FCZ kann von Kontinuität profitieren / YB – FCZ Saisonauftakt Vorschau

Wie hier auf Züri Live letzte Saison analysiert, zeichnen sich tendenziell in der Super League die (gemessen an ihrem Möglichkeiten) erfolgreichen Teams durch Konstanz bezüglich Personal, Formation und Spielweise aus. Unkonstanz bei diesen Faktoren kann dabei auf drei Weisen zustande kommen.

  1. Bewusst gewählte Flexibilität und Pröbeln sowie Ausrichtung an der Spielweise der Gegner
  2. Durch externe Faktoren wie Verletzungen oder die Spielweise von dominanten Gegnern aufgezwungen
  3. Durch Misserfolg bewirkte (mehr oder weniger verzweifelte) Suche nach dem richtigen Rezept

Rrudhani ein Gewinner der Vorbereitung – Fragezeichen Lustenberger

Vom italienischen Fussball beeinflusste Trainer scheinen dabei am stärksten Flexibilität und taktische Ausrichtung am Gegner anzustreben (Punkt 1). Paolo Tramezzani (Sion) und Mattia Croci-Torti (Lugano) waren dafür die Paradebeispiele – mit unterschiedlichem Erfolg. Dies auch weil Lugano nur in Sachen taktischer Formation sehr flexibel war, bezüglich Spielweise und vor allem personell im Vergleich zu Sion hingegen sehr konstant. Punkt 3 traf letzte Saison am meisten auf Lausanne zu. Luzern wurde mit dem Trainerwechsel zu Mario Frick ab der Winterpause taktisch und personell deutlich konstanter. YB hatte durch die vielen Verletzungen im personellen Bereich wenig Konstanz.

Eine Auszeichnung für den FCZ war, dass YB speziell in den Spielen gegen das Letzigrund-Team seine ansonsten meist konstante Taktik anpasste um unter anderem das Mittelfeldzentrum zu verstärken. Im Verlauf der letzten Saison war auf einmal YB das Team, das einen halben Schritt hinterherzuhinken schien, auf den FCZ reagieren musste, nach Lösungen suchte, aber keine fand. Auf die neue Saison hin haben die Berner versucht, durch den Zuzug von prominenten Schweizer Spielern die Balance im Team zu verbessern. Denn Fabian Lustenberger ist neben Neu-Trainer Wicky das wohl grösste Fragezeichen. Schafft er es nochmal in die Rolle zu schlüpfen, die einst Steve Von Bergen inne hatte? Zur Sicherheit hat man auf jeden Fall Benito, Itten und Ugrinic verpflichtet, um die Lücke allenfalls kollektiv kompensieren zu können. Die vierte Neuverpflichtung Donat Rrudhani könnte man zudem nach ersten Eindrücken als Gewinner der Vorbereitung bezeichnen.

Möglicherweise vertauschte Rollenverteilung zwischen Nsamé und Elia

YB ist aus den Meistersaisons bekannt für ihr druckvolles Spiel über die Seiten. Der neue Trainer Wicky hingegen eher für direktes Spiel durch die Mitte. In der Vorbereitung hat man bereits sehen können, dass sich das YB-Spiel wohl zentraler abspielen wird, als bisher, ohne dass die Seiten ausser Acht gelassen werden. Im Pressing formieren sich die Gelb-Schwarzen enger als bisher in einem Mittelfeld-Rhombus. Auch mit Ball ist die Raum- und Aufgabenverteilung zwischen dem zurückstaffelnden Zentralen Mittelfeldspieler (Niasse) und dem vorstossenden (Rieder) klarer als bis anhin, so dass man zumindest phasenweise im Spiel von einem echten Sechser und einem echten Zehner sprechen kann.

Das Personal mit den gerne nach innen ziehenden Neuverpflichtungen Ugrinic und Rrudhani trägt noch zusätzlich zu einer stärkeren Gewichtung des Zentrums bei. Lustenberger hat seinen Platz wohl nicht auf sicher. Der guineische Nationalspieler Camara stünde als allfälliger Ersatz bereit. Rrudhani ist eine valable Option sowohl auf der Seite, als auch auf der offensiven Zentrumsposition. Rückkehrer Jean-Pierre Nsamé könnte sich zumindest zu Beginn stärker auf die Torvorbereitung fokussieren, und auf den Seiten oder zwischen den Linien anbieten. Die Zürcher Innenverteidigung muss als Zielspieler im Zentrum dann in erster Linie Meschack Elia im Auge behalten, der letzte Saison in der Vorrunde einer der besten Spieler der Liga war.

FCZ: Kontinuität mit zusätzlichen Optionen

Für den FCZ gibt es hingegen keinen Grund, die Position der Stärke und Eingespieltheit preiszugeben. Dass sich die anderen Teams am FCZ orientieren müssen, hat man sich letzte Saison erarbeitet und nach dem bisherigen Verlauf des Sommers alle Möglichkeiten, die Kontinuität als Erfolgsfaktor weiter zu kultivieren. Wie dies YB und davor der FCB jahrelang gemacht haben. 2021-22 agierte der FC Zürich konstant im 3-4-1-2. Dabei waren neun Spieler gesetzt. Nur auf je einer Position im Zentralen Mittelfeld und im Sturm wurde phasenweise zwischen zwei bis drei Spielern rotiert. Die Situation hat sich nicht geändert. Das Grundgerüst um Antonio Marchesano und die beiden Aussenläufer Adrian Guerrero und Nikola Boranijasevic steht. Ousmane Doumbia wird durch den Externen Cheick Condé ersetzt, Assan Ceesay durch die interne Lösung Aiyegun Tosin. Und es sind weiterhin die gleichen zwei Positionen, die nicht fix „vergeben“ sind.

Man kann davon ausgehen, dass Franco Foda nicht alles auf den Kopf stellen wird, sondern klugerweise das, was funktioniert hat, weiter bewirtschaftet. Vor allem im Spielverlauf wird Foda aber wohl mehr taktische Wechsel vornehmen als Breitenreiter. Unter anderem zeichnet sich ab, dass beispielsweise bei Rückstand typischerweise auf einen Dreimannsturm mit den Flügeln Rohner und Okita umgestellt werden könnte. Und so wie YB wohl etwas mehr durchs Zentrum spielen wird, ohne das Spiel über die Seiten aufzugeben, wird der FCZ umgekehrt mehr über die Seiten spielen, aber das schnelle Umschaltspiel durch die Mitte je nach Gegner und Spielphase trotzdem beibehalten.

Qarabaq FK – der FCZ-Gegner der 2. Runde unter der Lupe

Der Gegner des FC Zürich in der 2. Runde der Champions League 2022-23 steht fest. Der aufgrund des Konfliktes mit Armenien seit Jahrzehnten in der Hauptstadt Baku beheimatete aserbaidschanische Serienmeister Qarabaq Futbol Klubu will genauso wie der Fussballclub Zürich die Gruppenphase erreichen. Beide Teams stehen damit einem der für sie in dieser Runde schwierigstmöglichen Kontrahenten gegenüber. Die Ölfelder von Baku spielten vor rund 2’300 Jahren eine wichtige Rolle in der alten monotheistischen Religion Zoroastrismus und im 20. Jahrhundert dann für die Deviseneinnahmen der Weltmacht Sowjetunion.

Qarabaq FK: Favorit mit Erfahrung, aber auch Schwachstellen

Was erwartet das Foda-Team in Baku? In der Saison 2015-16 schied YB gegen Qarabaq mit zwei Niederlagen in den Europa League-Playoffs aus. Letzte Saison waren die Aseris in den Conference League-Gruppenspielen gegen den FC Basel zwei Mal eher die bessere Mannschaft, hatten aber viel Pech und holten daher nur einen Punkt und den 2. Gruppenplatz (danach Ausscheiden gegen Marseille im Sechzehntelfinal). Und den Polnischen Meister Lech Poznan hat man soeben mit einem 5:2-Gesamtskore aus dem Wettbewerb geworfen. Das für die Auslosung dieser Runde gesetzte Qarabaq hat international sicherlich den bekannteren Namen als der ungesetzte FCZ – und ist auf dem Papier der Favorit. Aus Züri Live-Sicht wird es aber ein Duell auf Augenhöhe. Der FC Zürich braucht sich nach der Entwicklung, die die Mannschaft zuletzt genommen hat, nicht zu verstecken.

Qarabaq hat in den letzten Jahren im Europacup zu Hause und auswärts etwa gleich gute Resultate erzielt. Man ist also auswärts eher überdurchschnittlich gut. Qarabaq kann auf seiner personellen Kontinuität der letzten Jahre aufbauen, in welcher das eingespielte Team viel Europacuperfahrung gesammelt hat. Von den individuellen Qualitäten her ist das Team von Qurban Qurbanov hingegen nicht besser aufgestellt als der FCZ. Es gibt keinen Spieler mit einer besseren Technik als Marchesano und auch keinen, der schneller ist als Rohner. Torhüter Magomedaliyev bringt ebenfalls nicht mehr Qualität mit als Brecher. Es gibt für den FCZ genügend Ansatzpunkte zum Ausnutzen von Schwachstellen. So sind die Akteure im defensiven Zentrum wie Medvedev, Medina oder Almeida nicht sehr flink / beweglich – sowohl ohne, als auch mit Ball. Rechtsverteidiger Vesovic unterlaufen unter Druck relativ viele Fehlpässe und Linksverteidiger Jafarguliyev ist zwar offensiv dynamisch, vernachlässigt dadurch aber auch immer etwas seine Defensivaufgaben. Das Duell zwischen ihm und Boranijasevic könnte ein entscheidendes werden.

Qarabaq gegen Lech Poznan dominant mit Spiel über die Flügel

Mitentscheidend wird sein, dass der FCZ unabhängig vom Resultat in Bern als Mannschaftsgefüge möglichst rasch zusammenfindet – im Speziellen im Mittelfeldzentrum: Condé ist neu, Dzemaili war zuletzt angeschlagen, Krasniqi und Seiler manchmal schwankend in ihren Leistungen und Selnaes scheint noch weit von der benötigten Wettkampfverfassung entfernt zu sein. Gegen Lech Poznan hat Qarabaq in beiden Partien das Spiel gemacht. Die Polen zogen sich zurück und verlegten sich auf Konterangriffe. Diesbezüglich war Lech durchaus gefährlich. Im Rückspiel vermochte Qarabaq aber mit intensiverem Pressing und deutlich konsequenterem Gegenpressing den Druck von der 1. Minute an hochzuhalten. Die Aseris liessen sich zudem vom Blitz-Gegentreffer bereits nach wenigen Sekunden überhaupt nicht beeindrucken.

Letztendlich brachte Qarabaq insgesamt mehr Energie auf den Platz. Lech ging das Tempo zu Beginn mit, baute etwa ab der 30. Minute aber ab. Qarabaq legte zudem Lechs defensive Defizite offen. Der Qarabaq-Aufbau verlief fast immer gleich. Einer der Mittelfeldspieler (Almeida oder Garayev) lässt sich auf die Höhe der Innenverteidiger zurückfallen und sucht mit einem flachen langen Ball auf der Seite einen der beiden Flügel – Zoubir (links) oder Kady (rechts). Da Zoubir Rechtsfuss und Kady Linksfuss ist, sind direkte Flanken von der Grundlinie selten. Sie legen sich den Ball erst auf den starken Fuss, bevor sie nach innen ziehen oder spielen.

Qarabaqs Hintermannschaft mit Mankos im Kopfballspiel und Antritt

Die zentralen Lech-Offensivspieler Amaral und Ishak taten so gut wie nichts, um Qarabaq im Spielaufbau zu stören – selbst auf Höhe der Mittellinie nicht. Das könnte theoretisch auch eine taktische Vorgabe gewesen sein, um den Gegner noch weiter rauszulocken. So etwas funktioniert aber nur, wenn die Hintermannschaft zweikampfstark ist und bei Ballgewinn schnell und sauber hinten herausspielen kann – was mit zunehmender Dauer der 1. Halbzeit nicht mehr der Fall war. In Baku erlebte Lech einen Gegner mit einer Intensität im Gegenpressing, die sie sich aus der Ekstraklasa nicht gewohnt sind. In diesem Moment wäre es wichtig gewesen, dass Lech-Trainer Van den Brom zur Pause taktisch reagiert. Nicht ganz untypisch für Holländische Trainer wollte er aber stur sein Konzept durchziehen. Franco Foda würde in so einer Situation ziemlich sicher flexibler reagieren. Dass für eine personelle Reaktion aber wohl auch etwas die valablen Alternativen fehlten, zeigten die aus polnischer Sicht enttäuschenden Auftritte ihrer Einwechselspieler.

Die Qarabaq-Hintermannschaft ist also mit langen hohen Bällen, Druck machenden Stürmern und auch über die Seiten verwundbar. Die Stärke der Verteidiger und Defensiven Mittelfeldspieler ist generell ihre Erfahrung und „Ausgebufftheit“ – sie sind aber nicht besonders kopfballstark und mit Ausnahme von Linksverteidiger Jafarguliyev auch nicht übermässig beweglich / schnell. Dies alles würde umso mehr für ein Sturmduo Tosin / Gnonto sprechen. Okita scheint im Spiel ohne Ball (noch) nicht auf dem gleichen Level zu sein. Ausserdem hat Qarabaq Probleme bei Eckbällen des Gegners, teilweise mit der Zuteilung, speziell aber auch wenn diese nahe aufs Tor in einen dicht gedrängten Fünfmeterraum gezogen werden.

Zürcher Sechserposition und Energiemanagement entscheidend

Defensiv muss sicherlich ein Fokus darauf liegen, Qarabaq in der Mittelzone besser am Spielaufbau zu stören als dies Lech tat, selbst dann, wenn man sich zurückziehen sollte. Weiter geht es darum, die beiden Flügel Zoubir und Kady in den Griff zu bekommen. Das ist grundsätzlich sicherlich möglich. Im Hinspiel in Poznan hatte Zoubir zwar viel den Ball, vermochte damit aber wenig anzustellen und Kady erwischte ganz generell einen schlechten Tag. Die Zone der Zürcher Sechserposition vor dem eigenen Strafraum wird wohl defensiv am wichtigsten sein. Condé hat sich schon sehr gut eingeführt, überlässt aber als Neuling in verschiedenen Situationen noch den Mitspielern den Lead, wenn er eigentlich bereits selbst mehr das Szepter übernehmen sollte. Wer spielt daneben? Selnaes kommt kaum schon in Frage. Bei Seiler und Krasniqi hängt es zur Zeit immer noch etwas von der Tagesform ab. Ideal wäre wohl einen der beiden zum Meisterschaftsauftakt auf Kunstrasen in Bern zu bringen und Dzemaili dann (sofern wieder fit) in Baku.

Die kurze Abfolge von Spitzenkampf zum Auftakt in Bern und drei Tage später das für die Europacupsaison bereits etwas vorentscheidende Spiel in Baku ist „nicht ohne“, auch wenn zum Saisonstart in der Regel die möglicherweise noch fehlende Eingespieltheit die grössere Herausforderung darstellt, als der Energiehaushalt. Lech Poznan reiste auf jeden Fall vor allem auch darum mit einer klaren Niederlage aus Baku ab, weil es über 90 Minuten nicht die gleiche Intensität auf den Platz bringen konnte, wie der Gegner. Und dies obwohl sie am Wochenende zwischen den zwei Europacupduellen mit Qarabaq im Supercup gegen Rakow Czestochowa (0:2) den grössten Teil ihrer Stammformation geschont hatten. Für Qarabaq beginnt die Meisterschaft noch lange nicht. Sie haben zur Zeit Europacuppartien im Wochentakt und können vor ihrer dritten Wettbewerbspartie der Saison in Baku bleiben.

Baku – Bild: Dr. Matthias Ripp (bearbeitet) CC BY 2.0

Testspielbilanz Teil 3 – nach verpatzter Hauptprobe gegen Stuttgart

Die Meistersaison 21/22 wurde mit einer Schifffahrt über den Zürichsee abgeschlossen, die Testphase der neuen Saison mit der Autofähre über den Bodensee – zumindest für die angereisten FCZ-Fans. Nach verdienter 1:0-Führung zur Pause verliert der FCZ das abschliessende Testspiel in Friedrichshafen gegen den VfB Stuttgart mit 2:3. Aufgrund des bereits fortgeschritteneren Vorbereitungsstatus hätte man ein positives Resultat des Foda-Teams erwarten können, aber auch der FC Zürich hatte wie das durchaus normal ist, eine Woche vor Saisonstart noch nicht die Spritzigkeit, die es dann in Bern braucht. Vor Jahresfrist war übrigens die Hauptprobe im Heerenschürli gegen Neuchâtel Xamax mit 1:4 verloren gegangen.

Einwechslungen und taktische Änderungen entscheidend für Spielverlauf gegen Stuttgart

Die physische Frische war bestimmend für den Spielverlauf im Zeppelinstadion. Nachdem die Topformation von Stuttgart die ersten zehn Minuten Gas gegeben hatte, übernahm danach der FCZ aufgrund der besseren physischen Verfassung das Szepter. Nach der Pause war es umgekehrt, als sich die frisch eingewechselte Stuttgarter „2. Garde“ beweisen wollte und mehr Kraft hatte, als die bereits 45 Minuten auf dem Platz stehenden Zürcher. FCZ-Coach Franco Foda nahm bei der Hauptprobe ganz im Stile eines Wettbewerbsspiels nur fünf Auswechslungen vor.

Die letzte Viertelstunde der Partie war der FCZ die bessere Mannschaft. Foda hatte Mittelfeldspieler Hornschuh ausgewechselt und Fabian Rohner gebracht, der im 3-4-3 sowohl das Pressing als auch das Angriffsspiel sofort belebte. Nikola Boranijasevic erhielt so den Raum, um eine Idealflanke auf Aiyegun Tosin zu schlagen, der mit seinem dritten Vorbereitungstor per Kopf zum Resultat von 2:3 traf. Davor hatten die Zürcher nach der Einwechslung von Ole Selnaes im Zentrum etwas den Faden verloren gehabt. Hornschuh, dem der Ballverlust vor dem 1:2 unterlaufen war, hätte auf der 10er-Position agieren sollen, zog sich dabei aber zu stark zurück, Selnaes ist läuferisch nicht überraschend immer noch weit vom benötigten Level entfernt, und Condé wurde in dieser Phase sein Wirkungskreis auf der von Selnaes übernommenen Sechserposition beschnitten. In gewissen Räumen waren zu viele Zürcher, in anderen zu wenig zugegen.

FCZ mit etwas mehr Alternativen als vor Jahresfrist

Insgesamt hat die Mannschaft in den Testpartien einen besseren Eindruck hinterlassen, als vor einem Jahr. Im Vergleich zum letzten Juli hat man auf einzelnen Positionen etwas mehr Alternativen und dadurch auch taktisch ein bisschen mehr Möglichkeiten. Der FC Zürich ist in Sachen Kaderbreite aber trotzdem weiterhin weit von YB oder dem FCB entfernt. Letztendlich zählen aber nur die 16 eingesetzten Spieler – wie letzte Saison gezeigt hat. Im Gegensatz zu den beiden Schweizer Spitzenteams ist der FCZ aber weiterhin darauf angewiesen, bei den Transfers gewisse Fragezeichen in Kauf zu nehmen. Vor allem ob und bis wann die grundsätzlich sicherlich guten Fussballer Ivan Santini nach einem Jahr Saudi-Arabien und vor allem Ole Selnaes nach dreieinhalb (!) Jahren China sich wieder an den europäischen Rhythmus angepasst haben werden.

Neben Spielern von aussen und aus dem eigenen Nachwuchs, die sich erst an die Super League herantasten müssen, gibt es aber auch Akteure, die mittlerweile genug Vorlaufzeit hatten und für die es ihre Durchbruchsaison als Leistungsträger werden könnte: Aiyegun Tosin, Wilfried Gnonto, Bledian Krasniqi, Fabian Rohner oder Lindrit Kamberi. Ähnlich wie dies letzte Saison für Assan Ceesay, Ousmane Doumbia oder Mirlind Kryeziu der Fall gewesen war. Gut zu sehen ist auch, dass letztjährige Leistungsträger wie Antonio Marchesano, Adrian Guerrero oder Nikola Boranijasevic nichts von ihrem Drive und Spielwitz verloren haben. Der Hunger kommt mit dem Essen! Gegen Stuttgart wurde aber auch verdeutlicht, warum die in der Super League letzte Saison gut funktionierende Dreierabwehr Kamberi / Kryeziu / Aliti in der Bundesliga in Schwierigkeiten käme. In der Luft hatten die Innenverteidiger defensiv Probleme und offensiv kaum eine Chance.

FCZ-Testspielbilanz & erste Einschätzungen zur neuen Mannschaft – Teil 1

FCZ-Testspielbilanz & erste Einschätzungen zur neuen Mannschaft – Teil 2

Ranking der FCZ-Trainer seit 1960 – Lehren aus der Geschichte für die Zeit mit Franco Foda

Der neue Trainer Franco Foda folgt beim FCZ auf eine historische Saison: vielleicht sogar die beste der Vereinsgeschichte? Zumindest kann man mit Fug und Recht Trainer André Breitenreiter die beste Meisterschafts-Bilanz eines FCZ-Trainers attestieren. Bei den ersten zwei Meistertiteln 1902 und 1924 gab es noch keine Spitzenliga im eigentlichen Sinn. Alle anderen Meistertitel folgten ab den 60er-Jahren. Seit 1960 hat nur ein FCZ-Coach umgerechnet nach Dreipunkteregel einen besseren Punkteschnitt als Breitenreiter erreicht: der Basler René Brodmann, welcher zum Ende seiner fünfjährigen Aktivzeit beim FCZ in der Rückrunde 1967 als Spielertrainer waltete (trotz der Top-Rückrunde blieb damals am Ende der FCB einen Punkt vor dem FCZ und Lugano). Brodmann kam gemäss FCZ-Biographie „Eine Stadt, Ein Verein, Eine Geschichte“ im Jahr 2000 auf tragische Art und Weise bei einem Unfall ausgerechnet direkt vor dem Letzigrund-Stadion ums Leben.

Lehren aus der Geschichte

Breitenreiter ist trotz zweitbestem Punkteschnitt in unserem Trainer-Ranking an erster Position, denn wir haben den Punkteschnitt mit der Qualität der Gegner gewichtet, gegen welche diese Punkte geholt wurden. So liegt beispielsweise Albert Sing, der 1980 durchschnittlich 1,3 Punkte in der Finalrunde gegen die Top 6-Mannschaften der Schweiz geholt hat, vor Uli Forte mit dessen 1,99 Punkten vorwiegend gegen die Nummern 11 bis 20 des Schweizer Fussballs und in zweiter Linie gegen die besten 10. Oder Gilbert Gress mit 1,31 Punkten gegen vorwiegend die besten 12, teilweise die besten 8 und die Nummern 9 bis 16 liegt vor Herbert Neumann mit 1,40 Punkten zu grossen Teilen gegen die Nummern 9 bis 24 der Schweiz. Und so werden die 2,10 Punkte Breitenreiters gegen die Top 10 etwas höher gewichtet, als Brodmanns 2,23 Punkte gegen die Top 14.

Die beiden grossen Figuren sind Breitenreiter und Favre – gefolgt von den erfolgreichen Coaches zuerst der 70er- (Cajkovski, Konietzka) und dann der 60er-Jahre (Gawliczek, Maurer, Mantula). Eine aufschlussreiche Lehre ergibt sich aus der Geschichte, wenn die Zeit nach den „Überfliegern“ Favre und Konietzka / Cajkovski betrachtet wird. Die Nachfolger (Jeandupeux sowie Challandes / Fischer / Meier) erreichten nicht mehr die Top-Punktzahlen von zuvor, arbeiteten aber trotzdem immer noch ziemlich erfolgreich. Jeandupeux und Challandes vermochten gar in Sachen Meistertitel nachzudoppeln. Mit Challandes, Fischer und Meier schien vor dem Hintergrund der Favre-Zeit jeweils die Geduld etwas zu fehlen. Eine kleine Resultatbaisse führte in den jeweiligen Fällen zur Freistellung. Besser wurde es danach aber nicht – im Gegenteil. Die Gefahr besteht, dass man an die Nachfolgetrainer zu hohe Ansprüche stellt und dadurch vom Regen in die Traufe gerät.

Das Ranking der FCZ-Trainer

FCZ-Testspielbilanz & erste Einschätzungen zur neuen Mannschaft – Teil 2

Die Innenverteidigung der letzten Saison Omeragic / Kamberi – Kryeziu – Aliti ist zusammengeblieben. In der Super League hat sich diese Formation letzte Saison gut bewiesen. Die internationalen Spiele werden aber sicherlich zu einer interessanten Herausforderung, auch wenn die Akteure über die verschiedenen Nationalteams bereits einige internationale Erfahrung mitbringen. Alternative Marc Hornschuh hat zuletzt gegen Altach in der Verteidigung einen besseren Eindruck hinterlassen als im Mittelfeld. Karol Mets ist nach der späteren Rückkehr aufgrund der Nationalmannschaftseinsätze noch relativ weit von der Wettkampfform entfernt. Silvan Wallner bringt defensiv weiterhin nicht genügend Format mit. Testspieler Fabao scheint von seinen Voraussetzungen her, speziell bezüglich Speed, eher ein Mann für die Promotion League-Equipe als Ersatz für den zum FC Wil gewechselten Genis Montolio zu sein. Dafür wäre aber wohl notwendig, dass der Brasilianer auch einen europäischen Pass besitzt.

Dino Lamberti im Züri Live-Podcast: „Fabao wurde bei Flamengo mit Vinicius Junior ausgebildet“

Cheick Condé – das fehlende Puzzle-Stück

Cheick Condé ist der wohl wichtigste Neuzugang des Sommers. Der 21-jährige Guineer bringt ein Element in die Mannschaft, das letzte Saison trotz Meistertitel gefehlt hat: ein ruhender Pol im Zentrum mit starker Physis und sehr gutem Positionsspiel. Blerim Dzemaili war sicherlich in der ein oder anderen Form beteiligt am Transfer seines Ex-Teamkollegen Ole Selnaes und hat damit gleich seinen eigenen Konkurrenten mit nach Zürich gelotst. Die Stärke von beiden sind lange Bälle aus dem Rückraum, während gleichzeitig beide in den Zweikämpfen, in der Rückwärtsbewegung und allgemein im Defensivverhalten ihre Mankos haben. Selnaes gelang gegen YF Juventus ein Weitschusstor mit dem Aussenrist aus 20 Metern.

Neuverpflichtungen klatschen sich ab: Ole Selnaes geht wenige Augenblicke nach seinem Premierentreffer für den FCZ gegen YF Juventus raus, Ivan Santini kommt rein

Konditionell hat der ehemalige Leistungsträger von Rosenborg aber noch sehr viel Rückstand. Diesbezüglich hat Bledian Krasniqi sicherlich einen Vorteil. Er scheint die aufsteigende Form der letzten Saisonwochen über die Sommerpause konserviert zu haben und will sich ganz offensichtlich aufdrängen. Krasniqi streitet sich wohl als Dritter im Bunde mit Dzemaili und Selnaes um einen Platz. Die ebenfalls in der Vorbereitung eingesetzten Izer Aliu und Leo Aversa haben hingegen wohl kaum eine Chance. Miguel Reichmuth scheint sich in der 2. Mannschaft bei Roberto Rodriguez (wie Reichmuth ebenfalls Schweizer mit Chilenischen Wurzeln) unter anderem bei Standards einiges abgeguckt zu haben. Stephan Seiler könnte als Backup für Condé fungieren. Seine Testpartien waren aber wie schon vor einem Jahr durchzogen. Bei ihm scheint der mentale Aspekt eine wichtige Rolle zu spielen. Wenn Seiler befreit aufspielen kann, wie gegen Ende Saison in St. Gallen, ist er zu phänomenalen Leistungen fähig.

Tosin und Vyunnik blühen auf

Dreh- und Angelpunkt der Mannschaft ist und bleibt Antonio Marchesano – ob auf der 10er-Position oder wie gegen Altach im Zweimannsturm mit seinem möglicherweise neuen Partner im Zentrum, Aiyegun Tosin. Schon seit Jahren ist der Tessiner auch für die (defensive) Organisation der Zürcher Vordermannschaft zuständig. Während Captain Yanick Brecher die Spieler der Hintermannschaft von hinten mit Hinweisen beschallt, sorgt Marchesano bei den Stürmern, offensiven Mittelfeldspielern und Fl¨ügeln für Ordnung. In einzelnen Fällen der letzten Jahre hat Marchesano auch mal auf der Achterposition oder gar auf dem Flügel agiert, aber grundsätzlich sollte er wenn immer möglich auf einer Position spielen, wo er seine Stärken am besten ausspielen kann – also auf der 10 oder als (hängende) Spitze. Dies schränkt die Auswahl an sinnvollen Formationen etwas ein. Wie sein Kumpel Adrian Guerrero ist Marchesano nicht einfach ersetzbar. Einer der beiden Reichmuth-Brüder oder Stephan Seiler würden am ehesten passen. Oder die taktische Formation wird geändert.

Tosin wirkte in den Testspielen so fokussiert und zielstrebig wie noch nie in seiner bisher wechselhaften FCZ-Zeit. Er könnte durchaus mit dem (spiel-)intelligenten Marchesano in ähnlicher Weise zusammenfinden, wie dies beim Duo Ceesay / Marchesano der Fall gewesen war. Im Zentrum ist der seit diesem Jahr für Benin spielende Nigerianer auf jeden Fall effektiver, als auf der Seite. Bohdan Vyunnik gewinnt nach mehreren Monaten beim FCZ mittlerweile Woche für Woche mehr Sicherheit. Ivan Santini ist zwar nicht so schnell wie Blaz Kramer, dafür technisch und im Abschluss deutlich besser.

Variabler durch Flügelzange

Okita als typischer Flügelspieler aus dem Holländischen Fussball bringt zusätzliche taktische Flexibilität. Gnonto sieht Foda vermutlich auch eher auf der Flügelposition. Dazu kommen allenfalls auch noch Janko, Haile-Selassie, Gogia, Rohner oder Tosin auf einer möglichen vorderen Seitenposition im 4-4-2, 4-3-3 oder 3-4-3. Insgesamt ist das Gesicht und der Groove der Mannschaft 21/22 auch in der Vorbereitung zur neuen Saison erkennbar. Und dieses hat zusätzliche Facetten / Varianten dazu erhalten. Zwei grosse Fragen bleiben aber trotzdem offen: Wie gut gelingt der Start? Und: wie schlägt sich dieses Team international? Die Mannschaft ist besser als 16/17 und 18/19. Die Gegner sind in der Zwischenzeit aber auch besser geworden.

FCZ-Testspielbilanz & erste Einschätzungen zur neuen Mannschaft – Teil 1

FCZ-Testspielbilanz & erste Einschätzungen zur neuen Mannschaft – Teil 1

Vor der abschliessenden Begegnung in Friedrichshafen gegen den VfB Stuttgart hat der FC Zürich eine makellose Testspielbilanz. Grosse Aussagekraft hat dies freilich nicht. Letzten Sommer hatte man nach Tests gegen fast ausschliesslich unterklassige Gegner eine negative Bilanz vorgewiesen. Neben drei Niederlagen gegen Aarau (0:1), Xamax (1:4) und Feyenoord (0:1) resultierten zwei Unentschieden gegen Wil (2:2) und Vaduz (0:0), und nur ein einziger Erfolg gegen den SC Kriens (6:1).

Vor einem Jahr: Fokus auf die positiven Aspekte trotz schlechter Testspiele

Und was machte der damalige Trainer André Breitenreiter? Statt sich und die Mannschaft kurz vor Saisonstart in einer ausgiebigen Fehleranalyse selbst zu zerfleischen, zeigte er vertieft die Bilder vom einzigen Sieg gegen den SC Kriens – als Blaupause dafür, wie eine Woche später zum Super League-Start in Lugano gespielt werden soll. Und zwar zeigte er dabei sicherlich einzig die ersten 30 Minuten der Partie. Denn danach war der später frühzeitig feststehende Absteiger aus der Challenge League eher die bessere Mannschaft gewesen.

Dies notabene mit einer unter anderem durch Corona stark ersatzgeschwächten Equipe, welche die Anweisungen ihres neuen Coaches Morandi noch nicht zu verstehen schien, und bei der im Verlauf der 2. Halbzeit der dritte FCZ-Torhüter Gianni De Nitti zwischen die Pfosten musste, weil sich mit Neuenschwander auch noch der letzte zur Verfügung stehende Torhüter verletzt hatte. Am gleichen Nachmittag im Heerenschürli war die zweite Hälfte der Zürcher Stammelf gegen Xamax chancenlos geblieben. Breitenreiter redete in Bezug auf die Vorbereitung danach gegen aussen aber nur vom Kriens-Spiel. Was folgte, war die Meistersaison 21/22 mit am Ende 14 Punkten Vorsprung auf den zweitplatzierten FC Basel.

Der FCZ weiterhin häufig mit Blitzstart

Diesen Sommer hinterliess der FCZ in den Testpartien den deutlich besseren Eindruck. Ein Teil davon ist sicherlich erklärbar durch das im Verlauf der letzten Saison entwickelte Selbstverständnis der Mannschaft. Ein Teil auch durch den gestiegenen Respekt der Gegner, ähnlich wie dies in der Challenge League-Saison 16/17 in den Meisterschaftspartien der Fall gewesen war. Ein grosser Teil könnte aber durchaus auch davon herrühren, dass man in den Testpartien ambitionierter angetreten ist, als die jeweiligen Gegner. Und daher der Spielverlauf wenig Aussagekraft hat. Man will beim FCZ mittlerweile einfach immer gewinnen – ob im Training, in Testspielen vor leeren Rängen und natürlich auch dann, wenns wieder um die Wurst geht.

Die Partie FCZ – Altach musste mit rund zehn Minuten Verspätung starten, weil die Letzigrund-Crew vergessen hatte, die Sprinkleranlage auszuschalten

In vier von sechs Testpartien schoss der FCZ bereits in den ersten fünf Minuten das 1:0 – was an einige Meisterschaftsspiele der letzten Saison erinnert. Das in die 2. Liga Interregional abgestiegene Thalwil gab 45 Minuten Vollgas und brach danach ein. Der FC Baden wirkte hingegen kurz nach dem nach acht Jahren an der Spitze der 1. Liga Gruppe 3 endlich realisierten Aufstieg in die Promotion League etwas demotiviert – oder noch angeschlagen von den Feierlichkeiten. Gegen den FC Wil musste der FCZ dann erstmals auf einen Rückstand reagieren. Viktoria Köln wurde mit einer Tempoverschärfung nach der Pause bezwungen. Gegen YF Juventus machte zugunsten der „2. Garde“ des FCZ die schon deutlich weiter fortgeschrittene Saisonvorbereitung und Ole Selnaes‘ Klasse am Ball den Unterschied. Gegen Altach zeigten dann die aktuellen Favoriten auf die Startformation für den Super League-Start in Bern vor allem in der Anfangsphase eine starke Leistung und guten Spirit.

„Turbo Fabian“ eiskalt vor dem gegnerischen Gehäuse

Der neue Trainer Franco Foda probierte unterschiedliche Spielformationen aus, experimentierte aber etwas weniger, als dies Breitenreiter in seiner Sommer-Vorbereitung tat: das letztjährig meist implementierte 3-4-1-2 war die favorisierte Formation. Trotzdem waren auch ein klassisches 4-4-2 (in dieser Formation gelang die bisher beste Halbzeit gegen Altach), ein 4-3-3 und sogar ein 3-4-3 mit dabei.

Fabian Rohner war immer wieder eiskalt vor dem gegnerischen Kasten und steuerte acht Tore sowie drei Assists bei. Schon vor einem Jahr hatte „Turbo-Fabian“ in der Vorbereitung als Stürmer oder zurückhängende Spitze am meisten überzeugt. Zuletzt gegen Altach in der 2. Halbzeit hat ihn Trainer Foda in einem 3-4-3 am Rechten Flügel eingesetzt. Der Rheinhesse sieht Rohner so wie es aussieht als Alternative weiter vorne als noch sein Vorgänger Breitenreiter, bei welchem Rohner während der ganzen Saison der Backup von Nikola Boranijasevic war. Kommende Saison könnte möglicherweise Selmin Hodza diese Rolle übernehmen. Der Backup für Adrian Guerrero auf der linken Seite fehlt noch. Buschman wird es sicherlich nicht. Unter anderem wurde Offensivmann Kedus Haile-Selassie auf dieser Position getestet und hat gegen Baden auch defensiv ganz gut mitgearbeitet. Zur Zeit ist der jüngere Bruder von Maren Haile-Selassie allerdings im Test beim FC Schaffhausen. Es könnte sich eine Leihe anbahnen.

Testspieler Fabao, Dzemaili und Boranijasevic beim Auftakt in Thalwil, Sportplatz Brand
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