Darius Scholtysik über das Spitzenspiel gegen YB, Blerim Dzemaili, Fabian Rohner und Wilfried Gnonto
An der Pressekonferenz vor dem YB-Match erschien für einmal Co-Trainer Darius Scholtysik, weil sich Trainer André Breitenreiter, wie sich später herausstellte Corona-bedingt, unwohl fühlte. Der in Polen geborene ehemalige Bundesliga-Mittelfeldspieler gab einige interessante Einblicke ins Innenleben der Mannschaft vor der Partie im Letzigrund und einige Personalien. Die (fast) gesamte Pressekonferenz (20 Minuten) hier im Wortlaut:
Züri Live: Spitzenspiel am Sonntag, freuen Sie sich darauf?
Darius Scholtysik: Ja. Nicht nur ich, die ganze Mannschaft, der Staff, der gesamte Verein. Wir freuen uns vor allem auf ein gut besuchtes Haus und dass die Begeisterung entfacht worden ist durch die Leistungen, die wir abgeliefert haben. Jetzt haben wir als Belohnung ein Spitzenspiel vor der Brust. Da ist die Freude natürlich gross.
Züri Live: Im «Hinspiel» in Bern habt ihr von Anfang an hoch gepresst, seid Risiko gegangen. Nach 30 Minuten hatte man das Gefühl, dass ihr die Laufleistung nicht mehr durchhalten könnt, es sind Lücken entstanden, die YB dann genutzt hat. Ist der FCZ mittlerweile einen Schritt weiter im Vergleich zu damals?
Scholtysik: Das ist aus taktischer Sicht ein wichtiger Punkt, den Sie ansprechen. Man kann nicht 90 Minuten ständig pressen. Speziell gegen eine so gute Mannschaft. Man muss die Balance finden zwischen pressen und zwischendurch dann eben auch mal kompakt stehen. Das haben wir damals logischerweise nach dem Spiel auch mit der Mannschaft besprochen. Dass wir den Gegner auch aus einer kompakten Position heraus mit frühem Anlaufen ärgern und Balleroberungen haben können. Wir werden uns definitiv nicht verstecken vor diesem Gegner. Wir wollen einfach unseren Fussball spielen, den wir in den letzten Wochen geboten haben.
Züri Live: Aufgefallen ist, dass gegen die Spitzenteams YB und Basel die Abschlusseffizienz nicht so hoch war, wie gegen andere Gegner. Woran könnte das liegen? An der Qualität des jeweiligen Torhüters, oder mentale Gründe bei den Stürmern?
Scholtysik: Eine mentale Sache glaube ich nicht. In den letzten Spielen waren wir relativ erfolgreich. Die Jungs schwimmen momentan auf einer Erfolgswelle. Das macht Riesenspass. Natürlich sind bei den Spitzenteams der Torwart oder auch die Verteidiger besser. Man hat beispielsweise gegen Atalanta gesehen, dass YB in der Lage ist, Gegnern auf europäischem Niveau die Stirn zu bieten.
Züri Live: André Breitenreiter war im Wankdorf dabei. Was hat er mitgenommen aus diesem Spiel?
Scholtysik: Ja, André und unser Analyst Fabi Sander sind hingefahren und wollten sich das Spiel mal live anschauen. Es ist live vor Ort ja doch ein bisschen was anderes als zu Hause vor dem Fernseher. Atalanta spielt ähnlich wie wir, versucht auch mal hoch zu pressen und frühe Balleroberungen zu haben. Von der taktischen Aufstellung her spielen sie ebenfalls ähnlich wie wir, mit drei Verteidigern. Das muss man sich auf dem Spitzenniveau dementsprechend mal anschauen und dann versuchen mit unserer Mannschaft das Beste herauszuholen, um in der Lage zu sein, so einen Gegner auch mal zu schlagen.
Blick: Ist die Mannschaft reif für dieses Spitzenspiel?
Scholtysik: Ja. Man hat direkt nach dem letzten Spiel bei Sion in der Regeneration an der Körpersprache sehen können, dass sie sich bereits freuen auf dieses Spitzenspiel. Das ist ein Riesenvergleich! Wir spielen bei uns zuhause. Hoffentlich bei einem vollen Haus. Die Stimmung wird wahrscheinlich sehr gut sein. Wenn dann die Leistung auch noch stimmt und das Ergebnis am Ende, sind alle zufrieden.
Tagi: Wie zeigt sich das an der Körpersprache, wenn man sich freut?
Scholtysik: Es gibt das Phänomen, wo man mit gesenktem Kopf geht, die Schultern und Arme hängen nach unten, man ist ein bisschen lustlos. Das wäre die negative Körpersprache. Die positive Körpersprache ist Brust raus, Kopf nach oben, man freut sich, man macht Spässe untereinander. Der Einsatz im Training ist dann dementsprechend hoch. Man möchte jeden Ball gewinnen, keinen Zweikampf verlieren. So merkt man: die Jungs sind bereit, die wollen unbedingt. Hoffen wir, dass sie das am Sonntag auch auf dem Platz zeigen.
Tagi: Wie war die Woche in der Position des Leaders, hält sich das Empfinden die ganze Woche?
Scholtysik: Da ist die Trainingssteuerung wichtig. Vor zwei Tagen haben wir zwei Mal trainiert auf einem hohen Niveau mit hoher Intensität. Gestern hatten wir hier in der Saalsporthalle die Möglichkeit, etwas regenerativ zu arbeiten: Mobilität, Stabilität und nachher Fussballtennis. Damit sich die Spieler auch mal etwas von der Belastung erholen. Heute (Freitag) versuchen wir wieder eine Schippe draufzulegen, damit die Spannung wieder kommt. So dass die Freude und Begeisterung auf dieses Spiel hin dann vorhanden ist.
Züri Live: Trainieren Sie heute auf Kunstrasen?
Scholtysik: Ich war noch nicht auf dem Platz. Wir werden uns im Staff unterhalten, wie wir das machen. Und dann holen wir das Beste raus. Einfach ist es nicht. Sie sehen es ja.
Tagi: André Breitenreiter hat vor dem Spiel in Basel gesagt, es sei noch viel Luft nach oben. In welchem Bereich ist das der Fall?
Scholtysik: In Basel waren wir von der Spielanlage richtig gut. Wir haben uns viele Torchancen herausarbeiten können. Wir haben die Bälle aber nicht im Tor versenkt. Einige Freunde von mir haben sich das Spiel angeschaut und die haben gesagt, der FCZ spiele wirklich guten Fussball. Das könne man sich anschauen. Der Fussball sei mutig, natürlich mit einem gewissen Risiko behaftet. Aber das wollen wir ja auch spielen. Wir wollen offensiv sein und Tore machen und Spiele gewinnen. Basel war vier Mal gefährlich vor unserem Tor und hat drei Tore gemacht. Uns hat in diesem Spiel halt vielleicht das Glück etwas gefehlt.
Tagi: Aber grundsätzlich, wie viel Luft ist noch nach oben? Nach 14 Runden hat man ja wahrscheinlich mittlerweile einen Eindruck davon?
Scholtysik: Beispielsweise bezüglich Stabilität der Mannschaft in den verschiedenen Spielphasen. Wie anfangs erwähnt, man kann nicht 90 Minuten pressen. Dass die Mannschaft nach 20 Minuten powern merkt, auch wenn es immer noch 0:0 steht, dass es sinnvoll sein kann, kompakter zu stehen und trotzdem das Spiel zu dominieren. Dazu gehört, bei eigenem Ballbesitz auch mal etwas ruhiger zu agieren, so dass die Vorbereitung der Tore hinten heraus klar und deutlich zu sehen ist, was die Spieler wollen, wie wir unsere Torchancen herausarbeiten. Das braucht eine gewisse Zeit, damit diese Automatismen greifen.
Tagi: Wie wichtig ist in dieser Funktion ein Blerim Dzemaili mit seiner Erfahrung?
Scholtysik: Da brauchen wir uns gar nicht darüber zu unterhalten. Das ist ein ganz wichtiger Spieler für uns. Durch seine Präsenz und Erfahrung kann er auch mal vorgeben, was defensiv oder offensiv gemacht werden soll.
Züri Live: Mir hat Dzemaili auf der Sechs oder Doppel-Sechs zuletzt besser gefallen, als weiter vorne. Wie haben Sie das gesehen?
Scholtysik: Er ist ein Spieler, der flexibel ist im zentralen Bereich. Er kann alleine die Sechs spielen oder auch die Doppel-Sechs, kann auf der Acht spielen. Je nach Gegner wird seine Qualität auf unterschiedlichen Positionen gebraucht. Da stellt er sich dann jeweils zur Verfügung und ruft sehr gute Leistungen ab.
Züri Live: Noch eine andere Personalie. Einer, der kaum zum Einsatz kam in letzter Zeit ist Fabian Rohner. In der Vorbereitung hat er sehr viel gespielt auf verschiedenen Positionen. Wie sehen Sie den Stand seiner Entwicklung? Auf welchen Positionen kann er ein Startelfkandidat sein?
Scholtysik: Fabi ist ein Spieler, der die rechte Seite sehr gut besetzen kann – defensiv und offensiv. Seine Stärke ist ja nicht in erster Linie das Dribbling, sondern das pure Tempo, mit dem er den Ball vorbeilegen kann. Er schlägt sehr gute Flanken / Torvorbereitungen und hat zudem einen sehr guten und präzisen Schuss. Wenn wir beispielsweise etwas riskieren müssen, dann stellen wir Fabi rechts hinten auf, wenn mit Niko etwas sein sollte oder um frische Kräfte reinzubringen. Und er ist in der Lage, die ganze Zeit die Linie rauf und runter zu marschieren und seine Aufgabe zu erfüllen.
Züri Live: Aber er könnte auch im Sturm spielen zum Beispiel, mit seinem guten Schuss und dem Tempo – je nachdem, wie man spielen will?
Scholtysik: Genau. Vor jeder Einwechslung oder Auswechslung machen wir uns Gedanken: Wie läuft das Spiel? Müssen wir das Spiel beruhigen? Müssen wir das Spiel stabilisieren? Oder mehr Risiko eingehen? Zum Beispiel nach vorne noch einen Offensiven bringen. Die Entscheidung trifft natürlich der Cheftrainer.
Tagi: Wenn man solche Spiele sieht wie in Sion, wo man in der 2. Halbzeit nicht mehr gut gespielt hat und gegen Ende richtig stark unter Druck geraten ist, wie wertvoll sind solche Siege? Auch das 2:1 davor bei Servette war ein sehr zäher Kampf…
Scholtysik: Man sagt immer, man macht einen Schritt weiter, wenn man solche Spiele gewinnt. Ich glaube, dass die Mentalität und Einstellung der Mannschaft absolut vorhanden ist. Die Jungs geben nie auf. Sie haben sicherlich auch schon mal bemerkt, wie viele Spiele wir schon im Rückstand waren und dann aufgeholt haben. Das spricht für die Mentalität der Jungs. Das ist eine Eigenschaft, die kann man nicht verpflichten, sie entwickelt sich mit der Zeit. Für uns als Staff ist das eine gute Bestätigung, dass wir Spass bei der Sache haben. Und immer wieder versuchen, das Beste herauszuholen. In jedem Spiel.
Tagi: Sie wissen ja, was man auch sagt: wenn man solche Spiele gewinnt, kann man Meister werden.
Scholtysik: Wissen Sie, das ist weit weg. Es ist wie ein Marathonlauf. Man gewinnt nicht nach 2’000 oder 10’000 Metern. Das ist eine lange Strecke. Es ist immer ganz gut, wenn wir von Spiel zu Spiel denken. Wir versuchen in jedem Spiel unser Bestes zu geben. Es ist relativ einfach.
Tagi: Es gibt so eine Sendung im deutschen Fernsehen am Sonntagmorgen, da hätten Sie jetzt drei Euro zahlen müssen…
Blick: Gerade eben kam das Urteil raus im Zürcher Fanskandal, Ihr müsst die nächsten zwei Derbies ohne Südkurve spielen. Wie schwierig wird das? Es waren bisher enge Spiele gegen GC…
Scholtysik: Man merkt ja bereits schon beim Einlaufen, dass die Stimmung da ist. Und wir werden danach über 90 Minuten oder auch mehr unterstützt. Das Schönste ist immer, wenn man gewonnen hat, dass man mit den Fans auch mal feiern kann. Das sind so diese Momente, die den Fussball ausmachen. Man will das einfach mal erleben. Die Fans sind schon sehr wichtig für uns. Aber wenn es so sein sollte, dann hat man so bestimmt hat, dann muss man auch ohne Fans sei Bestes geben. Aber es wäre natürlich sehr schade.
Tagi: Könnt Ihr gegen dieses Urteil rekurrieren?
FCZ: Ja, kann man. Es ist erst gerade rausgekommen. Wir haben noch nicht entschieden, was wir machen. Die Rekursfrist läuft 5 Tage.
Blick: Mal etwas ganz anderes, wenn Sie schon hier sind. Es gab im Sommer mal ein Bild von Ihnen, wo Sie so etwas wie eine Stoppuhr während des Spiels in der Hand haben. Was hat es damit auf sich?
Scholtysik: Ich bin mir gewohnt, diese Stoppuhr einfach mal laufen zu lassen. Vielleicht ein kleiner Tick von mir, dass ich immer die Zeit im Auge behalte. Heute zeichnet der Analyst alles auf, aber früher hatte ich immer einen Notizblock dabei und habe mir die wichtigsten Szenen mit Minute und andere Auffälligkeiten notiert, zur späteren Analyse. Ich bin nicht abergläubisch, aber die Uhr gehört trotzdem immer noch irgendwie dazu. So kann ich beispielsweise zum Cheftrainer gehen und sagen: wir haben jetzt genau noch dreissig Minuten Zeit, wir können noch etwas ändern…
Züri Live: Es geht also nicht darum, wie in Salzburg im Training die Zeit von Balleroberung bis zum Torabschluss zu stoppen…
Scholtysik: Nein, nein… (lacht)
Tagi: Noch eine ganz andere Frage zu Wilfried Gnonto. Er ist ja erst 18, wo sehen Sie sein Potential?
Scholtysik: Er hat ein Riesenpotential. Für sein Alter hat er schon sehr viele Erstligaspiele. In der Nationalmannschaft hat er auch einige Spiele bestritten. Er ist auf einem sehr, sehr guten Weg ein guter Fussballer zu werden. Aber wir wissen ja alle, dass es nicht nur darum geht, gut zu trainieren, gut Fussball zu spielen, sondern es gehören viele andere Sachen dazu, ganz allgemein die Entwicklung eines jungen Menschen. Das alles braucht seine Zeit. Bis jetzt hat er seine Einsätze bekommen, seine Leistungen immer wieder bestätigt. Was ihm vielleicht noch fehlt, sind die Tore. Das beflügelt, gibt Selbstvertrauen. Das ist der nächste Schritt für ihn, dass er in den Spielen so torgefährlich wird, wie in den Trainings. In St. Gallen hat er ein Kopfballtor nach einem Standard gemacht. Solche Aktionen wünscht man sich natürlich mehr. Er sich selber wahrscheinlich auch.
Tagi: Was ist das Riesenpotential bei Gnonto, wie können Sie das beschreiben?
Scholtysik: Über seine Qualitäten brauchen wir uns nicht zu unterhalten: Tempo, sehr gutes Dribbling, kann mit beiden Füssen schiessen, sehr unangenehm für den Gegner. Sie wissen ja selber, dass Willie einem 1.95m-Innenverteidiger Knoten in die Beine spielen kann. Was er teilweise noch etwas lernen muss, sind die Fouls, die er zu ziehen versucht. Die Schiedsrichter lassen immer weiter laufen. Das ist ein schmaler Grat. Von fünf Aktionen war vielleicht zwei Mal Foul, wo der Schiedsrichter hätte pfeifen können, es dann aber unterlassen hat. Das meine ich mit der Entwicklung eines jungen Spielers.
Tagi: Er sucht zu sehr das Foul, würde ich sagen. Und es ist wirklich nicht jedes Mal Foul, wenn er liegen bleibt.
Scholtysik: «Suchen» vielleicht nicht unbedingt. Er versucht seine Fähigkeiten auszuspielen und das ist sein Dribbling. Wenn er gegen einen grossen Spieler spielt und der stellt sein Bein da hin, dann fliegt Willie natürlich aufgrund der Körpergrösse durch die Gegend. Aber entscheidend ist danach: er muss halt aufstehen und weitermachen. Wenn der Schiedsrichter nicht gepfiffen hat, dann geht’s halt immer weiter. Und wenn er liegenbleibt und versucht, etwas zu bekommen, dann kommt logischerweise der Schiedsrichter auf ihn zu und sagt: «Du machst ja nur Schwalben, ich kann nicht pfeifen». Auch wenns manchmal ein Foul ist. Das gehört dazu. Er ist ein intelligenter Spieler und wird das sicherlich im Laufe der Zeit lernen.
Tagi: Darüber redet Ihr mit ihm?
Scholtysik: Ja, natürlich. Wir haben uns unterhalten, haben ihm Videos gezeigt. Und da gibt es dann Szenen, wo er auch selber erkannt hat, dass der Schiedsrichter in der einen Situation vielleicht auch kein Foul pfeifen kann – und dann gibt es andere Situationen, wo sowohl wir wie auch Willie gesagt haben, «das muss er pfeifen». Wir sind alle nur Menschen. Aber die Häufigkeit, wenn man solche Einzelanalysen immer wieder macht, wird dazu führen, dass man irgendwann den Weg finden wird.
Super Service danke