Sandro Schärer Kontra FCZ / FCZ – FCSG Analyse

STATISTISCH BESTE SUPER LEAGUE-MANNSCHAFT ZU GAST IM LETZIGRUND / FCZ – ST. GALLEN VORSCHAU (Züri Live)

Der FC Zürich ist zurück in der Erfolgsspur (Bluewin)

Erstmals in dieser Saison hat der Gegner die besseren Torchancen als der FCZ, der ganze zwei Abschlüsse aufs St. Galler Gehäuse bringt – Okitas Bijou von einem Tor aus 27m – und Cheick Condés mutiger Versuch, aus mehr als 60m FCSG-Keeper Zigi zu überwinden. Aus dieser Perspektive ist der späte Ausgleich des FCSG im Letzigrund sicherlich verdient. Dem Tor selbst haftet aber ein grosser Makel an: es war irregulär. Ein klareres Stürmerfoul wie dasjenige von Diaby, der Daprelà mit beiden Händen umstösst, gibt es nicht. Obwohl Daprelà sich erst wieder vom Boden aufrappeln muss, erreicht er beinahe noch den Cornerball Quintillas vor St. Gallen-Keeper Ati Zigi, der per Kopf für den eingewechselten Fabian Schubert auflegt. Abdoulaye Diaby hatte schon zuvor in anderen Situationen Gegenspieler in den Rücken gestossen. Schiedsrichter Alessandro Dudic pfiff diese inkonsequent – manchmal entschied er auf Freistoss, manchmal übersah er das Vergehen. Das zum späten 1:1-Ausgleich führende Foul Diabys an Daprelà war das klarste von allen gewesen. Umso erstaunlicher, dass VAR Sandro Schärer es übersah. Offenbar war man in Volketswil drei Minuten lang einzig und allein mit der Offside-Frage beschäftigt gewesen, und klammerte alle anderen Aspekte aus.

Verstärktes St. Gallen mit Spitzenwerten

Unglaublich, aber „VAR“ – Sandro Schärer ist damit auf seinem Stuhl in Volketswil zwar nicht der einzige Beteiligte, aber der Hauptverantwortliche an gleich allen drei bisherigen Gegentreffern des FCZ in den ersten fünf Partien dieser Saison – und damit auch an allen Punktverlusten. Beim Auswärts-2:2 in Genf sah er beim ersten Genfer Tor als Einziger ein „Fingerspiel“ von Ifeanyi Mathew auf der Strafraumgrenze – und übersah gleichzeitig geflissentlich beim zweiten Gegentreffer das vorhergehende Foul von Guillemenot gegen Boranijasevic, wodurch Kutesa an der Strafraumgrenze völlig frei stand. Zur Verteidigung Schärers kann man anfügen, dass der Hands-Entscheid gegen Mathew nicht komplett falsch war (wenn auch der Eingriff des VAR’s in so einer Szene äusserst ungewöhnlich) und dass in der Boranijasevic-Szene ganz kurz eine Vorteilssituation bestand. Die Nichtberücksichtigung des Diaby-Fouls gegen Daprelà ist aber völlig unerklärlich. Und in der Summe sind es etwas viele heikle Entscheide des gleichen VAR gegen den FCZ in so kurzer Zeit. Der Fehler beim 1:1-Ausgleich gegen St. Gallen war letztendlich entscheidend, aber dem Schiedsrichterteam um Alessandro Dudic unterlief auch sonst eine aussergewöhlich hohe Anzahl an Fehlentscheiden. Während Stossen in den Rücken zu 50% übersehen wurde, pfiff Dudic immer wieder saubere Tacklings von Rohner, Condé, Von Moos oder Akolo als „Foulspiel“ ab. Die beiden Assistenten (speziell Alain Heiniger) zeigten mehrmals bei eindeutigen Einwurf-Situationen unerklärlicherweise in die falsche Richtung. St. Gallen durfte zudem immer wieder Freistösse und Einwürfe schnell fünf bis zehn Meter zu weit vorne ausführen (Dudic akzeptierte dies jeweils explizit via Blickkontakt mit dem Ausführenden).

Die Partie gestaltete sich vor einer sehr stimmungsvollen Kulisse erwartet intensiv. St. Gallen ist statistisch aktuell in den meisten wichtigen Kategorien an der Liga-Spitze und hat wie in der Saison 19/20 wieder eine Mannschaft, die um den Meistertitel spielen kann. Es fehlt „einzig“ noch ein nicht ganz unwichtiges Element: die Effizienz der Sturmspitzen und Offensiven Mittelfeldspieler im Abschluss. Ausserdem benötigen die Grünweissen für einen Angriff an die Ligaspitze einen Torhüter Ati Zigi in seiner stabilen Version. Die hintere Reihe mit Vallci und Diaby im Zentrum sowie vor allem dem spielintelligenten U20-Vizeweltmeister Zanotti und Okoroji auf den Seiten ist deutlich stärker, als in den vergangenen Saisons. Zumal Sutter und der gegen den FCZ rekonvaleszente Schmidt gute Alternativen sind. Rückkehrer Fazliji und Quintilla sind drauf und dran, zu einem gut geölten Zentrum zusammenzuwachsen (ähnlich wie Condé und Mathew beim FCZ). Durch die grössere Breite in einem fast schon klassischen 4-4-2 ergeben sich mehr Räume für die typischen St. Galler Tempoläufe mit Ball am Fuss von Witzig und Co. Dieser war im Letzigrund der wohl auffälligste Spieler auf dem Platz. Ein Fragezeichen besteht einzig auf der rechten Seite bezüglich Captain Lukas Görtler – nicht nur wegen dessen Verletzung. Die möglichen Ersatzleute Stevanovic oder Van der Venne haben aber bereits gute Ansätze gezeigt.

Nur Daprelà und Condé widerstehen dem St. Galler Druck gut

Im St. Galler Sturm kultiviert Trainer Peter Zeidler wie so häufig eine Konkurrenzsituation – auch weil die Stürmer so gut wie immer früh im Spiel gewechselt werden. Diesmal durfte Chadrac Akolo von Beginn weg ran und wirkte übermotiviert. Der FCZ profitierte vom ein oder anderen Fehlzuspiel des 28-jährigen Kongolesen. Mit dem eingewechselten Julian Von Moos hatte die FCZ-Abwehr später hingegen ihre grösste Mühe. Es brauchte einen Fabio Daprelà in Hochform, um einen Torerfolg des jungen Ostschweizers zu verhindern. St. Gallen kassierte gegen den FCZ wie in bisher jedem ihrer sechs Saisonpartien ein Gegentor. Die Grünweissen wollten dabei eigentlich den FCZ düpieren. Beim Abstoss staffelten die Innenverteidiger Vallci und Diaby auf die Höhe von Torhüter Zigi zurück, wie man dies jeweils macht, wenn man flach hintenheraus spielen will. Der FCZ stand dementsprechend hoch in der gegnerischen Platzhälfte und am gegnerischen Strafraum. Zigi führte den Abstoss dann aber lang und hoch ins Mittelfeld aus und überspielte so den grössten Teil der Zürcher Mannschaft. Nur schienen die St. Galler Stürmer in den Plan nicht eingeweiht gewesen zu sein: keiner kam rechtzeitig zum Ball. Der FCZ konnte so unbedrängt mit kunstvollem One Touch-Spiel über Katic, Marchesano und Mathew Okita durch die Mitte in einem Raum 30m vor dem gegnerischen Tor frei spielen. Das war so schnell gespielt, dass die zur FCZ-Täuschung beim Zigi-Abstoss zurückstaffelnden Vallci und Diaby nicht rechtzeitig wieder aufrücken konnten. Okita hatte somit viel Platz und Zeit, um einmal mehr seine Weitschussqualitäten unter Beweis zu stellen. Sein unnachahmlicher scharfer Bogenschuss musste dabei nicht mal sonderlich platziert sein, um St. Gallen-Torhüter Zigi zu überwinden.

Der FCZ Ausgabe 23/24 zeichnet sich bisher durch Vielseitigkeit, Spielfreude, Mut, gute Laufwege, Kombinationen und Standards aus. Gegner St. Gallen versuchte daher gegnerische Standards möglichst zu verhindern. Der Stadtclub betrieb zudem gegen die Ostschweizer viel Pressing – mit Erfolg: Jonathan Okita erzielte gegen den FCSG bereits das vierte Pressing-Tor der noch jungen Saison. Defensiv war die Partie ein echter Härtetest, den von den Verteidigern und Mittelfeldspielern nur Cheick Condé und Fabio Daprelà bestanden. Letzterer ist aktuell eine Lebensversicherung, ohne die der Stadtklub nicht an der Tabellenspitze stehen würde. Kein Zufall, dass das einzige Gegentor (erstes Eckball-Gegentor der Saison) nur entstehen konnte, weil Daprelà gefoult wurde. Offensiv war der FCZ gegen St. Gallen etwas besser als defensiv – trotzdem fällt die Durchschnittsnote der Spieler mit 5,3 auf den bisherigen Saisontiefstwert. Dies obwohl die 1. Halbzeit gut war (Note: 6,2)! Der Leistungsabfall nach der Pause war dann aber eklatant – genau wie in Genf gegen Servette, wo am Ende ebenfalls ein Unentschieden nach zwischenzeitlicher Führung resultierte.

Mathew und Okita: schon drei Mal nach der Pause abgebaut – oder gar eingebrochen

Eine weitere Parallele war ein Weitschussführungstor (in Genf durch Mathew) etwas aus dem Nichts in einer eigentlich eher schlechten Phase des FCZ-Spiels. Diesen Leistungsabfall kann man konkret an zwei Spielern festmachen, die neben Servette und St. Gallen zusätzlich auch noch in der Begegnung mit Stade Lausanne-Ouchy immer nach dem Pausentee einbrachen: Ifeanyi Mathew und Jonathan Okita. Die Gründe für diese Muster sollten sicherlich vom FCZ-Trainerteam angeschaut werden. Sollen diese zwei früher ausgewechselt werden? Angesichts der Tore, zu denen beide in den letzten Partien in der 2. Halbzeit jeweils „aus dem Nichts“ beigetragen haben, eine schwierige Frage. Zumindest ab der 75. Minute scheint aber von beiden jeweils wirklich nichts mehr zu kommen. Ein Doppelwechsel von Krasniqi und Oko-Flex für Mathew und Okita zu diesem Zeitpunkt scheint sich also anzubieten. Negativ wirkten sich hingegen zwei der drei Einwechslungen gegen St. Gallen aus. Der sonst so zuverlässige Marc Hornschuh vermasselte seine wichtigste Aufgabe, als er beim 1:1-Ausgleich Gegenspieler Fabian Schubert aus den Augen verlor. Rodrigo Conceição wiederum konnte vom Gegner zu einfach überspielt werden und hat sich offensiv noch nicht an konsequente Laufarbeit verrichtende Super League-Defensiven wie diejenige St. Gallens gewöhnt. Boranijasevic und Okita wirkten insgesamt agiler als zuletzt – möglicherweise bedingt durch die neu erwachsende Konkurrenz durch Rodrigo Conceição und Armstrong Oko-Flex.

Personalien – Fabio Daprelà erstmals MVP

  • Fabian Rohner: Mit seiner Top-Weiterleitung per Hacke auf Afriyie hatte er die erste gute Aktion der Partie. Ihm wurden von Ref Dudic mehrmals saubere Tacklings als „Foul“ abgepfiffen.
  • Daniel Afriyie: Schlechter Start in die Partie, beisst sich dann aber rein und arbeitet viel für die Mannschaft. Nach Fabio Daprelà zweitbester FCZ-Spieler in einer als Team eher mässigen 2. Halbzeit.
  • Fabio Daprelà: Erstmals MVP, knapp vor Yanick Brecher – nach Servette und Lugano nun auch gegen St. Gallen der defensiv Beste. Er wächst gegen die guten Gegner am Widerstand.
  • Cheikh Condé: Letzte Saison war die offensive Phase seine Stärke – nun gegen St. Gallen wie schon in Lausanne offensiv ungenügend – defensiv aber wichtig.
  • Jonathan Okita: Der Mann für die speziellen Aktionen: viertes Saisontor, dazu nach Züri Live-Rechnung drei Assists. Baut in der 2. Halbzeit aber ab, versteckt sich zunehmend defensiv und stellt imaginäre Passwege zu, um Zweikämpfen aus dem Weg zu gehen.
  • Rodrigo Conceição: Nach Afriyie der dritte Spieler auf der Rohner-Position. Bleibt immer wieder hängen, kann Bewegungen der Gegner nicht gut lesen, defensiv von geringer Nützlichkeit.

Yanick Brecher ist aktuell möglicherweise in der besten Form seiner bisherigen Karriere. Er ist eine wichtige Stütze der Mannschaft. Offensiv ist er schon länger der wohl beste Torhüter der Super League, diese Saison sind zudem seine Defensivstatistiken wieder deutlich besser als letzte Saison. Neben Brecher sind von den regelmässig eingesetzten Spielern leistungsmässig Nikola Boranijasevic und Antonio Marchesano die Stützen der Mannschaft. Ivan Santini, Daniel Afriyie und Nikola Katic (letzterer von sehr tiefem Niveau aus) haben sich im Vergleich zur letzten Saison bisher stark gesteigert. Obwohl Condé und Mathew sich im Zentrum als Duo immer besser verstehen, haben beide individuell ihre Form der letzten Saison noch nicht erreicht. Trotz guter Tabellenlage gibt es mehr Spieler (10), die im Vergleich zur letzten Saison schlechter spielen, als besser (8). Donis Avdijaj scheint aufgrund seiner Leistungen erster Kandidat für eine Leihe oder gar einen definitiven Abgang zu sein. Selmin Hodza oder Miguel Reichmuth könnten unter Umständen in die Challenge League verliehen werden.

Randnotiz: Knappe und falsche VAR-Entscheidung

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