Kein Platz im Team verdient – Blerim Dzemaili und das Zentrale Mittelfeld im Fokus

Im Gespräch mit der „TX Group“ meinte FCZ-Neuzugang Blerim Dzemaili vor dem Auswärtsspiel in St. Gallen, er habe mit dem Tempo und der Intensität der Super League „überhaupt keine Probleme“. Dem Realitätscheck hielt diese Aussage nicht stand. In den ersten 30 Minuten konnte Dzemaili im Kybunpark in einem im Vergleich zu früheren Direktbegegnungen eher langsamen Spiel noch halbwegs mithalten – danach musste er ganz abreissen lassen. In einem Radrennen hätte ihn irgendwann der Besenwagen aufgelesen. Daten zu Laufleistung und Sprints haben wir für die Super League leider noch nicht zur Verfügung. Die Beurteilungen dazu ergeben sich aus den Eindrücken der detaillierten Nachanalyse der Spiele. Viele andere interessante Daten sind aber da. Wie schneidet Blerim bisher ab? Wir sind gnädig und messen ihn nicht an den eigenen hohen Ansprüchen (Dzemaili sieht sich und sein Team unter den ersten drei) und vergleichen ihn nicht mit den besten Zentralen Mittelfeldspielern der Liga – sondern mit den ältesten. Milan Gajic (34, Vaduz) und Jonathan Sabbatini (33, Lugano) sind im gleichen Alter wie Dzemaili – Stjepan Kukuruzovic (31, Lausanne-Sport) und Luca Zuffi (31, Basel) haben die 30 auch schon überschritten. Dazu kommen Dzemailis Teamkollegen Domgjoni, Seiler, Doumbia und Hekuran Kryeziu (der im letzten Monat vorwiegend Innenverteidiger spielte). Die Daten beziehen sich auf den Schnitt pro 90 Minuten in der aktuellen Super League-Saison.

Beginnen wir erst mal mit einer für Dzemaili erfreulichen Statistik. Pro 90 Minuten lieferte der Zürcher 0,41 Assists, womit er bisher klar vor dem ebenfalls als Standardspezialisten geltenden Milan Gajic liegt. Die beiden Torvorlagen auf Sobiech und Khelifi gelangen ihm gleich in den ersten zwei Partien. Tore erzielte er im Gegensatz zu Domgjoni, Doumbia, Kukuruzovic und Gajic hingegen bisher noch nicht. Dies obwohl er von den Vergleichsspielern mit Abstand am meisten Schüsse pro 90 Minuten abgab (1,85). Grund: abgesehen davon, dass er noch nicht viele Partien auf dem Buckel hat, war auch die Qualität der Abschlüsse tief. Bei den meisten Versuchen traf er den Ball sehr schlecht. Statistisch gesehen kamen gerade mal 11,1% seiner Abschlüsse überhaupt erst aufs Tor. Nur Seiler und Hekuran Kryeziu, welche beide kaum mal einen Abschluss zu verzeichnen haben, weisen einen noch tieferen Wert aus. Milan Gajic hingegen brachte mehr als die Hälfte seiner Abschlüsse aufs Tor, Luca Zuffi einen Drittel. Wenn die Kraft nachlässt, und das passiert bei Dzemaili sehr schnell, dann lässt häufig auch die Präzision nach. Ausserdem könnte auch eine gewisse Übermotiviertheit und Selbstüberschätzung eine Rolle spielen bei den vielen klaren Fehlschüssen.

Ebenso beginnt zu dem Zeitpunkt, wo Dzemaili nicht mehr mitzuhalten vermag, die Zeit, in welcher er gegenüber Mitspielern und Schiedsrichtern unleidig wird. Dzemaili ist im Vergleich der Zentralen Mittelfeldspieler führend bei der Anzahl Gelber Karten (0,62 pro 90 Minuten), wobei er bisher alle Verwarnungen wegen „Meckerns“ abgeholt hat. Aus Zweikämpfen heraus blieb er bisher von einer Gelben Karte verschont, wobei man in gewissen Szenen das Gefühl hatte, dass Dzemaili genauso wie andere Spieler der Super League, die einen gewissen Promi-Faktor mitbringen, diesbezüglich einen gewissen (unbewussten) Bonus bei den Schiedsrichtern geniesst.

Mit einem Züri Live-Defensivpunkt nur alle 15 Minuten trägt Dzemaili von den Zentralen Mittelfeldspielern des FCZ am wenigsten zur Defensiven Phase bei. Dazu passt unter anderem die geringe Anzahl Balleroberungen pro 90 Minuten. Dzemaili gehört hier zu den wenig effektiven Zentralen Mittelfeldspielern. Stephan Seiler ist in dieser Disziplin top und weist zudem den höchsten Anteil an Balleroberungen in der gegnerischen Hälfte aus (beinahe 50%). Gefolgt wird Seiler von Ousmane Doumbia, der ebenfalls mehr als 10 Balleroberungen pro 90 Minuten bewerkstelligt. Toni Domgjoni hat nicht die Antrittsschnelligkeit und Beweglichkeit eines Seiler oder Doumbia, die in der Balleroberung eine grosse Rolle spielt: er ist der Typ Dauerläufer, welcher die Löcher stopft. Blerim Dzemaili, der von allen Vergleichsspielern den geringsten Anteil an Balleroberungen in der gegnerischen Hälfte hat, würde in dieser und vielen anderen Statistiken sicherlich deutlich besser dastehen, wenn er zwei, drei Jahre früher zum FCZ zurückgekehrt wäre.

Ein ähnliches Bild ergibt sich bei den Interceptions – abgefangene gegnerische Pässe (ohne dass es zu einem Zweikampf kommt). Dzemaili und Domgjoni liegen hinter Seiler, Doumbia und auch Hekuran Kryeziu.

Auch Klärungen in brenzligen Situationen gelingen von den nominellen Zentralen Mittelfeldspielern beim FCZ vor allem Hekuran Kryeziu und Ousmane Doumbia. Dzemaili ist hier zusammen mit Seiler und dem ehemaligen FCZ-ler Kukuruzovic am Ende der Rangliste.

Dzemailis Problem ist, dass er häufig in entscheidenden Szenen gar nicht erst in die Zweikämpfe kommt. Kommt es aber zum Zweikampf, dann gehört er immer noch zu den besseren Zentralen Mittelfeldspielern der Liga in Bezug auf die Offensivzweikämpfe (in Ballbesitz). Da er den Ball relativ gut abschirmen kann, verliert der Gegenspieler häufig die Geduld, und bringt Dzemaili zu Fall. Wobei berücksichtigt werden muss, dass sich viele Offensivzweikämpfe mit letztlich auch bei Dzemaili unsicherem Ausgang vermeiden liessen, wenn er etwas schneller laufen oder handlungsschneller agieren und damit dem Gegenspieler nicht so viel Zeit geben würde, ihn zu stellen. Bei den Defensivzweikämpfen (Gegner in Ballbesitz) ist Dzemailis Erfolgsstatistik hingegen durchschnittlich.

Weit unterdurchschnittlich sieht die Bilanz bei den Luftduellen aus, wo Dzemaili gar hinter Kopfballmuffel wie Milan Gajic oder Luca Zuffi zurücksteht – er verliert trotz seiner mittleren Grösse von 1,80m drei Viertel aller Luftduelle und versucht wenn immer möglich vom Ball regelrecht zu flüchten, wenn dieser hoch in seine Richtung kommt. Ousmane Doumbia hingegen, obwohl mit 1,75m einer der kleinsten im FCZ-Team, ist in den Luftduellen einer der besten, und bekommt deshalb auch bei der Verteidigung von Eckbällen Manndeckungsaufgaben – häufig gegen ungefähr den viertbesten Gegenspieler. Bei dieser Statistik fällt allgemein die Korrelation der orangen Säulen (Erfolg in Luftduellen) mit der blauen Linie (Anzahl Luftduelle) auf, was wohl damit zusammenhängt, dass diejenigen Spieler, die schlecht in der Luft sind, solche Duelle auch im Mittelfeld wenn immer möglich vermeiden.

Von den Vergleichsspielern macht Dzemaili klar am meisten Vorstösse mit dem Ball am Fuss, wie die Statistik zeigt. Hekuran Kryeziu als Gegenpol lässt dies hingegen fast komplett bleiben.

Wie erfolgreich sind aber diese Vorstösse? Bei der folgenden Graphik bezüglich Dribblings müssten wie bei den Luftduellen die orangen Säulen und die blaue Linie wieder eine Parallele bilden, dies ist aber speziell in einem Fall ganz und gar nicht so: bei Blerim Dzemaili. Der Stadtzürcher geht von allen Vergleichsspielern am häufigsten ins Dribbling, obwohl er dabei mit grossem Abstand am häufigsten den Ball verliert. Zwei Drittel seiner Dribblings gehen schief. Genau umgekehrt ist die Quote beim technisch starken Toni Domgjoni, der aufgrund seiner Erfolgsquote wohl noch häufiger das Eins-gegen-eins suchen könnte. Dzemailis Selbstüberschätzung beziehungsweise Unterschätzung der Super League-Gegenspieler in diesen Situationen bewegte sogar den ansonsten sehr bedachten Massimo Rizzo im Spiel gegen YB dazu, unwirsch auf den Platz zu rufen: „Hör auf damit!“ – was Dzemaili dann auch tat, aber da war es schon zu spät.

Dzemaili hat pro 90 Minuten von allen FCZ-Mittelfeldspielern auch am meisten Ballverluste zu verzeichnen – mehr als alle 10 Minuten einen.

Bei der Passgenauigkeit schneidet Blerim Dzemaili von allen Vergleichsspielern im FCZ und bei der Konkurrenz ebenfalls am schlechtesten ab. Luca Zuffi (extern) und Toni Domgjoni (intern) sind in diesem Bereich vorne. Hervorzuheben die Anzahl Pässe pro 90 Minuten (53,44) von Lausannes „Drehscheibe“ Stjepan Kukuruzovic.

Bei der Genauigkeit von nach vorne gespielten Pässen (Anzahl: 15,82 pro 90 Minuten) ist Dzemaili im vorderen Mittelfeld der Vergleichsspieler – nicht ganz auf dem Niveau von Zuffi und Gajic, aber vor allen Teamkollegen.

Wenn man nun aber in diesem Zusammenhang den punktgenauen Pass Dzemailis auf Ceesay im ersten St. Gallen-Match, der zum Penalty zum 1:2 geführt hat, als exemplarisch betrachtet, ist dies irreführend. Denn bei Pässen in die Offensivzone hat Dzemaili nach Ousmane Doumbia die zweitschlechteste Passgenauigkeit. Die über dem Durchschnitt liegende Passgenauigkeit der nach vorne gespielten Pässe bezieht sich also auf Zuspiele, die typischerweise von hinten ins Mittelfeld gespielt werden. Die höchste Passgenauigkeit bei Zuspielen in die Zone 3 beim gegnerischen Tor haben von den „Mittelfelddinos“ der Liga erneut Milan Gajic und Luca Zuffi. Beim FCZ ist Stephan Seiler in dieser Hinsicht am besten. Schade, dass er solche Bälle am wenigsten häufig spielt! Seiler müsste sich mehr zutrauen und den Ball selbst in die Tiefe spielen, anstatt ihn nochmal auf die weniger präzisen Dzemaili oder Doumbia querzulegen.

Seilers Stärke sind die kurzen Pässe vorne zwischen die Linien. Lange Bälle sind hingegen überhaupt nicht sein Ding. Dies in Kombination mit seiner hohen Balleroberungsquote in der gegnerischen Hälfte macht ihn prädestiniert für die Rolle als 10er (speziell bei Hohem Pressing) oder allenfalls 8er – und deutlich weniger als 6er. Dzemaili ist grundsätzlich ein ähnlicher Spielertyp, unter anderem als zweitschlechtester Spieler nach Seiler bei Langen Bällen – und hat auch deshalb in der Nationalmannschaft häufig als 10er gespielt. Zusammen mit Seiler und dem vorsichtigen Zuffi spielt Dzemaili auch am wenigsten Lange Bälle. Die höchste Passgenauigkeit bei weiten Pässen haben aus den Vergleichsspielern Milan Gajic vor Stjepan Kukuruzovic und Hekuran Kryeziu. Toni Domgjoni ist bei den FCZ-lern an Zweiter Position.

Geradezu als unterirdisch muss man schlussendlich Blerim Dzemailis Bilanz bei Rückpässen bezeichnen. Nur gerade 77,8% der von ihm nach hinten gespielten Bälle kommen beim Mitspieler an. Keiner der Vergleichsspieler ist auch nur annähernd so schlecht. Es ist eine weitere entscheidende Fehlerquelle in Dzemailis Spiel. Glücklicherweise spielt Dzemaili nicht so häufig zurück wie Teamkollege Seiler, der als zweitschlechtester Rückpassspieler am häufigsten (8,42 mal pro 90 Minuten) rückwärts spielt. Deutlich sicherer ist an erster Stelle diesbezüglich Hekuran Kryeziu, bei welchem 98,6% der Rückpässe beim Mitspieler ankommen – vor Toni Domgjoni mit 97%.

Basiert man zusammenfassend die Entscheidung auf den Statistiken der bisherigen Spiele, hat Blerim Dzemaili keinen Platz im Zürcher Mittelfeld verdient. Zwar kann er den Ball relativ gut abschirmen und ist leicht über dem Durchschnitt in der Passgenauigkeit nach vorne bei Zuspielen in der eigenen Platzhälfte, hat aber sowohl für die 6er- als auch die 8er- sowie die 10er-Position das deutlich schlechtere Leistungsprofil, als seine Teamkollegen.

Es kristallisiert sich auch aus den Statistiken heraus, dass sich der sowohl technisch wie im Zweikampf starke Dauerläufer Domgjoni im Mittelfeld gut mit einem aggressiven, beweglichen Balleroberer (Doumbia oder Seiler) ergänzt. Bei Pressingsituationen sollte Doumbia / Seiler vorne den Ball (zurückzu)erobern versuchen, um mit einem kurzen Pass in die Schnittstelle sofort Richtung gegnerisches Tor umzuschalten – Domgjoni sichert hinten ab. Baut der FCZ hingegen von hinten auf, sollte sich eher der spielerisch und im Dribbling starke Domgjoni nach vorne verschieben mit Doumbia / Seiler als Absicherung dahinter. Hat der FCZ in einer Partie vor, viel hoch zu pressen, ist Stephan Seiler eine gute Option für die 10er-Position als weitere Alternative zu Marchesano, Schönbächler und Nils Reichmuth. Somit könnten Domgjoni, Doumbia und Seiler auch alle drei gleichzeitig spielen. Stephan Seiler sollte sich zudem unbedingt noch mehr zutrauen und häufiger seine guten kurzen Bälle in die Schnittstelle nach vorne spielen – und gleichzeitig Rückpässe tunlichst vermeiden.

Hekuran Kryeziu ist aufgrund seiner Statistiken auf der Position des Innenverteidigers grundsätzlich gut aufgehoben. Ein Problem ist seine Schwäche in der Manndeckung bei stehenden Bällen. Dieses Problem könnte im aktuellen Kader aber nur Lasse Sobiech wirklich lösen und dieser steht bis Ende Saison nicht zur Verfügung. Was Blerim Dzemaili betrifft, hängt sehr viel am Prinzip Hoffnung, dass ihm wie bei seinen zwei bisherigen Assists (ein Standard, eines aus dem Spiel heraus) wieder einmal eine spezielle Aktion nach vorne gelingen möge. Gleichzeitig bringen aber seine für Super League-Verhältnisse eklatanten Schwächen im Passspiel, im Laufspiel und in der Verteidigung von gegnerischen Angriffen die ganze Mannschaft aus der Balance und den Gegner ins Spiel.

(Daten: Wyscout)

Einzig Schönbi gut in Mittelfeld und Sturm / FCSG – FCZ 1:1 in der Züri Live-Analyse

Spiel, Gegner und Taktik

St. Gallen-Trainer Peter Zeidler erinnerte sich vor der Partie ganz offensichtlich daran, dass sein Team zuletzt gegen den FCZ immer verloren hat, wenn es von Beginn weg Vollgas vorne drauf ging, und andererseits mit einer abwartenden Spielweise und wenig Ballbesitz im Dezember im Letzigrund 2:1 gewinnen konnte. So sprang er nach zehn Gegentoren in den drei Spielen davor über seinen Schatten, und liess die Grünweissen auch diesmal wieder sehr zurückhaltend spielen. Die Pressinglinie lag in der Regel nicht allzu weit von der Mittellinie entfernt, und bei Angriffen wurde auf die nachrückenden Mitspieler gewartet. Auch fehlte beim Umschalten mit Kwadwo Duah (Ersatzbank) der schnelle Zielspieler, welcher handlungsschnell aggressiv die Tiefe attackiert, in der Startformation. Lukas Görtler war nach dem wegen einer Knöchelverletzung verpassten Spiel in Lausanne (3:4) sichtlich noch nicht ganz im Vollbesitz seiner Kräfte. Zeidlers Strategie, auf alle in der EM-Gruppenphase in Slowenien beanspruchten U21-Nationalspieler (Guillemenot, Muheim, Stergiou) in der Startaufstellung zu setzen, ging zudem nicht auf. Es war ein ungewohntes Bild: man hatte von der Spielart her das Gefühl, einen FC St. Gallen aus den 90er-Jahren vor sich zu haben – einfach ohne die damalige kämpferische Intensität.

Man hatte als Beobachter nie den Eindruck, dass hier mit Haken und Ösen um den Klassenerhalt und auch noch ein bisschen um Europacupplätze gekämpft würde. Das von Blue-Kommentator Michael Fritschi herbeigeredete „Kampfspiel“ fand nicht statt. Der FCZ beispielsweise beging total nur gerade 10 Fouls. Dass es auf beiden Seiten trotzdem je vier Gelbe Karten plus eine Gelb-Rote setzte, lag an der erratischen Spielleitung durch Alessandro Dudic, die eher einem Zufallsprinzip als einer Logik zu folgen schien. Bei den mit Gelb-Rot vom Platz gestellten Jordi Quintilla sowie Ousmane Doumbia muss man je eine der beiden Verwarnungen (die erste bei Quintilla, die zweite bei Doumbia) als äusserst fragwürdig bezeichnen. Schon Mitte der Ersten Halbzeit wurde es offensichtlich, dass Dudic in einem weder allzu schnellen noch gehässigen Spiel zielstrebig auf ein bis zwei Gelb-Rote Karten zusteuerte. Tatsächlich musste dann der 27-jährige Jordi Quintilla zum ersten Mal in seinem Profileben vom Platz – und Ousmane Doumbia wird nun schon wieder gegen seinen Ex-Klub Servette gesperrt fehlen.

Zufallsgenerator, wie Dudic die Karten verteilt – FCSG-FCZ Highlights

Dafür pfiff Dudic je eine penaltyreife Szene auf beiden Seiten nicht, und gab schon früh bei einem harten Foul von Muheim gegen Schönbächler dem Gefoulten (!) die Gelbe Karte – Muheim hatte von unten in Schönbis Wade gehauen und sich dabei weh getan. Unter der fast schon endlosen Liste an Fehlentscheidungen war natürlich auch wieder eine klassische Guillemenot-Schwalbe. Der U21-Nationalspieler checkt Rohner im Laufduell um. Guillemenot steht dann dem auf dem Bauch liegenden Rohner aufs Bein und lässt sich wie immer mit ausgebreiteten Armen fallen. Skurril, dass Dudic selbst auf so etwas hereinfiel. Glücklicherweise war es „nur“ eine Freistosssituation an der Eckfahne. Dies nachdem derselbe Guillemenot eine Runde davor in Lausanne zwei weitere klare Schwalben im gegnerischen Strafraum produziert – und einmal davon den Penalty sogar zugesprochen erhalten hatte. Es ist erstaunlich, dass ein Spieler mit solch kontinuierlichen Unsportlichkeiten Woche für Woche während nun mehr als zwei Jahren ohne Disziplinarstrafe davonkommt.

13. Minute: Fliegen schön – mit Air Guillemenot. Gegenspieler foulen und wenn dieser bäuchlings auf dem Boden liegt dessen Bein als Absprungrampe nutzen – Arme ausbreiten – fliegen – Freistoss zugesprochen erhalten. „Schade“ wars nicht im Strafraum.

In den ersten 30 Minuten gelangen dem FCZ verschiedenste gute Offensivszenen, unter anderem ein „Luzerner Kreisel“ auf der rechten Seite mit Rohner, Kololli und Dzemaili. Danach war aber Ende Feuer und das FCZ-Spiel vor allem geprägt vom Unvermögen der zurückgekehrten Dzemaili, Tosin (beide mit Comeback) sowie Kololli – bei Kololli und Dzemaili kam viel Passivität hinzu. Speziell ab der 30. Minute stellte Blerim Dzemaili seine Laufarbeit weitgehend ein, und begann stattdessen ausgiebig mit Mitspielern und dem Schiedsrichter zu lamentieren. Der FCZ war ab da zwar nicht faktisch aber effektiv mit einem Mann weniger auf dem Platz – und wirkte auch so. In Mittelfeld und Sturm spielten alle Starter ausser MVP Marco Schönbächler ungenügend bis schlecht. Dieser hatte nach dem 1:0-Sieg in Lugano einen zweiten sehr guten Einsatz als Marchesano-Ersatz auf der 10er-Position. Schönbächlers Hauptverdienst in dieser Partie war seine fleissige Defensivarbeit, mit der er immer wieder Lücken schloss, welche die fehlende Präsenz von Dzemaili (und teilweise Doumbia) auf der Sechserposition immer wieder gerissen hatte. Auch die Flügelspieler mussten zur Unterstützung des Zentrums häufig einrücken. So wurde man, speziell in der 2. Halbzeit, immer mehr hintenrein gedrückt und konnte sich selten lösen – selbst in Überzahl. Und eine leichte Tempoerhöhung des FCSG um die 70. Minute genügte bereits, um den FCZ richtig vor Probleme zu stellen.

76. Minute – St. Gallen gleicht in Unterzahl aus: Symbolbild für den Auftritt der Zürcher Mittelfeldspieler und Stürmer.. Beim St. Galler Angriff ruhen sich Dzemaili (als vorderster Zürcher), Kramer und Kololli in der gegnerischen Hälfte aus. Tosin und Seiler traben nur halbherzig zurück und St. Gallen stürmt mit fünf Mann auf die Zürcher Viererabwehr zu – Nathan verschätzt sich für einmal im Sprint um den Ball, Doumbia kann ebenfalls nicht mehr eingreifen.

Personalien

Fabian Rohner (5) – Mit abwechselnd Tosin und Kololli vor ihm fokussiert sich Rohner auf solide Defensivarbeit. Dies geht so lange gut, wie von St. Gallen wenig kommt. In der Druckphase der Ostschweizer in der 2. Halbzeit erinnerte die rechte Zürcher Seite phasenweise wieder etwas an die 1. Halbzeit gegen Luzern. Hat Glück, dass sein Foul an Duah im eigenen Strafraum nicht mit einem Penalty bestraft wird. Rohner haut dabei am Ball vorbei und trifft des gegnerischen Angreifers Bein. Die Szene ging im Trubel der (tendenziell unberechtigten) Reklamationen der St. Galler um ein vermeintliches Penaltyfoul von Hekuran Kryeziu an Miro Muheim wenige Momente davor unter. Bei seinem einzigen Vorstoss nach vorne legt sich Rohner den Ball zu weit vor.

Ousmane Doumbia (3) – Beginnt das Spiel mit gutem direktem Spielaufbau, fängt dann aber im Verlauf der 1. Halbzeit parallel mit Nebenmann Dzemaili an, stark abzubauen – und auch im zweiten Durchgang wurde es nicht mehr besser. Hilft in eigener Strafraumnähe zu wenig den Kollegen auf der Seite gegen eine St. Galler Überzahl aus. Nach drei guten Spielen in Folge wieder mal ein ungenügender Auftritt. Macht das Zentrum somit noch etwas vulnerabler.

Blerim Dzemaili (1) – Profitiert zu Beginn davon, dass St. Gallen deutlich vorsichtiger als normal auftritt. So fällt seine Langsamkeit weniger schwer ins Gewicht. Spätestens nach 30 Minuten fällt sein Spiel aber wieder komplett auseinander: Ballverluste am Laufmeter, selten auf seiner Position, überfordert selbst mit dem in dieser Partie eher tiefen Super League-Tempo, läuft immer wieder „wie ein Schuljunge“ ins Leere und bleibt viel stehen, statt umzuschalten. Gleichzeitig beginnt sein kontinuierliches Lamento bei Schiedsrichter und Mitspieler. Nach der Einwechslung von Seiler wechselt Dzemaili auf Schönbächlers 10er-Position, holt dabei gleich die Gelb-Rote Karte gegen Jordi Quintilla heraus, vergibt aber gleichzeitig zwei, drei ausgezeichnete Situationen zum Ausbau der Führung durch ungenügende Handlungsschnelligkeit. Schlägt seinen ersten Corner seit der Rückkehr nach Zürich (bisher nur Freistösse) – es ist auch gleich der Einzige für den FCZ in dieser Partie. Fidan Aliti mutet er mit seinem halbhohen Ball an den nahen Pfosten dabei etwas gar viel Akrobatik zu.

„Tosin sollte man in die Tiefe schicken“ – FCSG-FCZ Kommentare

Aiyegun Tosin (1) – Erstaunlich spritzig bei seinem ersten Einsatz nach der Verletzungspause. In einer Szene in der 15. Minute dribbelt er sich im Stile eines Weltklasse Alpin-Slalomfahrers der Mittellinie entlang quer durchs Mittelfeld – spielt dann aber einen viel zu gefährlichen Querpass, der von Ruiz abgefangen und zum schnellen Gegenstoss wird. Tosins beste Aktion ist die gute Flanke aus dem Halbfeld auf Ceesay, die kurz vor der Pause zum Penalty führt. Der Nigerianer präsentiert sich grundsätzlich durchaus bemüht, auch defensiv, verursacht aber über die ganze Partie hinweg viel zu viele Ballverluste und unnötige Foulspiele. Im Gegensatz zu Dzemaili und Kololli ist die Note „1“ von Tosin eine „knappe 1“, beziehungsweise „beinahe 2“.

Marco Schönbächler (9) – Schönbächler hat schon weit in der Vergangenheit auf der Zehnerposition oder als hängende Spitze gut gespielt, beispielsweise bei einem 4:0-Heimsieg gegen YB im Jahr 2013 oder einem 1:1 gegen Villarreal drei Jahre später. Nach dem Auswärtssieg in Lugano spielt Schönbi erneut als Ersatz für Antonio Marchesano auf dieser Position und ist auch diesmal der beste Zürcher. Bei seinen Einsätzen auf dem Flügel Schnitt er hingegen seit der Winterpause jeweils mit einer Züri Live-Note zwischen 1 und 5 ab. Vor allem defensiv verrichtete Schönbi in St. Gallen enorm viel Arbeit und stopfte die vor allem durch Blerim Dzemaili verursachten Lücken bis zurück an den eigenen Strafraum. Schönbächler hat dadurch wenig Szenen nach vorne, aber wenn, haben sie Hand und Fuss. Von Tosin und Rohner wurde er mehrmals zu steil angespielt. In der 62. Minute macht Schönbächler vor einer St. Galler Eckballvariante Fabian Rohner darauf aufmerksam, den zusätzlich sich in den Strafraum schleichenden Jordi Quintilla am nahen Pfosten in Manndeckung zu nehmen, was ein entscheidender Hinweis ist – Quintilla wird tatsächlich angespielt und hätte mit weniger Bedrängnis das Tor erzielen können. Mit 1:0 in Führung liegend wurde Schönbächler ausgewechselt.

Benjamin Kololli (1) – Vom Anpfiff weg erneut ein viel zu passiver Auftritt. Einer seiner zahlreichen Fehlzuspiele und Unaufmerksamkeiten führt zur ersten guten St. Galler Chance durch Jérémy Guillemenot. Ein Grund für seine vielen Ballverluste: beschäftigt sich in den Zweikämpfen viel zu sehr mit dem Gegenspieler und viel zu wenig mit dem Ball – eine schlechte Angewohnheit, die Kololli schon seine ganze Karriere mit sich herumschleppt – und einer der Gründe, warum der Waadtländer trotz seinen Anlagen nie den Sprung in eine Top-Liga geschafft hat. Zum dritten Mal in Folge eine deutliche Note „1“ – trotz des verwandelten Penaltys.

Nicht bei der Sache: 73. Minute – Offsideposition des FCZ in der gegnerischen Hälfte. Anstatt wie Profis mental sofort auf Defensive umzuschalten, lupft Benjamin Kololli den Ball dem seit kurzem ebenfalls zur Kosovarischen Nationalmannschaft gehörenden Betim Fazliji wie einem Kollegen am Strand gedankenverloren in die Hände. Dieser bedankt sich, führt sofort den Freistoss aus und fünf Zürcher sind ohne Gegenwehr überspielt. St. Gallen fährt einen potentiell gefährlichen Konter. Erst als der Ball schon in der Zürcher Hälfte ist, klinkt sich Kololli mental wieder ins Spiel ein und fängt an, zurückzulaufen. Auch Dzemaili, Tosin, Kramer und Seiler stehen passiv in der gegnerischen Hälfte und orientieren sich nicht auf ihre Defensivposition.

Assan Ceesay (4) – Ist auf der Mittelstürmerposition nicht so extrem auf verlorenem Posten wie zuletzt in Genf, weil er von St. Gallen mehr Freiheiten erhält. Zu Beginn nach seinem Erfolgserlebnis in der Nationalmannschaft etwas übermotiviert in seinen Aktionen. Wieder holt der Gambier in St. Gallen einen Penalty heraus, bleibt aber nach drei Saisonvierteln bei ganzen zwei selbst erzielten Treffern.

Blaz Kramer (1) – Wie bei Tosin eine „knappe 1“. War mit Slowenien in der Startaufstellung bei der 0:1-Niederlage auf Zypern und wurde beim 1:0-Sieg gegen Vizeweltmeister Kroatien eingewechselt. Verliert weiter fast alle Bälle, wenn Brecher diese hoch spielt. Mit einer starken Aktion (allerdings begünstigt durch ein Stürmerfoul) bereitet Kramer die Top-Chance des FCZ durch Benjamin Kololli (freie Schussbahn aus 15m) in der 75. Minute vor.

Stephan Seiler (4) – Zwei Balleroberungen gleich zu Beginn und ein wichtiger Block im Strafraum gegen Stillhart – hat aber insgesamt mehr schlechte als gute Phasen in seinem Teileinsatz. Mit Elan auf den Platz gekommen, lässt er sich schon nach 10 Minuten von der Passivität Dzemailis und Kolollis zu stark anstecken.

Wilfried Gnonto (8) – Einer der wenigen im Team mit klar aufsteigender Tendenz. Scheint seine Schwächephase überwunden zu haben – seit dem Luzern-Heimspiel vor einem Monat immer zufriedenstellende bis gute Leistungen. In der 87. Minute legt er den Ball an Stillhart vorbei in den gegnerischen Strafraum. Der St. Galler geht nur auf den Mann – der fällige Foulpfiff (Penalty oder Freistoss) bleibt aber unverständlicherweise aus.

Telegramm

St. Gallen – FC Zürich 1:1 (0:1)
Tore: 45.+3 Kololli (Foulpenalty, Ceesay) 0:1; 76. Duah (Ruiz) 1:1.
St. Gallen – Zigi; Lüchinger (46. Youan), Stergiou, Fazliji, Muheim; Quintilla; Görtler, Ruiz (81. Cabral); Stillhart; Adamu, Guillemenot (46 Duah).
FCZ – Brecher; Rohner, H. Kryeziu, Nathan, Aliti; Doumbia, Dzemaili; Tosin, Schönbächler (65. Seiler), Kololli (81. Gnonto); Ceesay (65. Kramer).

(Standbilder: Blue)

Unterschiedliche Taktik bezüglich der Nationalspieler: St. Gallen – FCZ Aufstellungen

Zwischen dem FC St. Gallen und dem FCZ gibt es aktuell viele Parallelen. So haben die beiden Mannschaften dieselbe Tordifferenz und fast die gleiche Punktzahl. Ausserdem haben beide zuletzt den FC Basel und den langjährigen Angstgegner geschlagen (St. Gallen: Luzern, FCZ: Lugano), haben aber trotzdem beide seit der Winterpause zu wenig Spiele gewonnen und verzeichnen eine klare Tendenz nach unten. Beide Klubs haben zudem jeweils ein kleines Kontingent an der U21-EM Gruppenphase in Slowenien gestellt und jeweils eine Entlastung im Lazarett zu verzeichnen.

Die beiden Trainer gehen mit den Rückkehrern von der U21-EM unterschiedlich um. Während St. Gallen-Trainer Zeidler den internationalen Schwung von Stergiou, Muheim und Guillemenot ausnutzen will und alle drei in der Startformation bringt, sitzt beim FCZ Toni Domgjoni erstmal auf der Ersatztribüne – genauso wie erstmals auch der von der Leihe von Winterthur vorzeitig zurückgekehrte Lindrit Kamberi – und der bei der Slowenischen Nationalmannschaft gewesene Blaz Kramer.

Bei St. Gallen in der Reserve auf der Tribüne sitzen unter anderem Kwadwo Duah und Elie Youan, die zusammen gegen den FCZ in den ersten beiden Direktbegegnungen drei Tore erzielt haben – und ausserdem Juniorennationalspieler David Jacovic. Nicolas Lüchinger, der in seiner Karriere meist Rechtsverteidiger gespielt hat, agierte nach seiner langen Verletzungspause nach seiner Einwechslung gegen YB halblinks im Mittelfeld. Daher wird Basil Stillhart wohl weiter Rechtsverteidiger spielen – die beiden Ostschweizer könnten theoretisch die Positionen aber auch tauschen.

Beim FCZ kehren Blerim Dzemaili und Aiyegun Tosin ins Team zurück in einer Spielstätte an die sie beide positive Erinnerungen haben. Ähnliches gilt für Fabian Rohner. Teamleader Antonio Marchesano fehlt weiterhin. Die vordersten vier Akteure können auch in anderer Formation auflaufen beziehungsweise während der Partie rochieren.

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