Offense wins games – Urs Meier 21/22 bei Züri Live

„Offense wins games, defense wins championships“ ist ein geflügeltes Wort aus dem amerikanischen Profisport, welches häufig auch auf den Fussball angewendet wird. Urs Meier war diese Saison schon zwei Mal bei Züri Live (Derby-3:3 und Luzern-4:0) und schwärmte von den Offensivspielern „seiner“ FCZ-Mannschaft. Dieses offensiv-orientierte Team hat tatsächlich auch ein paar grosse Spiele wie den Cupfinal 2014 gegen den FCB oder in der Europa League gegen Villarreal gewonnen. Das Auswärtsspiel hatte der FCZ nach vier Djimsiti-Fehlern in Spanien klar verloren. Im Heimspiel konnte Meier Marcelino, den damaligen Trainer des aktuellen Europa League-Gewinners und zweifachen Champions League-Halbfinalisten, taktisch auf dem falschen Fuss erwischen. Dies trug zu einer frühen 3:2-Führung bei, die bis zum Ende der Partie hielt.

Ohne Defence – kein Championship!

Für die Meisterschaft hat es hingegen dem geflügelten Wort entsprechend nicht gereicht. In jener Saison 14/15 habe die Mannschaft den Titel in den Beinen gehabt, war im Züri Live-Podcast Nummer 2 Davide Chiumiento überzeugt. Man war bis im November an der Spitze dabei, bis zum Foul des ehemaligen FCB-Juniors Sandro Wieser an Gilles Yapi im Brügglifeld. Das zweite defensive Gewissen, Burim Kukeli, spürte zudem nach zwei Jahren Verletzungspause immer noch die Spätfolgen des Fouls des ebenfalls ehemaligen FCB-Juniors Simon Grether in einem Testspiel 2012 und fand nicht mehr auf sein altes Niveau. Ohne gute Defence – kein Championship!

FCZ heute im Gegensatz zur Meier-Ära ohne defensiv unterdurchschnittliche „Offensivstars“

Meier erklärt auch, dass er mit diesem „fast schon Überangebot“ an offensivorientierten Spielern wie Chikhaoui, Chiumiento, Buff, Gavranovic, Etoundi, Chermiti oder Sadiku nicht eine Taktik mit einer sicheren Deckung als Basis habe implementieren können. Im Gegensatz zu André Breitenreiter heute, möchte man anmerken, der ein Team ohne „Offensivstars“ zu einer gerade auch defensiv starken solidarischen Einheit formen konnte – und nahe am ersten Meistertitel seit 2009 steht. Es wäre der 13. bei aktuell 13 Punkten Vorsprung an einem Ort, der für den 13. Mai bekannt ist.

Pechsträhne nach starker Vorrunde 14/15 hängt als Damoklesschwert über dem Saisonstart 15/16

Man muss Urs Meier zustimmen, dass in der Saison 2014/15 wirklich einiges zusammenkam, was gegen den FCZ lief. Meier erwähnt den Afrika-Cup im Januar mit dem Skandalspiel Äquatorialguinea – Tunesien, von welchem sich die mit Titelhoffnungen nach Westafrika gereisten FCZ-Tunesier lange nicht hätten erholen können. Es kam eine beispiellose Serie an Fehlentscheiden hinzu, die in der heutigen VAR-Zeit in dieser Häufung kaum noch denkbar wäre. Trotzdem gelangen dem FCZ in dieser Saison rekordhohe fünf Derbysiege und mit dem 3. Platz erreichte man die Europa League-Qualifikation. Die in vielerlei Hinsicht unbefriedigende Rückrunde trug Meier dann aber als Rucksack über den Sommer mit und als zum Saisonauftakt 15/16 zwar die Leistungen, nicht aber die Resultate stimmten, kam als Folge davon die Freistellung – und ein langes Warten auf den neuen Trainer Hyypiä, was in der Abstiegssaison wertvolle Zeit kostete. „Der Zeitpunkt war schlecht“ meint Meier heute. Er ist aber dankbar, dass er beim FCZ eine tolle Mannschaft habe trainieren dürfen. Heute ist seine Tochter Seraina Piubel Stammspielerin der FCZ Frauen und hat ihr Début in der Nationalmannschaft gegeben.

Meier traut dem FCZ früh den Titel zu

Voll gesetzt hat Meier in seiner FCZ-Trainerzeit auf den eigenen Junior Berat Djimsiti. Kein anderer Spieler hat unter ihm so viele Einsätze gehabt – 158 Wettbewerbspartien. Bei seinem zweiten grossen Förderer Gian Piero Gasperini sind es aktuell mittlerweile 152 Einsätze. Ausserdem sprach Meier bei Züri Live über die Stimmung im Verein, als er auf die Meistersaison 05/06 hin zur FCZ Academy stiess, und dass die Zuzüge von Admir Mehmedi und Innocent Emeghara aus dem Winterthurer Nachwuchs damals auf seine Empfehlung getätigt wurden. Schon beim Derby im Oktober 2021 zeigt sich Meier zudem als einer der ersten auf einen Steilpass von René Borkovic hin öffentlich optimistisch bezüglich FCZ-Chancen auf den Meistertitel in der laufenden Saison 21/22.

Rohner und Gnonto beginnen – Tramezzani setzt auf Kontinuität / FCZ – Sion Startformationen

Der FCZ beginnt gegen Sion mit Fabian Rohner, da Nikola Boranijasevic rekonvaleszent gemeldet wird. Diesmal ist Blaz Kramer gesperrt, der in der Schlussphase gegen YB keine Stricke hat zerreissen können. Trotzdem beginnt der Letzigrundclub mit zwei echten Sturmspitzen: Gnonto und Ceesay. Andy Gogia kommt ausgerechnet gegen Sion wieder auf die Bank zurück! Im Wallis hat er sich seine Fussverletzung zugezogen, als er den wichtigen Penalty zum 1:1 in der Nachspielzeit herausgeholt hat.

Nach drei Niederlagen in Folge hat Sion zuletzt beim Auswärtssieg in Lugano und dem Heim-Unentschieden gegen den FCB auf die Defensive und taktische / personelle Kontinuität gesetzt. Trainer Tramezzani nimmt zudem von allen Super League-Trainern wohl die wenigsten Auswechslungen vor – gegen Basel war es nur eine! Auch gegen den FCZ setzt Tramezzani auf personelle Kontinuität und schickt dieselbe Elf aufs Feld wie gegen Basel und in Lugano.

Hervorragend verteidigte Standards / FCZ – YB in der Züri Live-Analyse

Es läuft bereits die 96. Minute, der eingewechselte Fabian Rohner gewinnt einen Ball und spielt diagonal über den Platz in den Lauf von Blaz Kramer. Der Slowene fixiert seinen Gegenspieler und schiesst aus rund 20 Metern mit rechts – unplatziert direkt auf Torhüter David Von Ballmoos. Es ist die letzte Aktion des Spiels – und gleichzeitig der erste Abschluss des FCZ aus dem Spiel heraus, der nicht ins Tor geht! Die anderen vier Abschlüsse, die nicht im Netz zappeln, durch Kryeziu, Aliti, Mets und Hornschuh entstehen alle aus Standards.

„Genf“ auf den Kopf gestellt

Die Rückkehr der Abschlusseffizienz ist tatsächlich einer der Hauptcharakteristiken des FCZ-Spiels beim dritten Saisonsieg gegen den amtierenden Meister YB. Auch sonst schien im Vergleich zur 0:1-Niederlage in Genf alles auf den Kopf gestellt. Der FCZ überliess nach zwei Partien mit viel Ballbesitz dem Gegner wieder das Spiel – und YB nahm dies an. Gab es im Stade de Genève noch eine rekordhohe Anzahl an Pre-Vorlagen, waren es diesmal null! Jeder der fünf Abschlüsse, die nicht im Tor landeten, hatte nur den Schützen und den direkten Vorlagengeber – sonst war kein Spieler beteiligt. Und die beiden Ceesay-Tore widerspiegelten wieder klassisch den FCZ 2021/22 seit dem 1. Spieltag in Lugano.

Kamberi MVP, Rohner Maximalnote, Aussenläufer mit absteigender Formkurve

Antonio Marchesano war an der Vorbereitung beider Tore wesentlich beteiligt. Der entscheidende Ballgewinn vor dem 1:0 kam vom stark antizipierenden Lindrit Kamberi, der defensiv eine sehr aufmerksame und engagierte Partie ablieferte und praktisch fehlerlos blieb. Er ist der Züri Live-MVP, obwohl Fabian Rohner zum zweiten Mal in dieser Saison nach dem 3:1-Auswärtssieg in Luzern in der 3. Runde die Maximalnote „10“ holte. Auf den Aussenbahnen hatten Nikola Boranijasevic und Adrian Guerrero in den letzten Wochen eine absteigende Leistungskurve zu verzeichnen. Lange Zeit war speziell Guerrero einer der herausragenden Erfolgsgaranten der Mannschaft gewesen. Was sicher ist: die beiden sind diese Saison schon sehr viel gelaufen. Fabian Rohner scheint sich hingegen etwas stabilisiert zu haben. Die ersten Alternativen auf der linken Seite, Andy Gogia (verletzt) und Salim Khelifi (krank), fehlten hingegen gegen YB im Aufgebot.

Wie immer gegen YB: Fokus auf das Spiel ohne Ball

Der FCZ neutralisierte die Partie. In der 1. Halbzeit gab es auf beiden Seiten abgesehen vom FCZ-Führungstreffer keine einzige wesentliche Torchance zu notieren. Und dies obwohl YB in der ersten halben Stunde viel Power und ein unter die Haut gehendes Pressing an den Tag legte. Die Zürcher verteidigten aber solidarisch mit viel Herzblut und hielten dagegen. Der Fokus lag wie in allen Begegnungen mit YB auf dem Spiel ohne Ball. Auch Blerim Dzemaili war diesmal stärker defensiv als offensiv engagiert, ermöglichte dann aber auch mit einer persönlichen Fehlerkette „aus dem Nichts“ dem Gegner in der 73. Minute den Anschlusstreffer – und brachte sein Team so nochmal in Bedrängnis. Trotzdem war seine Gesamtleistung besser und fokussierter als zuletzt. Nur Assan Ceesay, Aiyegun Tosin, Ante Coric und Yanick Brecher sammelten in dieser Partie mehr Offensiv- als Defensivpunkte. Ceesay holte trotz zwei Treffern eine leicht tiefere Note, als in den letzten beiden Partien in Genf und im Derby, als er viel für das Team gearbeitet hat. Insgesamt erhielt der Gambier in dieser Saison nur ein einziges Mal eine ungenügende Züri Live-Note: nach seinem verunglückten Auftritt auf dem linken Flügel in Yverdon.

Top-Leistung bei gegnerischen Standards

Beeindruckend war in dieser Partie vor allem, wie gut der FCZ die zahlreichen YB-Eckbälle (und -Freistösse) verteidigte. Im Bereich „Standards defensiv“ war es wohl die beste Saisonleistung des Breitenreiter-Teams. Auch diejenigen Angreifer, die letztendlich nicht ins Spielgeschehen eingreifen konnten, waren fast durchgehend unter Kontrolle. Alleine zwischen der 4. und 13. Minute kamen die Gelbschwarzen zu sieben Eckbällen. Ein unpräziser Rückpass Dzemailis hatte diese Druckphase eingeleitet. Trainer Vanetta scheint in seinem Matchplan durchaus auf Standards gesetzt zu haben, denn selbst für YB-Verhältnisse standen trotz verletzungsbedingter Abwesenheit eines Christian Fassnachts aussergewöhnlich viele Standard-Offensivwaffen auf dem Platz. In einem 4-2-3-1 stellte Vanetta zum Beispiel Wilfried Kanga auf dem linken Flügel auf. Da die grössten Spieler des FCZ bei Standards im Raum verteidigen, kam es zu folgenden Duellen: Boranijasevic vs. Zesiger, Dzemaili vs. Kanga, Guerrero vs. Moumi Ngamaleu, Kamberi vs. Camara, Aliti vs. Siebatcheu und Doumbia vs. Elia. Dass die Zürcher diese Duelle bei so vielen teilweise durchaus gut getretenen Eckbällen gegen in mehreren Fällen einen Kopf grössere Gegenspieler so erfolgreich bestreiten konnten, ist eine Top-Leistung.

Highlights

https://soundcloud.com/fcz-radio/mental-parat-fcz-yb-2-1-highlights-04-2022

Performance & Stats

Szenen

Kommentare

https://soundcloud.com/fcz-radio/harte-prufung-bestanden-fcz-yb-2-1-kommentare-04-2022

Telegramm

FCZ – YB 2:1 (1:0)
Tore: 33. Ceesay (Marchesano) 1:0; 61. Ceesay (Tosin), 73. Siebatcheu (Garcia).
FCZ – Brecher; Kamberi, Kryeziu, Aliti (62. Mets); Boranijasevic (84. Rohner), Doumbia, Dzemaili, Guerrero; Coric (46. Tosin); Marchesano (78. Hornschuh), Ceesay (62. Kramer).
YB – Von Ballmoos; Maceiras, Camara, Zesiger, Garcia (86. Blum); Niasse, Rieder (62. Sierro); Elia (86. Varga), Moumi (74. Mambimbi), Kanga (62. Monteiro); Siebatcheu.

Stimmen

https://soundcloud.com/fcz-radio/make-the-movement-marchesano-ceesay-und-jurendic-nach-fcz-yb-2-1



FCZ Schweizer Meister 2021/22? Noch 23% der Züri Live-Leser schauen von Spiel zu Spiel

In der Kurz-Umfrage zum Heimsieg gegen YB sehen mehr als ein Drittel der Befragten die wieder verbesserte Abschlusseffizienz als wichtigsten Grund für die drei Punkte. Das gemeinsame Standhalten gegen den YB-Druck in den ersten 30 Minuten und das unvergleichliche Konterduo Marchesano / Ceesay wurden ebenfalls häufig als wichtigster Grund genannt. 11% sehen die ominöse Positivspirale als Hauptgrund – „wenns läuft, dann läufts“. Man of the Match war für eine Mehrheit der Befragten Assan Ceesay mit Antonio Marchesano, Mirlind Kryeziu, Lindrit Kamberi und Ousmane Doumbia auf den folgenden Plätzen. Mittlerweile sind 77% vom Meistertitel des FCZ in dieser Saison überzeugt, 23% schauen weiterhin diszpliniert „von Spiel zu Spiel“, während nur Einzelne (gerundet: 0%) mit „Nein“ oder „Ich weiss nicht“ geantwortet haben.

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