„Back in the Super League“ – die Liga, die Gegner
Die neue Super League-Saison ist gestern mit zwei interessant verlaufenden Partien (YB – Basel, Lausanne – St.Gallen) gestartet. In Bern gab es zum ersten Mal eine Saison-Eröffnungszeremonie. In dieser schlichten und fussballbezogenen Art ist so ein ritueller Startschuss sicherlich zu begrüssen. Die Trikots der Super League-Klubs werden grossformatig präsentiert und erinnern daran, wie viel Leistung hinter jeder dieser Organisationen steckt, um überhaupt unter den besten 10 Teams des Landes wettbewerbsfähig sein zu können – nicht zuletzt auch dank Juniorenförderung auf hohem Niveau. In Bezug darauf, was aus den vorhandenen Mitteln herausgeholt wird, handelt es sich alles andere als um eine „Gurkenliga“, wie dies am Stammtisch des 21. Jahrhunderts aka Kommentarspalten von 20min und blick.ch häufig zu hören ist. Das viel beschworene „Maximum“ ist es allerdings auch nicht – nur schon im ligainternen Vergleich. Würden beispielsweise alle Klubs so gut arbeiten, wie der FC Thun, wäre die Liga nochmal deutlich besser.
Und auch wenn die Zuschauerzahlen zuletzt etwas rückläufig waren, bleibt das Interesse der Bevölkerung an der Liga erstaunlich hoch. Jeder vierte Schweizer geht umgerechnet einmal pro Jahr ein Super League-Spiel im Stadion schauen. Zum Vergleich: nicht mal jeder sechste Deutsche geht einmal pro Jahr für ein Bundesliga-Spiel ins Stadion! Dass die Bundesliga insgesamt mehr Zuschauer im Stadion hat (ca. 12,5 Mio vs. ca. 2 Mio in der Schweiz), liegt also nicht am grösseren Interesse, sondern schlicht an der zehn Mal höheren Einwohnerzahl. Dies ist angesichts der harten Konkurrenz durch das Eishockey doch einigermassen erstaunlich. Zudem haben die Schweizer Klubs nicht die Möglichkeit, ihren Fans internationale Stars wie Aubameyang oder Lewandowski zu präsentieren, oder mit ehemaligen Europacupsiegern wie Bayern, Dortmund, Schalke oder Hamburg zu werben. Das Einwohnerverhältnis zwischen Deutschland (ca. 80 Mio) und der Schweiz (ca. 8 Mio) ist ähnlich wie in die andere Richtung zwischen der Schweiz und Montenegro (ca. 700‘000). Die oberste Liga Montenegros auf dem als besonders fussballverrückt gelobten Balkan hat einen Zuschauerschnitt von 600.
Wie vor einem Jahr beginnt die Saison für den FCZ mit einem Derby. Veranstalter GC erwartet trotz Ferienzeit rund 18‘000 Fans zum Auftakt. Die Vorschau auf der GC-Homepage wird durch ein Bild eines Zweikampfes zwischen Alexander Kerzhakov und Jan Bamert illustriert. Ein Bild aus einer anderen Zeit, es scheint bereits eine kleine Ewigkeit her zu sein. Eine Saison mit nur einem Punkt in vier Derbies – angefangen mit der unglücklichen 2:3-Niederlage bereits in der 3. Runde. Vor wenigen Tagen hat der Russische Starstürmer seine Karriere bei Zenit St.Petersburg beendet, wo er in der abgelaufenen Saison nochmal zu 14 Teileinsätzen in der Liga gekommen war, und nun als Koordinator des Nachwuchsbereiches bei seinem Heimatverein einsteigt. Kerzhakov steht symbolisch für das Stückwerk der Abstiegssaison. Auf dem Weg zum Cuptitel und in der Meisterschaft hatten die meisten Spieler irgendwann mal ihre Glanzmomente. Bei Kerzhakov war dies der Halbfinal in Sion, und das schöne Tor zur 1:0-Führung in Basel Mitte April als es schien, der FCZ habe die Kurve gerade noch rechtzeitig gekriegt.
GC hat mittlerweile einen Sportchef aus einer nochmal ganz anderen Zeit – eine lange Ewigkeit her. Es werden Spieler wie Bahoui oder Jeffren verpflichtet. Das klingt wieder nach Balakov, Ailton, Beenhakker, Moldovan oder Chapuisat – zumindest ansatzweise. Beim FCZ will nach dem Aufstieg der Sportliche Leiter Thomas Bickel an der Saisonvorschau-Pressekonferenz das Wort „Übergangssaison“ nicht laut aussprechen, denkt aber ganz klar in Etappen. Er spricht davon, dass es eine gute Saison sein wird, wenn „wir am Ende fünf Teams hinter uns lassen können“. Die Zusammenstellung der Mannschaft sei auf der Basis seiner Vortellungen noch nicht ausbalanciert. Das könne erst in einem Jahr langsam erreicht werden, wenn eine Reihe von weiteren Verträgen (Brecher, Nef, Brunner, Voser, Yapi, Schönbächler, Kukeli, Rodriguez, Simonyan, Cavusevic) auslaufen.
Prognosen für eine Saison sind immer schwer zu treffen – für ein Spiel umso mehr. Auf der Basis der Eindrücke der letzten Saison könnte es von den Europa League-Plätzen bis zum Abstiegsplatz ein breites und ausgeglichenes Mittelfeld geben, zu dem wohl auch der FCZ gehören wird. Mentalität und Wettkampfglück könnten am Ende entscheidend sein für Top oder Flop. Wie gefestigt der FC Thun (neu mit „FCZ-Gott“ Marc Schneider als Cheftrainer) ist, muss man niemandem erklären, und wer es trotzdem schon wieder vergessen hatte, spürte es beim Testspiel im Simmental. Lausanne wird solange Fabio Celestini am Ruder ist, von seinem kompromisslosen Offensivfussball nicht abrücken und damit viele überraschende Punkte holen. Auch St.Gallen hat mit Giorgio Contini bereits letzte Saison einen jungen Erfolgscoach verpflichtet. Luzern setzt konsequent auf die Jugend – Europa League-Gruppenphasenteilnehmer Lugano ist eher eine Wundertüte. Eine Wundertüte gegen die in der Abstiegssaison 15/16 keine positive Bilanz erreicht werden konnte.
Der FC Sion, qualitativ und finanziell die klare Nummer 3 des Landes, hat aufgerüstet und mit Tramezzani den wohl besten Trainer der letzten Super League-Saison verpflichtet. Kann es der Italiener nach vielen Anläufen richten mit der chronisch fehlenden Konstanz? YB ist trotz grossem Transferplus stärker, als letzte Saison. Um zu einem ernsthaften Titelkandidaten zu werden, braucht es aber erst mal vor allem eine verletzungsfreie Saison von Guillaume Hoarau. Dann ist grundsätzlich alles möglich. Und der FCB? Selbst wenn die neue Führungscrew schwächer sein sollte, als die alte, würde man dies wohl frühestens in drei, vier Jahren so richtig zu spüren beginnen. Mindestens bis dahin kann der Klub auf sein angehäuftes Kapital an Geld, Spielern, Sponsoren und Fans bauen.
Trotzdem hat diesen Sommer bereits eine aussergewöhnliche Zäsur in Basel stattgefunden, und zwar nicht nur für die Rot-Blauen sondern auch im nationalen und sogar internationalen Vergleich. Die alte Führung konnte ganz offensichtlich beim Verkauf einen satten Profit einsacken und der neue Hauptaktionär, der es vor allem auch dank der Champions League zu einem grossen Vermögen gebracht hat mit einer Villa, wie es sie in dieser Grösse nur wenige in der Schweiz gibt, hat ganz offiziell durchgesetzt, dass er einen Teil des Profits aus dem Klub herausziehen darf. Es ist der Tabubruch schlechthin! Die Klubs sind zwar rechtlich schon lange Aktiengesellschaften, aber bisher haben die Klubbesitzer immer Geld reingesteckt, manchmal mit dem frommen Wunsch, am Ende mit einer „schwarzen Null“ rauszukommen, was aber selten bis nie erreicht wurde. Einen Fussballklub, an welchem so viel Herzblut der Fans und kleiner Sponsoren hängt, wirklich auch als profitorientiertes Business zu betreiben, hat bisher noch niemand gewagt, und darüberhinaus auch nicht wirklich die Möglichkeit dazu gehabt. FCB steht somit im Schweizer Fussball ab sofort auch für „FC Business“.