Beim erneut sehr engagiert auftretenden Chiasso holt der FCZ den siebten Sieg in der elften Rückrundenpartie und hält den Neunpunktevorsprung gegenüber dem zweitplatzierten Xamax. Das Team von Trainer Forte spielte über weite Strecken der Partie Pressing gegen auf einen gepflegten Aufbau setzende Südtessiner. Beim schnellen Umschaltspiel wurde vorne das Sturmduo Dwamena/Koné gesucht, welches aktuell aber weiterhin etwas seiner Form hinterherläuft. Die Spritzigkeit und Präzision fehlte im Sturm in vielen Aktionen. Nach der Führung durch Moussa Koné konnte Marzouk mit der einzigen Chiasso-Chance der Ersten Halbzeit per Kopf ausgleichen, allerdings aus offsideverdächtiger Position.

Das Gegentor hatte sich aber trotzdem etwas angedeutet, war doch das Heimteam ab Minute 20 besser in die Partie gekommen. Kurz vor der Pause erzielte Dwamena das vermeintliche 2:1, aber Schiedsrichter Schärer anerkannte dieses nicht und entschied stattdessen unverständlicherweise auf angebliche Schwalbe von Moussa Koné. Dieser war kurz vor dem Strafraum von Monighetti zurückgehalten worden und gleich anschliessend warf sich ihm Guatelli, wie es dessen Art ist, ungestüm mit dem ganzen Körper in den Laufweg und trifft den FCZ-Stürmer mit der Hand am Fuss, ohne den Ball auch nur zu berühren. Auf ähnliche Art und Weise, wenn auch mit noch etwas mehr Wucht, hatte Guatelli zuletzt in Schaffhausen einen Penalty verursacht, und war danach zwei Spiele gesperrt gewesen. In der Zweiten Halbzeit erzwang der initiative Adrian Winter nach einem Doppelpass mit Moussa Koné diagonal von halblinks im Strafraum das Game Winning Goal.

Chiasso – FCZ 1:2 (1:1)

Tore: 11. Koné (Kecojevic) 0:1, 33. Marzouk (Urtic) 1:1, 76. Winter (Koné) 1:2.

Chiasso: Guatelli; Urtic, Cinquini, Monighetti, Belometti; Abedini (82. Mujic); Padula, Palma (67. Ramadani), Simic, Regazzoni (67. Inters Gui); Marzouk.

FCZ: Vanins; Brunner, Bangura, Kecojevic, Voser; Winter, Rüegg, Kukeli (46. Marchesano), Rodriguez (71. Schönbächler); Koné (78. Buff), Dwamena.

 

 

Seit Anfang der 60-er Jahre hat der FCZ 15 Mal in der Meisterschaft im Comunale von Chiasso gespielt. Dabei gab es laut dbfcz.ch 8 Siege, 2 Unentschieden und 5 Niederlagen. Der 2:0-Sieg im Tessiner November war genau so hart erkämpft, wie zuletzt das 1:0 im Letzigrund vor rund zwei Monaten. Noch hat der FCZ in dieser Saison gegen die Südtessiner kein Gegentor erhalten und alle Punkte gewonnen. Ein „Dreier“ ist auch dieses Wochenende äusserst wichtig, nachdem Xamax am Samstag in Wohlen 2:1 gewonnen hat.

1704-fcz-moegliche-aufstellung-in-chiasso

In der Defensive muss Trainer Uli Forte an seinem 43. Geburtstag improvisieren, nachdem Nef gesperrt, sowie Alesevic, Kryeziu, Sarr, Kempter und möglicherweise auch Kecojevic verletzt sind. Als Kandidaten für die Innenverteidigung neben Bangura kommen im Falle eines Verzichts von Kecojevic in erster Linie Burim Kukeli und Cédric Brunner in Frage. Spielt Brunner im Zentrum, könnte Stettler auf der rechten Seite zum Zuge kommen. Wahrscheinlicher ist aber die „Zurückversetzung“ des erfahrenen Kukeli. Kevin Rüegg ist mit ins Tessin gereist und könnte möglicherweise sogar in der Startformation stehen.

1704-chiasso-moegliche-aufstellung-gegen-fcz

Chiasso hat mit dem neuen Trainer Raineri zuletzt mit einem auch etwas glücklich zustandegekommenen 3:1 im Direktduell gegen Wil wieder mal gepunktet. Der Franzose Younes Bnou Marzouk (9 Tore), erfolgreichster Torschütze der Tessiner, konnte dabei mit seinen zwei Treffern etwas fürs Selbstvertrauen tun. Der von Juventus Turin ausgeliehene Stürmer hat seit seinem erfolgreichen Auftakt bei Chiasso im Februar nur noch gegen den FC Wil getroffen. Bester Vorbereiter ist Andrea Padula (8 Assists). Komplettiert wird das Offensivtrio durch den schnellen Inters Gui. Routinier Alberto Regazzoni (33 Jahre) spielt hingegen seit der Winterpause nicht mehr eine wichtige Rolle. Von den Stammspielern der Rückrunde fehlt nur das von Brescia ausgeliehene Talent Carte Said, der gegen Wil in der 90. Minute seine vierte Gelbe Karte abgeholt hat.

Die Swiss Football League teilt in einer Mitteilung von heute mit, dass ihr Rekursgericht entschieden hat, dem FC Wil definitiv 3 von ursprünglich 6 verhängten Punkten abzuziehen. Das Rekursgericht revidiert damit zu Recht die von Züri Live angeprangerte willkürlich wirkende Entscheidung der Disziplinarkommission, für einen einzelnen Tatbestand gleich zwei Strafen auszusprechen. Das nun definitiv gefällte Urteil ist nicht per se willkürlich, falls in Zukunft alle anderen Klubs mit gleichem Mass gemessen werden, wodurch allerdings bei konsequenter Anwendung in den nächsten Jahren regelmässig Meisterschaftsentscheidungen am „Grünen Tisch“ drohen.

Tessiner Weekend für den FCZ! Das Challenge League-Team reist bereits am Samstag nach Lugano, um sich auf die Auswärtspartie am Sonntagnachmittag vorzubereiten. Gegen Chiasso, das in der Rückrunde zu Hause erst ein Spiel verloren hat, wird es nicht einfach, die angestrebten drei Punkte zu erringen. Bei der ersten Partie im Comunale im Spätherbst war Alain Nef einer der entscheidenden Akteure für den 2:0-Auswärtssieg gewesen. Der Vizecaptain fehlt diesmal gesperrt, Alesevic und Kryeziu sind verletzt und Ivan Kecojevic weiterhin fraglich. Im Vorschau-Interview mit Züri Live erklärt Trainer Uli Forte unter anderem, die Optionen, die ihm in der Innenverteidigung für Chiasso vorschweben:

Schlechte Nachrichten gibt es von Sangoné Sarr. Dieser muss nach der linken Schulter im Herbst nun auch die rechte Schulter operieren lassen. Dieser Eingriff wird so schnell wie möglich vorgenommen, damit der Senegalese eine Chance hat, auf die Saisonvorbereitung 2017/18 hin wieder mit dabei zu sein. Bei Michael Kempter ist aufgrund seiner schmerzhaften Wirbelsäulenbeschwerden an ein Training zur Zeit nicht zu denken. Auch wird der Doppelausfall von Alesevic und Kryeziu in der Innenverteidigung auf jeden Fall Auswirkungen auf die Personalplanung im Sommer haben, wie Trainer Forte gegenüber Züri Live bestätigt.

Die FCZ Frauen treten bereits am Samstag um 17 Uhr im Heerenschürli zur abschliessenden Partie der Qualifikation gegen FF Lugano an. Die in der Tabelle Viertplatzierten Tessinerinnen haben seit Mitte Februar kein Spiel mehr verloren und den Zürcherinnen im Oktober zu Hause ein 3:3 abgetrotzt.  Die Stars des Teams mit vielen aus dem College-Fussball ins Tessin gewechselten jungen Amerikanerinnen sind die Kalifornischen Zwillinge Cara und Lauren Curtin.

Cara Curtin war in ihrer Heimat an der Amerikanischen Westküste die beste College-Spielerin ihres Jahrganges und heute mit ihrer Schnelligkeit und Zielstrebigkeit eine der besten Stürmerinnen der Nationalliga A. Mit 16 Toren hat sie drei mehr erzielt als die beste FCZ-Torschützin Sanni Franssi (13), und traf auch am letzten Wochenende zwei Mal beim 2:1-Heimerfolg gegen GC. Tabellenführer Neunkirch trifft parallel zu Hause auf das inferiore Derendingen, das bisher in der ganzen Saison erst ein einziges Pünktchen geholt hat. Um also den Titel weiterhin aus eigener Kraft erringen zu können, muss der FCZ am Samstag gegen Lugano gewinnen. Die FCZ Frauen können daher speziell in diesem voraussichtlich engen Match die Unterstützung der Fans gut gebrauchen.

 

 

 

Um dieses 1:1-Unentschieden in Neuenburg zu holen, musste sich der FCZ im Vergleich zu den letzten Spielen steigern und hat dies auch getan. Die Partie in der Maladière hatte für die Challenge League eine sehr hohe Intensität mit zwei Teams, die beide von der ersten Minute an für diese Affiche bereit waren. Es war noch nicht alles picobello, aber trotzdem sah man das beste FCZ-Wettbewerbsspiel seit dem 4:0-Auswärtssieg am 20. November bei Servette.

Wie so häufig führte die hohe Intensität zweier sich auf Augenhöhe begegnender Teams zu einer eher kleinen Zahl an Torchancen. Entscheidend für den Punktgewinn war, dass der FCZ die Xamaxiens gleich zu Beginn der 2. Halbzeit nicht ins Spiel kommen liess. Normalerweise agieren die Neuenburger zu Hause nach der Pause fast unwiderstehlich.

Marco Schönbächler machte sein Sache im offensiven Zentrum gut. Trotzdem brachte Oliver Buff bei seinem Comeback noch einmal neuen Schwung ins Zürcher Spiel. Raphael Dwamena war zuvor bereits mit seinem schwächeren rechten Fuss der Führungstreffer nach einer optimalen Vorlage von Gilles Yapi auf Adrian Winter gelungen. Der Ausgleich in der 87. Minute war dann schwer zu verteidigen, denn der grossgewachsene und robuste Frédéric Nimani schraubte sich nach dem ideal getretenen Freistoss Velosos aus dem Mittelfeld heraus so hoch, dass ihm kaum beizukommen war – die ideale Kopfballweiterleitung in die Tiefe verwertete dann der 18-jährige Pedro Teixeira aus kurzer Distanz.

Xamax – FCZ 1:1 (0:0)

Tore: 50. Dwamena (Winter) 0 :1, 87. Teixeira (Nimani) 1 :1.

Xamax: Walthert; Gomes, Sejmenovic, Witschi, Gonçalves; Di Nardo (70. Qela), Veloso; Ramizi (72. Teixeira), Doudin, Nuzzolo (78. Nimani); Karlen.

FCZ: Vanins; Brunner, Nef, Bangura, Voser; Winter, Yapi, Kukeli, Rodriguez (86. Stettler); Schönbächler (64. Buff), Dwamena (74. Koné).

Andere Perspektiven auf die Liga und den FCZ sind immer interessant. Im Pauseninterview mit Züri Live trifft Xamax-Experte Jérémy Favre unter anderem folgende Aussagen:

  • Xamax verteidigte in der 1. Halbzeit sehr gut, besser als in anderen Ligapartien zuvor
  • Normalerweise beherrschen die Neuenburger im eigenen Stadion das Spiel, dem FCZ mussten oder wollten sie hingegen das Spieldiktat überlassen
  • Der FCZ spielt nicht mehr so dominant, wie noch im Herbst – beispielsweise beim 3:1-Sieg in der Maladière
  • Der FCZ hat im Herbst das Super League-Niveau halten können, scheint sich aber mittlerweile etwas dem Challenge League-Niveau angepasst zu haben
  • Gleichzeitig haben sich aber auch die Gegner mittlerweile viel besser auf den FCZ eingestellt und spielen mit weniger Risiko, was es dem FCZ schwerer macht – im Herbst hatten sich viele Gegner gegen den FCZ etwas ausgerechnet gehabt und waren eher überrascht, dass dieser den Abstieg so gut verkraftet hatte
  • Speziell Adrian Winter und Marco Schönbächler spielten im Herbst ähnlich wie bei Xamax Raphaël Nuzzolo auf einem höheren Niveau als der Rest der Liga, haben mittlerweile aber etwas nachgelassen
  • Aussenverteidiger Cédric Brunner ist ein Schwachpunkt beim FCZ, den Xamax konsequent auszunutzen versucht
  • Für die 2. Halbzeit wünschte sich Favre die Einwechslung des von YB ausgeliehenen Juniorennationalstürmers  Kwadwoh Duah (passierte nicht) und von Frédéric Nimani (ex-Monaco), weil dieser sich physisch gegen einen Alain Nef zur Wehr setzen könne (Nimani war dann tatsächlich entscheidend mit seiner Grösse und Sprungkraft in der Vorbereitung des 1:1 Ausgleiches)

Hier das Pauseninterview mit Jérémy Favre in voller Länge:

Gibt es im Spitzenkampf der Challenge League zwischen Xamax und dem FCZ ein Torfestival? Xamax hat im Jahr 2017 mit Ausnahme der Partie gegen Schaffhausen in jedem Heimspiel drei Tore erzielt. Der FCZ seinerseits hat in der gleichen Zeitperiode auswärts ausser in Genf immer mindestens vier Mal eingenetzt.

1704-fcz-moegliche-aufstellung-in-neuenburg

Im Tor und in der Abwehr wird der FCZ wohl in der Stammformation auflaufen. Nef und Kecojevic wären beide bei einer weiteren Gelben Karte gesperrt. Mit Bangura steht ein Ersatz bereit – suboptimal wäre angesichts der längerfristigen Verletzungen von Alesevic und Kryeziu aber vor allem, falls die beiden Routiniers die Sperre gleichzeitig absitzen müssten.

Im Zentralen Mittelfeld hat Burim Kukeli in dieser Saison in der Liga die meisten Spiele bestritten. Für die Position neben dem Oltner gibt es verschiedene Optionen. Sangoné Sarr ist angeschlagen. Antonio Marchesano wohl gerade auch auswärts bei Xamax eine zu offensive Variante. Kommt Kevin Rüegg zu einer Chance in der Startformation wie schon in Wohlen und gegen Chiasso? Wahrscheinlicher ist, dass Trainer Forte in dieser wichtigen Partie auf die Routine von Captain Gilles Yapi setzt, der gegen Aarau nicht im Aufgebot stand.

Aufgrund der an der Vorschau-Pressekonferenz von Trainer Uli Forte vermittelten Informationen könntein der Zentralen Offensive Oliver Buff nach seiner Verletzungspause zu seinem Comeback kommen, aber auch ein langsamer Wiedereinbau wäre möglich. Neben Raphael Dwamena könnte daher ebenso gut Antonio Marchesano vorne auf seiner Lieblingsposition zum Handkuss kommen. Moussa Koné ist leicht angeschlagen und die Kombination mit Dwamena hat vorne in den letzten drei Partien nicht immer stabil funktioniert.

1704-xamax-moegliche-aufstellung-vs-fcz

Bei Xamax fehlt weiterhin Innenverteidiger Djuric, wobei der grossgewachsene Witschi keine wesentliche Verschlechterung auf dieser Position neben „Challenge League-Dino“ Sejmenovic darstellt. Spielt auf der zweiten Offensiven Flügelposition neben Raphael Nuzzolo erneut der austrebende 18-jährige Pedro Teixeira, oder setzt Trainer Decastel auf den älteren Samir Ramizi?

 

 

„Gaht’s no?“, „Nöd ganz bachä?“, „Geschter ztüüf id Guttere glueget?“. So und ähnlich stelle ich mir die Reaktion auf den Titel dieses Artikels in Teilen meines Fussballumfeldes in etwa vor. Ja, der FC Wil ist nicht das Schätzli der Nation und in der Ostschweizer Beliebtheitsskala gegenüber dem alles beherrschenden FC St. Gallen weit im Hintertreffen – sogar in Wil selbst! Auch in den Fankurven des Landes haben die Wiler keine Freunde – mit Ausnahme ein paar treuer Nasen in der Schaffhauser Bierkurve. Kein Wunder lässt sich einfach und folgenlos auf dem Klub herumtrampeln – von Politikern, Journalisten und Fussballinteressierten landauf landab. Auf dieses Schwarze Schaf konnte man sich schnell einigen.

Kein Wunder, lassen sich von Seiten der Disziplinarkommission der Liga schnell mal Punktabzüge aussprechen. Und dies gleich doppelt! Einmal aufgrund von nicht vollständig bezahlten Januarlöhnen und einmal wegen entsprechend ebenfalls fehlendem Nachweis der dazugehörigen Sozialversicherungszahlungen. Also zwei Tatbestände, welche materiell eigentlich identisch sind. Es geht dabei um nicht komplette Nachweise bei drei Spielern. Das Strafmass wirkt aus neutraler Sicht willkürlich. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Liga das Strafmass auf der Basis der Anzahl BLICK-Schlagzeilen kalkuliert. Einen faden Beigeschmack erhält die Sache ausserdem dadurch, dass Heinrich Schifferle, Vizepräsident von Abstiegskonkurrent Winterthur, nach dem Rücktritt von Wil-Präsident Bigger in der Liga-Exekutive noch mehr Einfluss geltend machen kann, selbst wenn diese keine direkte Entscheidungsgewalt in Disziplinarfragen hat.

Dabei sollte für eine seriöse Rechtssprechung keine Rolle spielen, wie beliebt ein Klub ist, wie viele reisserische BLICK-Schlagzeilen produziert wurden, und ob direkte Konkurrenten in der Liga-Exekutive Einfluss haben. Es kann nicht sein, dass wie bei einer mittelalterlichen Hexenjagd einfach aufgrund schlechter Presse dem Instinkt bergholz-silhouette-hagelnachgegeben wird, „irgendetwas“ gegen das Schwarze Schaf unternehmen zu müssen. Fehler passieren überall. Würde die Disziplinarkommission in Zukunft bei den monatlichen Abrechnungen die Verschärfung des Lizenzreglements wirklich immer so streng bewerten wie aktuell beim FC Wil, dann würden die Super League und Challenge League zunehmend am Grünen Tisch entschieden. Es gewinnt der Klub mit den zuverlässigeren „Bürogummis“, und nicht derjenige mit der besseren Fussballmannschaft. Dazu kommt die ebenfalls völlig unsinnige Regel der Bestrafung eines Klubs bei „unbewilligtem Eigentümerwechsel“ welche gegen fundamentalste rechtsstaatliche Prinzipien verstösst. Denn für eine Bestrafung muss eine rechtswidrige Handlung gegeben sein. Ein Eigentümerwechsel hingegen kann gänzlich ohne Beteiligung und sogar ohne das Wissen des Klubs vonstatten gehen.

Das Klubbudget innerhalb von wenigen Wochen um rund das Fünffache zu kürzen, wie die Wiler Verantwortlichen dies im Februar unter enormem Zeitdruck bewerkstelligten, ist eine Parforceleistung, welche 99% der Besserwisser nicht hingekriegt hätten. Besserwisser sind auch in diesem Fall das Gegenteil von Bessermachern. Im Gegensatz zu allen Besserwissern hat das Team um Präsident Roger Bigger den Klub über ein Jahrzehnt mit bescheidenen Mitteln und grossem Einsatz erfolgreich geführt. Für heutige Bundesligaspieler wie Fabian Schär oder Dario Lezcano, aber auch erfolgreiche Schweizer Trainer wie Marcel Koller oder Uli Forte war der FC Wil in dieser Zeit der entscheidende Entwicklungsschritt.

Warum „sind wir FC Wil“? Weil Wil kein Spezialfall, sondern viel eher typisch für alle nicht mit Champions League-Millionen gesegneten Schweizer Profiklubs ist. Es wird schnell vergessen, dass vor zwei Jahren die langjährigen verdienstvollen gewerblichen Sponsoren des FC Wil zum Schluss kamen, dass aufgrund des damals neuen FIFA-Verbots der „Third Party Ownership“ an Spielern ein Engagement wie bisher für sie nicht mehr finanzierbar ist. Sie mussten den Klub so oder so abgeben. Es wurde händeringend nach einem neuen Besitzer für den Klub gesucht, so wie fast alle Klubs in der Schweiz aktuell, in der jüngeren Vergangenheit oder in baldiger Zukunft händeringend nach neuen Verantwortlichen suchen müssen. In der Region liess sich niemand finden. Mehmet Nazif Günal aus der Türkei war schlussendlich die beste konkrete Variante. Und es war mit Sicherheit eines der seriösesten Angebote für eine Übernahme, das ein Schweizer Verein in den letzten Jahren erhalten hat. Es wurden in der Folge dann auch tatsächlich Nägel mit Köpfen gemacht und die finanziellen Verpflichtungen immer pünktlich bezahlt.

Alle haben vom ambitionierten Projekt in Wil und dem frischen Geld aus der Türkei profitiert. Das lokale Gewerbe und vor allem natürlich die Spieler, deren Arbeitsbedingungen stark professionalisiert und die Löhne wesentlich angehoben wurden. Die Medien hatten eine interessante Story. Die ganze Challenge League hat sportlich einen Schritt nach vorne gemacht. Der FC Wil war der FCZ der Saison 2015/2016. Das Team mit Stars wie André Santos, Mert Nobre oder Egemen Korkmaz hat das Niveau der Liga angehoben und jeder wollte sie unbedingt besiegen. Viele Teams wurden aus einer gewissen Lethargie gerissen, allen voran Lausanne-Sport. Den Waadtländern taten die kompetitiven Duelle mit Wil gut. Die Mannschaft entwickelte sich weiter und hat nach dem Aufstieg Chancen, sich in der Super League zu behaupten. Lausanne, Aarau und Lugano profitierten zudem über lukrative Transfers auch direkt vom Geldsegen aus der Türkei.

Es ist ja nicht so, dass die Liga im Geld schwimmen würde. Zustupf von aussen ist grundsätzlich immer willkommen, denn die TV-, Sponsoring- und Zuschauereinnahmen bleiben nun mal auf einem vergleichsweise bescheidenen bergholz-habel-3Niveau. Die anderthalb Jahre, in welchen Mehmet Nazif Günal da war, hat er einen stark positiven Beitrag zum Schweizer Fussball geleistet. Und jetzt? Ohne Zweifel bleibt vor allem die Abruptheit des Abgangs des Türkischen Milliardärs höchst unbefriedigend. Aber sonst? Die Spieler müssen auf ihre finanziellen Privilegien wieder verzichten und sind zurück auf dem alten Niveau von vor der Günal-Ära. Der Stadionausbau, dem die Stadtverwaltung sowieso skeptisch gegenüberstand, wir nun doch nicht realisiert. Wil ist wieder dort, wo es vor der Günal-Ära war. Ein Klub, der finanziell eher zu den ärmeren Klubs der Challenge League gehört und auch mal zwischendurch mit einem Abstieg in die Promotion League rechnen muss, wo Wil eines der Top-Teams wäre.

Fussball ist ein Spiel – und es ist Unterhaltung. Natürlich sollte der Sport nicht zum Casino werden, aber ebensowenig zu einem langweiligen „Beamtenhalma“ auf Sparflamme verkommen. Die Besitzer von Fussballklubs riskieren ihr persönliches Geld, keine Pensionskassenvermögen braver Rentensparer. Wo liegt also genau das Problem? Das oberste Ziel im Spitzenfussball ist der sportliche Erfolg. Auch weltweit macht kaum ein Fussballklub Profit. Die Klubs geben alles Geld aus, das sie haben. Manchmal auch mehr. Aus diesem Grund leben fast alle Fussballklubs ständig am Rande der Insolvenz. Genauso wie auf dem Platz um jeden Meter gefightet wird, geht es auch neben dem Platz in der Schweiz bei allen nicht mit jahrelangen Champions League-Millionen gesegneten Klubs finanziell immer eng zu und her. Man kann und will keine wesentlichen Rücklagen für die Zukunft bilden, denn dies könnte die sportliche Wettbewerbsfähigkeit im Hier und Jetzt kompromittieren. Auch die Fans, Sponsoren und Medien messen die Klubs fast ausschliesslich am kurzfristigen sportlichen Erfolg.

Nach dem „französischen“ Abgang Günals, schlug in den Zeitungsspalten wieder die Stunde der populistischen Vorschläge. Zum Beispiel, dass Ausländern generell der Besitz von Schweizer Fussballklubs verboten werden soll. Oder dass von Eigentümern verlangt werden soll, die Löhne und Sozialleistungen für ein ganzes Jahr im voraus auf ein Sperrkonto einzuzahlen. Das Problem soll also mit immer mehr Restriktionen und Hürden gelöst werden. Diese Stossrichtung fusst allerdings auf einem fundamentalen Denkfehler. Das Grundproblem ist, dass die Klubs bei einem anstehenden Besitzerwechsel keine guten Kandidaten finden. Dies ist nicht wirklich überraschend, wie das Beispiel Wil plastisch vor Augen führt. Vereinsverantwortliche und Vereinsbesitzer erwartet von Seiten der Öffentlichkeit das ganze Spektrum von Skepsis über Undankbarkeit bis zu Beleidigungen und Hetzkampagnen und sogar offenem Hass oder wie im Fall Chagaev gar strafrechtlichen Konsequenzen für ihr Engagement.

Selbst Gigi Oeri und Bernhard Heusler (FCB) beim sportlich und finanziell erfolgreichsten Klub der Schweiz waren und sind davor nicht gefeit. Wer einen Fussballklub übernimmt, riskiert, alles zu verlieren: Zeit, Geld, Ruf, Sicherheit und Freiheit. Wer will sich und seinem unmittelbaren Umfeld so etwas noch antun? Die Antwort: nur Menschen, die entweder unwissend oder verrückt sind. Der bestmögliche Fall sind „positiv Verrückte“ à la Constantin, Canepa oder Rihs. Aber diese sind eine rare Spezies. Bernhard Heusler wollte direkt nach der Übernahme der Aktienmehrheit Gigi Oeris an der FC Basel Holding einen neuen Mehrheitsbesitzer finden – und schaffte es nicht! Selbst der äusserst erfolgreiche FCB mit einem enorm gut vernetzten Wirtschaftsanwalt an der Spitze benötigte geschlagene fünf Jahre, um mit Bernhard Burgener endlich den „Oeri-Nachfolger“ zu finden. Und nur dank dem mit der Champions League verbundenen Geldsegen musste man in der Zwischenzeit keinen Schnellschuss machen.

Im Interesse des Schweizer Fussballs sollte es sein, dass die Übernahme eines Fussballklubs so attraktiv ist, dass sich bei einer anstehenden Nachfolgeregelung mehrere valable Kandidaten dafür interessieren, so dass der Klub den besten Kandidaten hinsichtlich Nachhaltigkeit, Herzblut, Verwurzelung in der Region sowie finanzieller Unabhängigkeit auswählen kann. Es braucht also ganz sicher nicht noch zusätzliche Hürden für potentielle Interessenten. Stattdessen sollte die Eignerschaft an einem Schweizer Fussballklub für gute, einheimische Interessenten wieder attraktiver gemacht werden. Dazu gehört ein Abbau zu restriktiverer Regularien und eine fairere, ausgewogenere Presse für die aktuellen Verantwortlichen. Es muss sich wieder lohnen, einen Schweizer Fussballklub zu übernehmen und finanziell zu unterstützen.

(lst)