Leistungsbilanz zum Saisonstart: Unkenrufe aus Österreich bewahrheiten sich nicht

Der FC Zürich hat seit diesem Sommer ein neues Trainerteam und als Meister einen resultatmässig rekordverdächtig schlechten Start in die Meisterschaft hingelegt. Das ruft nach einer ersten kleinen Zwischenbilanz und Analyse – und Vergleichen mit vergangenen Saisons. Im Fokus sollen dabei die einzelnen Spieler und ihre Entwicklung stehen. Zuerst aber zu den bisherigen Partien: In Bern und St. Gallen hat der FCZ auf schwierigem Pflaster über weite Strecken gute Leistungen gezeigt. Das 0:0 gegen ein sein erstes Saisonspiel absolvierendes Luzern war eine verpasste Chance. Und gegen Sion merkte man nach der über 64 Minuten bisher besten Saisonleistung im letzten Drittel der Partie erstmals den psychologisch negativen Effekt des schlechten Saisonstarts. Im Europacup sind die Resultate hingegen nicht schlecht, nicht nur weil man im Gegensatz zur Meisterschaft in bisher jedem Spiel zwei Tore erzielt hat.

Der FCZ priorisiert zum Saisonstart den Europacup

Der Polnische und Ungarische Meister sind gegen das formstarke und europacuperprobte Qarabag einiges deutlicher aus der Champions League-Qualifikation ausgeschieden, als es beim FC Zürich der Fall war. Und dies obwohl die Aseris bisher nur gegen den FCZ in Bestformation angetreten sind. In den Partien gegen Lech Poznan zu Beginn pröbelte Coach Qurbanov noch auf der Suche nach seiner Bestformation und gegen Ferencvaros fehlten mehrere Stammspieler gesperrt / verletzt. Zwei der drei bisherigen Europacup-Partien konnte der FC Zürich nach 90 Minuten für sich entscheiden.

Die Mannschaft wurde wie vor der Saison angekündigt für die Liga zusammengestellt – unter den Transfers sind Spieler wie Selnaes, Santini und teilweise Okita, die noch Zeit brauchen. Gleichzeitig deuten neben den Resultaten auch die Aufstellungen darauf hin, dass die Qualifikation für eine Europacup-Gruppenphase aktuell beim FCZ Priorität geniesst. Die vermeintliche Stammformation und die erfahrenen Spieler werden eher im Europacup eingesetzt. Die Neuverpflichtungen Condé und Okita wurden von Beginn weg forciert und sind Teil einer bisher siebenköpfigen Basis der Mannschaft – wobei Okita gegen Sion sei es aus taktischen oder aus Leistungsgründen nicht mehr in der Startformation stand. Von den drei letztjährigen „Captains“ waren die Feldspieler Marchesano und Dzemaili aus unterschiedlichen Gründen bisher nicht Teil dieser Basis. Die stark forcierten Stürmer Gnonto, Tosin und Okita erzielten bisher in der Liga noch kein und im Europacup zusammen erst zwei Tore. Krasniqi konnte als Teil des Ligateams seine Chance nutzen, Seiler agierte solide – die Innenverteidiger Omeragic und Mets sind hingegen in Unterform. Selnaes kann aktuell erst 45 Minuten auf einem ordentlichen Niveau spielen. Rohner hat Franco Foda bewusst als Überraschungsmoment im Europacup gebracht, wo ihn die Gegner nicht kannten. Das hat funktioniert, auch wenn im Hinspiel in Baku der Schiedsrichter in zwei, drei entscheidenden Szenen nicht zugunsten von Rohner entschied.

Unkenrufe aus Österreich bewahrheiten sich nicht

Der Ruf der Rotbauchunke (Bombina Bombina) klingt für Menschenohren unheilvoll / pessimistisch (Bild: Marek Szczepanek, CC BY-SA 3.0)

Nach der Verpflichtung von Franco Foda erreichten Zürich schnell mal die „Unkenrufe“ aus Österreich. Der Trainer ist im östlichen Nachbarland bei manchem Medienvertreter als „zu defensiv“ verschrien. Man mag das in Bezug auf die Österreichische Nationalmannschaft so empfunden haben, aus Zürcher Perspektive sieht die Situation hingegen völlig anders aus. Unter André Breitenreiter wurde man letzte Saison mit dem zweitgeringsten Ballbesitz der Liga Meister. Der Fussball des Meisterteams war auf defensive Absicherung und Fehlervermeidung ausgerichtet – eine äusserst nüchtern, pragmatisch, konservative Strategie und Taktik. Man praktizierte zudem Manndeckung auf dem ganzen Platz, was ab den 90er-Jahren in den Fussball-Lehrbüchern als „überholt“ galt. Dies gepaart mit einer auf die positiven Punkte fokussierten Kommunikation nach innen und aussen. Man betonte die (wenigen) Stärken der vorhandenen Spieler und versuchte nebenbei während der Saison gleichzeitig an den Schwächen zu arbeiten. In der Vorbereitung aufs erste Saisonspiel in Lugano wurde auf die vielen Fehler und Unzulänglichkeiten in der Mehrheit der Vorbereitungsspiele nicht eingegangen, sondern in der Videoanalyse ganz auf die knapp 30 Minuten fokussiert, als man einen coronageschwächten Abstiegskandidaten aus der Challenge League dominiert hatte. Gegenüber den Medien redete Breitenreiter gerne vom „attraktiven Offensivfussball“ seines Team und diese übernahmen seine Diktion – natürlich in erster Linie auch des Erfolges wegen.

Die Pressewelt und der Fussballplatz sind aber zwei verschiedene Realitäten. Auf dem Fussballplatz tritt der FC Zürich unter Franco Foda deutlich offensiver auf, als unter Breitenreiter. In der Liga ist man beim Ballbesitz innert kürzester Zeit vom 9. auf den 4. Platz geklettert, tritt am meisten Eckbälle und geht von allen Mannschaften nach YB am zweitmeisten ins Dribbling. Wenn überhaupt, ist Fodas Ausrichtung eher zu offensiv, als zu defensiv. In Bern beispielsweise fiel das zuvor stark auftretende Team auseinander, als nach den Einwechslungen in der 72. Minute fünf Stürmer auf dem Platz standen – und damit die so wichtige Balance zwischen Offensive und Defensive sich auflöste. Auch gegen Sion rannte man nach dem Rückstand zu hektisch nach vorne. Und man spielt im Spielaufbau wieder flach hinten heraus. Die zuletzt in solchen Situationen enorm resistente Mannschaft hat bereits mehr Gegentore aus gegnerischem Pressing kassiert, als die ganze letzte Saison zusammengezählt! In dieser Hinsicht ist man in kürzester Zeit wieder zurück in die Zeit vor Breitenreiter versetzt worden, als der FCZ nicht konsequent erfolgsorientiert funktionierte und viele Gegentore aus Selbstüberschätzung kassierte. Dass der FC Zürich im Spielaufbau plötzlich grosse Mühe mit dem Pressing der Gegner hat, sieht man auch in der entsprechenden Kennzahl „PPDA against“, wo man auf Rang 9 der Liga liegt.

Innenverteidiger auf dem Tiefpunkt, Flügel in der Krise

Letzte Saison lebte der FCZ offensiv stark vom kongenialen Duo Marchesano / Ceesay und von Dauerläufer Guerrero. Kryeziu und Aliti sorgten für die notwendige Stabilität. Dies gemessen an den Züri Live-Noten, die das Resultat der detaillierten Analyse jeder einzelnen Sekunde der Saison aus Sicht von allen in der ein oder anderen Form an der jeweiligen Szene beteiligten FCZ-Spielern sind. Im Gegensatz zur Vorsaison, wurden die drei notenbesten Spieler auch mit am häufigsten eingesetzt. Damals hatten die Innenverteidiger der Dreierabwehr in den meisten Spielen viel Arbeit zu verrichten. Die kampfstarken Aliti, Nathan, Sobiech standen im Mittelpunkt und leisteten einen Knochenjob, der dem FCZ den Klassenerhalt brachte. Wenn man sich die Liste der überdurchschnittlich benoteten Spieler der aktuellen Saison 22/23 anschaut, fällt auf, dass kein einziger klassischer Stürmer oder Verteidiger drauf ist. Das Mittelfeld inklusive Aussenläufer funktioniert hingegen gut.

Die Durchschnittsnoten der Innenverteidiger sind aktuell so schlecht wie nie seit dem Start der systematischen Züri Live-Matchanalysen in der Saison 16/17. Und der Notenrückgang bei den Forwards ist nur deshalb vergleichsweise milde ausgefallen, weil in dieser Kategorie die vorwiegend auf der Position des „Zehners“ agierenden Avdijaj und Marchesano mitgezählt werden. Seit der Saison 17/18 sind zudem die Durchschnittsnoten der Flügelspieler kontinuierlich und deutlich gesunken. Zu jener Zeit gehörte beispielsweise ein Roberto Rodriguez zu den Leistungsträgern im Kader. Kololli, Mahi oder Khelifi waren in der Folge unter dem Strich Fehleinkäufe, die das Team mit ihrer Art und Spielweise runterzogen und Schönbächler kam nach seinen langwierigen Verletzungen nicht mehr auf sein altes Niveau.

Krasniqi, Boranijasevic und Dzemaili im Aufwind

Der FCZ hatte über Jahre einen nicht unwesentlichen Teil der Lohnsumme für Flügelspieler ausgegeben, die für die Performance der Mannschaft unter dem Strich wenig brachten. So wurde nach den Abgängen von Kololli und Schönbächler ein Neuaufbau gemacht. Man agierte in der Meistersaison 22/23 praktisch ohne Flügelspieler – nicht zuletzt weil Andy Gogia und Fabian Rohner Trainer Breitenreiter zu Beginn der Saison zu wenig überzeugt hatten. Mit dem klassischen Flügel Jonathan Okita (der aber auch Mittelstürmer spielen kann) wollte man auf die aktuelle Saison hin diese Position wieder stärker besetzen, um taktisch flexibler zu sein. Die Qualitäten Okitas sind unbestritten – an Zielstrebigkeit mangelt es ihm aber noch.

Von den Neuen haben zum Saisonstart Condé und Avdijaj sofort eingeschlagen. Rohner spielt weiter vorne und nimmt eine wichtigere Rolle ein. Krasniqi ist drauf und dran, den Durchbruch zum Leistungsträger zu schaffen. Und Nikola Boranijasevic spielt zur Zeit sogar noch besser, als unter André Breitenreiter. Auch Blerim Dzemaili machte in seiner bisher kurzen Einsatzzeit einen noch besseren Eindruck, als letzte Saison. Brecher, Guerrero und Marchesano sind nach Startschwierigkeiten wieder auf dem Weg zurück in Richtung letztjähriger Form. Unterdurchschnittlich in Form sind zur Zeit vor allem Stürmer und Innenverteidiger. Santini konnte nach zu Beginn guten Ansätzen zuletzt kaum einen Ball halten. Gogia scheint die notwendige Ernsthaftigkeit für Profifussball komplett abhanden gekommen zu sein. Im Vergleich zwischen 20/21 und der Meistersaison 21/22 fällt vor allem auf, dass die Anzahl Spieler mit ungenügenden Durchschnittsnoten (unter 5) abgenommen hat – und die Akteure mit überdurchschnittlichen Noten fast alle Stammspieler waren.

Avdijaj und Tosin defensiv überraschend wertvoll

Boranijasevic und Condé sind von Fodas „Basisteam“ sowohl offensiv wie defensiv die grössten Stützen bisher. Boranijasevics Flanken, Einwürfe und unorthodoxen flachen Zuspiele in die Schnittstellen sind noch besser geworden. Und Condé ist ein kompletter Mittelfeldspieler mit sowohl spielerischen wie kämpferischen Qualitäten und besserem Positionsspiel als Ousmane Doumbia. Sicherlich auf den ersten Blick etwas überraschend wirkt, dass Neuverpflichtung Donis Avdijaj bisher speziell defensiv überzeugen konnte. Auch Tosin hat sich in dieser Hinsicht deutlich verbessert.

Herausragende Leistungen gibt es von Bledian Krasniqi und Donis Avdijaj bisher jeweils in der 1. Halbzeit zu bestaunen. In der 2. Halbzeit hingegen treten die meisten Spieler im Durchschnitt weder hervorragend noch schlecht auf.

Talente machen früh auf sich aufmerksam, brauchen dann aber viel Einsatzzeit in der Challenge League

Unterdurchschnittlich in der Defensivarbeit sind bisher vorwiegend Verteidiger (Omeragic, Kryeziu, Mets, Hornschuh) – und mehrere Stürmer (Gnonto, Santini, Okita, Tosin) konnten offensiv zu wenig punkten. Gnonto, Omeragic, Mets oder Hornschuh sind zudem Spieler, die jeweils in der 1. Halbzeit ungenügend in die Gänge kamen. Ob für den jungen Gnonto die Jokerrolle weiterhin besser geeignet wäre?

Mirlind Kryeziu war in der Saison 16/17 nach Züri Live-Note die Nummer Zwei des Kaders hinter Oliver Buff. Auch Maren Haile-Selassie, Fabian Rohner (beide 17/18), Bledian Krasniqi (18/19), Henri Koide oder Lenny Janko (19/20) konnten alle in ihren ersten Einsätzen überzeugen und waren im Notenschnitt in den Top Drei der Saison. Mirlind Kryezius Entwicklung beim FCZ war ein Auf und Ab. In der Saison 19/20 spielte er überdurchschnittlich. Die Vorrunde 20/21 misslang aber, worauf er für die Rückrunde zum zweiten Mal in die Challenge League ausgeliehen wurde. Auch andere Akteure aus dem eigenen Nachwuchs wie Kamberi, Krasniqi und Rohner, die mittlerweile nahe an der Stammelf sind, hat der FCZ alle zur Reifung mehr als ein Jahr in die Challenge League verliehen.

Assan Ceesay auch schon in erster FCZ-Saison überzeugend

Was viele vergessen haben: auch Assan Ceesay war in seiner ersten Saison beim FCZ 18/19 überdurchschnittlich in seinen Auftritten. 19/20 hatte er in der Vorrunde eine Baisse, worauf er in der Corona-Rückrunde nach Osnabrück verliehen wurde. Die Physis der 2. Bundesliga war ein Element, das er für seine Entwicklung benötigt hat. Der Gambische Nationalstürmer kam gestärkt zurück. Becir Omeragics erste Einsätze in der Saison 18/19 waren ebenfalls stark. Danach hat der Genfer aber über Jahre stagniert. Yannick Brecher hingegen hat sich über einen langen Zeitraum kontinuierlich gesteigert. In den Saisons 16/17, 17/18 und 20/21 waren seine Noten im Durchschnitt ungenügend.

Auffällig in der Saison 18/19 und vor allem in den Lockdown-Zeiten von 19/20 ist die grosse Anzahl eingesetzter Spieler. Diese hat sich mittlerweile wieder stark reduziert.

FCZ-Testspielbilanz & erste Einschätzungen zur neuen Mannschaft – Teil 1

Vor der abschliessenden Begegnung in Friedrichshafen gegen den VfB Stuttgart hat der FC Zürich eine makellose Testspielbilanz. Grosse Aussagekraft hat dies freilich nicht. Letzten Sommer hatte man nach Tests gegen fast ausschliesslich unterklassige Gegner eine negative Bilanz vorgewiesen. Neben drei Niederlagen gegen Aarau (0:1), Xamax (1:4) und Feyenoord (0:1) resultierten zwei Unentschieden gegen Wil (2:2) und Vaduz (0:0), und nur ein einziger Erfolg gegen den SC Kriens (6:1).

Vor einem Jahr: Fokus auf die positiven Aspekte trotz schlechter Testspiele

Und was machte der damalige Trainer André Breitenreiter? Statt sich und die Mannschaft kurz vor Saisonstart in einer ausgiebigen Fehleranalyse selbst zu zerfleischen, zeigte er vertieft die Bilder vom einzigen Sieg gegen den SC Kriens – als Blaupause dafür, wie eine Woche später zum Super League-Start in Lugano gespielt werden soll. Und zwar zeigte er dabei sicherlich einzig die ersten 30 Minuten der Partie. Denn danach war der später frühzeitig feststehende Absteiger aus der Challenge League eher die bessere Mannschaft gewesen.

Dies notabene mit einer unter anderem durch Corona stark ersatzgeschwächten Equipe, welche die Anweisungen ihres neuen Coaches Morandi noch nicht zu verstehen schien, und bei der im Verlauf der 2. Halbzeit der dritte FCZ-Torhüter Gianni De Nitti zwischen die Pfosten musste, weil sich mit Neuenschwander auch noch der letzte zur Verfügung stehende Torhüter verletzt hatte. Am gleichen Nachmittag im Heerenschürli war die zweite Hälfte der Zürcher Stammelf gegen Xamax chancenlos geblieben. Breitenreiter redete in Bezug auf die Vorbereitung danach gegen aussen aber nur vom Kriens-Spiel. Was folgte, war die Meistersaison 21/22 mit am Ende 14 Punkten Vorsprung auf den zweitplatzierten FC Basel.

Der FCZ weiterhin häufig mit Blitzstart

Diesen Sommer hinterliess der FCZ in den Testpartien den deutlich besseren Eindruck. Ein Teil davon ist sicherlich erklärbar durch das im Verlauf der letzten Saison entwickelte Selbstverständnis der Mannschaft. Ein Teil auch durch den gestiegenen Respekt der Gegner, ähnlich wie dies in der Challenge League-Saison 16/17 in den Meisterschaftspartien der Fall gewesen war. Ein grosser Teil könnte aber durchaus auch davon herrühren, dass man in den Testpartien ambitionierter angetreten ist, als die jeweiligen Gegner. Und daher der Spielverlauf wenig Aussagekraft hat. Man will beim FCZ mittlerweile einfach immer gewinnen – ob im Training, in Testspielen vor leeren Rängen und natürlich auch dann, wenns wieder um die Wurst geht.

Die Partie FCZ – Altach musste mit rund zehn Minuten Verspätung starten, weil die Letzigrund-Crew vergessen hatte, die Sprinkleranlage auszuschalten

In vier von sechs Testpartien schoss der FCZ bereits in den ersten fünf Minuten das 1:0 – was an einige Meisterschaftsspiele der letzten Saison erinnert. Das in die 2. Liga Interregional abgestiegene Thalwil gab 45 Minuten Vollgas und brach danach ein. Der FC Baden wirkte hingegen kurz nach dem nach acht Jahren an der Spitze der 1. Liga Gruppe 3 endlich realisierten Aufstieg in die Promotion League etwas demotiviert – oder noch angeschlagen von den Feierlichkeiten. Gegen den FC Wil musste der FCZ dann erstmals auf einen Rückstand reagieren. Viktoria Köln wurde mit einer Tempoverschärfung nach der Pause bezwungen. Gegen YF Juventus machte zugunsten der „2. Garde“ des FCZ die schon deutlich weiter fortgeschrittene Saisonvorbereitung und Ole Selnaes‘ Klasse am Ball den Unterschied. Gegen Altach zeigten dann die aktuellen Favoriten auf die Startformation für den Super League-Start in Bern vor allem in der Anfangsphase eine starke Leistung und guten Spirit.

„Turbo Fabian“ eiskalt vor dem gegnerischen Gehäuse

Der neue Trainer Franco Foda probierte unterschiedliche Spielformationen aus, experimentierte aber etwas weniger, als dies Breitenreiter in seiner Sommer-Vorbereitung tat: das letztjährig meist implementierte 3-4-1-2 war die favorisierte Formation. Trotzdem waren auch ein klassisches 4-4-2 (in dieser Formation gelang die bisher beste Halbzeit gegen Altach), ein 4-3-3 und sogar ein 3-4-3 mit dabei.

Fabian Rohner war immer wieder eiskalt vor dem gegnerischen Kasten und steuerte acht Tore sowie drei Assists bei. Schon vor einem Jahr hatte „Turbo-Fabian“ in der Vorbereitung als Stürmer oder zurückhängende Spitze am meisten überzeugt. Zuletzt gegen Altach in der 2. Halbzeit hat ihn Trainer Foda in einem 3-4-3 am Rechten Flügel eingesetzt. Der Rheinhesse sieht Rohner so wie es aussieht als Alternative weiter vorne als noch sein Vorgänger Breitenreiter, bei welchem Rohner während der ganzen Saison der Backup von Nikola Boranijasevic war. Kommende Saison könnte möglicherweise Selmin Hodza diese Rolle übernehmen. Der Backup für Adrian Guerrero auf der linken Seite fehlt noch. Buschman wird es sicherlich nicht. Unter anderem wurde Offensivmann Kedus Haile-Selassie auf dieser Position getestet und hat gegen Baden auch defensiv ganz gut mitgearbeitet. Zur Zeit ist der jüngere Bruder von Maren Haile-Selassie allerdings im Test beim FC Schaffhausen. Es könnte sich eine Leihe anbahnen.

Testspieler Fabao, Dzemaili und Boranijasevic beim Auftakt in Thalwil, Sportplatz Brand

FCZ gradlinig, kann aber Pressing nicht durchziehen / FCZ – Lugano in der Züri Live-Analyse

Neunter Sieg in Folge für den FC Zürich, dazu zum sechsten Mal hintereinander gegen Lugano „zu Null“ gewonnen. Erstmals in dieser Rückrunde hatte man unter dem Strich auch die etwas besseren Torchancen, als der Gegner. Trotzdem war Trainer Breitenreiter mit der Leistung nicht zufrieden. Nach der Führung habe man zu stark nachgelassen, sei zu passiv geworden. Konkret passierte dies nach rund 30 Minuten.

Nach einer halben Stunde geht Zugriff im Pressing verloren

Die erste halbe Stunde war gut, auch nach der in der 11. Minute erzielten Führung Antonio Marchesanos (erster Rückrundentreffer). Danach lässt sich auch aus den Daten herauslesen, dass der Stadtclub im Gegensatz zu den ersten beiden Rückrundenpartien im Pressing stark nachliess. Aufgrund der Visionierung der Bilder bezieht sich dies aber nicht auf die Positionierung. Man stand weiterhin hoch, aber der Zugriff auf den Gegner war einfach nicht mehr genügend vorhanden. Ballführende Luganesi wie Sabbatini oder Lovric konnten sich in der eigenen Platzhälfte zu einfach lösen. Speziell in den letzten sechs Minuten vor der Pause liess man gefährliche Konter der Tessiner zu. Der Verlauf der Partie erinnerte etwas an eine (von bisher zwei) Saisonniederlagen, als man das Hohe Pressing länger Aufrecht erhielt, als man (physisch?) in der Lage war und dadurch ins offene Messer lief. Nur mit dem Unterschied, dass es Lugano nicht so konsequent auszunutzen vermochte wie damals YB. Vielleicht ist aber auch der Auswärtssieg in Lausanne eine passende Parallele, als man nach Vorsprung ebenfalls nachliess – und am Ende (in Überzahl) trotzdem gewann. Dazu kamen gegen die Tessiner in der Viertelstunde vor der Pause individuelle Fehler von Tosin (2x), Omeragic und Kryeziu.

Daprelà und Hajrizi holen synchron einen Penalty heraus

In der 51. Minute dann eine wichtige Szene in diesem Spiel. Daprelà und Hajrizi hatten ganz offensichtlich vor der Partie eine Finte besprochen, mit der sie einen Penalty herausholen wollten. Bei einem Eckball von links versuchte Fidan Aliti Gegenspieler Daprelà mit ausgestrecktem Arm an der Brust etwas zu bremsen, wie dies bei solchen Situation von Verteidigern ständig gemacht und auch toleriert wird. Anstatt wie üblich zu versuchen, sich zu lösen, packte Daprelà Alitis linken Arm in Kampfsportmanier mit beiden Händen und zog den FCZ-Verteidiger in seinem Rücken hinter sich her und runter auf den Boden. Hajrizi versuchte parallel das genau gleiche mit Omeragic zu machen, hatte aber offensichtlich weniger Kraft oder eine weniger gute Grifftechnik, so dass Omeragic nicht umfiel. Daraufhin buhlten Daprelà und Hajrizi auf dem Bauch liegend mit Schwimmbewegungen synchron um die Aufmerksamkeit von Schiedsrichter Cibelli. Es sah aus wie die Trockenübung eines engagierten Synchronschwimmerduos. Es waren Stürmerfouls der beiden Lugano-Verteidiger gewesen. Man kann trotzdem etwas Verständnis dafür haben, dass Cibelli selbst nach Betrachtung der Bilder trotzdem Penalty gab, denn es war wirklich geschickt gemacht von den Luganesi – und dass Aliti als er von Daprelà mitgeschleift wurde, noch den rechten Arm von hinten auf dessen Brust legte, half auch nicht.

Brecher pariert erstmals einen Penalty mit der Hand

Der Penalty Reto Zieglers wurde aber von Yanick Brecher stark gehalten. Neben einer gewissen mentalen Müdigkeit Luganos nach dem für den Klub wichtigen Cup-Fight in Thun am Donnerstag zuvor wohl der wichtigste Faktor für den erneuten FCZ-Heimsieg. Nachdem Brecher über viele Jahre hinweg bei Penaltys den Dreh nicht raus hatte und jeweils chancenlos blieb, konnte er vor einem Jahr im Februar 2021 gegen Moumi (YB) und Grgic (Sion) die ersten Elfmeter seiner Profilaufbahn parieren. In beiden Fällen war Brecher in die aus seiner Sicht rechte Ecke gesprungen, konnte den jeweils halbhoch zentral gezielten Ball noch mit dem Linken Fuss abwehren. Nun sprang er zum allerersten Mal in die richtige Ecke und parierte den Ball mit den Händen – das in diesen Situationen so entscheidende Timing war dabei im Vergleich zu früher deutlich verbessert.

Tosin als Starter noch nicht im Strumpf

Nach diesem Erfolgserlebnis drehte der FCZ auf. Das 2:0 in der 64. Minute fiel auf den besten der vielen guten Abstösse des MVPs Yanick Brecher – das erste FCZ-Tor dieser Saison aus einem Abstoss. Assan Ceesay (zum zweiten Mal hintereinander eine “9“) ist der Notenbeste gegen seinen Ex-Klub und war an allen drei Treffern in der ein oder anderen Form beteiligt. Er wäre der logische MVP gewesen, aber Brecher war mit seiner Punktzahl nahe an Ceesay dran und der gehaltene Penalty in dieser Partie für den Ausgang mitentscheidend. In der guten Anfangsphase der Partie liefen fast alle Angriffe über Fidan Aliti. Am anderen Ende der Skala erhielt Tosin die einzige ungenügende Note an diesem Tag. Zwar war der Nigerianer in der Vorbereitung des 1:0 entscheidend beteiligt, aber ansonsten hatte er lange “Downtimes“ und es unterliefen ihm einige Fehler.

Am Ende der Vorrunde hatte Tosin vor allem als Joker überzeugt und bei solchen Einsätzen einen Züri Live-Notenschnitt von 8,5 zu verzeichnen. Nach der Winterpause und seiner kurzzeitigen Erkrankung erhielt er bei seinen Startelfauftritten gegen GC und Lugano nun zwei Mal eine “4“. Aktuell scheint Tosin seinem Team mit Jokereinsätzen mit einzelnen starken Aktionen, in die er seine ganze Energie reinlegen kann, besser helfen zu können, als in der Startformation – während Wilfried Gnonto mittlerweile reif genug ist, in der Super League von Anfang an auf dem Platz zu stehen und über 70 oder 90 Minuten eine wichtige Rolle zu spielen. Bledian Krasniqi hat sich zuletzt von Spiel zu Spiel gesteigert. Ousmane Doumbia war wie häufig an vielen positiven aber auch vielen negativen Aktionen beteiligt. Zu den positiven gehörte sicherlich nach dem Derby sein zweites Assist hintereinander – das sind gleich viele wie in der ganzen Vorrunde.

FCZ auch statistisch gradlinig

Lugano versuchte es in der Schlussphase unter anderem mit der Einwechslung des ehemaligen FCZ-Juniors Maren Haile-Selassie und der Umstellung auf ein 4-4-2. Letztendlich waren die Tessiner aber im Abschluss zu wenig effizient. Chancen wären durchaus vorhanden gewesen. Statistisch auffällig beim FCZ: die äusserst geringe Zahl an Querpässen: nur 67 bei einem Ligaschnitt von 160 pro Partie. Das von Trainer Breitenreiter gewünschte gradlinige Spiel wurde durchaus praktiziert.

Telegramm

FCZ – Lugano 3:0 (1:0)
Tore: 12. Marchesano (Tosin) 1:0; 64. Gnonto (Guerrero) 2:0, 66. Ceesay (Doumbia) 3:0.
FCZ – Brecher; Omeragic, Kryeziu, Aliti; Boranijasevic (82. Gogia), Doumbia, Krasniqi (59. Dzemaili), Guerrero; Marchesano (73. Hornschuh); Ceesay (82. Kramer), Tosin (59. Gnonto).
Lugano – Saipi; Hajrizi (59. Lavanchy), Daprelà, Ziegler; Rüegg, Sabbatini, Facchinetti (59. Yuri); Custodio (67. Muci), Lovric; Aliseda (59. Haile-Selassie), Bottani (46. Celar).

Kevin „Capitano“ Rüegg beginnt! FCZ – Lugano Vorschau und Aufstellungen

Im Spitzenkampf gegen Lugano kann man gespannt darauf sein, wie der nächste Schritt des FCZ in seiner Entwicklung aussehen wird. In der 1. Runde der Saison hat man in Lugano einen reinen Konterfussball gespielt, in den letzten Wochen hat man sich hingegen schrittweise ein immer höheres Pressing angeeignet. Wird es ein anderes Spiel als sonst? Personell stellt sich die Frage, ob Becir Omeragic noch Platz findet in der Startformation. Sowohl die Abwehrreihe wie auch das Mittelfeld scheint zur Zeit ohne ihn besser zu funktionieren. Kriegt Ante Coric gegen Lugano eine Chance von Beginn weg? Oder zu einem späteren Zeitpunkt? Kommt vorne Gnonto oder Tosin zum Zug?

Trainer André Breitenreiter entscheidet sich für Becir Omeragic, Bledian Krasniqi und Aiyegun Tosin in der Startaufstellung. Mets, Dzemaili und Gnonto sitzen vorerst auf der Ersatzbank – genauso wie der wiedergenesene Blaz Kramer.

Haile-Selassie profitiert von Systemwechseln

Lugano hat sich zuletzt gegen Luzern und im Cup in Thun viele gute Torchancen erarbeitet. Die Tessiner waren zuletzt unter anderem mit Schüssen von der Strafraumgrenze gefährlich und auch mit dem Ausnutzen von unklaren Situationen bei Einwürfen, vermeintlichen Fouls oder schlecht gestellten Offsidefallen. Es ist ein Trend, der sich vom Ende der Vorrunde her fortgesetzt hat. Eine Ausnahme war die 0:1-Niederlage in Bern zum Auftakt der Rückrunde, als die Tessiner (ähnlich wie der FCZ beim 1:0-Sieg im Letzigrund gegen YB in der Vorrunde) das Spiel möglichst chancenarm zu gestalten versuchten. Ausgerechnet in einer Situation, als Lugano im Wankdorf dann aber ausnahmsweise risikovoll ins Hohe Pressing ging, mussten die Tessiner den entscheidenden Gegentreffer durch einen YB-Konter hinnehmen.

Die Tessiner und ihr Coach Mattia Croci-Torti fahren diese Saison eine Politik der personellen Konstanz – genauso wie der FCZ. Was Lugano vom Letzigrundteam unterscheidet, ist, dass Croci-Torti sehr gerne das System und manchmal auch die Spielweise ändert. In Bern spiegelte er die YB-Formation ebenfalls mit einem 4-4-2 und machte die Seite zu. Dies eröffnete dem in der Winterpause aus Neuenburg gekommenen ehemaligen FCZ-Junior Maren Haile-Selassie einen Einsatz in der Startformation im Linken Mittelfeld. Aufgrund dieses Auftrittes wurde er gegen Luzern und im Cup in Thun ebenfalls jeweils von Anfang an nominiert. Zuerst im Zweimannsturm, dann auf der Zehnerposition – beide Male mit einem Torerfolg.

Was wäre wenn… Ceesay noch bei Lugano spielen würde?

In Thun probierte es Croci-Torti in FCZ-Manier im 3-4-1-2 mit viel Pressing. Beim Stand von 2:2 wechselte er auf ein 4-4-2, um wie gegen YB dem Gegner über die Seiten, wo die Berner Oberländer vor allem mit Schwizer am gefährlichsten wurden, den Raum zu nehmen. Seit der Amtsübernahme Croci-Tortis hat Lugano nur sechs Punkte weniger als der FCZ geholt. Und dies ohne eine wirklich befriedigende Lösung in der Sturmspitze zu haben. Mit ihrem ehemaligen Angreifer Assan Ceesay in seiner jetzigen Form in den Reihen läge Lugano für diesen Zeitraum wohl vor dem FCZ. Croci-Torti will einen Stosstürmer sekundiert durch einen wirbligen Nebenmann. Vom „wirbligen Typ“ haben die Bianconeri mehr als genug im Kader: Bottani, Haile-Selassie, Amoura, Aliseda. Bei der Position des Stossstürmers hapert es hingegen, so dass der ansprechende, aber nicht hervorragende Celar diesen Platz meist auf sicher hat. Abubakar wurde von Croci-Torti auf dieser Position in der Vorrunde erfolglos ausprobiert, Junioren-Nationalspieler Muci war im Gegensatz zu Nati-Teamkollege Besio bisher noch nicht ganz ready für die Super League. Sportchef Da Silva hat daher für diese Position von seinem Ex-Klub Rapperswil in der Winterpause zusätzlich noch Alessandro Casciato verpflichtet.

Gegen den FCZ wird Lugano vermutlich wieder zu seinem Stammsystem und der Stammformation (ohne den angeschlagenen Maric) zurückkehren, auch wenn Adrian Durrer und Kevin Rüegg gute Ansätze gezeigt haben. Am stärksten schwanken könnte Croci-Torti bei der Frage: Bottani oder Haile-Selassie? Bottani ist nicht nur eine Lugano-Institution, sondern macht die Mannschaft mit seinen den Gegner beschäftigenden und Räume aufreissenden Laufwegen auch dann besser, wenn er keine Skorerpunkte für sich verbuchen kann. Croci-Torti hält sehr viel von ihm. Haile-Selassie hat zuletzt aber immerhin in zwei Spielen zwei wichtige Tore erzielt und kann gegen seinen Stammklub antreten, wo sein jüngerer Bruder in der U21 engagiert ist. Falls Croci-Torti Lavanchy eine Pause geben möchte (weniger wahrscheinlich), dann würde Rüegg für ihn zum Zug kommen. Rüegg und der ein Jahr jüngere Haile-Selassie stammen nicht nur beide aus der FCZ Academy, sondern haben dort jeweils jedes zweite Jahr auch zusammen im Team gestanden. In der Meistersaison 15/16 der U18 war Haile-Selassie altersbedingt allerdings jeweils Ersatz und Rüegg fiel verletzungshalber längere Zeit aus.

Auch Mattia Croci-Torti nimmt drei andere Spieler als vermutet in die Startformation. Neuling Ignacio Aliseda darf von Beginn weg für Celar auflaufen. Damit laufen erstmals seit langem zwei „wirblige“ Stürmer vorne auf. Lugano wird dadurch wohl noch mehr auf Konter setzen. Ausserdem laufen auf der Aussenbahn Mickaël Facchinetti und Kevin Rüegg auf.

6:1 gegen Kriens, 1:4 gegen Xamax – wo liegt die Wahrheit? (FCZ-Sommer, Teil 1)

Die letzten beiden Testpartien gegen Kriens (6:1) und Xamax (1:4) im Heerenschürli waren das Abbild einer grossen Bandbreite von Gesichtern, die der FCZ in den Vorbereitungsspielen des Sommers gezeigt hat. Was machte den Unterschied zwischen den beiden so diametral unterschiedlichen Resultaten gegen zwei Teams, die letzte Saison in der Schlusstabelle sehr nahe beieinander lagen? Kriens hatte ja als Achter der Challenge League zwei Punkte vor Xamax gelegen, welches nur dank der leicht besseren Tordifferenz gegenüber Chiasso die Klasse hielt.

1. Differenz: das Personal

Unterschied Nummer Eins war personeller Art. Zwar trat der FCZ in beiden Partien mit «gemischten» Teams aus potentiellen Startern und Spielern aus der zweiten Reihe an, aber gegen Kriens spielten Antonio Marchesano und Fabian Rohner. Rohner war eindeutig der konstanteste Spieler im positiven Sinne in dieser Testphase – und lieferte ein klares Empfehlungsschreiben ab. Und dies obwohl er auf vier verschiedenen Positionen eingesetzt wurde: Rechter Flügel, Doppel-10 mit Marchesano, im Zweimannsturm oder als Rechter Verteidiger. Zwar hatte Trainer Breitenreiter in der 2. Halbzeit gegen Kriens auch an Rohner mal etwas Taktisches zu monieren, aber der Grund für den taktischen Fehler lag nicht an Unkenntnis oder Unvermögen, sondern an Rohners Müdigkeit zu diesem Zeitpunkt des Spiels / der Vorbereitung, in der er sich voll reingehauen hat.

2. Differenz: der Gameplan

Die Steuerung des Energiehaushaltes war Unterschied Nummer Zwei zwischen dem Kriens- und dem Xamax-Spiel. Während das Zürcher Team A gegen Kriens in der ersten halben Stunde von der Intensität her über dem aktuellen eigenen Kräftelimit spielte, agierte Team B gegen Xamax im konstanten Rhythmus über 90 Minuten – und wirkte immer etwas matt, kam ständig einen halben Schritt zu spät. Das Team A verausgabte sich hingegen in den ersten 30 Minuten voll, ging in dieser Zeit 5:0 in Führung, und war daraufhin dann aber nicht nur «matt», sondern regelrecht «platt». Mit einem solchen Zwischenresultat war dann aber auch der Anfangsmut beim Gegner etwas gebrochen, und man schaukelte den Vorsprung ins Ziel. In den Tests zuvor hatte Kriens durchaus gute Resultate produziert: knappes 1:2 gegen YB, 4:2-Sieg im Derby gegen Luzern und ein 2:1-Testerfolg gegen Challenge League-Favorit Thun. Die «30 Minuten Vollgas»-Strategie hatte der FCZ bereits im Test gegen Aarau gefahren – dort hagelte es aber Aluminium-Treffer und einen von zwei in dieser Vorbereitung verschossenen Marchesano-Penalties.

«30 Minuten-Vollgas» ist ein altbekanntes Mittel des sogenannten «Gameplan». In der Rückrunde hatte dies beispielsweise der FC Luzern beim 2:1-Sieg im Letzigrund angewandt. Sie gingen prompt früh 2:0 in Führung, bevor ab der 30. Minute der FCZ gegen nachlassende Luzerner immer dominanter wurde. Dem FC Zürich gelang aber nicht mehr als ein Tor als Antwort. Umgekehrt in Lausanne: der FCZ gab zu Beginn volle Pulle, ging gegen überrumpelte Waadtländer ebenfalls früh 2:0 in Front und musste kräftemässig ab der 30. Minute leiden. Lausanne gelangen dann noch zwei Tore als Antwort. Am Ende wars trotzdem ein wichtiger Punkt für das Letzigrund-Team. Gerade wenn man die eigene Equipe kräftemässig insgesamt etwas schwächer als den Gegner einstuft, ist eine kurze Vollgas-Phase abgesehen von Standards eines der wenigen Mittel, um Punkte mitzunehmen. So kann man wenigstens einzelne Phasen des Spiels dominieren und muss in dieser Zeit dann einfach möglichst effizient sein.

Antonio Marchesano verschoss die beiden Penalties nicht, weil er die Treffsicherheit vom Punkt verlernt hätte – er sah in den ersten Testspielen ganz allgemein kaum einen Ball. Zum Vorbereitungsabschluss gegen Kriens deutete der Zürcher Regisseur aber an, dass er rechtzeitig vor dem Saisonauftakt in seiner Tessiner Heimat in Form zu kommen scheint. Kriens’ neuer Trainer Morandi fluchte neckisch bei jeder gelungenen Marchesano-Aktion auf Italienisch, er solle doch «aufhören mit dem Scheiss» (sinngemäss, O-Ton nicht druckreif). Und wie bereits seit längerem bekannt, hat Marchesanos Präsenz und positive Formkurve immer einen positiven Einfluss speziell auf Assan Ceesay, dem drei Treffer gelangen.

3. Differenz: die Taktik

Unterschied Nummer Drei zwischen dem Kriens- und Xamax-Spiel war taktischer Natur. Gegen das konterstarke Kriens agierte der FCZ konservativ in einem 4-4-2, liess den Gegner kommen, und zog die vorderste Verteidigungslinie erst kurz vor der Mittellinie auf. Bei Balleroberung drückte man zudem nicht um jeden Preis aufs Tempo, sondern präferierte Ballkontrolle, und spielte meist erst hintenrum, um dann im richtigen Moment mit einem Rhythmuswechsel im Spielaufbau zuzuschlagen. Gegen Xamax zog man hingegen im 3-4-1-2 ein Hohes Pressing auf, welches aber wenig Wirkung entfaltete und im Gegenteil dem Gegner Raum für seine eigenen Angriffe bot. Fazit: Kramer, Pollero und Nils Reichmuth ganz vorne ist wohl zur Zeit so ziemlich die schlechtestmögliche FCZ-Aufstellung, wenn man Hohes Pressing spielen will.

4. Differenz: der Gegner

Letztendlich hatten auch die Gegner etwas mit den unterschiedlichen Resultaten zu tun. Kriens zwar vor dem FCZ-Match mit guten Testresultaten, trat aber trotzdem mit einem Rumpfteam an, zudem möglicherweise COVID-geschwächt – mit fehlenden Alternativen speziell in der Innenverteidigung und im Tor, wo der angeschlagene Joshua Neuenschwander (Neuverpflichtung aus dem YB-Nachwuchs) für die Schlussphase durch den dritten FCZ-Goalie Gianni De Nitti ersetzt werden musste. Xamax-Besitzer Jeff Collet hingegen scheint der Schock des beinahe freien Falls von der Super League in die Promotion League letzte Saison ganz schön in die Knochen gefahren zu sein, denn die Neuenburger haben deutlich aufgerüstet und ihr Team hat kommende Saison gute Chancen, im Aufstiegsrennen mit Thun, Aarau und Vaduz ein Wörtchen mitzureden. Rückkehrer Max Veloso strahlt viel Offensivgefahr aus, als wäre er nie weggewesen, was dem letzte Saison häufig unzufrieden auftretenden Raphael Nuzzolo (38!) nochmal einen zusätzlichen Boost zu geben scheint. Maren Haile-Selassie deutete an, dass der definitive Schritt in die Westschweiz seinen immer noch andauernden Reifeprozess beschleunigen könnte. Am lautesten dirigierend und konfrontativsten auf dem Platz war der frühere Captain der FCZ U21 Liridon Berisha – auf Französisch wohlgemerkt. Mit ihm und dem Ex-Aarauer Mats Hammerich hat Xamax ganz bewusst ein bisher noch etwas fehlendes Element in ihr Team geholt.

Nicht mit dabei im Matchkader der Neuenburger war übrigens Lague Byiringiro aus Ruanda. Dessen Berater hatte diesen Sommer online für viel Betrieb gesorgt. Die Behauptung wurde in den Raum gestellt, der FC Zürich sei interessiert an seinem Schützling, was nicht stimmte. Eine Halbzeit lang eingesetzt wurde Byiringiro hingegen von Xamax im mit 1:0 gewonnenen Test gegen den FC Thun, wo er als einziger Spieler eine Gelbe Karte wegen groben Foulspiels holte. Xamax hatte in den 45 Minuten genug gesehen. In Zürich war Byiringiro bereits nicht mehr dabei und sieht sich nun anderweitig um.  

Trainer André Breitenreiter und Leiter Videoanalyse Fabian Sander im Gespräch nach einem Testspiel im Sommer 2021

FCZ Kaderplanung 21/22, Teil 6 – die Leihspieler

Wie sieht die Situation der Zürcher Leihspieler aus? Bledian Krasniqi (19) ist nach zwei Jahren in Wil bereit für den nächsten Schritt. Seit Almen Abdi hat es keinen Jungen mit einer solchen Vista und spielerischen Qualitäten aus der eigenen Academy gegeben. Aber selbst für so ein Talent ist nicht selbstverständlich, dass es sich in der Super League durchsetzt. Eine Etage höher gibt es keine Gelegenheit mehr, sich zwischendurch mal zu verstecken. Bezüglich Präsenz und konsequenter Spielweise muss Krasniqi noch zulegen. Lernen kann er dies im aktuellen Stadium seiner Entwicklung nur in Trainings und vielen Spielen auf Super League-Niveau.

Für Haile-Selassie und Sauter wird es schwer

Sogar schon zweieinhalb Jahre in Folge ausgeliehen war Maren Haile-Selassie (22). Nach einer halben Saison bei Rapperswil-Jona, einem Jahr in Neuenburg in der Super League, nun eine weitere Saison in der Challenge League beim FC Wil. Insgesamt kommen da bereits 91 Wettbewerbsspiele im Profibereich zusammen, davon 11 mit dem FCZ. So viel wie in der aktuellen Saison kam der schnelle Standardspezialist noch nie zum Einsatz. Abgesehen von Ludovic Magnin (U18, U21, 1. Mannschaft FCZ) hat er unter keinem Trainer so viel gespielt wie nun bei Magnins ehemaligem Nationalteamkollegen Alex Frei. Allerdings hat sich Haile-Selassie auch in dieser Saison nicht so richtig für die Super League-Equipe des FCZ aufdrängen können. Abgesehen von einzelnen Aktionen kommt unter dem Strich zu wenig. Je nach Situation als Kaderergänzung für den Flügel ist Haile-Selassie beim FCZ nicht auszuschliessen, aber die Tendenz geht eher in Richtung weitere Zukunft in der Challenge League oder einer vergleichbaren Liga.

Ilan Sauter (20) war eine Saison an den FC Wil ausgeliehen und reiht sich ein in die Garde der immer wieder etwas überschätzten Verteidiger aus dem eigenen Nachwuchs (wenn es ausnahmsweise dann doch mal einen richtig talentierten Abwehrmann gibt, dann zieht es diesen frühzeitig ins Ausland, wie im Fall von Andi Hoti (18, Inter)). Sauter hat es schwer, sich überhaupt im Tempo auf Stufe Challenge League etablieren zu können – und wird kaum mal in der Super League zum Thema werden. Eventuell kriegt er beim FC Wil nochmal eine weitere Chance.

Kamberi und Koide haben sich empfohlen

Lindrit Kamberis (21) zweites Leihjahr in der Challenge League wurde vorzeitig abgebrochen, damit dieser dem FCZ in der Schlussphase der Saison auf Super League-Stufe noch helfen konnte, was er dann auch tat. Beim Kopfballgegentor von Pajtim Kasami in Basel war Kamberis für einen Super League-Innenverteidiger geringe Körpergrösse sichtlich als Defizit erkennbar. Bezüglich Fokus und Körpersprache trat er in den paar Einsätzen zum Saisonende hin hingegen deutlich besser auf, als noch beim FC Wil und in Winterthur. Er hat sich damit sicherlich vorerst mal einen Platz im Kader der kommenden Saison verdient, um beweisen zu können, dass er diesen Fokus konstant auf den Platz bringen kann.

Eine ultrakurze Leihe von etwas mehr als zwei Monaten absolvierte Henri Koide (20) beim FC Wil. In seinem einzigen Einsatz über die vollen 90 Minuten erzielte er auch gleich ein Kopfballtor und half anschliessend der Zürcher U21-Equipe unter anderem mit einem Dreierpack beim 4:3-Sieg bei der U21 des FCB im Kampf um den Klassenerhalt in der Promotion League. Koide bringt genug Qualität mit, um nächste Saison wieder dem Kader der 1. Mannschaft in der Super League anzugehören. Spieler, die sich so für die Mannschaft einsetzen und sich über die Seite gut durchsetzen können, hat der FCZ keineswegs zu viele im Kader.

Verletzungsanfälligen Aliu noch nicht abschreiben…

Fünfeinhalb Jahre nach seinem Engagement beim FC Biel wurde Mirlind Kryeziu (24) zum zweiten Mal in die Challenge League verliehen, und zwar ein halbes Jahr zum SC Kriens. Seine Zukunft könnte durchaus weiterhin in der Challenge League liegen, hat Kryeziu mit den Super League-Stürmern bezüglich Antrittsschnelligkeit doch immer wieder seine Probleme gehabt.

Ebenfalls in Kriens zum Einsatz kam zuletzt Izer Aliu (21). Alius spielerische Qualitäten und Standards sind auch für Super League-Verhältnisse überdurchschnittlich. Aber auch in der abgelaufenen Saison wurde der Adliswiler durch eine Verletzung zurückgeworfen, die ihn praktisch die ganze Vorrunde kostete. Eine Steigerung im Vergleich zur letztjährigen Leihe nach Chiasso war dann in der Rückrunde ersichtlich. Bei Aliu befindet sich der FCZ wohl etwas in der Zwickmühle. Einen eigenen Spieler mit solchen Qualitäten lässt man ungern ziehen. Gleichzeitig steht Aliu unter anderem aufgrund der Krankengeschichte in seiner Entwicklung noch nicht dort, wo er sein sollte. Falls der FCZ in der kommenden Saison stark auf Ballbesitzfussball mit drei oder vier zentralen Mittelfeldspielern setzten sollte, könnte er vielleicht als Ergänzung ins Kader rutschen. Im Normalfall bräuchte er aber nochmal mindestens ein halbes Jahr Leihe in die Challenge League.

Wer ist neben Aliu für eine Challenge League-Leihe 21/22 geeignet?

Verletzungsbedingt noch unglücklicher verlief die Leihe von Willie Britto (24) in die Slowakei nach Pohronie (in der Nähe des früheren FCZ-Europacupspielortes Zlate Moravce gelegen) – aufgrund von Muskelproblemen kam der Ivorer insgesamt nur 45 Minuten zum Einsatz. Wie bei Aliu bietet sich bei ihm wohl ebenfalls ein weiteres halbes Jahr Leihe an. Vielleicht diesmal ebenfalls in die Challenge League? Einen physisch so starken Spieler auf der rechten Seite könnte manch ein Team aus der zweithöchsten Schweizer Liga gut gebrauchen. Allerdings werden viele Challenge League-Klubs einen der raren Kontigentslistenplätze für einen „Non-HTP Ausländer“ nicht mit einem Spieler besetzen wollen, der nur sechs Monate bleibt. Silvan Wallner (19), Nils Reichmuth (19) und Vasilije Janjicic (22) sind die weiteren Kandidaten für eine Ausleihe in die Challenge League – Wallner und Reichmuth für ein Jahr, Janjicic allenfalls erstmal für eine halbe Saison. Alle drei sind gut genug, um einem Challenge League-isten sportlich helfen zu können und benötigen Spielpraxis auf diesem Niveau.

FCZ Kaderplanung 21/22, Teil 1 – Trainer und Spielidee

FCZ Kaderplanung 21/22, Teil 2 – das Abwehrzentrum

FCZ Kaderplanung 21/22, Teil 3 – knifflige Seitenpositionen

FCZ Kaderplanung 21/22, Teil 4 – Grundgerüst im Zentrum steht

FCZ Kaderplanung 21/22, Teil 5 – Sturmbedarf

Wohin geht der Weg von Vasilije Janjicic und den FCZ-Talenten in Entwicklung?

Beinahe 1’000 Tage Magnin – die Analyse, Teil 1

Nach nicht einmal 100 Tagen Ludo Magnin erschien im Daléo eine erste Analyse seines Wirkens als damals neuer Cheftrainer beim FC Zürich. Nach beinahe 1’000 Tagen Magnin schauen wir nun zurück auf die von ihm getätigten Aussagen und prüfen mit Beobachtungen und Statistiken, ob und wie er seine damaligen Ideen umgesetzt hat. Und warum die sportliche Bilanz seiner Trainer-Ära in der 1. Mannschaft durchzogen ausfällt.

Das Team unter Uli Forte – anfänglich eine Defensivwand

Wie kam Magnin überhaupt zu seinem ersten Trainerjob im Profibereich? Wie die meisten Super League-Aufsteiger war auch der FCZ unter Uli Forte mit der Aufstiegseuphorie im Rücken gut in die Saison 17/18 gestartet. Das Team begann aber ab November stark abzubauen. Dies war bereits in der Vorsaison in der Challenge League passiert. Nun wirkte es sich aber aufgrund der stärkeren Gegner sofort auf die Resultate aus. Die Zitrone wirkte ausgepresst. Trotzdem lag man aufgrund der in der Anfangsphase der Saison erkämpften Punkte immer noch auf dem Dritten Platz, als im Februar der Trainerwechsel stattfand.

Eine klar positive Tordifferenz hatte der FCZ in der Super League 05/06, 06/07, 07/08, 08/09, 10/11 und 12/13, eine klar negative 15/16 und 19/20. Tendenziell war man gemessen an Toren und Gegentoren im Vergleich mit dem Ligaschnitt in den letzten zwei Jahrzehnten defensiv besser unterwegs als offensiv. Selbst in den drei Meistersaisons lag der Vorteil gegenüber dem jeweiligen Zweitplatzierten (Basel, YB) bei den weniger erhaltenen Gegentoren. Uli Fortes Aufsteigermannschaft ging in der Saison 17/18 diesbezüglich noch einen Schritt weiter. Es lief ein auf Physis, Kampf und Laufbereitschaft ausgerichtetes Team auf. Taktisch und von der Spielanlage her gings in erster Linie darum, Tore zu verhindern. Spielerische Elemente musste man mit der Lupe suchen.

Im Tor stand mit Andris Vanins an Stelle von Eigengewächs Yanick Brecher ein erfahrener Keeper mit bescheidenen fussballerischen Attributen. Davor wurde eine «Wand» gestellt – mit fünf zentralen technisch eher limitierten Verteidigungshaudegen in Dreierabwehr und Doppelsechs: Nef, Palsson, Brunner (oder Thelander), Sarr und Rüegg, flankiert auf der Seite von den ebenfalls vor allem kämpferisch mit Defensivaufgaben beschäftigten Pa Modou und Winter. Dazu vorne die lauffreudigen Frey und Rodriguez, die ebenfalls viel gegen den Ball arbeiteten. Mit Dwamena (oder Koné) stand üblicherweise nur ein Spieler mit gewissen defensiven Defiziten auf dem Platz. Das Zwischenresultat: nach einem Saisonviertel nur fünf Gegentore! Das war sogar deutlich besser, als in den drei Meistersaisons! Die defensive Stabilität bröckelte dann aber mit zunehmendem Saisonverlauf exponentiell, ohne dass dies offensiv kompensiert werden konnte. Zu Beginn der Rückrunde kassierte man in vier Partien elf Gegentore.

Magnin kriegt die Aufgabe, drei fundamentale Probleme zu lösen

Abgesehen davon, dass die Mannschaft unter Forte ab November zum wiederholten Male stark nachliess (man sei «zu ausrechenbar» geworden, liess Präsident Ancillo Canepa verlauten), entsprach Fortes Spielweise, Personalpolitik und Ausrichtung nicht der Vereinsphilosophie. Und drittens gab es unter anderem aus diesem Grund Probleme mit der Integration der besten Talente in die 1. Mannschaft. Der Fokus von Junioren-Scouting und -Ausbildung war mit «Forte-Fussball» unvereinbar. Das heisst: man befürchtete, dass ein Grossteil der Ausbildungsarbeit «für die Katz» sein würde.

Dies zeigte sich damals akut an der Situation des hoffnungsvollen 98er-Jahrganges. Vasilije Janjicic hatte schon zu Beginn der Forte-Zeit das Weite gesucht. Der grossgewachsene, aber eher schlanke Innenverteidiger Arbenit Xhemajli und der leicht ältere spielstarke André Ribeiro wechselten zu Xamax und Braga, als sie nicht in die 1. Mannschaft hochgezogen wurden. Maren Haile-Selassie blieb aussen vor und auch mit Toni Domgjoni konnte Forte gar nichts anfangen – für seine Vorstellungen eines Zentralen Mittelfeldspielers wohl zu schmächtig. Izer Aliu testete Forte eher alibimässig mal als linker Aussenläufer. Und Kevin Rüegg stellte er aufgrund dessen Physis ins Zentrale Mittelfeld, wo der später als Rechtsverteidiger zum U21-Nati Captain aufsteigende Jungspund wegen seiner beschränkten Technik auf engem Raum spielerisch wenig beitragen konnte – was für Forte ein sekundärer Aspekt war.

Für alle drei fundamentalen Probleme – die Ausrechenbarkeit, die abweichende Spielphilosophie und den ungenügenden Einbau der eigenen Talente versprach Magnin die richtige Trainerwahl zu sein. Und dies obwohl er damals im April 2018 gegenüber Daléo unter anderem äusserte:

«Ich habe überhaupt kein Problem, eine Mannschaft mit lauter Routiniers aufzustellen.»

Ludovic Magnin im April 2018

Letzteres ist schlussendlich nie passiert. Der von vielen befürchtete «Jugendwahn» allerdings auch nicht. Die jüngste von Magnin aufs Feld geschickte Mannschaft war in der Anfangszeit bei einem 1:1-Auswärtsunentschieden in Sion im Schnitt genau 23 Jahre alt. Mit Rüegg, Rohner, Domgjoni und dem trotz 99-er Jahrgang ebenfalls zu dieser Spielergeneration gehörenden Aliu setzte er gleich vier «98er» in der Startformation ein und äusserte sich nach der Partie dahingehend, dass dies wohl zu viele aufs Mal gewesen seien und der Punktgewinn nur mit Glück erspielt worden war. Zum Vergleich: Sowohl Lucien Favre wie auch Bernard Challandes, Urs Fischer, Urs Meier und Rolf Fringer schickten beim FCZ jüngere Startformationen auf den Platz. Im Vergleich zu Uli Forte hingegen, dessen Mannschaftsaltersschnitt sich häufig in Gilbert Gress-Sphären der Saison 00/01 bewegte, war die Verjüngung der Mannschaft eklatant. 

Entscheidende Rolle des 98er-Jahrganges

Dies bedeutet aber nicht, dass Forte grundsätzlich nicht mit jungen Spielern arbeiten kann. Der Brüttiseller gehört zu der Sorte Trainer, die sich den Prioritäten und Anforderungen eines Vereins anpassen können. Verlangt die Klubführung eine Jugendstrategie, dann arbeitet er mit Jungen – wie er dies bei GC und YB gemacht hat. Soll hingegen mit einer erfahrenen Equipe der sofortige Wiederaufstieg angestrebt werden wie beim FCZ, dann macht Forte auch das. Das Projekt Forte war beim FCZ aber von vornherein auf das kurzfristige Ziel Super League ausgelegt. Dies manifestierte sich spätestens, als man wieder zurück im Oberhaus war. Just zu diesem Zeitpunkt klopfte mit dem 98er-Jahrgang die stärkste FCZ-Juniorengeneration seit sechs Jahren (92er um Rodriguez, Buff, Drmic) vehement an die Türe zur 1. Mannschaft und Forte machte diese nur einen kleinen Spalt weit auf – weil er für seine Art von Fussball andere Spielertypen benötigt.

Ein Klub, der sich so stark in der Academy engagiert, kann sich sportlich, finanziell und ideell aber schlichtweg nicht leisten, eine solche Generation zu verlieren. Aus dieser Warte war es im Februar 2018 höchste Eisenbahn für einen Trainerwechsel. Denn schon wenige Monate später hätte es passieren können, dass auch noch der Rest der vielversprechenden Spielergeneration einen Wechsel anstrebt. Es ging im Frühling 2018 darum, einem Domgjoni, Aliu, Rohner oder Rüegg zu zeigen, dass man auf sie setzt – und dies vor allem auch auf denjenigen Positionen, auf welchen sie ihr grösstes Potential haben.

Die Aufgabe für Magnin gestaltete sich knifflig. Denn normalerweise nutzen Absteiger im Unterhaus die Gelegenheit für eine grosse Blutauffrischung. Servette, Lausanne, GC und selbst St. Gallen verjüngten ihr Kader stark und gaben in der Challenge League auch denjenigen Junioren eine Chance, die im Oberhaus nicht zum Zug gekommen wären. Sie nahmen dabei in Kauf, den Wiederaufstieg nicht im ersten Anlauf zu schaffen. Nicht so der FCZ! Der sofortige Wiederaufstieg hatte beim Stadtclub oberste Priorität. Das war die Vorgabe aus der Chefetage. Der Generationenwechsel wurde so vertagt. Als dieser dann aber ein Jahr später aufgrund der Inkompatibilität der 98er-Generation mit Fortes Spielstil und Personalpolitik immer noch auf sich warten liess, wurde die Vereinsführung schnell ungeduldig.

Dieser Artikel ist in voller Länge im aktuellen „Daléo“ unter dem von der Redaktion gesetzten Titel „Bilanz eines Versagens“ zu lesen. Hier auf Züri Live wird der zweite von vier Teilen kommende Woche publiziert.

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