Saisonstart FCZ Frauen: die Basis steht – und nun kommt Tsawa III
Trotz grossem Umbruch und Verjüngung im letzten Sommer konnten die FC Zürich Frauen diesen Frühling den Schweizer Cup gewinnen – den sechzehnten der Geschichte und damit neuer alleiniger Rekord. Dies mit einem 1:0-Sieg gegen den FC Basel vor der neuen Cupfinal-Rekordkulisse von 8’600 Zuschauern im Letzigrund. Nach einem 5. Platz in der Regular Season konnte man zudem im Viertelfinal „Angstgegner“ St. Gallen bezwingen und war dann gegen den späteren Meister YB nahe am Finaleinzug dran. Im Hinspiel im Utogrund waren die FCZ Frauen eine Stunde lang die klar bessere Mannschaft gewesen. Es resultierte daraus aber nur eine 1:0-Führung. YB konnte dann seinem Spiel mit Einwechslungen neuen Schwung verleihen wohingegen beim FCZ die Einwechselspielerinnen die Qualität und Energie eher senkten. In den letzten zehn Minuten drehten die Bernerinnen dann die Partie nach Schnitzern des davor die ganze Saison durch sehr solide spielenden FCZ-Goalies Noemi Benz und der eingewechselten Marlene Deyss auf 1:3. Im Wankdorf brachte wie schon im Hinspiel die erst auf die Playoffs wieder fit gewordene Borbala Vincze die Züri Frauen 1:0 in Führung. Das zweite Tor gelang dann aber nicht mehr, und als Noemi Benz mit nach vorne stürmte, statt den Freistoss von der Mittellinie selbst auszuführen, traf YB im Gegenzug in den verwaisten Zürcher Kasten.
FC Zürich: die Basis steht
Vor Jahresfrist wurde nach dem dritten Sommer in Folge mit zahlreichen Abgängen und altersbedingten Rücktritten von routinierten Spielerinnen ein Neustart gemacht. Die Einführung der U20-Liga und die damit verbundene Auflösung der U21 wurde genutzt um einigen Spielerinnen dieses Teams eine Chance im Women’s Super League-Team zu geben – und mehrere von ihnen haben diese Chance genutzt. Alles war neu: Trainerteam, Spielphilosophie, Taktik, und das Teamgefüge. Die FCZ Frauen haben seither das mit Abstand jüngste Team der Liga. Die Spielphilosophie nutzt dabei die Stärken der Jugend wie Explosivität, Laufstärke und Unbekümmertheit aus. Mit dem früheren Team hätte man so einen intensiven Fussball wohl kaum spielen können. So haben die FCZ Frauen als Team auch gegen Gegner mit deutlich arrivierteren Spielerinnen eine Chance, wie die entscheidende Phase der letzten Saison gezeigt hat.
Nun geht es in die zweite Saison – und diesmal hat der FC Zürich den Faktor Kontinuität auf seiner Seite. Die wichtigsten Spielerinnen der Vorsaison sind mit zwei Ausnahmen geblieben. Die Spielweise behält man ebenfalls bei und kann dabei an den Details feilen. Und weil sonst in der Liga niemand so spielt wie der FCZ, ist es für die Gegnerinnen nicht immer einfach sich darauf einzustellen. In einer aussergewöhnlich intensiven, abwechslungsreichen und langen Vorbereitung haben die FCZ Frauen das Hohe Pressing und die starke Involvierung der Torhüterin im Aufbauspiel auch gegen Gegner wie den Italienischen Meister Juve (1:9) oder den Deutschen Double-Gewinner Bayern (2:2) durchgezogen.
Mutiger Auftritt gegen Juve und Bayern
Aufgrund des neu eingeführten „Serie A Women’s Cup“ befand sich Juventus im selben Stadium der Vorbereitung wie der FCZ. Das Spiel fand mehrheitlich in der Juventus-Platzhälfte statt. Die Zürcherinnen drückten den Gegner hinten rein und erzielten mehr als 20 Ballgewinne im gegnerischen Strafraum – konnten diese aber nicht in Tore ummünzen. Die schnellen Juventus-Verteidiger konnten jedes Mal noch ein Bein in den Schuss halten. Und die schnellen Stürmer um die Dänische EM-Torschützin Amalie Vangsgaard liefen der hoch stehenden Zürcher Mannschaft bei Kontern im Rücken immer wieder mal davon – fast jeder Konterangriff der Italienischen Meisterinnen war ein Treffer.
Auch Bayern trat mit ihren besten Spielerinnen an, war allerdings im Vergleich zu den Zürcherinnen beim Test vor über 5’000 Zuschauern in Friedrichshafen am Bodensee (wo die FCZ Männer vor drei Jahren einmal vor ähnlicher Kulisse gegen den VfB Stuttgart getestet haben) in ihrem Vorbereitungsprozess zwei Wochen im Rückstand. Bei den Zürcherinnen wiederum war in der 2. Halbzeit mit den Einwechslungen das Durchschnittsalter unter 20 Jahre. Die Jungen hielten sich gegen die arrivierten Double-Gewinnerinnen mit einer amtierenden Europameisterin (Georgia Stanway) gut. Am 6. September beginnen die Bayern Frauen ihre Bundesligasaison gegen Bayer Leverkusen in der Allianz Arena. Und es ist jetzt schon klar, dass dies in Bezug auf die Zuschauerzahl ein neues Frauen Bundesliga-Rekordspiel wird. Die FCZ Frauen testeten in ihrer Vorbereitung auf die neue Saison auch gegen die B-Junioren des FC Kilchberg-Rüschlikon (1:7) und gewannen das verregnete „Triangel-Turnier“ im Heerenschürli gegen den Bundesliga-Aufsteiger 1. FC Nürnberg (1:0) und das in Italien zur erweiterten Spitze gehörende AC Milan (1:0).
Viktoria Szabo und Noemi Benz wechseln in die Serie A
Viktoria Szabo und Noemi Benz sind die beiden sportlich gewichtigen Abgänge im Zürcher Team. Szabo ist mit 113 Länderspielen nach Einsätzen in den historischen Top Ten des Ungarischen Nationalteams. Die Standardspezialistin und Linksfüsserin war mit 28 Jahren die älteste Akteurin im Kader und bespielte die linke Aussenbahn mit präzisem Passspiel, guter Ballkontrolle und zumindest manchmal gefährlichen Flanken. Sie wechselte diesen Sommer in die Serie A zum „Alisha Lehmann-Team“ Como. Noemi Benz (21) war die letzten zwei Saisons Stammkeeper und in der Saison 24/25 gerade in den schiwierigen Phasen der Regular Season ein wichtiger Rückhalt. In den beiden Playoff-Halbfinalspielen gegen YB unterliefen ihr dann aber mitentscheidende Patzer. Auch sie wechselt in die Serie A, und zwar zu Sassuolo, wo sie aber vermutlich hinter Solène Durand (vier Länderspiele für Frankreich) erst mal Ersatz sein wird.

Neue Torhüterinnen werden den Ball viel am Fuss haben
Die in den Playoffs auf die Ersatzbank verdrängte Luisa Blumenthal wird Viktoria Szabo auf der linken Seite gut ersetzen, auch wenn sie als Rechtsfüsserin natürlich mehr nach innen ziehen und selbst den Abschluss suchen wird, wie sie dies zum Auftakt beim FC Thun (3:1-Auswärtssieg) beim 1:0-Führungstreffer gemacht hat. In Abwesenheit von Naomi Mégroz lief Blumenthal im Berner Oberland sogar als Captain auf. Den Gegenpart auf der rechten Seite übernimmt Chiara Bücher – eine der wichtigsten Spielerinnen. Sie ist auch auf ihrer Stammposition im Sturm einsetzbar, bringt dem Team aber auf der rechten Aussenbahn mehr Impact. Im Tor ist die aus dem College-Fussball (Rhode Island, Texas) stammende Faith Hutchins (23) die neue Nummer Eins. Zum Saisonstart erhält allerdings die von der 2. Mannschaft von Olympique lyonnais in die Schweiz zurückgekehrte Junioren-Nationaltorhüterin Yasmine Ammar (19) eine Chance, sich in der Liga zu beweisen. Hutchins ist für die erste Cup-Runde beim FC Mutschellen vorgesehen – danach soll aber Ammar die Cup-Torhüterin sein. Beide müssen sich noch an das Spiel der FCZ Frauen adaptieren. Da die Torhüterin im Aufbauspiel eine wichtige Rolle einnimmt, gehört dies zu Beginn der Saison zu den grössten Herausforderungen im Zürcher Spiel.

Ein 15-jähriger „Königstransfer“
Der „Königstransfer“ des Sommers ist die 15-jährige Shanae Tsawa von der U18 des FC St. Gallen – Tochter von Dorjee und Schwester von Cheveyo Tsawa. Dass Geschwister in der 1. Mannschaft der Männer und Frauen eines Klubs gleichzeitig eine wichtige Rolle einnehmen, ist wohl ein erstmaliges Phänomen. Auch weil die beiden ebenfalls die FCZ Academy durchlaufenden Brüder von Mittelfeldspielerin Martina Cavar den Schritt in die 1. Mannschaft nicht geschafft haben. Wie Cheveyo bringt Shanae ein Gesamtpaket an Physis, Zweikampfstärke, Technik und Spielintelligenz mit. Sie wird keine Probleme haben, sich in der Women’s Super League durchzusetzen. Tsawa übernimmt die zentrale Sechser-Position, die im Spiel nach vorne für Überzahl im Mittelfeld sorgt, in der Rückwärtsbewegung dann aber auch die zwei Verteidigerinnen unterstützt. Sie schlägt zudem bereits die Mehrzahl der Standards – und scheint damit in dieser Spielphase für mehr Torgefahr zu sorgen, als dies letzte Saison der Fall war. Die auf dieser Position zu Beginn der letzten Saison gut spielende Marlene Deyss fiel zuletzt immer wieder über längere Zeit aus und vermochte dann bei ihrer zeitweisen Rückkehr jeweils nicht zu überzeugen. Die im Winter von Rapperswil-Jona zurückgekehrte Anna Matsushita wiederum wird wohl von der trotz ihrer Jugend auf dem Platz reifer auftretenden Tsawa von der Sechserposition verdrängt werden.
Spielzeit für Matsushita könnte es vielleicht auf einer der beiden Achterpositionen geben, wo sich aber das junge Deutsche Duo Schuster / Baraniak zuletzt wieder stabilisiert hat. Haudegen Schuster kämpfte speziell zu Beginn der letzten Saison mit Verletzungen und Box-to-box Spielerin Baraniak hatte 24/25 eine Formbaisse. Derin Degirmenler zog sich beim Viertelfinal-Auswärtsspiel in St. Gallen eine Kreuzbandverletzung zu. Die letzte Saison auf der Zehnerposition eingesetzte Martina Cavar scheint dafür aktuell als Alternative weiter hinten auf der Doppel-Acht eingeplant zu sein. Die grösste Auswahl hat Trainer Renato Gligoroski auf der Position der zwei Verteidigerinnen. Neben Captain Naomi Mégroz hat sich Briana Eads im Verlauf der letzten Saison zu so etwas wie dem Defensivgewissen der Mannschaft entwickelt. Jede Mannschaft braucht mindestens jemanden, der an erster Stelle ans Verteidigen denkt. Die Alternativen sind aber ebenfalls valabel. In Thun agierten auf den hintersten Feldspielerpositionen Larissa Uetz und Luana Bürge. Auch U20-Spielerin Zoe Dönni hat sich in den Testspielen beweisen können. Und grundsätzlich ist auch immer noch Routinier Diane Caldwell im Kader aufgelistet. Die Irin hat praktisch die ganze letzte Saison verletzungsbedingt verpasst.
FCZ weiterhin Aussenseiter der fünf Spitzenteams – aber ambitioniert
Der Unterschied zwischen Meister YB und dem FCZ auf dem Transfermarkt ist beträchtlich. Die FC Zürich Frauen holen mit Amelie Roduner eine Einwechselspielerin von Bayern II. YB holt mit Carla Schwarz eine Stammspielerin von Bayern II. Der FCZ holt mit Marina Theodoraki eine 18-jährige Verteidigerin von OFI Kreta mit kaum Erfahrung im Erwachsenenfussball. YB holt von Serienmeister PAOK die Griechische Nationalspielerin Georgia Chalatsogianni. Der FC Zürich holt eine Torhüterin aus dem College-Fussball – Young Boys auf der gleichen Position mit Amanda Brunholt eine Dänin mit Europacup-Erfahrung, die acht Jahre in der obersten Liga gespielt hat. Dazu stösst zu den Bernerinnen mit Géraldine Ess von GC eine der treffsichersten Stürmerinnen der Liga und mit Maria Jimenez eine langjährige Stütze von Valencia und Real Betis in der Primera Division.
Auch Finalist GC hat sich mit Spielerinnen aus Spanien, Italien, Frankreich und der Schweiz weiter verstärkt. Die nach vier Jahren aus den USA zurückgekehrte aus dem FCZ-Nachwuchs stammende Stürmerin Ramona Kannady hätte man sich vom Spielertyp und der Qualität her beim heutigen FC Zürich auch noch gut vorstellen können, denn die Personaldecke auf dieser Position ist eher dünn. Personell noch etwas besser besetzt als YB und GC ist Servette. Nach dem Abgang von José Barcala zu Bayern hat der neue Coach Cristian Toro einige Spielerinnen aus der Spanischen Primera Division mitgenommen. Die wenigen Schweizerinnen im Kader werden noch mehr als zuvor um Einsatzzeit kämpfen müssen. Auch der FC Basel ist natürlich weiterhin prominenter besetzt als der FCZ. Man baut da auch auf mehrere potentielle Stammspielerinnen, die letzte Saison lange verletzt ausgefallen sind – und auf die einzige in der Liga verbliebene Schweizer EM-Teilnehmerin Coumba Sow. Erfreulich ist aber auch, dass das aus St. Gallen, Aarau (und grundsätzlich auch Luzern) gebildete Mittelfeld und selbst die „Kleinen“ Thun und Rapperswil-Jona laufend Fortschritte machen. Gerade Rapperswil-Jona startete diesen Sommer eine Transferoffensive. Diese Teams dürften noch häufiger als zuvor die Top Fünf der Liga in einzelnen Spielen in Schwierigkeiten bringen.
Das Derby am Mittwoch als Paukenschlag
Nach dem Auftaktsieg in Thun geht es nun Schlag auf Schlag weiter: bereits am Mittwoch 27. August 19:00 steigt im GC Campus das erste Derby der Saison. Dieses verspricht nicht nur aufgrund der Rivalität, sondern auch aus sportlichen Aspekten eine spannende Affiche gleich zum Saisonbeginn zu werden.