Ricardo Moniz – ein Top Ten-Trainer in der Super League

Aufgrund des (knappen) Verpassens der Championship Group wird die Zeit von Ricardo Moniz als Cheftrainer des FC Zürich von vielen Seiten als erfolglos bewertet. Tatsächlich weist der Holländer allerdings einen Punkteschnitt von 1,51 auf und liegt damit in den Top Ten der 57 Super League-Trainer seit Sommer 2017 (Wiederaufstieg FCZ) – nur knapp hinter Mattia Croci-Torti, Bo Henriksen und René Weiler – und vor Patrick Rahmen, Peter Zeidler, Alain Geiger, Fabio Celestini oder Giorgio Contini.

Moniz schon zwei Mal Nachfolger von Van der Gaag

Mit André Breitenreiter, Bo Henriksen und Ricardo Moniz hat der FCZ drei Trainer unter den vom Punkteschnitt her erfolgreichsten zehn Super League-Trainern der letzten acht Jahre und mit diesen drei offensichtlich ein gutes Händchen in der Trainerwahl gehabt. Henriksen ist nach Klublegende Urs Fischer der zweite ehemalige FCZ-Trainer, der innert kürzester Zeit zum Bundesliga-Trainer der Saison gewählt wurde. Ricardo Moniz erreichte seinen Punkteschnitt bei gleichzeitigem grossem Neuaufbau bezüglich Personal und Spielweise. Viele junge Spieler haben unter ihm in der Saison 24/25 eine gute Basis für ihren künftigen Werdegang legen können. Der gute Punkteschnitt lebt allerdings stark vom ersten Halbjahr (Mai bis Oktober 2024), in welchem das Team von Moniz 14 von 23 Partien gewinnen konnte. Zum Abschluss der Saison 24/25 gab es hingegen fünf Niederlagen in sieben Partien – immerhin wurden die beiden Derbys gewonnen und man blieb die Nummer Eins der Stadt.

Daten: transfermarkt.ch, Punkteschnitt Super League-Trainer 2017 – 2025 mit mindestens fünf Partien

Moniz war übrigens schon zwei Mal direkter oder indirekter Nachfolger seines jetzigen Nachfolgers Mitchell Van der Gaag. Im Juli 2016 folgte er in der zweithöchsten Holländischen Liga beim FC Eindhoven auf Van der Gaag (Punkteschnitt Van der Gaag: 1,69, Moniz: 1,40). Und nachdem Van der Gaag das kleine Excelsior zwei Saisons in der Eredivisie hatte halten können, lief nach seinem Abgang die Folgesaison 18/19 weniger gut. Ricardo Moniz war im April bereits der dritte Trainer in Rotterdam, konnte den Abstieg aber in der Barrage gegen Waalwijk nicht verhindern.

Nur ein Punkte-Flop beim FCZ

Massimo Rizzo, Uli Forte, Ludovic Magnin und Murat Ural befinden sich vom Punkteschnitt her im Mittelfeld der Tabelle der 54 Super League-Trainer seit 2017 – im gleichen Bereich wie ein Mario Frick, Tomas Oral, Murat Yakin, Alex Frei oder Didier Tholot. Rizzo liegt nur 0,08 Punkte hinter FCB-Meistertrainer Fabio Celestini, der davor in dieser Zeitperiode schon bei vier anderen Super League-isten tätig gewesen war. Franco Foda liegt hingegen mit einem Schnitt von 0,25 Punkten an zweitletzter Stelle, nur noch unterboten von Boro Kuzmanovic.

FCZ Frauen gewinnen Cupfinal mit Topleistung – goldene Zeiten im Schweizer Ligafussball

Die FCZ Frauen gewinnen den Schweizer Cup 2025 dank eines 1:0-Sieges gegen den FC Basel im Letzigrund. Das entscheidende Tor erzielt Chiara Bücher in der 80. Minute nach einem Einwurf Viktoria Szabos und Traum-Assist des eingewechselten Eigengewächses Martina Cavar. Damit werden die Rekordmeisterinnen (24 Meistertitel) mit 16 Cup-Titeln neu auch zum alleinigen Rekord-Cupsieger vor YB (15). Dies bei bisher 42 Austragungen dieses Wettbewerbes. Acht Cup-Titel hat der FC Zürich dabei in den letzten 13 Austragungen unter dem Dach des Stadtclubs gewonnen – während alle YB-Cuptitel aus der Zeit des Vorgängerteams FFC Bern stammen. Man kann aber sicherlich die Meinung vertreten, dass hinter dem aktuellen Titel die grösste Leistung aller bisherigen 16 Cup-Titel steckt. Denn erstmals gingen die FCZ Frauen als klarer Aussenseiter in einen Final. Davor war man jeweils entweder auf einen ebenbürtigen Gegner getroffen oder Favorit gewesen.

Ein drei Sommer dauernder Grossumbruch und die Auflösung des U21-Teams

Denn im letzten Sommer hatte es im Heerenschürli den dritten Teil des grossen Umbruchs gegeben. 2022 waren Lesley Ramseier, Meri Terchoun, Lydia Andrade , Rahel Kiwic, Livia Peng, Riana Fischer und Martina Moser weggegangen oder hingen die Fussballschuhe auf Super League-Niveau an den Nagel. 2023 mussten die Abgänge von Sydney Scherteinleib, Eleni Markou, Seraina Friedli, Alayah Pilgrim, Marie Höbinger, Nadine Riesen, Leela Egli, Irina Pando, Rahel Moser, Laura Vetterlein und Annina Enz verkraftet werden. 2024 letztlich sah auch noch die Abgänge von Seraina Piubel (West Ham), Julia Stierli (SC Freiburg) und Viktoria Pinther (Dijon), die alle drei in Topligen wechselten, dazu Oliwia Wos und Marion Rey zum Konkurrenten FCB. FCZ-Legende Fabienne Humm (15 Jahre ununterbrochen die Torschützin vom Dienst) und Vanessa Bernauer (mit 91 Länderspielen die Nummer 10 der Ewigen Rangliste des Schweizer Frauen-Nationalteams) traten zudem zurück.

Übrig blieben einzig der neue Captain Naomi Mégroz und Kim Dubs (zum Trainingsstart beide 25) als potentielle neue Teamleaderinnen. Der neue Trainer Renato Gligoroski war zudem bereit, vielen Spielerinnen des im Sommer aufgelösten U21-Teams eine Chance in der 1. Mannschaft zu geben. Der FC Zürich hatte ein Jahrzehnt lang als einziger Klub der Schweiz ein Frauen U21-Team unterhalten, und dieses war sehr erfolgreich gewesen. In der zweithöchsten Spielklasse (Nationalliga B) landete die FCZ U21 Saison für Saison unter den besten drei, durfte aber natürlich nicht aufsteigen. Aufgelöst wurde die Mannschaft aufgrund der vom SFV neu eingeführten U20-Liga (anstelle der bisherigen U19). Diejenigen, dies es nicht in die 1. Mannschaft schafften, wechselten typischerweise zu Winterthur, Rapperswil-Jona, Aarau oder eben in die neu gegründete FCZ U20.

FCZ setzt auf eigenen Nachwuchs, FCB nicht

Das FCZ-Team, das im Letzigrund den FC Basel schlug, hatte ein Durchschnittsalter von knapp 22 Jahren. Die Hälfte dieser Mannschaft (acht der eingesetzten 16 Spielerinnen) stammt dabei aus dem eigenen Nachwuchs. Dies kontrastiert stark mit dem Final-Gegner: fast ausschliesslich Ausländerinnen mit einem Durchschnittsalter von 26 Jahren, und dabei keine einzige eingesetzte Spielerin aus dem FCB-Nachwuchs – obwohl in diesem durchaus gute Arbeit geleistet wird und in den letzten Jahren ein paar vielversprechende Talente produziert wurden. Diese kommen aber nicht zum Zug. Nicht genug: von den vier aus der Schweiz stammenden Spielerinnen beim FCB waren drei Zürcherinnen und von diesen stammen zwei (Coumba Sow, Sabina Jackson) ebenfalls aus dem FCZ-Nachwuchs.

Die Partie hatte im ersten Viertel ein hohes Tempo mit vielen Umschaltsituationen, wobei der FCZ im Hohen Pressing noch etwas mutiger agierte und der FCB dies das ein oder andere Mal ausnutzen konnte. Im ersten Spielviertel hatte Basel die besseren Torchancen und vergab eine frühe Führung. In dieser Phase konnten die Rotblauen ihre Routine, Technik und Physis in Offensive und Defensive ausspielen. Während der FCZ in dieser Partie konsequent mit einer Dreierabwehr agierte, sicherte der FCB mit seiner Viererabwehr und der Doppelsechs Sow / Kamber auch in den Umschaltsituationen hinten schneller und stärker ab. Im Gegensatz zu Basel fand Zürich bei Kontern kaum wirklich freie Räume vor. Die beiden Zürcher Aussenläuferinnen Blumenthal und Szabo bewegten sich sowohl in der Vorwärtsbewegung mit Ball als auch im Pressing häufig weit vorne im Bereich der Stürmerinnen. Nicht per Zufall hatte Blumenthal eine der wenigen guten Tormöglichkeiten der Zürcherinnen in der 1. Halbzeit an vorderster Front aus fünf Metern.

Unaufmerksamkeit von Coumba Sow erneut entscheidend

Nach dem ersten Viertel der Partie glich sich die Partie mehr und mehr aus. Die jungen Zürcherinnen vermochten ihr Spiel besser durchzuziehen und zumindest in Ansätzen eine gewisse Dominanz zu entwickeln, auch wenn dafür häufig noch die Präzision fehlte. Wie schon im Meisterschaftsduell im Herbst im St. Jakob Park kümmerte sich Marlene Deyss weitgehend um die physisch starke Mittelstürmerin Milena Nikolic und stiess nicht so häufig ins Mittelfeld vor, wie sie das normalerweise tut. Die zweite Power-Spielerin im Kader, die eingewechselte Chiara Bücher, traf wie schon mehrmals in einem wichtigen Spiel. Als Aussenläuferin eingewechselt, half sie sowohl hinten mit zu verteidigen, tauchte dann aber gleichzeitig immer wieder auf ihrer angestammten Mittelstürmerposition auf und erzielte mit einem im Zusammenspiel mit Martina Cavar exzellent abgestimmten Run hinter die Abwehr mit Durchsetzungsvermögen das entscheidende Tor. Eine regelmässige Torschützin wie es früher Fabienne Humm war, haben die FC Zürich Frauen aktuell nicht. Sanja Kovacevic, die häufig auf der 10er-Position spielt, war mit fünf Treffern die beste Zürcher Torschützin in der Meisterschaft (18 Runden). Daher braucht es solche spezielle Aktionen, um gegen einen Gegner wie dem FCB in einem Cupfinal zum Erfolg zu kommen.

Eine Parallele zu den Playoff-Halbfinals von letzter Saison war, dass in entscheidenden Momenten die Unaufmerksamkeit und Unentschlossenheit von Coumba Sow dem FCZ zugute kam. Beim Einwurf vor dem 1:0 ist sie ein, zwei Sekunden in ihre Gedankenwelt abgetaucht und passt nicht auf, was Martina Cavar viel freien Raum für ihr Assist verschafft. Sow geht die Fähigkeit ab, über 90 Minuten konsequent aufmerksam zu sein und die Position zu halten. Sie ist eher eine unberechenbare Spielerin, die gewisse Freiräume braucht. Bei Servette wurde sie längere Zeit gar als Mittelstürmerin eingesetzt. FCB-Trainerin Kim Kulig kategorisiert sie aber womöglich aufgrund ihrer Physis weiterhin als Sechser. Mit dem steigenden Niveau der Liga können ihre Schwachpunkte da aber gerade in wichtigen Spielen und gerade gegen den FCZ immer wieder ausgenutzt werden.

Goldene Zeiten im Schweizer Ligafussball

Die FCZ Frauen gewinnen den Final mit zwei Spielerinnen in der Startaufstellung, die in diesem Spiel den ersten längeren Einsatz nach ihrer Verletzungspause hatten: Borbala Vincze (17) und Amelie Schuster (21). Beide sind noch einiges von ihrer Bestform entfernt, was im Spiel auch klar ersichtlich wurde. In der Abwehr musste auch aufgrund der Sperre von Briana Eads (24) Luana Bürge (19) auf der ungewohnten halblinken Position antreten, erledigte dort ihre Aufgabe aber hervorragend und gehörte in dieser Partie zu den Leistungsträgerinnen. Und auf Torhüterin Noemi Benz (21) kann sich die Mannschaft ebenfalls verlassen.

Wir befinden uns gewisserweise, vielleicht ohne es zu merken, in einer goldenen Ära des Schweizer Ligafussballs auf der höchsten Stufe. Nicht nur bei den Männern, sondern auch bei den Frauen ist die Spannung und Vielfalt im Kampf um die Meisterschaft zur Zeit so gross wie wohl noch nie zuvor. Der FCZ hat den angesprochenen grossen Umbruch hinter sich. Servette wirkt nicht mehr so dominant wie in den Jahren zuvor. Und bei Basel scheint es weiterhin egal zu sein, welche guten Spielerinnen geholt werden – es hapert immer wieder an verschiedenen kleinen Dingen. Gleichzeitig haben YB, St. Gallen, GC und Aarau grosse Fortschritte gemacht. Aarau gehört aufgrund der fehlenden Unterschiedsspielerinnen wohl trotzdem nicht zu den Titelkandidaten, aber die anderen drei mittlerweile schon. YB war schon immer vorbildlich bei der Integration ihres guten Nachwuchses in die 1. Mannschaft, hat mittlerweile aber zusätzlich auch noch sechs, sieben erfahrene ausländische Spielerinnen dazu geholt. Playoff Viertelfinal-Gegner St. Gallen mit der ehemaligen FCZ-Assistenztrainerin Marisa Wunderlin an der Linie (Hinspiel Samstag 12.4. 16:00 voraussichtlich im Utogrund) scheint dem FCZ nicht besonders zu liegen. Das Rennen ist offen.

Transfers verbesserungswürdig

Die Spielerinnen und das Trainerteam der FC Zürich Frauen haben in dieser Saison bisher schon viel aus sich selbst herausgeholt und auch am Selbstvertrauen mangelt es nicht. Mittel- bis langfristig gesehen muss aber schon auch mal die Transferbilanz näher angeschaut werden. Die jungen Spielerinnen entwickeln sich mehrheitlich gut. Der Spielstil ist auch auf sie ausgerichtet. Aber die Verpflichtungen von erfahreneren ausländischen Spielerinnen sind qualitativ meilenweit von den Zeiten von Team Manager Markus Schärer oder Sportchef Theo Karapetsas entfernt. Müsste da angesichts eines offenbar deutlich erhöhten Budgets nicht mindestens dasselbe Niveau wie in früheren Zeiten drin liegen?

Beispielloser Bundesliga-Höhenflug: wie viel FCZ-Henriksen steckt in Mainz 05?

Aktuell sind wieder zwei ehemalige FCZ-Trainer erfolgreich in der Bundesliga tätig. Der Vfl Bochum mit Murat Ural als Co-Trainer schlägt sich wacker im Abstiegskampf. Mainz 05 mit Bo Henriksen am Ruder liegt zur Zeit sensationell auf einem Champions League-Platz – und steht so gut da wie noch nie in der Vereinsgeschichte. Dies nachdem Henriksen Mainz im letzten Frühling noch vor dem Abstieg bewahren musste (wie ein Jahr zuvor den FCZ). Mit seinem neuen Verein hat der Dänische Coach bisher im Schnitt 1,78 Punkte pro Partie geholt, was nochmal deutlich über dem Wert beim FCZ liegt (1,60). Natürlich ist das nun der Zeitpunkt, in welchem die Nachfrage nach Analysen der bisherigen Erfolgsgeschichte sich grosser Nachfrage erfreut. Was ist das Erfolgsgeheimnis? Wie wird die Geschichte erzählt? „Football Meta“ hat sich des Themas angenommen und einen informativen Beitrag dazu kreiert (siehe Video unten, in Englisch).

Henriksen vermittelt Afriyie die Freude am Verteidigen

Hier an dieser Stelle interessiert uns die Frage inwiefern Henriksens Ansatz in Mainz mit demjenigen seiner Zürcher Zeit vergleichbar ist. Was ist gleich? Was ist anders? Und weshalb?

Von den Grundprinzipien her gibt es viele Gemeinsamkeiten zwischen Henriksens FCZ- und Mainz-Equipen. Da wäre erstens mal das „Defense First“-Prinzip. Der erste Schritt und die Grundlage ist für den Dänen jeweils die defensive Stabilität herzustellen – gerade zu Beginn bei einem neuen Klub. Sowohl der FCZ wie auch Mainz kassier(t)en unter Henriksen wenig Gegentore. Um dies zu erreichen, arbeitet Henriksen viel über die emotionale Schiene. Er versucht so erfolgreich die Intensität des Verteidigens zu erhöhen. Ein wichtiges Element ist dabei aber auch ein effektives Pressing, vor allem das Hohe Pressing – allerdings in der Regel ohne jeweils den ballführenden gegnerischen Torhüter anzugreifen. Beim FCZ achtete Henriksen zudem darauf, genug Spieler mit einem defensiven Gewissen auf dem Platz zu haben, gerade auch in den vordersten Reihen, wo es galt, hohe Ballgewinne zu erzielen. So hielt er über weite Strecken an Daniel Afriyie auf der 10er-Position fest, obwohl dieser praktisch keine Tore erzielte. Dem Ghanaer hatte Henriksen die Freude am Verteidigen und Manndecken beibringen können.

„Wenn der Ball in eurer Platzhälfte ist, könnt ihr kein Tor schiessen“

Ein Grund für die Forcierung von Afriyie lag allerdings auch darin, dass nach dem Abgang von Aiyegun Tosin im Sommer 2023 der einzige klassische Neuner im Kader Ivan Santini war. Der unter Henriksen zu seinem Super League-Début gekommene Junior Ligue wirkte ausgelaugt, nachdem er am Ende einer intensiven Saison noch in den U18-Playoffs aushelfen musste und es dann ohne Pause mit der Sommervorbereitung der 1. Mannschaft weiterging. Er wurde daher vorläufig nur noch in der U21 eingesetzt und Stand als Alternative für die 1. Mannschaft im Herbst 2023 nicht zur Verfügung. Die Art und Weise wie Ligue im März 2023 in seinem dritten Kurzeinsatz gegen Servette gleich sein erstes Tor erzielt hatte, war aber typisch für Offensivspieler unter Bo Henriksen. Auch bei Mainz fallen Jonathan Burkardt oder Paul Nebel durch eine grosse Unbekümmertheit auf.

Mittelstürmer Burkardt ist bei Henriksens Mainz ein wichtiges Puzzleteil der Spielweise. Der grossgewachsene, kräftige, aber auch technisch starke Stürmer kann lange hohe Bälle von Torhüter Zentner für die auf den Zweiten Ball lauernden Mittelfeldspieler ablegen. Es gibt im Fussball unterschiedliche Defensivphilosophien. Diejenige eines Pep Guardiola ist: „Wenn wir den Ball haben, könnt ihr kein Tor schiessen“. Andere Trainer schwören auf: „Wenn wir uns gut hinten verbarrikadieren, könnt ihr kein Tor schiessen“. Die Philosophie von Bo Henriksen ist: „Wenn der Ball in eurer Platzhälfte ist, könnt ihr kein Tor schiessen“. Den Ball möglichst schnell aus der eigenen Platzhälfte rauszubringen war in Zürich und ist jetzt auch in Mainz ein wichtiges Grundprinzip. Wenn dies gut gemacht wird, dann demotiviert dies Gegner, die Hohes Pressing spielen wollen. Der Ball soll also möglichst schnell in die gegnerische Platzhälfte gebracht werden. Erst dort kommt dann ein kontrollierter Spielaufbau zum Tragen – und mit intensivem Gegenpressing sowie Hohem Pressing soll der Ball auch nach Ballverlust möglichst in der gegnerischen Platzhälfte gehalten werden.

Ohne komplette Bundesligaspieler im Kader muss Henriksen in Zürich improvisieren

Beim FCZ hatte Henriksen allerdings keinen Jonathan Burkardt zur Verfügung. Marchesano, Afriyie und zu Beginn Tosin können keine Luftkämpfe gewinnen. Okita wäre eigentlich geeignet für Kopfballablagen, aber er flüchtete meist vor jedem hohen Ball. Mit dem ebenfalls grossgewachsenen Roko Simic funktionierte es im Frühling 2023 auch nur halbwegs. Dabei hatte Henriksen in Zürich mit Yanick Brecher durchaus einen hervorragenden Verteiler von langen Bällen zur Verfügung. Als der FCZ sich zu Beginn der Saison 23/24 überraschend lange mit YB zusammen vorne an der Spitze halten konnte, funktionierte hingegen der Plan B lange gut. Dieser bestand aus einem langen hohen Ball Brechers nach rechts vorne an die Seitenlinie auf Höhe der Mittellinie, wo der mittelgrosse Lindrit Kamberi (1,83m) den Ball per Kopf weiterleitete. Dafür tauschte Kamberi in der Spieleröffnung mit dem eigentlichen Wingback Nikola Boranijasevic jeweils die Position.

Heute bei Mainz muss Henriksen nicht auf solche Improvisationen zurückgreifen, denn er hat beim Bundesligaklub natürlich ein Kader mit besseren und vor allem kompletteren Spielern zur Verfügung. Der rechte Wingback Caci ist daher selbst ein häufiger Zielspieler für lange hohe Bälle hinten heraus. Wie in Zürich werden auch in Mainz unter Henriksen sehr viele Angriffe über rechts ausgelöst. Der vielleicht grösste Unterschied neben der Mittelstürmerposition besteht aber wohl beim Umschalten in die Defensive. Henriksens Mainzer Mannschaft schafft es in sehr kurzer Zeit (mit Ausnahme manchmal des Mittelstürmers) komplett hinter den Ball zu kommen, wenn dies nötig ist. Dies klappte mit den beim FCZ zur Verfügung stehenden Spielern auch für den Motivationskünstlicher und Fussballerflüsterer Henriksen bei weitem nicht im gleichen Stil.

Wechsel zu Mainz 05 vor einem Jahr für alle Seiten eine gute Sache

Typisch für das Henriksen-Spiel sowohl in Zürich wie in Mainz ist schnelles Spiel durch die Mitte gegen einen wenn möglich noch vertikal gedehnten Gegner mit dem Einbezug der Wingback-Flankengeber Boranijasevic / Guerrero oder Caci / Mwene über die Seiten sobald man in Strafraumnähe gelangt. In Zürich hatte Henriksen aber natürlich für das Spiel durch die Mitte keinen spielerisch so starken Spieler wie Nadiem Amiri zur Verfügung, der in dieser Saison den Weg zurück in die Deutsche Nationalmannschaft geschafft hat. Das 3-4-2-1 in Mainz war beim FCZ eher ein 3-4-1-2. In Mainz sind die Rollen vorne klarer definiert, wohingegen in Zürich mit dem Sturmduo Okita / Marchesano und dahinter Afriyie oder Krasniqi aufgrund den spezifischeren individuellen Qualitäten eher etwas improvisiert wurde. Und auf der Bank gab es für Einwechslungen wenig Alternativen. Mit Offensivstandards war Henriksen mit dem FCZ hingegen deutlich erfolgreicher als jetzt Mainz – und dies obwohl die Rheinhessen mit Mikkel Jespersen einen Standardspezialisten im Trainerteam haben.

Für eine Mannschaft, die in der Bundesliga auf dem 3. Platz liegt, hat Mainz erstaunlich wenig Ballbesitz. Ein noch extremeres aktuelles Beispiel ist Nottingham Forest mit Coach Nuno Espirito Santo in der Premier League. Dieses Team versucht wie Mainz den Ball mit langen Bällen möglichst schnell in die gegnerische Hälfte zu spielen, steht defensiv aber deutlich tiefer. Auch der FC Zürich hatte unter Bo Henriksen keine hohen Ballbesitzwerte. Dies hat sich stark geändert. Seit etwas mehr als einem Jahr wird beim FCZ im ganzen Klub eine proaktivere und anspruchsvollere Spielphilosophie implementiert, welche gerade auch die Junioren in ihrer Entwicklung stärker herausfordert und reifen lässt. Man macht damit auch in der 1. Mannschaft laufend Fortschritte. Da passte Henriksen (und die meisten unter ihm wichtigen Spieler) trotz unbestrittenen Qualitäten nicht mehr rein. Deshalb war das Angebot des abstiegsgefährdeten Mainz 05 vor rund einem Jahr für alle Seiten eine gute Sache.

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