Mehr Sport als Aggression: Winterthur – FCZ Highlights und Nachbetrachtung

„Mehr Aggression als Sport“ betitelte „Tele Züri“ im Nachgang zum Kantonsderby einen seiner Beiträge. Wie üblich schwingen in den Redaktionsstuben diejenigen das Szepter, die gar nicht vor Ort waren. Denn wer dabei war, wird bestätigen: es war deutlich mehr Sport als Aggression zu sehen, und dazu eine wie schon im Dezember an gleicher Stätte geradezu exemplarisch positive Atmosphäre. Damit ist nicht ein „egal wer das Tor schiesst, wir hüpfen und jubeln alle auf Kommando dumm herum“-Ding wie aus den Werbespots einer international viel zu bekannten Biermarke gemeint. Im Gegenteil: es wurde klar Position bezogen. Es gab in den neutralen Sektoren auf der Gegentribüne und der Haupttribüne so viele Zuschauer mit blau-weissem oder rot-weissem Schal, Foular oder Trikot wie sonst nie. Weil das bei einer Partie FCW gegen FCZ eben möglich ist.

Die Konkurrenz und Rivalität war zu spüren, dies aber immer im Sinn des klassisch englischen Sportsmanship. Nach dem Spiel war der Vorplatz vor der Libero-Bar noch lange komplett voll. Es schien etwas vom Geist der miteinander gut bekannten Vereinsgründer der im Jahre 1896 mit nur wenigen Wochen Abstand aus der Taufe gehobenen Klubs in der Luft zu liegen. In einem Mainstream-Medium würde es nun heissen: „Zürcher und Winterthurer feierten gemeinsam“. Nein, taten sie nicht. Friedlich Seite an Seite wurde in angeregten Diskussionen der Match verarbeitet, verdaut und runtergespült. Aber feiern? Der FCW hatte 0:3 verloren. Und die FCZ-Fans werden auch erst feiern, wenn der Aufstieg definitiv feststeht.

Ausgelassener war die Stimmung nach dem wichtigen Sieg in der FCZ-Kabine. Irgendwann fuhr der FCZ-Mannschaftsbus mit einem Hupkonzert an der johlenden Menge vorbei, aus der bunt gemischt wahlweise Zeigefinger oder Mittelfinger in die Höhe gestreckt wurden. Während dem Spiel hatte mit Hilfe der Verantwortung übernehmenden gemischten Fans auf der Gegentribüne ein Böllerwerfer sofort dingfest gemacht werden können. Auch dies ein aussergewöhnlicher Vorgang in einem Schweizer Stadion, und Ausdruck des guten Vibes auf den Rängen. Der Böller war auf dem Spielfeld in der Mitte zwischen Raphael Dwamena und Patrik Schuler explodiert. Während der Ghanaer kaum mit der Wimper zuckte, sank Schuler zu Boden. Nach der Partie räumte er im Interview mit Züri Live ein: „es war der Schock“. Nach dem dritten Zürcher Tor wurde ein  Böller aus der FCZ-Kurve Richtung feiernde FCZ-Spieler geworfen. Dieser explodierte in der Nähe von Antonio Marchesano, der sich kurz das Ohr hielt, und dann weiter jubelte. Ein 10-jähriger Junge auf der Tribüne reagierte trotz grösserer Distanz zum Geschehen stärker auf den Knall. Dass dann Tages-Anzeiger und Tele Züri aus dieser Reaktion heraus anschliessend die Mär konstruierten, es sei ein Böller auf die Tribüne geworfen worden, ist wieder eine andere Geschichte.

Von den anschliessenden Scharmützeln am Bahnhof haben die meisten Matchbesucher nichts mitbekommen. In letzter Zeit haben gerade aus dem Schaffhauser Umfeld rund um Challenge League-Spiele „Mutproben“ in Form von Provokationen kleiner Fangrüppchen gegen eine zahlenmässig überlegene gegnerische Fanschar zugenommen. Je grösser dabei der Schutz durch das dazwischenstehende Polizeiaufgebot, desto frecher und aggressiver treten die „Kleinen“ dabei auf. Nach dem Herblinger Park-Eröffnungsspiel Schaffhausen – Winterthurer folgten zwei vermummte „Schaffhauser“ den gegnerischen Fans bis auf den Bahnsteig, provozierten diese und wurden daraufhin von rund 30 gewaltbereiten Winterthurern gejagt. Vor Wochenfrist nach dem Spiel Schaffhausen – Aarau waren die mitgereisten Aarauer von einem grossen Polizeiaufgebot abgeschirmt und auf der anderen Seite die zu Provokationen aufgelegten Schaffhauser noch weit zahlreicher als noch gegen Winterthur. Auch am Match Winterthur – FCZ soll der Böllerwerfer von der Gegentribüne ein Schaffhauser gewesen sein. Wie man allerdings in Friedenszeiten auf die Idee kommen kann, aus 10 Metern Höhe ein Metallteil auf eine Gruppe auf den Zug wartender Fussballfans zu werfen, ist erbärmlich, feige, nicht nachvollziehbar, und hat auch mit einer Mutprobe nichts mehr zu tun. Der 27-jährige schwer verletzte FCZ-Fan hat auf jeden Fall unsere volle moralische Unterstützung!

Zum Spiel: der FCZ setzte Winterthur von Beginn weg unter Druck. Das Pressing funktionierte mit dem gut antizipierenden Oli Buff hinter Moussa Koné besser und geordneter als zuletzt mit dem Zweimannsturm Dwamena/Koné. So konnte nach einem Ballgewinn von Stettler und Marchesano und dem Pass Buffs in die Tiefe Koné früh das wichtige 1:0 erzielen. Kevin Rüegg zeigte erneut eine gute Leistung und Antonio Marchesano war erstmals auch defensiv ein einigermassen solider Wert. Die in der Matchvorschau angesprochenen vier Offensivwaffen des FC Winterthur griffen diesmal nicht.

Erstmals seit zwei Monaten erzielte Winti kein Tor. Dies hatte auch damit zu tun, dass der FCZ kaum gegnerische Standards in Strafraumnähe zuliess und Gianluca Frontino nicht seinen besten Tag erwischte. Die Offensivwaffe N. 1 kam aber trotzdem zum Zug – Silvio setzte allerdings nach dem langen Ball hinter die Abwehr von Kamber aus der „Roth-Position“ kurz nach dem Zürcher 0:2 den Ball alleine vor Andris Vanins knapp vorbei. Auch Manuel Sutter konnte nach Doppelpass mit Frontino am Strafraum von einer Unaufmerksamkeit Cédric Brunners nicht profitieren. Nach der verletzungsbedingten Auswechslung Brunners in der 73. Minute stellte Trainer Uli Forte auf Dreierabwehr mit Winter und Stettler als Aussenläufer um.

Winterthur – FCZ 0:3 (0:1)

Tore: 2. Koné (Buff) 0:1; 58. Buff (Marchesano) 0:2, 90.+1 Dwamena (Rodriguez) 0:3.

Winterthur: Minder; Schuler, Katz, Schättin; Di Gregorio (46. Sutter), Ljubicic (82. Hebib), Radice; Kamber, Gazzetta (60. Sliskovic); Frontino, Silvio.

FCZ: Vanins; Brunner (73. Bangura), Nef, Kecojevic, Stettler; Winter, Rüegg, Marchesano, Rodriguez; Buff (69. Dwamena), Koné (77. Schönbächler).