Warum Assan Ceesays Frühform nur teilweise aussergewöhnlich ist / FCZ – Lausanne-Sport in der Züri Live-Analyse

Wie zuletzt gegen Lausanne häufig entscheidet sich viel auf der linken Seite der Waadtländer. Im März an gleicher Stätte hatte der FCZ mit Schönbächler und Omeragic grosse Mühe mit dem Lausanner Spielaufbau über Flo (seit Mai in der im Sommer durchspielenden Zweiten Norwegischen Liga bei Sogndal aktiv) und dem damals als linkem Aussenläufer auflaufenden Suzuki. Damals spielte Lausanne unter Giorgio Contini mit Dreierabwehr, der FCZ mit Viererkette – diesmal war es umgekehrt. Das Team des aus der eigenen Academy hochgezogenen Trainers Ilja Borenovic spielte in der 1. Halbzeit ein asymmetrisches 4-3-3/4-4-2 System. Das 18-jährige Eigengewächs Alvyn Sanches klebte meist weit vorne und aussen am Rechten Flügel vor dem wirbligen Aussenverteidiger Zohouri (einem von vier eingesetzten jungen Ivorern), während der linke Aussenverteidiger Suzuki je nach Interpretation seine Seite meist für sich alleine hatte beziehungsweise allein gelassen wurde. Sowohl N’Guessan wie auch Koyalipou zog es vorwiegend Richtung Zentrum.

Lausannes linke Seite erneut die Schlüsselzone

Dies nutzte Nikola Boranijasevic mehrfach aus, der vor dem Zürcher 1:0 in der 7. Minute praktisch unbedrängt einen langen Ball hinter die weit aufgerückte Lausanner Abwehr spielen konnte. Die Zuordnung im Lausanner Gegenpressing auf der linken Seite funktionierte überhaupt nicht – Koyalipou und Suzuki kamen der Reihe nach zu spät, N’Guessan befand sich irgendwo im Niemandsland und Monteiro im Bestreben die Lücken auf der linken Seite stopfen zu helfen, machte die fatale Entscheidung, sich Richtung Seitenlinie zu Marchesano zu bewegen und liess so seinen Innenverteidigerkollegen Jenz alleine gegen zwei Zürcher Stürmer im Regen stehen.

Ganz anders beim 1:1-Ausgleich vier Minuten später. Für einmal befanden sich N’Guessan und Koyalipou beide auf der Seite, Kukuruzovic lockte Doumbia aus seiner Position heraus und durch das gleichzeitige gegenläufige seitliche Verschieben von N’Guessan und Koyalipou beging Boranijasevic einen taktischen Fehler, dank dem N’Guessan mit dem Gesicht zum gegnerischen Tor unbedrängt den idealen Steilpass hinter die Zürcher Abwehr auf Quattara spielen konnte, der dann auch noch aus spitzem Winkel von einem leichten Stellungsfehler Yanick Brechers profitieren konnte. Boranijasevic und Omeragic lernten aber daraus und stellten in der Folge in ähnlichen Situationen erfolgreich auf Manndeckung um.

Assan Ceesay, Early Bird

Letzte Saison hatte der FCZ immerhin vier Tore aus Einwürfen erzielt. Das 2:1 gegen Lausanne war bereits der erste solche Fall in der neuen Saison. Kukuruzovic verlängerte einen Boranijasevic-Einwurf in den Strafraum aus Lausanner Sicht unglücklich und Guerrero sowie Ceesay reagierten blitzschnell. Der Gambier spielte eine aussergewöhnliche Partie – fehlerlos und offensiv mit viel Effektivität. Er war genauso wie Boranijasevic an allen drei Zürcher Treffern beteiligt und legte zudem in der 1. Halbzeit eine „Hundertprozentige“ für Kramer auf, und provozierte (allerdings aus leichter Offsideposition) ein Eigentor von Lausannes Jenz, welches aberkannt wurde.

Der Saisonstart des Rekordtorschützen der Gambischen Nationalmannschaft ist vielversprechend. Allerdings: Lugano und Lausanne sind zusammen mit Sion sicherlich im aktuellen Zeitpunkt im negativen Sinne die am weitesten von ihrer letztjährigen Verfassung entfernten Gegner. Ausserdem ist Ceesay eigentlich auch in der Vergangenheit fast immer gut in eine Saison gestartet und in der Folge kam dann jeweils nicht mehr so viel. Beinahe die Hälfte all seiner Skorerpunkte in Meisterschaftsspielen im Profibereich hat er im ersten Saisonviertel erzielt. Schaut man nur auf die Tore sind es sogar 60%! Und zählt man auch noch die Cup-Partien hinzu, dann kommt man auf rund zwei Drittel der Tore und Skorerpunkte, die sich auf das erste Saisonviertel fokussieren.

Mory Diaws Schwächen und Stärken

Trotzdem: die Art und Weise, wie sich Ceesay vor dem 3:1 über die linke Seite durchgesetzt, das Zuspiel auf Marchesano in den Strafraum im richtigen Moment gespielt hat und immer auf den Beinen geblieben ist, hat man in dieser Kombination von ihm noch selten gesehen. Auch schon sein Leihtransfer nach Osnabrück schien ihm gut getan zu haben, aber im Verlaufe der letzten Saison liess dieser Effekt wieder etwas nach. Das 3:1 hatte Boranijasevic mit einem Ballgewinn im Mittelfeld nach einem schlechten Querpass nach gutem Vorstoss von Lausanne-Rechtsverteidiger Zohouri selbst eingeleitet und schlussendlich nach hervorragendem Querpass Guerreros auch erfolgreich abgeschlossen.

„Boranijasevic trifft gegen Ex-Verein“ – FCZ-Lausanne Highlights

In der 2. Halbzeit versuchte Lausanne-Coach Borenovic erfolglos mit mehreren taktischen Wechseln das Momentum nochmal auf die eigene Seite zu drehen. Mit Coyle für N’Guessan brachte der Serbe zur Pause einen Spieler, der willens war, die linke Seite wirklich konstant zu besetzen – aber seine Physis vermochte der Engländer nur in den ersten Minuten seines Einsatzes wirklich in die Waagschale zu werfen. Ein weiterer wichtiger Faktor war die unterschiedliche fussballerische Qualität der Torhüter. Diaws Schwächen in diesem Bereich traten auch deshalb vermehrt zutage, weil der FCZ im Vergleich zum Lugano-Auswärtsspiel häufiger hoch presste. Gleichzeitig verhinderte der Lausanne-Keeper mit der ein oder anderen spektakulären Parade ein noch deutlicheres Resultat.

Das Hohe Pressing des FCZ konnte Lausanne typischerweise über die linke Seite knacken, wenn Suzuki relativ weit zurückstaffelte. Dafür war bei Bledian Krasniqi im Vergleich zum Lugano-Spiel bereits eine klare Steigerung erkennbar. Auffällig bei den Gästen das häufige Direktspiel, auch in gegnerischer Strafraumnähe. Dies könnte sich für die Lausanner mit zunehmender Eingespieltheit im Verlauf der Saison zu einer phasenweise unwiderstehlichen Offensivwaffe entwickeln. Dazu zeigen bereits in dieser Anfangsphase der Saison speziell die jungen ivorischen Akteure wie Ouattara, Zohouri oder N’Guessan eine hohe individuelle Qualität.

Telegramm

FC Zürich – Lausanne-Sport 3:1 (3:1)
Tore: 7. Ceesay (Kramer) 1:0, 11. Ouattara (N’Guessan) 1:1, 15. Ceesay (Guerrero) 2:1, 41. Boranijasevic (Guerrero) 3:1.
FCZ – Brecher; Omeragic, Kryeziu, Aliti; Boranijasevic (89. Wallner), Doumbia, Krasniqi (63. Hornschuh), Guerrero; Marchesano (74. Gnonto); Ceesay (74. Rohner), Kramer (89. Pollero).
Lausanne-Sport – Diaw; Zohouri, Jenz, Monteiro, Suzuki; Puertas (71. Amdouni), Kukuruzovic (71. Thomas), N’Guessan (46. Coyle); Sanches (61. Barès), Ouattara, Koyalipou (61. Mahou).

„Als Leader in den 125. Geburtstag hinein“ FCZ-Lausanne Kommentare

Richtige Taktik, schlechter organisierter Gegner, Steigerungspotential bei Débutanten: Lugano – FCZ in der Analyse

Spiel und Taktik

Dem FCZ gelingt zum Saisonauftakt gegen den FC Lugano der vierte Sieg ohne Gegentor in Folge gegen diesen Gegner! Zu Beginn spielten beide Teams relativ viele hohe Bälle. Nach gewissen statistischen Quellen hatte das Letzigrund-Team im Cornaredo mit 28% den tiefsten Ballbesitzwert aller Wettbewerbsspiele der letzten sechs Jahre. Nach den Testspielen konnte bereits vermutet werden, dass der FCZ zum Meisterschaftsstart im Vergleich zur Rizzo-Ära die defensive Absicherung noch mehr verstärken wird, und dies wurde auch getan. In der Regel wartete der FCZ mit einer Fünferabwehrreihe auf die Angriffe der Tessiner. Zudem wurde in vielen Situationen der ballführende Luganesi nicht direkt angegriffen, sondern effektiv darauf fokussiert, die Passwege zuzustellen. Die taktische Formation spiegelte das 3-1-4-2 der Tessiner. Selbst die Stürmer Ceesay und Kramer waren angehalten, bei vorpreschenden Lugano-Innenverteidigern wie beispielsweise Ziegler, diesen bis ganz nach hinten zu folgen. Diese Disziplin braucht es, um mit diesem FCZ-Team einen gewissen Erfolg zu haben. Die Ausrichtung war richtig und zahlte sich aus. Vor allem, weil noch direkter und konsequenter umgeschaltet wurde.

„Schnelles Konterspiel noch konsequenter umgesetzt“ – Lugano-FCZ Kommentare

Das kongeniale Duo Marchesano / Ceesay konnte auf diese Art und Weise ihre Stärken voll ausspielen. MVP Marchesano war omnipräsent und Ceesay bereitete mit zwei unwiderstehlichen Aktionen beide Tore vor. Die zwei waren die Offensivwaffe der Zürcher und die einzigen Akteure, die in der Züri Live-Wertung mehr Offensiv- als Defensivpunkte sammelten. Der FC Zürich spielte so zielstrebig Richtung Tor, dass man in der ganzen Partie zu keinem einzigen Eckball kam (kaum Spiel über die Seiten in der Zone 3). Erst in der Schlussphase wurde Lugano durch die Einwechslung von Covilo, Ba, Guidotti oder Monzialo bei einigen seiner vielen Eckbälle (11:0) dann auch gefährlicher. Bei klassischen hohen Bällen in den Strafraum aus dem Spiel heraus köpften aber Mirlind Kryeziu und der in seiner Kopfballtechnik ganz offensichtlich über den Sommer verbesserte Blaz Kramer praktisch alles weg. Nach Expected Goals war die Partie im Cornaredo ausgeglichen – aber Lugano scheiterte im Abschluss – vor allem im Falle von Mattia Bottani, dessen scharfen Weitschuss in der 78. Minute Yanick Brecher mit den Fingern noch an den Pfosten lenkte.

Der Gegner

Lugano lief wie schon beim 2:2-Test gegen den Italienischen Meister Inter mit dem 18-jährigen Eigengewächs Nikolas Muci im Sturm auf, der zusammen mit Mattia Bottani in der Ersten Halbzeit ein einheimisches Sturmduo bildete. In der Dreierabwehr feierte zudem der aus dem YB-Nachwuchs stammende Kreshnik Hajrizi sein Super League-Début mit dem einen oder anderen Fehler, unter anderem seinem Tackling, das zum Penalty führte. Das Team des neuen Brasilianischen Trainers Abel Braga zeigte Spielwitz, war nominell aber zum jetzigen Zeitpunkt sicherlich etwas weniger stark einzustufen, als noch letzte Saison. Vor allem defensiv stimmte die Organisation nicht wie üblich. Das fing schon vorne und im Mittelfeld an, wo Lugano kein richtiger Zugriff auf die ballführenden Zürcher gelang – die Bianconeri schienen immer einen Mann zu wenig zur Verfügung zu haben, obwohl sie auch mit 11 Mann spielten. Zur Halbzeitpause kam Asumah Abubakar rein und mit ihm wurde im Spiel nach vorne flacher und mit deutlich mehr Positionswechseln gespielt. Der FCZ wirkte nicht mehr so souverän, wie noch in der 1. Halbzeit, brachte aber den Vorsprung auch mit etwas Glück über die Runden.

Die Débutanten

Adrian Guerrero gab in seinem ersten Wettbewerbseinsatz für den FCZ ein hervorragendes Début. Äusserst präzise nach vorne und ohne Ball mit einer sehr hohen Aufmerksamkeit und defensivem Spielverständnis bei gegnerischem Spielaufbau, Umschaltspiel und auch bei Standards, wie man es in dieser Form in den letzten Jahren von Spielern im FCZ-Dress nicht mehr gewohnt war – typisch „Spanische Schule“ im besten Sinn.

Bledian Krasniqi hat zwar schon beinahe 100 Partien im Männerfussball in den Beinen, kam im Cornaredo aber trotzdem zu seinem Super League-Début – und musste Lehrgeld bezahlen. Offensiv hatte Krasniqi nur wenige Aktionen und defensiv genügte sein Auftritt auf diesem Niveau nicht. Zusammen mit Doumbia hatte er den Raum im Zentrum am und vor dem eigenen Strafraum zu wenig im Griff. Die Partie dürfte als Anschauungsunterricht in Bezug auf Verbesserungspotential sehr nützlich sein.

Nikola Boranijasevic war im Vergleich zum diesmal zwar nicht besonders auffälligen, aber durchaus soliden Rohner, eher ein Downgrade auf der Rechten Seite. Fällte sowohl defensiv wie auch offensiv in wichtigen Situationen mehrmals die falsche Entscheidung.

Viele Auf und Abs in kürzester Zeit bei Marc Hornschuh – gute Ballgewinne und einfache Ballverluste, bringt grundsätzlich etwas mehr defensive Stabilität in der Schlussphase, verliert bei gegnerischen Eckbällen aber auch zwei Mal seinen Gegenspieler Demba Ba aus den Augen.

Rodrigo Pollero – ein völlig missglückter Teileinsatz des Uruguayers: zu langsam, zu unpräzis – macht mehrere gute Konterchancen zunichte.

Das Duell des Spiels

Ein spielentscheidendes Duell lieferten sich die beiden ehemaligen Teamkollegen Adrian Guerrero und Numa Lavanchy auf der linken Zürcher- und rechten Lugano-Seite.

20. Minute: Numa Lavanchy antizipiert sehr gut einen etwas «telefonierten» Pass von Omeragic auf Guerrero und spritzt dazwischen. Über Bottani und Sabbatini landet der Ball im Mittelkreis bei Lovric. Der schnell zurücksprintende Rohner zusammen mit Doumbia lassen Lovric aber mit der Weiterleitung des Balles nach vorne auf Muci etwas zögern. Der Lugano-Gegenangriff wird gebremst, Lovric lässt sich auf der linken Seite im Mittelfeld durch vier Zürcher in die Ecke drängen und spielt einen Fehlpass in die Füsse von Doumbia. Der FCZ schaltet über Marchesano  und Ceesay über rechts schnell um.

Im Moment des Ballgewinnes steht Guerrero vor dem eigenen Strafraum bei seinem Gegenspieler Lavanchy, bereit für einen allfälligen Seitenwechsel Luganos. Sobald der Ball von Doumbia direkt zu Marchesano prallt, sprintet Guerrero sofort los, macht sich dann etwa 30 Meter vor dem Tor gegenüber dem ballführenden Ceesay bemerkbar. Lavanchy hatte inzwischen die Verfolgung Guerreros aufgenommen. Der Waadtländer ist schneller als Guerrero, hat aber immer noch sechs Meter Rückstand. Weil der Querpass von Ceesay für einmal sehr präzis und mit gutem Timing gespielt ist (Lovric verzichtet auf ein Foul an Ceesay), kann Guerrero den Ball direkt in seinen Lauf mitnehmen und Lavanchy kommt zu spät. Die Lugano-Dreierabwehr hat sich relativ eng formiert und ging dabei davon aus, dass der schnelle und laufstarke Lavanchy seinen Gegenspieler Guerrero im Griff hat – dies liess Guerrero den entscheidenden Raum, den dieser mit einem sehr präzisen Abschluss von der Strafraumgrenze via rechten Innenpfosten auch optimal nutzte.

Diese ganze Szene vor dem 0:1 war typisch für das gesamte Duell zwischen Guerrero und Lavanchy. Der Waadtländer machte eine ordentlich bis gute Partie. Einmal gelang es ihm auch seinen Gegenspieler zu tunneln, was zu einer guten Kopfballchance Lovrics führte. Aber Guerrero spielte in seinem ersten FCZ-Wettbewerbsspiel hervorragend, und mit noch etwas mehr Konsequenz, sowohl offensiv wie defensiv, als sein Gegenpart auf Lugano-Seite.

Most Valuable Player

Antonio Marchesano ist mit Abstand der beste Offensivspieler auf dem Platz, der zudem auch noch hinten viel aushilft – das Duo Doumbia / Krasniqi hat in dieser Partie die Unterstützung auch dringend nötig. Wie vermutet kommt der erfahrene Tessiner genau zum richtigen Zeitpunkt zum Saisonstart in Form und verwandelt deshalb auch seinen Penalty souverän. Die bei Breitenreiter in der ersten Partie noch stärker auf schnelles Umschaltspiel ausgelegte Spielweise kommt dem Duo Marchesano / Ceesay sehr entgegen. Blaz Kramer, obwohl 90 Minuten auf dem Platz, spielt hingegen eher eine Nebenrolle – auch wenn er in gewissen Szenen wichtig ist, als Spieler, der die gegnerischen Abwehrspieler bindet – und kann seine eigene Schnelligkeit nicht ausspielen.

„Omeragic bedankt sich persönlich“ Lugano-FCZ Highlights

Telegramm

Lugano – FC Zürich 0:2 (0:2)
Tore: 20. Guerrero (Ceesay) 0:1, 45. Marchesano (Penalty, Ceesay) 0:2.
Lugano – Baumann; Hajrizi (72. Monzialo), Daprelà, Ziegler; Sabbatini (77. Guidotti); Lavanchy, Custodio (61. Ba), Lovric (72. Covilo), Facchinetti; Bottani, N. Muci (46. Abubakar).
FCZ – Brecher; Rohner (56. Boranijasevic), Omeragic, Kryeziu, Aliti, Guerrero; Doumbia, Krasniqi (56. Hornschuh); Marchesano (84. Gnonto); Ceesay (73. Pollero), Kramer.

Das Breitenreiter-Team im Formcheck (FCZ-Sommer, Teil 3)

Wilfried Gnonto fällt auf durch seinen Kampfgeist und sein Engagement, welches er für seine Farben einsetzt – auf und neben dem Platz. Und nicht nur gegen Kriens, sondern zuvor auch schon gegen Aarau brachte er einen ansprechenden Kopfball aufs gegnerische Tor. Sogar ein für seine Verhältnisse völlig ungewöhnlich präziser und wuchtiger Kopfballtreffer gelang Blaz Kramer nach einer Musterflanke Rodrigo Polleros gegen Xamax. Abgesehen von dieser einen Szene kam vom Uruguayer im ersten Einsatz noch nicht viel. Interessant war sein toller Assist auch deshalb, weil er in der Challenge League bei gerade mal sechs Assists und gleichzeitig 26 Toren in 60 Partien eindeutig als Finisher aufgefallen war – und selbst die paar wenigen Assists waren (fast) alles keine Flanken. Assan Ceesay hatte in seinen ersten Einsätzen Mühe, steigerte sich dann aber parallel mit seinem kongenialen Partner Antonio Marchesano in der letzten Partie gegen Kriens.

Hadern mit Doumbia

Stephan Seilers Auftritte in den Testpartien waren ungenügend und an Nils Reichmuth liefen die Partien fast völlig vorbei, auch wenn gegen Ende der Vorbereitung eine kleine Steigerung ersichtlich war. Bereits gut eingefunden hat sich hingegen Bledian Krasniqi. Im Spiel mit Ball findet der 20-jährige mit seiner Vista praktisch immer die beste Lösung. Vasilije Janjicic steigerte sich im Verlauf der Vorbereitung. Mit dem taktischen Verhalten von Ousmane Doumbia scheint das Zürcher Trainerteam bisher noch mit am meisten zu hadern. Der Ivorer, welcher sich auch auf persönlicher Ebene im Team sehr wohl zu fühlen scheint, überrascht den Gegner immer wieder mit unerwarteten Balleroberungen – aber eben auch die eigenen Mitspieler und Trainer häufig mit unerwarteten Stellungsfehlern. Bis zu einem gewissen Grad sind das zwei Seiten derselben Medaille. An Buschman-Dormond kritisiert Breitenreiter, dass er zu viele «Tricks» versuche. Findet der Kanadier allerdings den Raum zum Kontern vor, wie beim 6:1-Treffer gegen Kriens (Vorbereitung für Ceesay nach einem Eckball der Innerschweizer), kann er seine Schnelligkeit ausspielen.

Energie sparen mit Boranijasevic und Aliti

Der sich in einer schwierigen Karrierephase befindliche Mirlind Kryeziu könnte aufgrund seiner Physis zu den Gewinnern unter dem neuen Trainer gehören, obwohl ihm gegen Xamax ein entscheidender Fehler unterlief, als er kurz nach der Pause den Ball vor dem eigenen Strafraum gegen Veloso verlor, was das frühe und wegweisende 2:1 für die Gäste bewirkte. Bei einer Dreierabwehr wechselte sich im Verlauf der Vorbereitung Kryeziu in der zentralen Position mit Hornschuh und Kamberi ab. Lindrit Kamberi konnte weitgehend an die positiven Eindrücke von Ende letzter Saison anknüpfen, Silvan Wallner hingegen vorwiegend an die negativen. Fidan Aliti spielte genau Fifty-Fifty als Linksverteidiger oder links in der Dreierkette – aber nie als linker Aussenläufer. Er und Neuverpflichtung Nikola Boranijasevic schienen teilweise etwas mit angezogener Handbremse in den Tests aufzutreten – als sparten sie ihre Energie für den richtigen Saisonstart auf. Willie Britto war bezüglich Positionierung teilweise das Pendant zu Aliti auf der rechten Seite – allerdings wurde er auch als Aussenläufer eingesetzt und hat gleichzeitig nicht die gleichen Einsatzchancen wie der Kosovarische Nationalspieler.

Reifen mit Frei

Adrian Guerrero ist ein Mann auf der linken Seite mit gutem Spiel- und Raumverständnis und schlägt zudem gute Standards mit dem linken Fuss – er kann aber aufgrund seiner Konstitution von Gegner auch ziemlich einfach zur Seite gedrückt werden. Dies passiert Filip Frei mittlerweile deutlich weniger als früher. Der letztjährige U20-Nationalspieler hat einen Schritt nach vorne gemacht und sich in den Vorbereitungsspielen erfolgreich von seiner besten Seite gezeigt. Sein enorm fehlerbehaftetes Spiel von früher hat er abgestellt und spielt nun sehr verlässlich, trotz gleichzeitig weiter verbesserter Dynamik. Frei wird von Breitenreiter als Alternative auf allen erdenklichen Aussenpositionen auf beiden Seiten eingesetzt, zusätzlich zur Dreierabwehr – und ist damit zur Zeit der grösste Allrounder im Team.

Aushelfen mit Hornschuh

Marc Hornschuh wurde als wichtige Kaderergänzung geholt, der auf den zentralen Defensivpositionen als verlässliche Option bereitstehen soll, wenn es ihn braucht – wohl vor allem in der Dreierabwehr, denn seine Auftritte im Mittelfeld waren jeweils wenig erbaulich. Becir Omeragic wurde am letzten Spieltag der Vorbereitung genauso wie Buschman zwei Mal als Einwechselspieler eingesetzt. Während dies bei Buschman durchaus ein Zeichen seiner aktuellen Position in der sportlichen Mannschaftshierarchie darstellte, war es bei Omeragic bedingt durch seine vorherige Ferienabwesenheit aufgrund der EM-Endrunde. Ihn schon auf das Lugano-Spiel hinzubekommen, wäre wohl zu knapp und auch etwas riskant.

Fremdgehen mit De Nitti

Bei den Torhütern feierte der von der U18 hochgezogene Gianni De Nitti seine ersten Teileinsätze im Fanionteam (einen davon im Tor des SC Kriens gegen den FCZ). Zivko Kostadinovic agierte in seiner Kernkompetenz als «Torhüter» gewohnt solide. Trainer Breitenreiter war mit seinen Entscheidungen bei den Abstössen aber nicht immer zufrieden. Yanick Brecher hatte wieder zwei, drei Unkonzentriertheiten bei Gegentreffern dabei und schrie sich in der Endphase gegen Xamax, als nichts mehr ging, vergeblich die Lunge aus dem Leib.

6:1 gegen Kriens, 1:4 gegen Xamax – wo liegt die Wahrheit? (FCZ-Sommer, Teil 1)

Totale taktische Variabilität unter Breitenreiter (FCZ-Sommer, Teil 2)

Totale taktische Variabilität unter Breitenreiter (FCZ-Sommer, Teil 2)

Neben den ersten 30 Minuten gegen Aarau und Kriens, die jeweils sehr erfreulich aussahen, war auch fast die gesamte Partie gegen Feyenoord ansprechend: vor allem die Zweite Halbzeit, als die jungen Spieler beider Teams gegeneinander antraten und der FCZ dabei klar dominierte. Und gegen Vaduz gab es trotz erheblichem Kräfteverschleiss direkt nach dem Trainingslager kein Gegentor.  

Absicherung und „deutsche“ Tugenden

Was lässt sich über die Änderungen in Taktik und Spielweise unter dem neuen Trainerduo Breitenreiter / Scholtysik sagen? Auf jeden Fall ist diese nochmal eine ganze Portion stärker auf defensive Absicherung und Stabilität ausgerichtet, als unter Massimo Rizzo. Dieser hatte im Vergleich mit der etwas «vogelwilden» Magnin-Zeit bereits mehr defensive Stabilität reingebracht und Breitenreiter geht nochmal einen wesentlichen Schritt weiter in diese Richtung. Wohlgemerkt: mehr defensive Stabilität bedeutet nicht automatisch, dass man weniger Tore erzielt. Die FCZ-Torproduktion wurde ja in der ersten Hälfte der Rizzo-Amtszeit verbessert! Eine stabile Defensive ist eine wichtige Grundlage für gutes Offensivspiel. Ohne Balleroberungen kann man keine Tore erzielen.

Breitenreiter selbst redet gegen aussen gerne von offensivem Fussball, den er mit seinem Team auf den Platz bringen will. Die Frage bei solchen Aussagen ist aber immer: verglichen mit wem? Er hat vermutlich gewisse Trainerkollegen (in Deutschland) im Kopf, im Vergleich zu denen er sich offensiver orientiert sieht. Magnin oder Rizzo gehören aber sicherlich nicht dazu. Stattdessen erinnert nach den ersten Eindrücken der Wechsel zu Breitenreiter bei den Profis demjenigen zu Inka Grings in der Frauen-Equipe. Sie setzte ebenfalls stärker auf Physis und defensive Stabilität, als noch ihr Vorgänger  – und das Team entwickelte sich auf dieser Grundlage positiv. Manchmal stimmen die Clichés von den «deutschen Tugenden» halt eben doch noch.

Ein Potpourri an taktischen Formationen eingeübt

Ein wichtiges Beispiel für stärkere defensive Ausrichtung ist das Verhalten der Offensiven Flügelspieler, die angehalten sind, sehr viel mehr Defensivarbeit zu verrichten, als dies noch unter Breitenreiters Vorgängern der Fall gewesen ist. Sie sind selbst bei einer Viererabwehr dafür verantwortlich, dass der Gegner nicht zum Flanken kommt, so dass sich situativ sogar eine Sechser-Abwehrreihe bilden kann. Ein weiteres konservatives Element ist, dass dem Ball mehr Sorge getragen wird. Im Normalfall wird nicht schnell von Defensive auf Offensive umgeschaltet, sondern ein kontrolliertes Aufbauspiel betrieben – allerdings durchaus mit Rhythmuswechseln. Ist Breitenreiter ein Jugendförderer? Seine Vergangenheit spricht eher dagegen. In Paderborn und Hannover hatte er mit die ältesten Teams der Liga und in dem einen Jahr bei Schalke baute er nur einen kleinen Teil einer extrem talentierten Generation aus der «Knappenschmiede» in die Mannschaft ein. Wie dies beim FCZ aussehen wird, lässt sich nach der Vorbereitung noch nicht beurteilen. Die Wahrheit wird sich in den Wettbewerbsspielen zeigen.

Welche taktische Formation bevorzugt Breitenreiter? Diese Frage kann man nach den Vorbereitungspartien ebenfalls nicht beantworten. Er liess in den sechs Partien in nicht weniger als sechs  verschiedenen taktischen Formationen spielen – und abgesehen vom klassischen 4-4-2 (nur gegen Kriens) wendete er alle mehr als einmal an. Wenn das Ziel gewesen sein sollte, den FC Lugano über die taktische Formation des FCZ zum Saisonstart im Dunkeln zu lassen, dann ist dies sicherlich gelungen. Auch diesen Artikel zu lesen, wird diesbezüglich den Tessinern wenig bringen. Es wurde insgesamt gleich häufig mit Dreier- oder Viererabwehr gespielt. Das unter Magnin und Rizzo klar bevorzugte 4-2-3-1 lag in der Sommer-Vorbereitung auch bei Breitenreiter ganz knapp vorne. Es gab viele konservativ-kritische Stimmen, die Ludovic Magnin für seine gelegentlichen taktischen Wechsel kritisierten. Breitenreiter wird voraussehbar auch in Wettbewerbsspielen die taktische Ausrichtung noch deutlich häufiger als Magnin wechseln. Dies muss aber überhaupt nichts Negatives bedeuten – letztendlich wurde auch letzte Saison wieder das Team mit den häufigsten Wechseln der taktischen Formation mit grossem Vorsprung Schweizer Meister.

6:1 gegen Kriens, 1:4 gegen Xamax – wo liegt die Wahrheit? (FCZ-Sommer, Teil 1)

6:1 gegen Kriens, 1:4 gegen Xamax – wo liegt die Wahrheit? (FCZ-Sommer, Teil 1)

Die letzten beiden Testpartien gegen Kriens (6:1) und Xamax (1:4) im Heerenschürli waren das Abbild einer grossen Bandbreite von Gesichtern, die der FCZ in den Vorbereitungsspielen des Sommers gezeigt hat. Was machte den Unterschied zwischen den beiden so diametral unterschiedlichen Resultaten gegen zwei Teams, die letzte Saison in der Schlusstabelle sehr nahe beieinander lagen? Kriens hatte ja als Achter der Challenge League zwei Punkte vor Xamax gelegen, welches nur dank der leicht besseren Tordifferenz gegenüber Chiasso die Klasse hielt.

1. Differenz: das Personal

Unterschied Nummer Eins war personeller Art. Zwar trat der FCZ in beiden Partien mit «gemischten» Teams aus potentiellen Startern und Spielern aus der zweiten Reihe an, aber gegen Kriens spielten Antonio Marchesano und Fabian Rohner. Rohner war eindeutig der konstanteste Spieler im positiven Sinne in dieser Testphase – und lieferte ein klares Empfehlungsschreiben ab. Und dies obwohl er auf vier verschiedenen Positionen eingesetzt wurde: Rechter Flügel, Doppel-10 mit Marchesano, im Zweimannsturm oder als Rechter Verteidiger. Zwar hatte Trainer Breitenreiter in der 2. Halbzeit gegen Kriens auch an Rohner mal etwas Taktisches zu monieren, aber der Grund für den taktischen Fehler lag nicht an Unkenntnis oder Unvermögen, sondern an Rohners Müdigkeit zu diesem Zeitpunkt des Spiels / der Vorbereitung, in der er sich voll reingehauen hat.

2. Differenz: der Gameplan

Die Steuerung des Energiehaushaltes war Unterschied Nummer Zwei zwischen dem Kriens- und dem Xamax-Spiel. Während das Zürcher Team A gegen Kriens in der ersten halben Stunde von der Intensität her über dem aktuellen eigenen Kräftelimit spielte, agierte Team B gegen Xamax im konstanten Rhythmus über 90 Minuten – und wirkte immer etwas matt, kam ständig einen halben Schritt zu spät. Das Team A verausgabte sich hingegen in den ersten 30 Minuten voll, ging in dieser Zeit 5:0 in Führung, und war daraufhin dann aber nicht nur «matt», sondern regelrecht «platt». Mit einem solchen Zwischenresultat war dann aber auch der Anfangsmut beim Gegner etwas gebrochen, und man schaukelte den Vorsprung ins Ziel. In den Tests zuvor hatte Kriens durchaus gute Resultate produziert: knappes 1:2 gegen YB, 4:2-Sieg im Derby gegen Luzern und ein 2:1-Testerfolg gegen Challenge League-Favorit Thun. Die «30 Minuten Vollgas»-Strategie hatte der FCZ bereits im Test gegen Aarau gefahren – dort hagelte es aber Aluminium-Treffer und einen von zwei in dieser Vorbereitung verschossenen Marchesano-Penalties.

«30 Minuten-Vollgas» ist ein altbekanntes Mittel des sogenannten «Gameplan». In der Rückrunde hatte dies beispielsweise der FC Luzern beim 2:1-Sieg im Letzigrund angewandt. Sie gingen prompt früh 2:0 in Führung, bevor ab der 30. Minute der FCZ gegen nachlassende Luzerner immer dominanter wurde. Dem FC Zürich gelang aber nicht mehr als ein Tor als Antwort. Umgekehrt in Lausanne: der FCZ gab zu Beginn volle Pulle, ging gegen überrumpelte Waadtländer ebenfalls früh 2:0 in Front und musste kräftemässig ab der 30. Minute leiden. Lausanne gelangen dann noch zwei Tore als Antwort. Am Ende wars trotzdem ein wichtiger Punkt für das Letzigrund-Team. Gerade wenn man die eigene Equipe kräftemässig insgesamt etwas schwächer als den Gegner einstuft, ist eine kurze Vollgas-Phase abgesehen von Standards eines der wenigen Mittel, um Punkte mitzunehmen. So kann man wenigstens einzelne Phasen des Spiels dominieren und muss in dieser Zeit dann einfach möglichst effizient sein.

Antonio Marchesano verschoss die beiden Penalties nicht, weil er die Treffsicherheit vom Punkt verlernt hätte – er sah in den ersten Testspielen ganz allgemein kaum einen Ball. Zum Vorbereitungsabschluss gegen Kriens deutete der Zürcher Regisseur aber an, dass er rechtzeitig vor dem Saisonauftakt in seiner Tessiner Heimat in Form zu kommen scheint. Kriens’ neuer Trainer Morandi fluchte neckisch bei jeder gelungenen Marchesano-Aktion auf Italienisch, er solle doch «aufhören mit dem Scheiss» (sinngemäss, O-Ton nicht druckreif). Und wie bereits seit längerem bekannt, hat Marchesanos Präsenz und positive Formkurve immer einen positiven Einfluss speziell auf Assan Ceesay, dem drei Treffer gelangen.

3. Differenz: die Taktik

Unterschied Nummer Drei zwischen dem Kriens- und Xamax-Spiel war taktischer Natur. Gegen das konterstarke Kriens agierte der FCZ konservativ in einem 4-4-2, liess den Gegner kommen, und zog die vorderste Verteidigungslinie erst kurz vor der Mittellinie auf. Bei Balleroberung drückte man zudem nicht um jeden Preis aufs Tempo, sondern präferierte Ballkontrolle, und spielte meist erst hintenrum, um dann im richtigen Moment mit einem Rhythmuswechsel im Spielaufbau zuzuschlagen. Gegen Xamax zog man hingegen im 3-4-1-2 ein Hohes Pressing auf, welches aber wenig Wirkung entfaltete und im Gegenteil dem Gegner Raum für seine eigenen Angriffe bot. Fazit: Kramer, Pollero und Nils Reichmuth ganz vorne ist wohl zur Zeit so ziemlich die schlechtestmögliche FCZ-Aufstellung, wenn man Hohes Pressing spielen will.

4. Differenz: der Gegner

Letztendlich hatten auch die Gegner etwas mit den unterschiedlichen Resultaten zu tun. Kriens zwar vor dem FCZ-Match mit guten Testresultaten, trat aber trotzdem mit einem Rumpfteam an, zudem möglicherweise COVID-geschwächt – mit fehlenden Alternativen speziell in der Innenverteidigung und im Tor, wo der angeschlagene Joshua Neuenschwander (Neuverpflichtung aus dem YB-Nachwuchs) für die Schlussphase durch den dritten FCZ-Goalie Gianni De Nitti ersetzt werden musste. Xamax-Besitzer Jeff Collet hingegen scheint der Schock des beinahe freien Falls von der Super League in die Promotion League letzte Saison ganz schön in die Knochen gefahren zu sein, denn die Neuenburger haben deutlich aufgerüstet und ihr Team hat kommende Saison gute Chancen, im Aufstiegsrennen mit Thun, Aarau und Vaduz ein Wörtchen mitzureden. Rückkehrer Max Veloso strahlt viel Offensivgefahr aus, als wäre er nie weggewesen, was dem letzte Saison häufig unzufrieden auftretenden Raphael Nuzzolo (38!) nochmal einen zusätzlichen Boost zu geben scheint. Maren Haile-Selassie deutete an, dass der definitive Schritt in die Westschweiz seinen immer noch andauernden Reifeprozess beschleunigen könnte. Am lautesten dirigierend und konfrontativsten auf dem Platz war der frühere Captain der FCZ U21 Liridon Berisha – auf Französisch wohlgemerkt. Mit ihm und dem Ex-Aarauer Mats Hammerich hat Xamax ganz bewusst ein bisher noch etwas fehlendes Element in ihr Team geholt.

Nicht mit dabei im Matchkader der Neuenburger war übrigens Lague Byiringiro aus Ruanda. Dessen Berater hatte diesen Sommer online für viel Betrieb gesorgt. Die Behauptung wurde in den Raum gestellt, der FC Zürich sei interessiert an seinem Schützling, was nicht stimmte. Eine Halbzeit lang eingesetzt wurde Byiringiro hingegen von Xamax im mit 1:0 gewonnenen Test gegen den FC Thun, wo er als einziger Spieler eine Gelbe Karte wegen groben Foulspiels holte. Xamax hatte in den 45 Minuten genug gesehen. In Zürich war Byiringiro bereits nicht mehr dabei und sieht sich nun anderweitig um.  

Trainer André Breitenreiter und Leiter Videoanalyse Fabian Sander im Gespräch nach einem Testspiel im Sommer 2021

Jugendförderung in der Super League: Absturz FCZ, Schlusslicht YB, ausländische Besitzer besser als ihr Ruf

Tabellensituation: für FCZ-Anhänger in 20/21 ein Déjà Vu. Wie immer seit dem Wiederaufstieg konnte man sich erst gegen Ende der Saison aus der Abstiegsgefahr retten. Alles wie gehabt? Nein, denn bezüglich Jugendförderung in der 1. Mannschaft hat der FCZ gleichzeitig einen brutalen Absturz erlebt. In der Magnin-Ära hatte man sich kontinuierlich wie schon zu Favre-Zeiten oder zu Beginn der Meier-Periode zum grössten Jugendförderer der Liga entwickelt. In der Saison «danach» fällt der Stadtclub nun aber auch in dieser Wertung abrupt zurück ins biedere «abstiegsgefährdete» Mittelfeld.  

Langzeitbetrachtung der „Big6“ seit der Saison 10/11

Dies ergibt das Update der im letzten Oktober gestarteten Auswertung der Einsatzminuten von U21-Spielern von Züri Live. Der Fokus liegt dabei auf der Langzeitbetrachtung seit der Saison 10/11 und den «Big6» des Schweizer Fussballs: GC, Basel, Servette, YB, FCZ und Lausanne-Sport. Diese sechs Klubs stammen aus den fünf grössten Städten der Schweiz (logischerweise zwei davon aus Zürich, welches doppelt so gross ist wie die zweitgrösste Stadt Genf) mit dem grössten Einzugsgebiet für Zuschauer und Talenten. Diese Klubs haben nicht nur in der obersten Liga am meisten Erfolge gefeiert, sondern über die Jahrzehnte hinweg auch am meisten Talente für die Schweizer Nationalmannschaften entwickelt. Die anderen Super League-Klubs werden in der Betrachtung der aktuellen Saison allerdings mit einbezogen. Gemessen wird einerseits die Gesamtzahl der Einsatzminuten aller U21-Spieler und andererseits der U21-Spieler, welche aus dem eigenen Nachwuchs stammen. Als U21-Spieler werden nach UEFA-Standard für die Saison 20/21 Fussballer mit Jahrgang 1999 und jünger bezeichnet. «Eigene Junioren» werden hier definiert als Talente, die mindestens in einem Juniorenteam des gleichen Vereins (bis und mit U18) gespielt haben.

Ist Massimo Rizzo kein Jugendförderer?

Nur weil ein Trainer in der Vergangenheit im Juniorenbereich aktiv war, heisst das noch lange nicht, dass er auch bei den Profis auf den Nachwuchs setzt. So tendiert beispielsweise der ehemalige FCZ-Nachwuchstrainer Urs Fischer eher dazu, auf Erfahrung zu setzen. Gilt dies also ebenso für Massimo Rizzo? Dies kann man nicht abschliessend beurteilen. Wenn Daten über mehrere Saisons vorliegen, sind klare Aussagen möglich. In einer einzelnen Saison können hingegen auch Sonderfaktoren wie Verletzungen oder schlechte Jahrgänge eine Rolle spielen. Oder wie beim FCZ, dass die viel eingesetzten Domgjoni, Rohner (und Tosin) als 98-er Jahrgang auf die Saison 20/21 hin aus der U21-Wertung herausgefallen sind. Die Frage stellt sich trotzdem, warum zuletzt zu wenig (gute) Talente aus dem Nachwuchs nachrücken konnten.  

Bei Peter Zeidler kriegt jeder seine Chance

Würde der FCZ die Jungen so forcieren, wie aktuell St. Gallen, dann wären auf jeden Fall sehr viel mehr aus dem eigenen Nachwuchs zum Einsatz gekommen. Die Ostschweizer stehen diese Saison an der Spitze der Juniorenförderungsrangliste mit dem Einsatz von nicht weniger als 14 U21-Spielern, davon neun aus dem eigenen Nachwuchs. Und dies obwohl die Ostschweizer immer noch eine deutlich kleinere Anzahl an Spitzentalenten hervorbringen, als der FCZ und alle anderen Klubs der «Big6». Peter Zeidler setzte wirklich jeden ein, der auch nur im Entferntesten ein gewisses Potential für den Profibereich mitbringt.

GC und Lausanne bisher deutlich besser als ihr Ruf

Die beiden Klubs mit ausländischen Besitzern, GC und Lausanne, werden mit dem Vorurteil oder der Befürchtung verbunden, sich zu wenig um die Nachwuchsentwicklung zu kümmern. Genau das Gegenteil scheint aber der Fall zu sein. Fosun-GC und Ineos-Lausanne Sport stehen an der Spitze bei der Anzahl eingesetzter U21-Spieler. Und: sogar bezüglich der Einsatzminuten von Junioren aus dem eigenen Nachwuchs liegt GC 20/21 an dritter und Lausanne an vierter Position der elf untersuchten Teams (Super League plus Aufsteiger) – auch wenn dieser Indikator sowohl bei Lausanne wie auch bei GC in der letzten Saison gesunken ist. Bei den Hoppers waren es 20/21 vor allem Petar Pusic, Fabio Fehr, Giotto Morandi und Robin Kalem, die forciert wurden – bei Lausanne Gabriel Barès, Marc Tsoungui, Isaac Schmidt oder Josias Lukembila. Die Top 4 in beiden Wertungen mit GC, Lausanne und St. Gallen wird komplettiert durch den FC Luzern mit Ugrinic, Burch, Emini… Der FCL hat zuletzt ein, zwei sehr gute Jahrgänge hervorgebracht. Ob sich die Innerschweizer im Jugendbereich dauerhaft auf diesem hohen Niveau werden halten können, wird sich in den kommenden Jahren zeigen.  

Serienmeister YB Schlusslicht in der Juniorenförderung,…

Schlusslicht bezüglich Einsatzminuten und Anzahl eingesetzter junger Spieler ist YB. Der Erfolg wirft in einer oberflächlichen Betrachtung seinen Glanz auf alle Aspekte und Elemente in einem Verein. So erhält man beim Konsumieren der deutschschweizer Sportmedien den Eindruck, YB sei der grosse Juniorenförderer – diese Saison vor allem mit Stories über den Debütanten Fabian Rieder. Komplett unter geht dabei, dass bei den Bernern 20/21 neben Rieder mit Felix Mambimbi nur ein einziger weiterer U21-Spieler regelmässig zu Liga-Einsätzen kam. Nico Maier und Joshua Neuenschwander hatten auch noch ein bisschen Einsatzzeit. Insgesamt ganze vier Spieler in einer Saison! Trotz souveräner Führung in der Tabelle. Selbst Lugano oder Vaduz setzten mehr junge Spieler ein und gaben ihnen auch mehr Spielzeit. Bei den gegen den Abstieg kämpfenden Liechtensteinern konnten sich sechs junge Spieler in der Super League-Saison beweisen, bei Lugano neun, beim bezüglich Juniorenförderung stark unterschätzten Sion gar zehn. Und dies ist kein Zufall oder ein Ausnahmejahr. Seit Christoph Spycher als Sportchef übernommen hat, rasselte die unter Vorgänger Fredy Bickel vorbildliche Integration des eigenen Nachwuchses in der 1. Mannschaft in den Keller. Und dies obwohl parallel die Juniorenteams der YB Academy unter Ernst Graf als zuständigem Verwaltungsrat immer erfolgreicher wurden.

…und gleichzeitig in der Ausbildung mittlerweile mit an der Spitze

In den beiden wichtigsten Juniorenkategorien (U18 und U16) stand YB am Ende der Saison 20/21 an der Spitze – und die Reserve-Mannschaft (U21) stieg in die Promotion League auf. Sie komplettiert nun also das maximal erlaubte Quartett an U21-Teams auf dieser Stufe mit dem FCB, FCZ und Sion. Nur wenn einer dieser vier absteigt, darf ab jetzt ein anderes U21-Team aufsteigen. Nachdem YB II in den letzten Jahren den Aufstieg jeweils knapp (unter anderem in den Playoffs) verpasst hatte, klappte es nun in einer verkürzten Saison mit einem kurzfristig angepassten Modus ohne Playoffs, in welcher am Ende die U21-Teams gegenüber den Amateurteams klar bevorteilt waren, weil sie in einer kurzfristig organisierten U21-Runde in der COVID-Pause im Spielrhythmus hatten bleiben können.

Mancher Super League-Trainer nähme einzelne YB U21-Spieler mit Handkuss

In jedem anderen Super League-Klub wären einige Spieler aus der YB U21 bereits vor Monaten zu ihren ersten Einsätzen im Profibereich gekommen. Peter Zeidler hätte gar die halbe Mannschaft bei sich integriert. Denn diese Jungs sind im Schnitt talentierter, als diejenigen, welche der Deutsche Coach aus dem Ostschweizer Nachwuchs (von einzelnen Ausnahmen wie Alessio Besio abgesehen) zur Verfügung hat. Ein Kwadwo Duah, Linus Obexer, Elia Alessandrini, Léo Seydoux, Yannick Touré, Samuel Kasongo oder Breston Malula hätten unter einem Sportchef und Kaderplaner wie Fredy Bickel in den letzten Jahren sicherlich gute bis sehr gute Chancen auf einen Stammplatz in der Super League-Mannschaft von YB gehabt. Und beispielsweise ein Shkelqim Vladi, Jonathan De Donno, Mischa Eberhard, Benjamin Kabeya oder Markus Wenger aus dem aktuellen U21-Team würden fest zum Kader gehören. Sie mussten / wollten sich nun aber alle anderweitig orientieren, oder werden erst mal wieder ausgeliehen.

FCB: abrupter Kurswechsel mitten in der Ära Burgener

Beim FC Basel wurde in den ersten zwei Jahren der Ära Burgener der eigene Anspruch des stärkeren Einbaus von eigenen Junioren voll erfüllt, die Kurve stieg steil an und bereits in der Saison 18/19 war der FCB unter den «Big6» diesbezüglich auf der Spitzenposition. Die letzten zwei Saison zeigte der Trend dann aber wieder klar in die entgegengesetzte Richtung. Die Einsatzminuten eigener Junioren nahmen trotz gleichzeitigem Sparkurs wieder stark ab. Ganz allgemein ist erstaunlich, dass trotz COVID-Zeiten und knapper Budgets mehrere Klubs in der Saison 20/21 deutlich weniger eigene Junioren eingesetzt haben, als in den Saisons davor. Von den sechs grossen Schweizer Vereinen hatten nur Servette und YB eine leichte Steigerung zu verzeichnen – allerdings beide von einem sehr tiefen Niveau ausgehend. Bei den Genfern lässt sich ein ähnlicher Trend wie bei den Bernern feststellen. Mit der Übernahme des Vereins durch Kreise um die Hans Wilsdorf Stiftung kehrte Ruhe in den Verein ein, man baute Stück für Stück eine erfolgreiche Mannschaft auf – und die Juniorenförderung in der 1. Mannschaft ging gleichzeitig den Bach runter.

Ist André Breitenreiter ein Jugendförderer?

Stand heute beschränkt sich das Kontingent an U21-Spielern aus dem eigenen Nachwuchs im Kader der kommenden Saison beim FCZ auf Bledian Krasniqi, Stephan Seiler, Henri Koide, Nils Reichmuth, Silvan Wallner und dem Dritten Goalie Gianni De Nitti. Kommt noch ein Kedus Haile-Selassie hinzu? Lenny Janko? Oder gar ein Fabian Gloor? Der neue Trainer André Breitenreiter betreute mit Hannover und Paderborn die ältesten Teams ihrer damaligen Ligen. Dazwischen hatte er bei Schalke eine Saison lang ein junges und unfassbar talentiertes Team aus der «Knappenschmiede» zur Verfügung. Leon Goretzka (damals 20), Leroy Sané (19) oder Max Meyer (19) spielten regelmässig, während Thilo Kehrer (18) und Alexander Nübel (18) unter Breitenreiter in der Liga nicht zum Einsatz kamen. Kann er das Ruder in Richtung stärkerer Jugendförderung beim FCZ wie zu Favres oder Magnins Zeiten wieder herumreissen? Denn über das letzte Jahrzehnt betrachtet liegt der FCZ unter den „Big6“ immer noch klar an der Spitze bezüglich Einsatzminuten und Anteil von U21-Spielern aus dem eigenen Nachwuchs.

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