Niederlage trotz 43 Top-Defensivaktionen / FCZ – Napoli 1:3 Analyse

In den meisten Fällen ist es so: die nachträgliche Analyse eines Spiels nach Studium der Bilder deckt sich grosso modo mit den Eindrücken am Spiel – in der Regel mit der ein oder anderen Ausnahme. Dann gibt es ab und zu aber auch Partien wie das Napoli-Heimspiel. Der Eindruck von der Leistung des FCZ im Stadion und kurz nach der Partie war schlecht. Die nachträgliche Analyse revidierte dieses Bild dann aber wesentlich. Es ist nicht so, dass es sich nun auf einmal um eine Glanzleistung handelte, aber medioker wars ebenfalls nicht. Am stärksten drückt sich dies bei der Statistik der Anzahl Top-Defensivaktionen aus: 43 bedeuten Rekord nicht nur für diese Saison, sondern es wäre auch letzte Saison der höchste Wert gewesen – jeweils mit Abstand. Der zweithöchste Wert in der aktuellen Saison beträgt 32 und stammt vom Heimspiel gegen YB (3:3).

Ganz generell hatte der FCZ in umkämpften Heimspielen gegen mehrheitlich starke Gegner am meisten Top-Defensivaktionen – Napoli, YB, Leverkusen, GC und St.Gallen. Der Limmatstadtclub scheint im Letzigrund bissiger aufzutreten und hat in der Meisterschaft zu Hause bisher mehr als zweieinhalb Mal weniger Gegentore als auswärts erhalten. Starke Gegner und umkämpfte Spiele wiederum stellen in jeder einzelnen Aktion Herausforderungen dar, welche die Mannschaft grossmehrheitlich bestanden hat. Dies gilt selbst für das Heimspiel gegen Napoli, sonst hätte es eine negative Durchschnittsnote abgesetzt – wie das in Basel, Razgrad oder zuletzt in St. Gallen der Fall gewesen war.

Die Züri Live-Durchschnittsnote gegen Napoli war 5,8. Dies ist vergleichbar mit beispielsweise dem Heimspiel gegen Basel (1:1), der Auswärtspartie bei AEK Larnaca (1:0), dem Vorrunden-Auswärtsspiel in St. Gallen (2:3) oder dem Heimspiel gegen Lugano (0:0) zum Abschluss der Vorrunde. Partien mit unterschiedlichem Ausgang, die aber alle zu den besseren 50% der FCZ-Partien der Vorrunde gehörten. Beim Heimsieg gegen Leverkusen (3:2) erreichte das Team mit 6,9 den bisher höchsten Notenschnitt der Saison, mehr als eine ganze Note höher als gegen Napoli. Leverkusen hat auch zum jetzigen Zeitpunkt nicht das Niveau von Napoli und hatte es in der sportlichen Krise des Herbstes erst recht nicht. Um gegen Napoli einen Punkt erreichen zu können, hätte die FCZ-Durchschnittsnote im Vergleich zum Leverkusen-Heimspiel wohl noch eine Note höher (statt tiefer) sein müssen.

Es war vom FCZ eine tendenziell eher gute Leistung, aber man war weit davon entfernt, eine Saisonbestleistung abzuliefern. Einzelne Spieler agierten für ihre Verhältnisse trotzdem überdurchschnittlich. Toni Domgjoni ist hier speziell hervorzuheben. Der 20-jährige wirkte von Beginn weg deutlich spritziger, aufmerksamer und vor allem defensiv effektiver als zuletzt, als er mit vier ungenügenden Züri Live-Noten in den letzten sieben Spielen eine klare Abwärtstendenz gezeigt hatte. In den durchaus erfreulichen ersten 10 Minuten der Partie ging Domgjoni mit gutem Beispiel voran und stopfte auch dann noch unauffällig aber effektiv manches Loch, als der FCZ als Team nach dem unnötigen 0:1 stark unter Druck kam.

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Yanick Brecher ist ein weiterer typischer Fall. Wie kann ein Torhüter mit einem groben, spielentscheidenden Schnitzer im Endeffekt mit Note 7 deutlich über seinem eigenen Züri Live-Saisonschnitt von 5,2 liegen? Erstens: dass der Fehler entscheidend für das erste Gegentor war, wurde in der Punktevergabe durchaus berücksichtigt. Andererseits blieb es aber der einzige echte Fehler Brechers in diesem Spiel – im Gegensatz zu anderen Partien in der heimischen Liga, wo der Zürcher Keeper immer wieder mal drei oder vier schlechte Aktionen hat, die dann aber viel weniger effektiv von den jeweiligen Gegnern ausgenutzt werden. Die Bewertung der Leistung der Spieler sollte aber unabhängig von der Stärke und Effizienz des Gegners sein.

Zweitens hatte Brecher gegen Napoli mehr Gelegenheiten sich auszuzeichnen, und hat dies tendenziell gut gemacht. Drittens: auch wenn der entscheidende Fehler zum frühen 0:1 dem erfolglosen Versuch entsprang, den Ball auf dem sich in unterdurchschnittlichem Zustand befindlichen Letzigrundrasen hinten herauszuspielen, schlug Brecher gleichzeitig gegen Napoli auch mehr lange hohe Bälle nach vorne als sonst, da er ganz generell relativ viele Ballkontakte hatte und Napoli gut „presste“. Und diese langen hohen Bälle mit beiden Füssen sind die grösste Stärke des 25-jährigen Männedorfers.

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Napoli war gewarnt, dass der FCZ versuchen wird, von Beginn weg Vollgas zu gehen, spielte daher erstmal äusserst vorsichtig, und wollte um jeden Preis Ballverluste vermeiden. Der FCZ trat nicht wie viele kleinere Serie A-Klubs mit einer Fünferabwehr, sondern in einem 4-1-4-1 an. Umaru Bangura übernahm dabei die Rolle des «6-ers». Diese Position hatte er zu Beginn seiner Profikarriere beim Norwegischen Hönefoss regelmässig und später bei Haugesund gegen Spitzenteams wie Rosenborg ebenfalls punktuell gespielt. Der Nationalspieler Sierra Leones vermochte im Europa League Sechzehntelfinal-Hinspiel aber speziell defensiv nicht zu genügen – mit Ausnahme eines dank seiner Schnelligkeit abgefangenen schnellen Gegenstosses. Napoli nutzte die Lücken hinter der vorderen Zürcher Viererreihe allerdings auch besonders geschickt, indem es systematisch dem ballführenden Spieler in der Spieleröffnung zwei nahe beieinanderliegende Anspielstationen bot, von denen Bangura nur eine, manchmal auch gar keine abzudecken vermochte.

Auch die Aufgabe, Kalidou Koulibaly bei gegnerischen Eckbällen in Manndeckung zu nehmen, war eine Nummer zu gross für Bangura. Er verlor den für Senegal spielenden Franzosen jedes Mal aus den Augen und das eine Mal, als dies nicht passierte, hätte es wegen «Klammerns» eigentlich Penalty für Napoli geben müssen. Überhaupt hatte das Trio um Champions League-Finalschiedsrichter Milorad Mazic auch im Letzigrund keinen guten Tag. In der Nachspielzeit verweigerte dieser auch dem FCZ einen klaren Penalty, als Koulibaly im eigenen Strafraum den Ball zwischen Arm und Körper einklemmte. Dazu wurden mehrere Handspiele in der Offensivzone (Milik, Zielinski, Kololli) trotz guter Sicht auf das Spielgeschehen genauso übersehen wie vier klare Offsidepositionen Napolis, von denen glücklicherweise keine zu einem Treffer führte. Dazu kamen falsche Einwurfentscheidungen direkt vor der Nase der Assistenten und eine schlechte Positioniering Mazics, mit der er einen Querpass Maxsøs abfälschte und einen Konter Napolis einleitete, den Hekuran Kryeziu mit einem taktischen Foul stoppte – was diesem die Sperre fürs Rückspiel einbrachte. Dafür wird „Heki“ nun für das wichtige Heimspiel gegen Luzern wohl ausgeruht antreten können.

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Die Führung mit einem und dann zwei Toren kam den Gästen vom Vesuv natürlich entgegen. Im Zweiten Durchgang fuhr Napoli einen Gang zurück und machte es dem FCZ deutlich einfacher. Ein Leistungsträger nach dem anderen wurde schonungshalber ausgewechselt (allerdings gingen beim FCZ mit Domgjoni und Winter ebenfalls zwei der besten relativ früh vom Feld). Dies ging aus Napoli-Sicht beinahe noch schief, denn das Team von Magnin / Van Eck / Kadar / Taini hätte in der Schlussphase mit etwas mehr Glück noch ein Unentschieden erreichen können. Zu diesem Zeitpunkt stand auch der in der Angriffszone weiterhin eher glücklos agierende Stephen Odey (keine einzige Torchance!) nicht mehr auf dem Platz – bei Napoli hingegen der eingewechselte Verteidiger Sebastiano Luperto, zusammen mit Starspieler Lorenzo Insigne der einzige Spieler aus dem eigenen Nachwuchs im Kader (beim FCZ sind es 13). Das war aber wohl kaum der Grund, warum das Letzigrundteam bei Eckbällen jeweils zwei Mann am vorderen Pfosten und zwei vor dem Strafraum, aber keinen beim Narrenfreiheit geniessenden Luperto postiert hatte.

FCZ – Napoli 1:3 (0:2)

Tore: 12. Insigne (Milik) 0:1, 21. Callejon (Malcuit) 0:2; 77. Zielinski (Callejon) 0:3, 83. Kololli (Handspenalty) 1:3.

FCZ: Brecher; Untersee, Nef, Maxsø, Pa Modou; Bangura; Winter (67. Ceesay), H. Kryeziu, Domgjoni (46. Marchesano), Kharabadze; Odey (80. Khelifi).

Napoli: Meret; Malcuit, Maksimovic, Koulibaly, Ghoulam (76. Luperto); Callejon, Allan (59. Diawara), Ruiz, Zielinski; Milik, Insigne (68. Ounas).