sommer 2011 zu einem Aufstiegskandidaten gemacht, und zwei Saisons lang vorne mitgespielt. Die hartnäckigen Verletzungen des Deutschen und der Abgang von Daniel Sereinig liessen die Eulachstädter die letzten drei Jahre wieder ins Mittelfeld zurückfallen. Nächste Saison verspricht die Challenge League so stark wie nie zu werden, was für einen Klub wie Winterthur die Gefahr birgt, in den Abstiegsstrudel hineingerisssen zu werden.

Deshalb arbeitet Geschäftsführer Andreas Mösli zusammen mit Trainer Sven Christ auch an den letztjährigen Schwachstellen im Kader, vor allem dem Zentralen Mittelfeld, wo vom sehr launigen ehemaligen GC-Talent Gianluca D’Angelo einfach zu wenig kam, und Neuzugang Marco Mangold sowie Eigengewächs Patrik Schuler nicht überzeugten. Zwar hat „Winti“ den U21-Nationalspieler Musa Araz verloren, aber der Zuzug von Kreso Ljubicic (Biel), Nicola Sutter (Thun) und Robin Kamber (Vaduz) die berechtigte Hoffnung, mehr Stabilität und Struktur in die zentrale Achse des Spiels zu bringen.

Winterthur ist im Nachwuchsbereich nach dem FCZ und Servette das beste Challenge League-Team. Die U21 von Nachwuchstrainer Dario Zuffi hat in der abgeschlossenen Saison mit dem 4.Platz in der 1.Liga Classic Gruppe 3 ein bisher noch nie dagewesenes Glanzresultat erreicht. Aus dieser U21 waren gegen Rapperswil-Jona Marc Schmid, Gianluca Calbucci und Tiziano Lanza in der Startaufstellung.

Im Sturm steht ein Umbruch an – der langjährige Captain und Leistungsträger Patrick Bengondo konnte in der abgelaufenen Saison altershalber nicht mehr an sein bisheriges Leistungsniveau anknüpfen, und schliesst sich nun dem FC Le Mont an. Ob Joao Paiva weitermacht, ist nicht sicher. Christian Fassnacht hingegen macht innert kürzester Zeit den Sprung aus dem Amateurfussball über Winterthur in die Super League zum FC Thun. Wird Fassnacht der neue Renato Steffen?

Jordi Nsiala im Test mit Winterthur gegen Rapperswil-Jona

IMG_3417

Vaduz-Konterstürmer Manuel Sutter, Lausanne-Mitläufer Romain Dessarzin und der bissige Luka Sliskovic (Luzern) sind die bisherigen Neuen für die Offensive. Ausserdem wird der ehemalige FCZ-Junior Jordi Nsiala getestet. Dieser hat die letzte Saison beim FC Naters Oberwallis in der 1.Liga Classic gespielt. Ausserdem wird Leandro Di Gregorio, welcher letzte Saison nach seiner Rückkehr zum FCZ in vielerlei Hinsicht eine unglückliche Rolle gespielt hat, versuchen, an die Aufstiegssaison mit Lugano anzuknüpfen. Die Ausführung der Freistösse hat der Zürcher auf jeden Fall schon mal übernommen. Frane Cirjak, der vor einem Jahr als damaliger Testspieler des FC Luzern in der Swissporarena gegen Borussia Dortmund getroffen hat, ist zudem ein Thema für den Flügel.

Einer der besten Torhüter der Challenge League ist der von YB ausgeliehene David Von Ballmoos. Vor ihm verteidigt der erfahrene und schnelle Guillaume Katz. Verteidigertalent Julian Roth (U18-Nationalspieler, Sohn des ehemaligen FCW-Stürmers Sepp Roth) hätte zudem durchaus Chancen auf einen Stammplatz gehabt, fällt nun aber erstmal zu Beginn der Saison verletzt aus.

Am Scheideweg steht diese Saison nicht nur der FC Winterthur als ganzes (der langjährige Mäzen Hannes W. Keller zieht sich zurück), sondern auch eine ganze Reihe von Spielern, welche sich steigern müssen, um mittel- bis langfristig im Profibereich ein Auskommen zu finden – zum Beispiel Sandro Foschini, Michel Avanzini, Robin Kamber, Leandro Di Gregorio, Romain Dessarzin, Gianluca D’Angelo, Marco Trachsel oder Tunahan Cicek.

Leandro Di Gregorio beim Freistoss im hellblauen Auswärtstrikot des FCW

IMG_3432

Testspielgegner Rapperswil-Jona hingegen wird auch nächstes Jahr wieder zu den ganz wenigen Teams aus der Promotion League gehören, welche eine Lizenz für die Challenge League beantragen werden. Und nun, da Servette nicht mehr da ist, stehen die Chancen nicht schlecht, dass die Rosenstädter dies als bestklassiertes der interessierten Teams wird tun können.

 

 

 

Spannende Saison für Nachwuchs: noch mehr Fokus auf Talententwicklung

Die U18 des FC Zürich ist nach einem verdienten Sieg im Final gegen GC eben gerade Schweizer Meister geworden. An der Generalversammlung der FCZ AG und des Vereins FC Zürich erläutert der neue sportliche Leiter Thomas Bickel, dass die besten U18-Spieler nun noch schneller als bisher in der Promotion League (2.Mannschaft / U21) eingesetzt werden sollen. Die Durchlässigkeit soll weiter verbessert werden. Die Entwicklung dieser Talente hat auch Priorität gegenüber sportlichen Zielen.  Zwar soll wie in der abgelaufenen Saison in der Promotion League erneut der Klassenerhalt angepeilt werden – aber nicht auf Kosten der möglichst frühen Integration der U18-Spieler.

Tatsächlich hat es in der ziemlich ausgeglichen besetzten Equipe von Ludovic Magnin und Jakob Jakob einige Kandidaten, die man sich nächste Saison bereits in der Promotion League vorstellen kann. Eine Stufe höher, beim Übergang von der U21 in die 1.Mannschaft, wird neben Michael Kempter auch Aldin Turkes fix zur Challenge League-Mannschaft gehören. Vasilije Janjicic, Kilian Pagliuca, Nicolas Stettler, Mirlind Kryeziu und Albin Sadrijaj haben die Chance, sich in der Saisonvorbereitung für das Fanionteam aufzudrängen. Thomas Bickel stelle neben den bereits bekannten noch zwei bis drei weitere Neuzugänge in Aussicht. Dies würde aber aufgrund der im Vergleich mit der Super League reduzierten Kontingentsliste bedeuten, dass noch rund sechs Spieler gehen müssten.

Der Bereich der Abgänge war aber bisher ganz offensichtlich noch keine Priorität, und es wird sich zeigen, ob der FCZ am Ende wirklich auf die angestrebten 20 Feldspieler plus 3 Torhüter im Kader kommen wird.  Auf jeden Fall will die sportliche Führung ein Team, in welchem jeder Spieler nur für den Verein spielt – nicht für den Trainer oder für sich selber.  An der Generalversammlung angesprochen auf den externen Berater, welcher die sportliche Leitung des FCZ unterstützt, sagte Ancillo Canepa, dass dieser bereits ein paar Inputs und Studien geliefert habe. Er sei aber noch bei einem anderen Verein engagiert und könne erst im September definitiv zu- oder absagen. Den Namen konnte und wollte Canepa nicht nennen, aber er umschrieb die Person so detailliert (für Schweizer Verband und in Deutschland gearbeitet, in den Medien genannt), dass es sich dabei nur um Peter Knäbel (ex-SFV, aktuell HSV) handeln kann.

Geschäftszahlen belegen: der FCZ lebt von Transfereinnahmen

Die Entwicklung von jungen Spielern aus dem eigenen Nachwuchs ist nicht nur sportlich, sondern auch finanziell das grösste Standbein des FC Zürich. Dies wird aus den publizierten Zahlen des Geschäftsberichtes 2015 deutlich. Die Transfereinnahmen betrugen 7.8 Mio CHF und machten damit mehr als ein Drittel des Gesamtumsatzes der FCZ AG von 22.5 Mio CHF aus. Bereits im Vorjahr hatten die Transfereinnahmen 7.1 Mio betragen. Wie stark die im Geschäftsbericht ausgewiesenen Transfereinnahmen für 2015 wirklich den in diesem Jahr getätigten Transfers zugeordnet werden können, ist ohne Detailkenntnisse schwierig zu sagen.

Bei Ratenzahlungen und Erfolgsprämien kann ein grosser Teil der effektiven Transfereinnahmen erst zu einem späteren Zeitpunkt anfallen. Gleichzeitig kann ein Teil des Ertrages 2015 aus früheren Jahren stammen, oder aus Vorweggewinnbeteiligungen bestehen. Die Klubs, welche 2015 Spieler des FCZ kauften (an erster Stelle: Borussia Mönchengladbach mit gleich zwei Millionen-Transfers), haben aber mit Sicherheit für diese Spieler noch mehr Geld ausgegeben, als schlussendlich beim FCZ gelandet ist: dazu gehören Beraterhonorar, Handgelder für die Spieler, Steuern und allfällige Anteile von an den Spielerrechten partizipierenden Parteien.

Dass rund ein Drittel des Umsatzes durch Transfereinnahmen generiert werden kann, entspricht ziemlich genau auch den Zahlen der anderen Schweizer Klubs mit Top-Nachwuchsabteilungen: FCB und GC. Nur spielt sich beim FCB alles in anderen Grössenordnungen ab: die Transfereinnahmen betrugen im Jahr 2015 28.2 Millionen CHF, also deutlich mehr als der Gesamtumsatz des FCZ. Im Jahr 2014 waren die Einkünfte aus Transfers im St.Jakob Park gar 36 Mio gewesen. Auch vor diesem Hintergrund ist die Teilnahme an der Europa League-Gruppenphase für den FCZ sehr wertvoll, weil sich dadurch die jungen Talente zusätzlich weiterentwickeln und international beweisen können.

Ein Klub wie St.Gallen hatte hingegen im vergangenen Jahr nur Transfereinkünfte von rund 700’000.- zu verzeichnen gehabt. Insgesamt verdient der FC St.Gallen allerdings mehr Geld, als der FC Zürich. Der konsolidierte Gesamtumsatz 27,4 Mio liegt rund 5 Mio höher. Letzthin hatte Präsident Ancillo Canepa auf die Bemerkung eines Journalisten, dass der FCZ ja finanziell zu den Top 3 des Schweizer Fussballs gehöre, geantwortet: „Schön wärs!“. In praktisch allen Ertragsbereichen ausserhalb des Transferwesens generiert St.Gallen mehr Einnahmen, als der FCZ, insbesondere bei den Matcheinnahmen, Werbung, Sponsoren und Gönnern. In den letzten Jahren haben YB, Luzern, Sion, Servette oder St.Gallen den Nachwuchsbereich stark verbessert und ausgebaut. Es ist daher gut möglich, dass diese Klubs bald auch deutlich höhere Transfereinnahmen generieren werden und der Wettbewerbsvorteil des FCZ diesbezüglich schmilzt.

Neben FCB, YB und St.Gallen liegt mit Sicherheit auch der FC Sion finanziell über dem FCZ – Luzern und GC könnten etwa auf gleicher Höhe liegen. Aus der Challenge League ist sicherlich der FC Wil finanziell mindestens auf gleicher Höhe mit dem FCZ. Die genauen Zahlen sind allerdings bei einigen Klubs schwer zugänglich.

Die Personalausgaben lagen beim FCZ im abgelaufenen Geschäftsjahr bei 14,1 Mio CHF (Vorjahr 14,9 Mio) – rund 1 Mio höher, als beim FC St.Gallen (13,2 Mio). In diesen Personalausgaben sind aber noch Gehälter eines Yassine Chikhaoui, Amine Chermiti, Mario Gavranovic, Avi Rikan oder David Da Costa mit dabei. Nach diesen Abgängen sind die Personalkosten wohl bereits in der Rückrunde der Super League-Saison 2015/2016 unter das Niveau vor der Champions League-Saison 2009/2010 gesunken. Damals waren die Personalkosten von 12.7 Mio auf rund 16 Mio gestiegen.  Zieht man bei den Personalkosten den Nachwuchs, die Frauen, Verwaltung und Fan-Shop ab, waren die aufgrund Vergleichszahlen früherer Jahre von Züri Live geschätzten Personalkosten für die 1.Mannschaft im Jahr 2015 rund 9,5 Mio CHF. Zieht man davon die Kosten für Trainer und medizinische Abteilung ab, und bringt man zudem Sozialabgaben („Arbeitgeber-“ und „Arbeitnehmer“-Beiträge) in Abzug, kommt man auf eine Gesamt-Nettolohnsumme der 1.Mannschaft von rund 5 Mio CHF. Diese verteilt sich inklusive augeliehene Spieler und Nachwuchsspieler mit Profivertrag auf rund 35 Akteure, die zu jedem Zeitpunkt im Durchschnitt auf der „Payroll“ des FCZ waren. Dies macht im Schnitt rund 140’000.- Netto-Jahreslohn pro Spieler (inklusive Prämien). 

Dieser Wert wird 2016 aufgrund der namhaften Abgänge mit ziemlicher Sicherheit nochmal (deutlich) sinken. Yassine Chikhaoui hat der FCZ auch das negative Gesamtergebnis von 3,3 Mio CHF für 2015 zu verdanken. Dies trotz Betriebsgewinn von 0,6 Mio. Denn die Abschreibungen auf Spielerwerten machten genau diese 3,3 Mio aus. Das heisst, Chikhaoui war in den Büchern mit 3,3 Mio höher bewertet, als er dann tatsächlich verkauft werden konnte. In Bezug auf den Geldfluss bezieht sich dieser Verlust allerdings nicht aufs Jahr 2015. Trotzdem hat die Familie Canepa vor allem präventiv im Hinblick auf die kommende Challenge League-Saison das Aktienkapital um weitere 4 Mio erhöht, was eine sehr gute Eigenkapitalquote von 58% ergibt – mit Betonug auf „noch“, wie Ancillo Canepa an der Generalversammlung zu dieser Kennzahl in Vorahnung kommender Mindereinnahmen präzisiert hat. Zur Verminderung der Eigenkapitalbasis muss es aber nicht kommen. 2011 hatte der FCZ in der Europa League dank Matcheinnahmen und den Werbe-/TV-Beiträgen der UEFA rund 8 Mio CHF zusätzlichen Umsatz generiert. Ausserdem hat sich der Saisonkartenvorverkauf für die neue Saison schon gut angelassen, wie man hört.