FCZ vor dem Restart: Stürmerproblem gelöst? (mit Testspielstatistik)

Nach sieben Testpartien im Sommer hat der FCZ in der verlängerten Winterpause sechs Freundschaftsspiele absolviert. Wir erinnern uns: im Sommer gab es sechs Siege aus sieben Spielen bei einem Torverhältnis von 33:7. Die einzige Niederlage (2:3) setzte es in der letzten Partie in Friedrichshafen gegen den VfB Stuttgart ab – nach einer 1:0-Führung durch Willy Gnonto. Die Testresultate und auch die Leistungen waren deutlich besser gewesen, als im Sommer vor der Meistersaison. Aber diesmal musste man zum Auftakt gleich nach Bern und verlor nach einer guten Leistung am Ende klar. Antonio Marchesno, der vor Jahresfrist einen Freistoss nach dem anderen aus 20 Metern über die Mauer gezirkelt direkt verwandelte, verschoss vom Elfmeterpunkt. Häufig läuft es in der Meisterschaft genau umgekehrt wie bei den Tests. Auch in Theaterkreisen gilt: schlechte Hauptprobe bedeutet gute Première – und umgekehrt. Die Testpartien können bezüglich Hierarchien, Taktiken und der Entwicklung einzelner Spieler durchaus Aufschlüsse bieten – nicht aber im Hinblick auf eine Prognose des Startes in die neue Wettbewerbsrunde.

Bledi, Marc, Juni,… – die Zweite Reihe macht Druck

Jetzt im Winter gab es drei Siege, zwei Unentschieden und eine Niederlage bei einer Tordifferenz von 13:12. In jeder der 13 Freundschaftsspiele der Saison hat der FC Zürich ins Netz getroffen. Zum Abschluss wurde der FC Wil bereits zum zweiten Mal in dieser Saison mit dem Resultat von 3:2 besiegt – diesmal im Heerenschürli über 140 Minuten. Die unter Franco Foda gepflegte Spielweise wurde kaum verändert. Sie ist weiterhin von Raumdeckung und Ballkontrolle geprägt. Der neue Trainer Henriksen hat ja auch von Anfang an betont, dass er in erster Linie im kommunikativen Bereich eine Änderung bewirken will – und nicht taktisch.

Die beste Testspielform hatten zuletzt Spieler, die zum Auftakt in Luzern tendenziell auf der Bank erwartet werden können und diesen Status noch verbessern wollen. Marc Hornschuh machte einen sehr erholten, spielfreudigen Eindruck, Bledian Krasniqi steuerte in mehreren Partien mit Toren, Assists und Tempodribblings einen wesentlichen Teil der wenigen Glanzpunkte bei. Roko Simic, der durchaus von Beginn weg Startelfchancen hat, hatte Zug aufs gegnerische Tor. Auch Calixte Ligue bestätigte das Vertrauen von Trainer Henriksen und der Klubführung. So weit wie der zwei Jahre ältere Roko Simic ist er aber natürlich noch nicht. Möglichst viele LInksfüsser im Kader zu haben ist aber immer gut – mit Karol Mets ist in der Winterpause zwar einer gegangen, aber mit den aus Genesio Colatrella’s U21 beförderten Ramon Guzzo und Calixte Ligue zwei weitere hinzugekommen.

Verteidiger in der Rückwärtsbewegung schlecht

Gianni De Nitti machte zumindest in den Testpartien den etwas besseren Eindruck, als Zivko Kostadinovic. Kostadinovic ist grundsätzlich aktuell höher einzustufen, aber er konnte in den Vorbereitungsspielen wenig überzeugen und ist genauso wie De Nitti mit den Füssen deutlich schlechter als Brecher, was in der Liga auf das Zürcher Aufbauspiel einen grossen Einfluss haben wird. Ivan Santini, der im Herbst von den Einsatzzeiten her nur die Nummer 22 im Kader war, konnte sich in den Wintertestspielen nicht empfehlen. Bohdan Vyunnik arbeitet viel für die Mannschaft. Der Ukrainer hat in dieser Saison nach Fabian Rohner (13) in Testpartien am zweitmeisten Skorerpunkte erzielt (fünf Tore, vier Assists). Assan Ceesay war beim FCZ ebenfalls erst der „Testspiel-Goalgetter“, bevor er dann später zum echten Topskorer wurde. Dauerläufer Adrian Guerrero wurde diese Saison auch in Vorbereitungsspielen mit 825 Minuten mit Abstand am meisten eingesetzt. Potentielle Back-Ups gibt es mit Fidan Aliti, Ramon Guzzo, Selmin Hodza, Calixte Ligue, Jonathan Okita und Daniel Afriyie einige. Aber keiner von diesen bringt das Laufvermögen des Spaniers mit.

Die Rückwärtsbewegung von Verteidigern wie Nikola Katic, Lindrit Kamberi oder Ilan Sauter war in den Testpartien auch gegen Gegner wie Dornbirn oder Wil sehr schlecht. Da kann man nur hoffen, dass es alleine an der Spritzigkeit lag – und diese zum Auftakt gegen Luzern wieder da sein wird. Auf insgesamt 545 beziehungsweise 453 Minuten in den Testspielen kommen mit Sauter und Seiler zwei Spieler, die in Wettbewerbspartien für den FCZ in dieser Saison noch keine oder fast keine Rolle gespielt haben. Basierend auf den Auftritten vor allem von Sauter wird sich das wohl auch kaum wesentlich ändern.

Drei neue Stürmer auf der Mannschaftsliste

Die häufigste Spielformation in Ballbesitz war in den Testspielen weiterhin das 3-3-2-2 System, welches im Spiel gegen den Ball häufig zu einem 3-4-3 mit beispielsweise Antonio Marchesano auf dem Linken Flügel wird – wie unter Foda. Gegen Universitatea Cluj und Schalke 04 hat man für die letzten zehn Minuten eine Variante durchgespielt mit Wechsel auf 4-2-3-1 (Hornschuh beziehungsweise Katic auf der Zehner-Position) mit Hohem Pressing. Beide Male hat man so tatsächlich noch ein Tor erzielt. Allerdings kann man in Testspielen mit taktischen Wechseln oder Rhythmuswechseln sehr einfach reüssieren, weil die Gegner jeweils taktisch nicht reagieren, wie dies in einem Meisterschaftsspiel der Fall wäre.

Der FCZ hatte in den ersten 16 Runden Super League 2022/23 gemessen an den zugelassenen Torchancen, man höre und staune, die beste Defensive der Liga! Das grosse Problem war im Herbst die Offensive und dabei wiederum die Position der Stürmer. Diese trugen zu wenig dazu bei, gute Torchancen zu kreieren und waren zudem auch noch im Gegensatz zu letzter Saison im Abschluss sehr ineffizient. Nach der Winterpause tauchen auf dieser Position nun drei neue Namen auf der Mannschaftsliste auf: Roko Simic (Leihe von Salzburg), Daniel Afriyie (Hearts of Oak) und Calixte Ligue (aus dem eigenen Nachwuchs).

Neu wieder mit Alternativen auf dem Flügel

Mittelstürmer Roko Simic hat trotz seiner 19 Jahre das Potential, dem FCZ in der Rückrunde helfen zu können. Das Stürmerblut, der Zug zum Tor ist vorhanden. Er ist gross und bringt eine gute technische Ausbildung mit. Vieles wird bei ihm davon abhängen, wie lange es dauert, bis er sein erstes Tor erzielt. Gelingt es ihm in den ersten drei Spielen, wird es eine gute Runde für ihn. Muss er sechs, sieben Spiele darauf warten, könnte die Halbsaison in Zürich eine zu kurze Episode werden, um positive Spuren zu hinterlassen. Roko’s Vater Dario Simic bestritt vorwiegend als Rechtsverteidiger 100 Länderspiele für Kroatien, stand 1998 im WM-Halbfinal und im Gruppenspiel gegen die Schweiz (0:0) an der EM 2004 ebenfalls in der Startformation.

Daniel Afriyie ist ein typischer Flügelstürmer, der aktuell an den African Nations Championships in Algerien sein Heimatland Ghana vertritt. Im ersten Gruppenspiel gegen Madagaskar (1:2-Niederlage) lief er in einem Zweimann-Sturm auf. Bei seinem ersten Einsatz im Nationalteam im Juni wurde er in der Schlussphase auf der Position des Linken Aussenläufers eingewechselt als Nationalcoach Otto Addo die Dreierabwehr testete, welche dieser später an der WM im Auftaktspiel gegen den Gruppenfavoriten Portugal auch umsetzte. Schritt für Schritt hat der FCZ auf der eine gewisse Zeit lang kaum besetzten Position des Offensivflügels wieder aufgestockt, so dass für ein 4-3-3, 3-4-3 oder 4-2-3-1 auch auf den Flügelpositionen genügend Alternativen für die Startformation und Einwechslungen vorhanden sind: Jonathan Okita, Fabian Rohner, Donis Avdijaj, Aiyegun Tosin, Calixte Ligue und Daniel Afriyie.

Afriyie bereits diese Woche in Zürich?

Afriyie kann sich im Alter von 21 Jahren bereits Meister von Burkina Faso (mit Überraschungsteam Rahimo FC) und Ghana (mit Traditionsklub Hearts of Oak) nennen. Er war zudem Captain von Ghanas U20-Nationalmannschaft mit der er vor zwei Jahren Afrikameister wurde und im Final gegen Uganda die zwei Tore zum 2:0-Sieg erzielte. Im Testspiel gegen die Schweiz kurz vor der WM 2022 kam er zum Einsatz, am anschliessenden Turnier aber nicht. Die African Nations Championship (CHAN) sind exklusiv in Afrika geborenen Spielern vorbehalten, die in afrikanischen Ligen aktiv sind. Die Spiele des Turniers gelten offziell als „Freundschaftsspiele“ und die Qualifikationspartien werden in vielen Statistiken gar nicht erst als Länderspiele mitgezählt. Afriyie hat in der Qualifikation in drei der vier Partien gegen Benin und Nigeria je einen Treffer erzielt.

Daniel Afriyie gegen Madagaskar in Erwartung eines Penaltys, der dann vom VAR unterbunden wird.

Die 1:2-Niederlage zum Auftakt gegen Madagaskar ist nun aber ein herber Dämpfer. Solomampionona Razafindranaivo und Tokinantenaina Randriatsiferana brachten Madagaskar in Führung, bevor Augustine Agyapong mit einem Flankenball der Anschlusstreffer gelang. Viele Spieler rutschten auf dem Rasen im algerischen Constantine immer wieder weg. Das gleiche passierte auch Afriyie bei einem Richtungswechsel im gegnerischen Strafraum. Der Schiedsrichter entschied überraschend auf Strafstoss. Afriyie bereitete sich darauf vor, den Penalty gleich selbst zu schiessen, aber durch VAR-Intervention wurde dieser nach mehreren Minuten dann doch noch annulliert. Da WM-Halbfinalist Marokko kurzfristig nicht mit von der Partie ist, hat sich die Ghana-Gruppe auf drei Teams reduziert. Somit könnte man bereits am Donnerstag nach der Partie gegen den Sudan ausgeschieden sein.

Das „Bibbern“ hat ein Ende – Ligue in der Super League

Generell lässt sich sagen, dass Afriyie ein wirbliger Spieler mit Überraschungsmomenten ist. Sein Vertrag bei Hearts of Oak lief aus. Er soll im Dezember ein Angebot des spanischen Zweitligisten Leganés (Nachbarort von Getafe im Süden von Madrid) abgelehnt und sich für den FCZ entschieden haben. Gegen Madagaskar gelang Afriyie auf der von ihm nicht präferierten Position im Sturmzentrum allerdings nicht viel. Immer wieder auffällig auch in früheren Spielen mit dem Nationalteam oder mit Hearts of Oak ist, dass Afriyie viel über die Mitspieler lamentiert und bei einem Assist oder Torerfolg meist alleine jubelt. In dieser Hinsicht passt er im negativen Sinn ein wenig ins aktuelle FCZ-Team, bei welchem sich mehrere Spieler selbst in Testspielen ständig benachteiligt fühlen, beim Schiedsrichter heftig reklamieren, und Gegenspieler für ein Freundschaftsspiel unangemessen heftig attackieren. Dzemaili, Marchesano, Katic oder Aliti geben diesbezüglich die Richtung vor und jüngere Spieler wie Condé oder Rohner lassen sich davon anstacheln.

Der Zürcher Calixte Ligue (17) aus dem eigenen Nachwuchs ist der Dritte im Bunde der neuen Stürmer im Kader der 1. Mannschaft. Von allen Talenten aus dem FCZ-Nachwuchs musste in den letzten Jahren bei ihm sicherlich am meisten „gebibbert“ werden, dass er nicht (zu früh) wechselt. Beobachtet wurde er im Heerenschürli und anderswo von ausländischen Scouts schon lange. Denn im Gegensatz zur Mehrheit der Zürcher Talente brachte er schon früh auch die physischen Komponenten mit, die ihn international begehrt machten. Nun hat er aber glücklicherweise den nachweislich erfolgsversprechenderen Weg eingeschlagen, in seiner näheren Umgebung die ersten Schritte im Profibereich zu tätigen und sich zu etablieren. Ligue ist grundsätzlich Mittelstürmer, wurde in den letzten Jahren aber auch viel als Flügelstürmer eingesetzt – und am letzten Blue Stars/FIFA Youth Cup mit guten Leistungen sogar als Aussenläufer in einem 3-5-2 System.

Santini und Avdijaj am effizientesten

Was ist mit den bisherigen Stürmern? Aiyegun Tosin war in seiner Karriere bisher noch nie der grosse Torjäger. Man kann seine bloss vier Ligatreffer (davon drei im letzten Spiel gegen Servette) beklagen, aber sein Torkonto Ende der letzten beiden vollen Saisons beim FCZ lag bei bloss sechs Treffern. Auf seine Entwicklung und eine Leistungsexplosion à la Assan Ceesay wurde beim FCZ zu Beginn der Saison stark gesetzt. Tosin spielt aber vorderhand gleich weiter wie in den Jahren zuvor. Er möchte immer wieder das Spiel in die Hand nehmen und sich spielerisch beteiligen. Entscheidungssituationen mit mehreren Optionen sind aber nicht seine Stärke. Tosin ist viel besser in Drucksituationen, wenn nur noch eine sinnvolle Lösung übrigbleibt. Jonathan Okita ist noch zu stark auf seine „Signature Moves“ fokussiert und müsste häufiger auch mal altermative, einfachere Lösungen wählen.

Antonio Marchesano spielt bisher insgesamt eine durchaus gute Saison, hat aber seine Abschlussqualitäten vorläufig eingebüsst. Mit Willy Gnonto zusammen hatte er von allen Torschützen der bisherigen Vorrunde die tiefste Torquote pro 90 Spielminuten. Anders sieht dies bei Donis Avdijaj und Ivan Santini aus. Diese beiden Stürmer brachten bisher in dieser Saison die so dringend benötigte Effizienz mit. 27,3% aller Abschlüsse von Donis Avdijaj fanden unter Coach Franco Foda den Weg ins gegnerische Gehäuse und Santini hat in jener Zeit 0,6 Treffer pro 90 Einsatzminuten erzielt. Das sind die jeweils klar höchsten Werte im Team. Santini gelang ein sehr gutes Spiel gegen Lausanne-Sport. Zum Zeitpunkt seiner Auswechslung führte der FCZ 2:1 und hatte die Partie im Griff. Die Art und Weise wie Schiedsrichter Bieri gegenüber Lausanne-Verteidiger Anel Husic in dessen unfair geführten Zweikämpfen mit Santini mehr als ein Auge zudrückte, machte danach aber Schule. Statt Husic schien Santini bei den Referees auf einer „Schwarzen Liste“ gelandet zu sein, was den weiteren Verlauf seiner Vorrunde zusätzlich zur ansonsten bereits geringen Einsatzzeit erschwerte.

2 Kommentare

  • Danke für die Analyse. Was kannst du über Donis Avdijajs (Vorrunde) sagen? In seinen Auftritten hat er mir mehrheitlich gefallen aber er schien unter Bo Hendriksen keine grosse Rolle mehr zu spielen. Setzt man noch auf ihn in der Rückrunde?

    • Wohl am Freitag kommt der Artikel mit dem grossen Vergleich zwischen der Breitenreiter- und der Foda-Ära. Da gibt es dann sicherlich auch ein Sätzchen zu Avdijaj.

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