FCZ unter Hediger wie Tag und Nacht: mit Viererabwehr 5:0, mit Dreierabwehr 1:9
Nach der späten Wende zum 3:2 gegen den FC Luzern feiert Dennis Hediger im vierten Spiel seinen ersten Sieg als Trainer der 1. Mannschaft. Letzte Saison hatte er mit dem jüngsten Team der Promotion League in einem ultraspannenden Finish mit einem Heimsieg gegen den FC Basel vor vielen Zuschauern im Utogrund mit der U21 den Klassenerhalt geschafft. Basel war als einzige der fünf U21-Equipen am letzten Spieltag nicht mehr im Abstiegskampf involviert gewesen. Die Parallele zwischen jener Partie und Hedigers erstem Super League-Sieg als Trainer gegen den FC Luzern im 400m entfernten Letzigrund heisst Miguel Reichmuth. Der vor zwei Wochen 22 Jahre alt gewordene Mittelfeldspieler war als Captain der U21 auf der 6er-Position im Frühling derjenige Spieler, der im Abstiegskampf am meisten die Differenz ausmachte. Ähnliches gilt nun auch für den Heimsieg gegen Luzern. Bei seinem Comeback beim Stand von 0:2 bekam das Zürcher Spiel mit seiner Einwechslung sofort mehr Struktur, Zielstrebigkeit, Ballsicherheit und Durchschlagskraft. Das FCZ-Spiel sah wieder so aus wie Anfangs Saison über weite Strecken gegen Sion und bis zum verletzungsbedingten Ausfall Reichmuths in Luzern.
Komplett neues System nach wenigen Trainings unter Hediger
Viele wissen nicht recht, was sie von diesem FCZ halten sollen. In den Analysen zu den letzten vier Spielen des FC Zürich wurde geschrieben und gesagt die Abwehr sei nicht sicher, oder es fehle teilweise die Durchschlagskraft im letzten Drittel. In Bezug auf die Wende gegen Luzern war von Seiten der Mannschaft von grosser Moral die Rede. Bei den Niederlagen in Basel und gegen Lausanne-Sport verortete Trainer Hediger nach einer jeweils tatsächlich ansprechenden 1. Halbzeit den Grund für den Abbau nach der Pause in der noch fehlenden Kondition, um seine Spielweise über 90 Minuten durchzuziehen. Betrachtet man die vier Partien hingegen durch die Brille der taktischen Formationen, ergibt sich ein klares Bild.
Hediger liess seine Mannschaft in vier verschiedenen Formationen auflaufen. Gleich in seiner ersten Partie nach wenigen Trainings führte er ein komplett neues System ein. Man trat gegen YB in einem adaptierten 3-4-3 an. Die beiden Aussenläufer Comenencia und Zuber liessen sich in der Defensiven Phase dabei weit zurückfallen, so dass es zu einem 5-2-3 wurde. Allerdings wurde Jahnoah Markelo als Manndecker von YB’s offensivem Linksverteidiger Jaouen Hadjam eingesetzt, so dass vorne nur Phaêton und Keny wirklich Teil der Formation waren. Markelo war (fast) immer dort wo Hadjam war und bewegte sich daher defensiv ausserhalb des Systems. Man kann dieses daher eher als 5-2-2(+) bezeichnen. In den ersten 18 Minuten wurde der FCZ gegen ein eigentlich verunsichertes YB so regelrecht zersaust.
Anpassungen gegen den FCB
Hediger erkannte das Problem und wechselte zu diesem Zeitpunkt die Taktik auf das gewohnte 4-3-3, welches man nun fast ein Jahr lang vorwiegend gespielt hat. Dadurch wurde wie durch Zauberhand alles sofort besser und bereits bis zur Pause vermochte der FC Zürich die Partie auf ein 2:1 zu drehen. Der grosse Fehler war dann aber, dass es Hediger trotz wenigen Trainings und den miserablen Erfahrungen der ersten 18 Minuten zu Beginn der 2. Halbzeit nochmal mit dem 3-4-3 versuchte. Das Ergebnis: das gleiche Chaos beim FCZ. Und YB dreht die Partie zurück auf 2:3. Gleich nach dem dritten Gegentor wurde das Experiment auch in der 2. Halbzeit abgebrochen. Von da an entwickelte man wieder zurück im 4-3-3 bis zum Ende der Partie viel Druck und hätte den Ausgleich verdient gehabt. Es reichte aber nur noch zu einem verschossenen Penalty von Juan José Perea.
In Basel und gegen Lausanne-Sport zog Hediger dann sein neues 3-4-3 durch. Die Aussenläufer standen dabei höher und wurden speziell auf der Linken Seite (Phaêton) von den Aussenstürmern unterstützt. Auf der linken Seite wurde dabei auch eine Rotation zwischen Linkem Innenverteidiger, Linkem Aussenläufer und halblinkem Mittelfeldspieler eingeführt. Ligue, Kamberi und Tsawa wechselten also in Basel jeweils bei kontrolliertem Aufbau der eigenen oder gegnerischen Mannschaft ihre Position, je nachdem ob man sich in der Offensiven oder Defensiven Phase befand – wobei man bei Umschaltsituationen jeweils die Position hielt. Nelson Palacio wurde zudem neu rechts in der Dreierabwehr eingesetzt.
FCZ dreht die Partie gegen Luzern auch wegen des Wechsels zurück aufs 4-3-3
Es ist ein intensiver Fussball und sowohl in Basel wie auch gegen Lausanne war der FCZ in der 1. Halbzeit die bessere Mannschaft. Nach der Pause baute man dann aber jeweils kräftemässig ab. In Basel kam man nach der Pause nur noch wenig aus der eigenen Platzhälfte heraus und gegen Lausanne war das Gegentor zum 1:2 eine typische Szene für die in jener Halbzeit zu geringe Power, um dem Sololauf des frischen Einwechselspielers und Dribbelkünstler Lekoueiry etwas entgegenzuhalten. In der Pressekonferenz nach dem Lausanne-Spiel kommunizierte Dennis Hediger dieses Problem auch gegen aussen. In dieser Partie war einiges an Pech hinzugekommen. Der Siegtreffer der Waadtländer war eigentlich Offside (VAR-Standbild wurde im falschen Moment angehalten) und der Kopfballaufsetzer Kenys könnte durchaus im vollen Umfang hinter der Linie gewesen sein (die gezeigten TV-Bilder geben keinen Aufschluss über diese Millimeterentscheidung).
Trotzdem: das Resultat nach zwei vollen Spielen plus 30 Minuten gegen YB im 3-4-3 ist ernüchternd: ein Gesamtskore von 1:7. Gegen Luzern begann Hediger dann wiederum in einem ganz anderen System, einem 3-5-2. Das Resultat: 0:2 nach 45 Minuten. Zur Pause dann wieder der Wechsel auf das gewohnte 4-3-3 – und sofort lief es wieder besser. In dieser Formation kam man vom 0:2 zum 2:2. In der Schlussphase wechselte Hediger mit Reverson noch einen weiteren Mittelstürmer ein, so dass man den Siegtreffer gegen einen im 5-3-1 verteidigenden dezimierten Gegner in einem 4-2-4 erzwingen konnte. Schon gegen YB switchte man in gewissen Phasen immer wieder vom 4-3-3 ins 4-2-4, wenn Steven Zuber von seiner Mittelfeldposition aus entweder zentral oder auf dem linken Flügel die Sturmreihe verbreiterte. Gegen Luzern wechselte Zuber zur Pause von der Linken Aussenläuferposition erst auf den Linken Flügel. Mit der Hereinnahme von Phaêton verschob sich Zuber auf die linke 8er-Position.
Spiel ohne Flügel auch aufgrund von Krankheitsfällen
Ausgerechnet der Holländer Ricardo Moniz experimentierte letzte Saison zwischenzeitlich mit der Dreierabwehr, was schief ging. Es war ein System, das er als Cheftrainer bis dahin noch nie hatte spielen lassen. Es kostete die Qualifikation für die Championship Group und möglicherweise sogar den Europacup. Die meisten Teams weltweit, die Ball und Spiel kontrollieren wollen, wählen das 4-3-3. Weil man mit dieser Formation mit je zwei Spielern an der Seitenlinei das Angriffsspiel in die Breite ziehen und in der gegnerischen Abwehr Lücken kreieren kann. Ausserdem entstehen so automatisch die für das Kombinationsspiel typischen Dreiecksituationen. Für dieses System mit echten Flügelstürmern wurde in den letzten zwei Jahren beim FCZ auch das Kader zusammengestellt. Systeme mit Dreierabwehr sind hingegen typischerweise für Umschaltspiel durch die Mitte geeignet. Die Aussenstürmer im 3-4-3 sind keine echten Flügel, sondern agieren auf den Halbpositionen. Theoretisch kann man auch mit Dreierabwehr auf Ballkontrolle abzielen, aber es ist kompliziert. Auch Topteams wie Manchester City sind mit einem 4-3-3 gestartet und haben erst über einen Zeitraum von vielen Jahren hinweg und mit viel Konstanz in personellen Fragen mit der Zeit auch andere Lösungen und Formationen entwickelt.
Der Switch während einer Partie zwischen 4-3-3 und 4-2-4 ist hingegen einfach und funktioniert beim FCZ gut. Dennis Hediger hätte sich als neuer Trainer auf solche kleineren Variationen beschränken können. Und auf seinen im Vergleich zu Mitchell Van der Gaag sicherlich intensiveren, aggressiveren und offensiveren Ansatz. In den 105 Minuten in denen der FC Zürich gegen YB und Luzern unter Hediger im 4-3-3 / 4-2-4 agierte, resultierte ein Skore von 5:0. Also kein Gegentor und alle 21 Minuten ein erzielter Treffer. Bei einem FCZ in dieser taktischen Formation kann man in den letzten Spielen also weder von Verteidigungsproblemen noch von fehlender Durchschlagskraft im letzten Drittel sprechen. Und eine solche Statistik sollte eigentlich alle Fragen bezüglich dem besten System für diese Mannschaft beantworten. Wie schon letzte Saison versalzt man sich aber bisher die reichhaltige, schmackhafte Suppe (positive grundsätzliche Entwicklung im Verein, willige Mannschaft) mit kurzfristigen taktischen Experimenten gleich wieder selbst. Einen Hoffnungsschimmer gibt es: nach dem Luzern-Spiel begründete Dennis Hediger das 3-5-2 nicht nur mit einer Anpassung auf den Gegner (der allerdings selbst von der üblichen Raute auf ein 4-2-3-1 umstellte), sondern auch damit, dass Flügelspieler (wohl Markelo und Phaëton) während der Woche krank und somit für einen Einsatz von Beginn weg noch nicht bereit gewesen seien.
FCZ muss taktisch und personell Konstanz reinbringen
Juan José Perea enttäuschte wie so häufig wenn er von Beginn weg zum Einsatz kommt. Der Doppelsturm mit Keny funktionierte nicht. Zudem hat Milan Rodic dem Team bei seinen bisherigen Einsätzen noch nie wirklich genützt, aber schon mehrmals geschadet. David Vujevic gelang hingegen ein sehr solider Auftritt. Und Philippe Keny verdeckt mit seiner grossen offensiven wie auch defensiven Arbeit manchen Schwachpunkt von Teamkollegen. Die Super League ist eine gute Liga. Die meisten Gegner sind eingespielt. Der FCZ muss jetzt auch Konstanz reinbringen mit einer eingespielten Truppe im für dieses Team und die Spielphilosophie idealen 4-3-3 / 4-2-4.
