Vor anderthalb Monaten beim 1:1 im Letzigrund ging der FCZ das hohe Tempo Luganos der ersten 20 Minuten mit, konnte sich aber insgesamt kaum eine Torchance herausarbeiten. Mit dem Unentschieden nach einem Perea-Kopfballtor war man am Ende gut bedient. Lugano baute im Letzigrund damals viel mehr als sonst auf lange Bälle von Amir Saipi wofür der grossgewachsene Stürmer Kacper Przybylko eine wichtige Rolle spielte. Nach der 1:3-Heimniederlage gegen Servette änderte der FCZ seine Formation auf ein hybrides 3-4-2-1 / 4-2-4. In Sion kam man so bei 30 Abschlüssen auf einen der höchsten Expected Goals-Werte der letzten Jahre. Auch gegen YB hatte man die besseren Torchancen. In Genf war Servette näher am Sieg dran. Die Herausarbeitung von Torchancen aus dem Spiel heraus im gegnerischen Strafraum ist immer noch verbesserungswürdig. Aber das neue Hybridsystem gibt viel mehr Angriffsvarianten und kann den Gegnern Probleme bereiten.
Beide Teams zuletzt variabler
Lugano hat seit Mitte August im Cornaredo nicht mehr verloren und konnte sich in der Nati-Pause vom Ausrutscher bei Back Topola und der unglücklichen Niederlage bei den Young Boys erholen. Zuletzt hat Mattia Croci-Torti die taktische Formation variiert und auch mal in einem 4-4-2 (in Serbien) oder 3-4-2-1 (beim 2:0-Heimsieg gegen Yverdon) spielen lassen. Da die beiden Mittelfeldspieler Bislimi und Mahmoud ausfallen ist eine erneute Abweichung vom Standard 4-3-3 nicht undenkbar. Denn Mattia Croci-Torti scheint U21-Nationalspieler Daniel Dos Santos tendenziell eher nicht auf der Achterposition zu sehen.
Beim FC Zürich konnte Antonio Marchesano erstmals wieder zu einem Teileinsatz kommen. Der Tessiner aus dem Sopra Ceneri (Bellinzona) macht gegen Lugano in jeder zweiten Partie einen Skorerpunkt. Auch die aufstrebende Form von Emmanuel und Oko-Flex hält die Hoffnung auf im gegnerischen Strafraum erzielte Tore aufrecht. Im Zentrum hat sich das Duo Mathew / Krasniqi eingespielt. Ballet hatte in Genf noch Anlaufschwierigkeiten nach seiner Verletzungspause, aber das neue System sollte auch ihm besser liegen.
Erst gerade vor einem Monat hat der FC Zürich im Letzigrund auch mit etwas Glück mit 1:0 gegen Aufsteiger Sion gewinnen können. Mariano Gomez verwandelte in der 17. Minute einen Chouiar-Freistoss von der rechten Seite per Kopf zu seinem ersten Tor im FCZ-Dress. Auch in der dritten Partie seit der Umstellung auf Dreierabwehr konnte sich der FCZ damals kaum Torchancen erarbeiten. In Basel und drei Vierteln der Partie in St. Gallen war man zumindest mit hoher Intensität angetreten und beging kaum Fehler. Gegen Sion war davon aber kaum mehr etwas zu sehen. Auch weil der in St. Gallen am meisten überzeugende Ifeanyi Mathew (Note “10“) nicht in der Startformation stand. Der Spielaufbau gestaltete sich zu langsam und vor allem verteidigte man so unkonzentriert wie selten zuvor in dieser Saison. Man hatte Glück, dass der Gegner nicht mehr als zwei Lattenschüsse zustande brachte.
„Klötzli“ 2.0 im Tourbillon
Sion hat zuletzt zuhause gegen den FCB, Lugano, Yverdon Sport und St. Gallen vier Mal in Folge Unentschieden gespielt. Die Nachspielzeit gegen den FC St. Gallen am Sonntag gestaltete sich besonders dramatisch und erinnerte an den “Fall Klötzli“ aus dem Jahre 1989. Damals erzielte der im Europacup engagierte und gleichzeitig abstiegsgefährdete FC Wettingen in der Nachspielzeit den vermeintlichen 1:1-Ausgleichstreffer – Schiedsrichter Bruno Klötzli pfiff aber ab, während Martin Ruedas Lob-Ball noch in der Luft auf dem Weg ins leere Gehäuse war. Die anschliessenden Jagdszenen von Wettinger Spielern, Trainern und Funktionären auf Klötzli gehören zu den unrühmlichsten Episoden in der Geschichte des Schweizer Spitzenfussballs. Daran beteiligt waren unter anderem Roger Kundert (307 Wettbewerbsspiele für den FCZ) und der heutige FCB-Vereinspräsident Reto Baumgartner.
Beim Spiel Sion – St. Gallen ereignete sich dieses Wochenende eine ähnliche Situation. St. Gallen-Stürmer Willem Geubbels foult vor dem gegnerischen Strafraum erst Gegenspieler Hefti und scheint danach auch noch Joël Schmied anzugreifen, worauf sich Sion-Torhüter Timothy Fayulu für seine beiden Verteidiger zur Wehr setzt und Geubbels an den Kragen geht. Mitten im Sion-Gegenangriff Richtung Gehäuse von Lawrence Ati Zigi macht Schiedsrichter Gianforte an der Mittellinie rechtsumkehrt, da er auf die Rudelbildung rund um Geubbels / Fayulu auf der anderen Platzseite aufmerksam wird. Sowohl der Sion-Konter in der einen Platzhälfte wie auch die Rudelbildung auf der anderen Seite des Platzes laufen parallel weiter. Den späteren Pfiff von Gianforte, der das Spiel unterbrechen soll, hört man erst genau in dem Moment, als Dejan Djokic nach mehreren zuvor im MInutentakt vergebenen Topchancen nach einem Haken im Strafraum doch noch an Zigi vorbei zum vermeintlichen Sion-Siegtreffer zum 3:2 trifft. Der Ball ist zum Zeitpunkt des Pfiffes ziemlich genau auf der Torlinie oder Zentimeter davor. In dieser Hinsicht ein noch extremerer Fall als damals bei Klötzli. Als klar wird, dass Gianforte das Tor nicht anerkennt, stürmen erst ein Sion-Staffmitglied und Sportchef Barthélemy Constantin, später dann auch noch Klub-Besitzer Christian Constantin auf den Platz und reden gemeinsam mit ihren Spielern auf den Schiedsrichter ein, der dabei fleissig in alle Richtungen Rote Karten verteilt. Schläge und Tritte gegen den Schiedsrichter wie im Wettingen-Fall gibt es aber nicht. Sion wird im Hinblick auf den FCZ-Match auf jeden Fall “geladen“ sein.
Ausfälle beim FCZ als Chance für Neustart?
Für den gesperrten Timothy Fayulu wird gegen den FCZ voraussichtlich der erfahrene Heinz Lindner im Tor stehen. Ansonsten ändert sich im Vergleich zur Begegnung im Letzigrund bei den Wallisern wenig. Einzig Captain Reto Ziegler (38!) kam zuletzt wieder zurück ins Team. Sion wird wie üblich mit Kombinationsspiel über die Seiten vorstossen wollen. Das Fünfermittelfeld im kompakten 4-2-3-1 (gleiches System wie GC) besteht aus lauter spielerisch starken Akteuren. Gegen GC sind alle grossen Torchancen und das Gegentor über die rechte FCZ-Seite entstanden, die Lindrit Kamberi defensiv nicht gut im Griff hatte.
Beim FCZ kommen durch den verletzungsbedingten Ausfall Antonio Marchesanos (neben Ballet, Di Giusto, Gouré, Leidner) und den Gelb-Sperren gegen Cheick Condé, Mariano Gomez und Juan José Perea weitere Kaderspieler zu Startelf-Chancen. Zu diesen könnten neben Umeh Emmanuel, der schon gegen Servette begann, Nemanja Tosic, Cheveyo Tsawa, Jahnoah Markelo, Armstrong Oko-Flex oder Jonathan Okita gehören. Ausserdem ist Junior Ligue eine valable Alternative für Perea auf seiner angestammten Mittelstürmerposition. Bleibt der FCZ bei der Dreierabwehr, mit welcher kaum noch Torchancen erspielt werden? Oder nutzt man die Verletzungen und Sperren, um zum für diesen Kader am meisten passenden 4-3-3 zurückzukehren? Eine rhetorische Frage, denn das Zürcher Spiel vom Beginn der Saison scheint zuletzt nicht nur an Gefährlichkeit, sondern auch an Identität verloren zu haben. Es basiert vieles nur noch auf Einzelaktionen und Zufällen. Und defensiv ist man anfälliger geworden – speziell über die Seiten, wo Sion seine Angriffe lanciert.
Zunder auf dem Feld ist schon von Anfang an drin. Ein Beispiel: In der 18. Minute gleicht ein Zweikampf zwischen Tobers und Perea eher einem Duell im Sägemehl als einem auf dem Rasen. Als der Kolumbianer aufstehen will, drückt ihn der Lette wieder zu Boden – Gelb! Zuvor wurde bereits der andere GC-Innenverteidiger, Decarli, verwarnt. Dann rasseln die beiden Leithammel Conde und Abrashi mit den Köpfen zusammen. Kernige Duelle im Derby.
– Pascal Ruckstuhl und Simon Strimer, Blick
Der FC Zürich ist fürs erste Derby der Saison parat und gewinnt dieses verdient mit 2:1. Die beiden Weitschusstore von Lindrit Kamberi (mit dem schwächeren linken Fuss!) und Antonio Marchesano sind Ausdruck der Mentalität und des Siegeswillens der Mannschaft in dieser für die Fans äusserst wichtigen Partie vor annähernd 20’000 Zuschauern im Letzigrund. Der Gegner befindet sich dabei allerdings nicht in Bestverfassung. Von den Derbys der letzten Saison bleibt in Erinnerung, dass GC jeweils zumindest eine halbe Stunde lang das Spiel dominierte. Diesmal war der FC Zürich während beinahe der ganzen 90 Minuten besser.
Das 286. Derby – das erste seit acht Monaten – endete genau nach Drehbuch; mit einem Tor Differenz wie immer bei den letzten fünf Malen und mit einem FCZ-Sieg wie bei nun fünf der letzten sechs Ausgaben.
Bluewin
Beide FCZ-Torschützen auch am Gegentor beteiligt
Je eine Topchance in jeder Halbzeit waren zusammen mit dem Anschlusstor die einzigen Momente, wo das Schällibaum-Team sich in Szene setzen konnte. Eigentlich konnte vor der Partie erwartet werden, dass die Grasshoppers sich gegen den auf den Aussenbahnen potentiell in Unterzahl agierenden FCZ häufiger mit Kombinationsspiel über die Seiten durchsetzen können – wie man es in der Nati-Pause in einem Test gegen das Challenge League-Spitzenteam Xamax (6:0!) eingeübt hatte. Zwar hatte GC am Ende einen höheren Expected Goals-Wert als der FC Zürich – dies allerdings in erster Linie aufgrund des durch Mabil aus nächster Nähe erzielten Tores im Vergleich mit den beiden Weitschusstreffern des FC Zürich. Alle drei gefährlichen GC-Aktionen liefen über die linke Seite gegen den sowohl offensiv (einige Alibipässe und Fehlzuspiele) als auch defensiv mehrmals indisponiert agierenden Lindrit Kamberi. Bei der Topchance von Neuverpflichtung Lupi in der 21. Minute konnte sich GC nach einem Einwurf über diese Seite durchkombinieren.
Doch nach ungenügender erster Halbzeit hätte GC am Ende gegen den FCZ dank einer deutlich besseren Darbietung nach der Pause einen Punkt verdient gehabt. In Sachen erwartbarer Tore liegen die Grasshoppers sogar deutlich vorne in der Statistik (1,86 zu 1,10), Tomás Verón Lupi und Giotto Morandi vergaben beste Gelegenheiten.
Fabian Ruch, Neue Zürcher Zeitung
Der FC Zürich gewinnt das 286. Zürcher Derby gegen die Grasshoppers 2:1. Er tut dies, wie er es schon so oft in dieser Saison getan hat: Während er in der ersten Halbzeit zu überzeugen weiss, schwächelt er in der zweiten Hälfte.
Berner Zeitung
Beim Anschlusstreffer in der 61. Minute profitierte GC von einem Alibipass Kamberis auf Marchesano, der gegen den frisch eingewechselten Tim Meyer den Ball verlor. Beide FCZ-Torschützen waren also am Gegentreffer entscheidend beteiligt. Condé half für den zu langsam zurückeilenden Kamberi auf der Seite aus, konnte die Flanke des energischen Giotto Morandi aber nicht verhindern. Gomez lenkte die Weiterleitung des ebenfalls eingewechselten Pascal Schürpf auf Awer Mabil unglücklich ab. Auch bei der dritten grossen GC-Möglichkeit in der 72. Minute agierte Lindrit Kamberi zu passiv. Die Persson-Flanke hätte Yanick Brecher trotzdem fangen müssen, faustete sie aber an die Strafraumgrenze. Condé liess Meyer gewähren, Katic Morandi sträflich frei, Gomez und Conceição gestikulierten, statt sofort einzugreifen, Brecher hechtete spekulativ in die falsche Ecke: der FCZ hatte nach dieser Fehlerkette Glück, dass Morandi nur den Aussenpfosten traf.
Nach der Pause macht GC die Seiten zu, bleibt aber durch die Mitte verletzlich
Dass der FCZ nach der Pause Mühe hatte, kann sich Mirlind Kryeziu nicht so richtig erklären. «GC hat nach der Pause etwas anders gemacht. Unsere Räume waren zu», erklärt der Verteidiger. «Aber wenn wir in der ersten Halbzeit Vollgas geben, können wir das Derby schon vorzeitig entscheiden.»
Mirlind Kryeziu bei nau.ch
Die beiden GC-Flügel Lupi und Kittel agierten in der 1. Halbzeit sowohl offensiv als auch defensiv zu lethargisch. Nach der Pause machten die beiden die Räume über die Aussen konsequenter zu. Man hatte den FCZ aufgrund des Systems mit Dreierabwehr logischerweise vorwiegend durch die Mitte erwartet und stand dort kompakt. Die Einwechselspieler Schürpf und Mabil sorgten auf den flügelpositionen in der 2. Halbzeit kurzzeitig zusätzlich für einen Energieschub – allerdings nicht für lange. GC vermisste im Mittelfeldzentrum Tsiy Ndenge. Innenverteidiger Ayumu Seko sprang nicht zum ersten Mal auf dieser Position neben Captain Amir Abrashi ein – und beging aus GC-Sicht die entscheidenden Fehler. Beim Führungstreffer in der 32. Minute kombinierte der FC Zürich gegen einen hoch stehenden Gegner über die linke Seite mit Junior Ligue hinten heraus. Im Mittelfeld versprang Seko der Ball in Richtung Antonio Marchesano, der den von rechts hereinrückenden Lindrit Kamberi bedienen konnte. Beim zweiten FCZ-Treffer in der 38. Minute verlor der Japaner den Ball gegen Mounir Chouiar. Der Franzose hatte sich zwischen Mann und Ball gestellt in einem Moment als Seko aus der Drehung einen Pass spielen wollte und mit dieser Eigendrehung ohne den Ball zu treffen von Chouiar nur ganz leicht berührt in erster Linie sich selbst zu Fall brachte. In der 79. Minute schrammte Seko zudem als letzter Mann gegen Perea nahe an einem Platzverweis vorbei.
Insgesamt ist der FCZ giftiger, die Grasshoppers wirken verunsichert. Bledian Krasniqi findet sogar: «Sie waren verzweifelt.» Diese Analyse des FCZ-Mittelfeldspielers ärgert GC-Trainer Marco Schällibaum zwar, aber auch er sagt, er sei nicht nett zu seinem Team gewesen in der Pause. Er sieht GC in ein Debakel laufen.
Der FCZ gewann insgesamt mehr Defensivzweikämpfe als der Gegner, liess diesbezüglich phasenweise in der 2. Halbzeit aber etwas nach. GC gewann auch dank dem grossgewachsenen Mittelstürmer Lee mehr Luftduelle. Spätestens nach der Einwechslung des bei seinem Début überzeugenden Jahnoah Markelo war die Partie gelaufen. Insgesamt war es mit einer entsprechenden Durchschnittsnote von 7,2 die beste FCZ-Offensivleistung seit dem Cupspiel in Le Locle mit damals Torchancen im Dreiminutentakt. Die in der Startformation aufgelaufenen Spieler liessen aber grösstenteils in der 2. Halbzeit in ihrer Leistung nach. Nochmal etwas gesteigert haben sich nur der in der 1. Halbzeit ungenügende Katic und der wie letzte Saison im Derby umtriebige Bledian Krasniqi – Mariano Gomez war in beiden Hälften gleich gut . Im Gegensatz zu gewissen anderen Partien waren diesmal die Einwechselspieler auf FCZ-Seite ein Gewinn, sorgten für viel Entlastung und retteten dem Team die Führung über die Ziellinie.
286. Derby Highlights – Riesenparade von Hammel
286. Derby – die Tore @ Züri Live
Personalien – Krasniqi nach dem Kantonsderby auch im Stadtderby MVP
Rodrigo Conceição: Sowohl offensiv wie defensiv zu stark auf den Gegenspieler und zu wenig auf den Raum fokussiert.
Cheick Condé: Hatte in den letzten Wochen häufig Startschwierigkeiten und ist dann besser in die Partie gekommen – diesmal umgekehrt. Nach gutem Start baut Condé im Verlauf der Partie ab. Ausserdem verliert er mehrheitlich die Kopfballduelle gegen Lee. Zu Beginn der 2. Halbzeit mit öffnenden Pässen bei Kontern, defensiv aber zu passiv / unaufmerksam.
Lindrit Kamberi: Wird in der 2. Halbzeit immer wieder gut auf der Rechten Seite lanciert, macht aber wenig daraus. viele Alibipässe und Fehlzuspiele. Defensiv mit Problemen.
Bledian Krasniqi: Findet über den Kampf ins Spiel. Ist nach dem Kantonsderby auch im Stadtderby MVP! Und dies klar und eindeutig als bester Spieler Offensiv, Defensiv, 1. Halbzeit und 2. Halbzeit. Bleibt dabei als einziger Spieler aus der Startformation in der 2. Halbzeit über Note “6“.
Mariano Gómez: Fokussiert sich als Zentraler Innenverteidiger im Gegensatz zum Beginn der Saison (damals als Aussenverteidiger) fast ausschliesslich auf die Defensive.
Antonio Marchesano: Mit einem Tor und einem Assist entscheidend am Derbysieg beteiligt.
Man of the Match: Juan José Perea
«Ein Tor gelang dem FCZ- Mittelstürmer nicht. Aber sein Laufpensum und sein Einsatz in den Zweikämpfen waren ausserordentlich.»
– Dani Wyler, Bluewin
Der Beste Beim FCZ performt das ganze Kollektiv in der ersten Hälfte. Moniz stellt statt Schienenspieler Rodrigo Conceiçao «Züri-Bueb» Lindrit Kamberi in die Startelf und macht damit alles goldrichtig. Kamberi erzielt das wegweisende 1:0, obwohl GC bis dahin die besseren Chancen hatte.
– Pascal Ruckstuhl und Simon Strimer, Blick
286. Derby Kommentare – Ancillo Canepa entfernt jeden GC-Kleber
Das Spitzenspiel FCZ – Servette (1:3) vom Sonntag wurde zum ungleichen Duell, in welchem der Leader und Heimklub als unterlegenes Team wirkte. Man traf dabei auf den letzte Saison auch im Europacup sehr erfolgreichen Cupsieger 2024. Servette ist über Jahre mit grosser personeller Kontinuität gewachsen. Die Abläufe sind bis ins Detail eingespielt. Servette hat weder eine Startruppe, noch eine Mannschaft von Top-Talenten zur Verfügung. Die Leistungsträger wie Jérémy Frick, Steve Rouiller, Timothé Cognat, Miroslav Stevanovic oder Dereck Kutesa sind alles Spätzünder, die sich in einem ersten Schritt im Profibereich nicht durchsetzen konnten. Sie haben sich bei Servette in einem “sicheren Hafen“ über längere Zeit entwickeln können und ihre Rolle gefunden. Beim FCZ wirkt im Vergleich dazu vieles kurzfristiger ausgerichtet. Die Warnsignale der letzten Partien, in welchen abgesehen von den Resultaten wenig zusammenpasste, wurden im Heerenschürli ignoriert.
Positiv: Standards, Kampfgeist und Leistung gegen Rivalen
Trotzdem gibt es bezüglich der aktuellen FCZ-Mannschaft einige positive Punkte zu erwähnen. Kampf- und Teamgeist stimmen. Und die Breite im Kader ist im Vergleich zu den letzten Jahren gross. Zu Beginn der Saison fiel vor allem der verbesserte Fitnessstand von Nikola Katic und Mirlind Kryeziu auf, was sich sowohl offensiv wie auch defensiv positiv aufs Zürcher Spiel auswirkte. Ganz vorne ist Juan José Perea mit seinem Torhunger eine “Bank“. Der Kolumbianer verliert zwar die Mehrzahl seiner Zweikämpfe, und wirkt manchmal längere Zeit als nicht am Spiel beteiligt, aber er gibt nie auf und nutzt fast jede sich bietende Chance in bestmöglicher Weise. Kombinations- und Flachpassspiel sind dabei nicht seine Stärke: Perea ist als Instinktfussballer der Mann der aufspringenden Bälle und unübersichtlichen Situationen.
Die aussergewöhnlich positive FCZ-Bilanz bei offensiven Standardsituationen kommt auch nicht von ungefähr. Individuelle Qualitäten (Chouiar, Krasniqi, Perea, Gomez) spielen dabei eine Rolle. Die Standards sind aber auch gut einstudiert. Mit einfachen, aber effektiven Mitteln wird den Gegnern immer wieder ein Schnippchen geschlagen. Ebenfalls positiv: der FCZ ruft in den für die Fans wichtigsten Partien im Derby und Auswärtsklassiker gute Leistungen ab und gewinnt diese Spiele. Auch die Leistung beim 2:2-Unentschieden in Bern gegen YB war gut. Eine Parallele findet sich da zur Frauen-Equipe, welche ebenfalls die Auswärtspartien bei den Top-Teams FCB und Servette gewinnen konnte – die Punkte dann aber gegen Aarau oder St. Gallen liegen lässt.
Falsche Schlüsse aus den Siegen gegen FCB und GC
Von den Siegen in Basel und gegen GC liess man sich aber auch zu falschen Schlüssen verleiten. In Basel setzte man das erste Mal in einem Meisterschaftsspiel unter Ricardo Moniz auf die Dreierabwehr – und der 2:0-Auswärtserfolg im St. Jakob Park schien oberflächlich betrachtet dieser taktischen Änderung Recht zu geben. Nach dem Derbysieg war Lindrit Kamberis Weitschusstor mit seinem schwachen LInken Fuss ein Hauptthema. Etwas unter ging dabei, dass der Auftritt von „Lindi“ insgesamt mässig war, und er auch gegen die Grasshoppers seine in dieser Saison ungenügende Verfassung nicht verbergen konnte. Gegen ein starkes Servette traten solche Schwachpunkte offensichtlich zu Tage.
Tatsächlich erspielt sich der FC Zürich seit der Umstellung auf eine Dreierabwehr in der Liga kaum noch gute Torchancen. Siege in Basel, im Derby oder gegen Sion waren in erster Linie der Effizienz, den Standardqualitäten und auch einem gewissen Glücksfaktor geschuldet. Davor war das anders gewesen. Mit der Viererabwehr kam man zu Chancen und erzielte viele Tore. Nicht zufällig hatte man bis vor der aktuellen Runde zusammen mit drei LIgakonkurrenten die meisten Tore auf dem Konto (18). Mit der Viererabwehr kam man zu Beginn der Saison auf zwei bis zweieinhalb Erwartete Tore pro Ligaspiel. Eine Quote, die regelmässig für drei Punkte gut ist. Mit der Dreierabwehr kommt der FC Zürich hingegen bloss noch auf 0,75 Erwartete Tore pro Ligapartie. Dazwischen liegen Welten!
Fataler Systemwechsel ohne Not
Trotz seiner 60 Jahre hat Ricardo Moniz als Cheftrainer keine Erfahrung mit der Dreierabwehr. Ihm scheint das Gespür für die passende Spielweise, Besetzung und Mischung zwischen Offensive und Defensive abzugehen. Mit einem System, das klar auf die Mitte ausgerichtet ist, will er über die Seiten vorstossen und “an die Grundlinie kommen“. Samuel Ballet, potentiell ein Königstransfer, wurde auf der Aussenläuferposition schnell verheizt und ist nun verletzt. Von den körperlichen Voraussetzungen her ist der Berner für diese Position nicht geschaffen und lief dementsprechend sofort am Anschlag. Ganz allgemein verletzen sich aktuell zu viele FCZ-Spieler ohne Fremdeinwirkung. Seit seinem Amtsantritt hatte Moniz lange Zeit zwischen dem 4-1-2-1-2 und dem 4-3-3 hin und her gewechselt. Das erste System eignet sich gut für aggressives und schnelles Umschaltspiel, das zweite, wenn man Dominanz über die Flügel aufbauen will.
Das Wechselspiel zwischen diesen beiden Systemen funktionierte gut, wurde dann aber im Hinblick auf das Cupspiel in Le Locle und dem anschliessenden Klassiker in Basel ohne Not geändert. Zwar hatte man gegen Luzern eine schlechte 1. Halbzeit gespielt, was aber an misslungenen personellen Änderungen und nicht am System lag. So kam Daniel Denoon nach längerer Verletzungspause praktisch ohne Spielpraxis zu seinem Super League-Début – und dies auch noch auf einer unpassenden Position. Auch der Halbpositions-Stürmer Okita musste auf dem Flügel auflaufen. Die Unterlegenheit gegen Vitoria Guimaraes wiederum hatte in erster Linie mit individuellen und kollektiven Qualitätsunterschieden zu tun.
Auf den Aussenläuferpositionen fehlt adäquates Personal
Mit dem Ausfall von Antonio Marchesano gibt es noch einen Grund weniger, an der Dreierabwehr festzuhalten. Der Tessiner spielt gerne mit diesem System, da er damit seine grössten Erfolge gefeiert hat. Aktuell hat man aber vom Profil, der Qualität und dem Formstand her auf der Schlüsselposition Aussenläufer kein auch nur annähernd mit Boranijasevic / Guerrero (Meistertitel 2022) oder Rüegg / Pa Modou (Cupsieg 2018) vergleichbares Duo. Die Position des angeschlagenen Rüegg hat sich beim FC Basel übrigens durch den Zuzug von Joe Mendes vom portugiesischen Spitzenklub Braga (3 Millionen Marktwert), der sich auf seiner Rechten Seite bereits gut mit Xherdan Shaqiri versteht, keineswegs verbessert.
Marchesano fehlt dem Team auch als Defensivleader. Seit seiner Ankunft in Zürich organisiert der Tessiner das Pressing und geht dabei jeweils mit gutem Beispiel voran. Das Hierarchie-Manko im vorderen Teil der Mannschaft sollte mit Ifeanyi Mathew zumindest teilweise eliminiert werden. Die Idee mit dem Zentrums-Duo Condé / Krasniqi ist nicht grundsätzlich schlecht. Die beiden können sich sowohl offensiv wie defensiv ergänzen. So kann Krasniqi das oft mangelhafte Positionsspiel Condés rund um den eigenen Strafraum mit seinen Defensivsprints ausbügeln. Zudem hat Krasniqi nach seinem schlechten Auftritt in St. Gallen zuletzt wieder deutlich besser gespielt. Allerdings sind die Leistungen des zu grossen Schwankungen tendierenden Condé mit Mathew an seiner Seite viel konstanter. Und die Stürmer benötigen ebenfalls klare Anweisungen von einem erfahrenen Mann wie Mathew, der Verantwortung übernimmt.
Tosic scheint nahe an der Startformation dran zu sein
Nach mehr als einem Viertel der Saison ist eine Quartalsbilanz auch bezüglich den einzelnen Spielern angebracht. Und es ist der Zeitpunkt gekommen, klare Entscheidungen zu treffen – auch damit das Kernteam noch mehr zusammenrücken kann. Yanick Brecher spielt 24/25 bisher klar schlechter als in seiner starken Vorsaison. Zivko Kostadinovic hatte in Le Locle seinen wohl bisher fokussiertesten Auftritt im FCZ-Trikot. Von unten drängen die jungen Huber und Morozov nach oben. Trotzdem scheint es noch verfrüht zu sein, auf dieser Position eine Baustelle zu eröffnen. Das Innenverteidigerduo Katic / Kryeziu vom Beginn dieser Saison war nicht perfekt, aber gut genug. Gomez im Zentrum zwischen den beiden kann zwar die ein oder andere Situation als “Libero“ ausbügeln, was allerdings auch dem “Stellenprofil“ dieser Position entspricht, welches Katic oder Kryeziu fast genauso gut erfüllen können.
Insgesamt wirkte der FCZ zum Saisonstart in Yverdon mit der Viererkette Gomez / Katic / Kryeziu / Tosic sowohl offensiv wie defensiv besser aufgestellt. Bei Tosic hat man im Gegensatz zu Leidner das Gefühl, dass es wenig braucht, damit er der Mannschaft als Linksverteidiger helfen kann. Als zweite Wahl auf verschiedenen Aussenpositionen kann auf den etwas “wilden“ Rodrigo Conceiçào zurückgegriffen werden. Der schnelle, physisch starke, in der Spieleröffnung gute und mittlerweile fünf Saisonspiele in der Promotion League in den Beinen habende Daniel Denoon kann als Ersatz in der Innenverteidigung fungieren. Neben Leidner reicht es hingegen auch Hodza und Derby-Torschütze Kamberi mit ihrem aktuellen Leistungsniveau nicht, der Mannschaft zu helfen.
4-3-3 passt am besten zum Kader
Im Zentrum war Cheveyo Tsawa vor seiner Gesichtsverletzung bereits mindestens auf Augenhöhe mit Cheick Condé – ein echter Konkurrenzkampf. Falls Condé seine Konstanz nicht wieder findet und gleichzeitig Tsawa die Verletzung mental hinter sich lassen kann, macht ein Wechsel auf dieser Position Sinn. Mohamed Bangoura hat das benötigte Potential, braucht aber noch einige Spiele in der Promotion League, um sich der 1. Mannschaft anzunähern. Jahnoah Markelo ist der aktuelle Senkrechtstarter. Bei seiner aktuellen Form kann man ihn auf der Rechten Seite auf fast jeder Position bringen, auch Aussenläufer – obwohl das nicht seine Idealposition ist. Dylan Munroe spielt auf dem Flügel einen sauberen, kontrolliereten Fussball und ist als Rechter Flügel in einem 4-3-3 eine valable Alternative – im Gegensatz zu Markelo auf anderen Positionen hingegen eher nicht. Emmanuel wiederum macht gemessen an seinen bisherigen Auftritten zur Zeit vorwiegend auf dem Linken Flügel Sinn. Auch Turping und Sabobo können im Moment eigentlich nur als Flügelstürmer auf Super League-Niveau bestehen. Sie sind damit weitere Argumente, die für ein 4-3-3 sprechen. Auch das Herzstück Condé / Mathew / Krasniqi spricht für dieses System.
Spielt der FCZ hingegen weiterhin in einem 3-4-2-1 / 3-4-1-2, ist Junior Ligue sowohl die beste (aber nicht optimale) Wahl für die Linke Aussenläuferposition, als auch gleichzeitig die beste Alternative für Juan José Perea als Mittelstürmer. Nur Ligue ist es zuzutrauen mit seinen wuchtigen nahtlosen Drehungen mit Ball am Linken Fuss sich im Strafraum durchsetzen zu können. Bei Daniel Afriyie ist dies nicht der Fall, Der Ghanaer zeigt defensiv viel Einsatz, hat aber trotz vieler Einsätze seit einem Jahr kein Liga-Tor mehr erzielt. Mit seiner Wendigkeit ebenfalls noch eine gewisse Durchsetzungsfähigkeit im Strafraum kann man Armstrong Oko-Flex attestieren. Falls bei der Rückkehr des verletzten Samuel Ballet immer noch mit Dreierabwehr gespielt wird, würde er als Alternative auf der Mittelstürmerposition für Juan José Perea besser taugen, denn als Aussenläufer.
Wer spielt in Sion?
Für die Auswärtspartie in Sion empfiehlt sich dringend die Rückkehr zur Viererabwehr – am besten in Form des 4-3-3. Personell braucht es auch aufgrund des Ausfalls Marchesanos mit Mathew einen weiteren Teamleader in der Startaufstellung – am besten auf einer Achterposition. Auf der Sechserposition sollte Tsawa den gesperrten Condé ersetzen. Für den ebenfalls gesperrten Perea kommt auf der Mittelstürmerposition am ehesten Junior Ligue in Frage. Mariano Gomez kann je nach System und Konstellation durch Nemanja Tosic, Rodrigo Conceição oder Daniel Denoon ersetzt werden. Der gegen Servette ungenügende Chouiar muss sich wieder steigern.
„Der Trainer ist nicht so wichtig“ ist ein Satz den FCZ-Trainer Ricardo Moniz in den letzten Pressekonferenzen wiederholt geäussert hat. Was steckt dahinter? Bescheidenheit? Koketterie? Oder doch mehr? Die Story lässt sich mit zwei ungleichen Freunden als Protagonisten erzählen: Asterix und Obelix. Zwei Freunde mit der Mission die Römer zu ärgern – und dies als Fussballprofi. Dies gelang ihnen schon mehr als einmal. Im Cupfinal 2018 konnten sie den Römern zu Berna in Unterzahl das Tafelsilber unter der Nase wegschnappen. Und in der Saison 21/22 gelang es ihnen gar, den Cäsarenthron zwischenzeitlich aus der Bundesstadt zu entwenden. Asterix ist in Bellinzona geboren und musste von klein auf die geringere Körpergrösse beim Fussballspielen mit Technik und „Köpfchen“ wettmachen. Über Obelix wird erzählt, er soll als Kind einmal bei Vollmond in den Katzensee gefallen sein und sei in den Monaten danach enorm gewachsen. Er entschied sich dann aber später gegen eine Karriere als Steinstösser am Unspunnenfest, da dieses nur alle zwölf Jahre stattfindet – und er nicht nur Hinkelsteine, sondern auch Fussbälle weit und gleichzeitig präzise schiessen konnte.
Asterix und Obelix erobern Bern
Kennengelernt haben sich Asterix und Obelix aka Antonio Marchesano und Mirlind Kryeziu im Sommer 2015 beim FC Biel. Kryeziu kam als Leihspieler des FCZ vor allem in der Rückrunde zu erster wertvoller Spielzeit im Profibereich. Marchesano „explodierte“ gleich zum Saisonstart mit zehn Toren in den ersten sieben Runden. Sein damaliger Coach Patrick Rahmen beorderte den Mittelfeldspieler weiter nach vorne und liess ihn als 10er oder hängende Sturmspitze auflaufen. Der FC Zürich verpflichtete Marchesano noch vor Ende des Transferfensters, lieh ihn aber für die laufende Saison 15/16 zurück an den FC Biel aus, da man sich auf der Position mit Davide Chiumiento und Oliver Buff vorläufig gut genug aufgestellt sah. Marchesano und der Südkürvler Kryeziu (sowie Benjamin Kololli) wurden in Biel Kumpels – in einer Saison an deren Ende Biel Konkurs ging und der FCZ abstieg.
Nach einer erfolgreichen Challenge League- und Europacup-Saison (nicht gegen Römer, aber immerhin Rumänen) erreichte Marchesano im Alter von 26 Jahren endlich das gelobte Land der Super League. Ähnlich wie in Biel (zurückhängende Spitze im 4-4-2) wurde er von Uli Forte und danach Ludovic Magnin auf der 10er-Position eingesetzt – in der Regel in einem 4-2-3-1. Marchesano hatte in seiner ersten Super League-Saison manchmal noch etwas Mühe, sich an den höheren Rhythmus zu gewöhnen. Seine Züri Live-Note lag damals im Schnitt bei unspektakulären 5,4. In den Wochen vor dem Cupfinal spielte sich dann auch Mirlind Kryeziu in die Mannschaft. Beim Saisonhöhepunkt in Bern standen Kryeziu und Marchesano gemeinsam in der Startformation. Magnin überraschte YB mit der Umstellung auf die Dreierabwehr Thelander / Brunner / Kryeziu, welche er zwei Wochen davor bei einem 4:1-Heimsieg gegen den FC Basel erfolgreich getestet hatte (im letzten Spiel vor dem Cupfinal in Lugano liess Magnin als Ablenkungsmanöver wieder mit Viererabwehr spielen).
Breitenreiter richtet den FCZ an Marchesano aus, Foda nicht
Der Cupfinal 2018 war beim FCZ die Geburtsstunde des 3-4-1-2 Systems mit dem man in der Saison 21/22 sensationell den Meistertitel gewinnen sollte – mit Marchesano natürlich auf der 10er-Position und Kryeziu nun als unbestrittenem Abwehrchef in der Mitte der Dreierabwehr. Schnelles, direktes Spiel durch die Mitte ist der Fussball, welcher Marchesano am meisten liegt, und der den FCZ in jener Saison zum Meister machte. Der Tessiner kann dabei seine Technik, Spielintelligenz und Gedankenschnelligkeit optimal in die Waagschale werfen – und durch die entstehenden Räume im Umschaltspiel geht der 1,68m grosse Tessiner Zweikämpfen gegen schwergewichtigere Gegenspieler aus dem Weg. André Breitenreiter hatte damals vor der Saison das Gespräch mit den Führungsspielern gesucht, um die Spielphilosophie zu besprechen. Wofür dabei Marchesano plädierte, ist nicht schwer zu erahnen. Der Cupfinal 2018 war seine “Blaupause“. Angereichert wurde die Spielweise 21/22 durch Eins-zu-eins Deckung auf dem ganzen Platz in der Defensiven Phase nach dem Vorbild von Atalanta unter ihrem langjährigen Coach Gian Piero Gasperini (und FCZ-Junior Berat Djimsiti als einer der Führungsspieler).
Nach Breitenreiter kam Franco Foda. Die Züri Live-Notenentwicklung zeigt eindeutig, dass es die Teamleader Marchesano, Dzemaili, Brecher und Gnonto waren, deren Leistungsniveau unter Foda in den Keller rasselte. Im ersten Spiel bei YB liess Foda noch im Meister-System spielen. Der FCZ war gut in der Partie, aber Marchesano verschoss einen Penalty. Auch beim Stand von 0:1 war man nahe am Ausgleich dran, bis Foda mit seinen Wechseln zu früh zu viel Risiko nahm, was in einer 0:4-Klatsche endete. Das grosse Thema in der Mannschaft war damals aber die Champions League-Qualifikation. Gegen Qarabag Agdam in Baku begann Foda nochmal mit dem System und der Spielweise aus der Meistersaison. Qarabaq legte viel Energie in die ersten 20 Minuten. Der FCZ wurde überfahren und lag zur Pause 0:2 hinten. Da hatte Foda genug gesehen und wechselte von der Manndeckung im 3-4-1-2 auf Raumdeckung im 3-4-3 – mit Marchesano neu auf der Position rechts im Dreimannsturm. Der FCZ gewann so die 2. Halbzeit mit 2:1 (total nach 90 Minuten: 2:3). Von da an suchte Foda nach einem neuen System: 4-4-2, 3-4-3 und 4-2-3-1 waren die Startformationen der folgenden drei Partien. Marchesano wurde dabei nicht mehr auf seiner Lieblingsposition eingesetzt, und begann manchmal gar auf der Ersatzbank.
Henriksen ist erfolgreich mit Afriyie statt Marchesano auf der 10er-Position
Die Europacup-Resultate unter Foda waren gut, in Meisterschaft und Cup blieben sie aber schlecht. Unter Nachfolger Bo Henriksen änderte sich dies, nicht aber die persönliche Situation von Marchesano. Henriksen setzte Marchesano wie zuvor Kollege Foda als Stürmer ein – oder auf die Bank. Dies änderte sich auch nicht zu Beginn der Saison 23/24. Zwar hatte sich Henriksen nun wieder auf das 3-4-1-2 System aus der Meistersaison festgelegt, aber auf der 10er-Position liess er Daniel Afriyie auflaufen – und dies sehr erfolgreich. Mit einem personell ausgedünnten Kader waren die Resultate im ersten Saisonviertel sogar besser als in der Meistersaison. Gegen den Coach opponieren ging in dieser Situation nicht. Bis zur Winterpause war der FCZ in der Tabelle ganz vorne dabei. Als man aber in den letzten drei Partien vor der Winterpause vom (VAR-)Pech verfolgt wurde und trotz guten Leistungen gegen Luzern, in Winterthur und in St. Gallen insgesamt nur einen Punkt ergatterte, wurde es sofort unruhig. Marchesanos (und Kryezius) ehemaliger Berater Milos Malenovic reagierte als Sportchef öffentlich ziemlich heftig auf die unglücklich verlaufene Woche.
Der Start in die Rückrunde misslang, Henriksen kam in der Bundesliga unter und das Duo Murat Ural / Umberto Romano übernahm. Es folgten Wochen des Pröbelns mit unterschiedlichen Systemen. Zu Beginn lag der Fokus auf einer offensiven Spielweise und viel Goodwill für eigene Talente im Sinne von Murat Ural. Nach einem 2:2 zu Hause gegen Stade Lausanne-Ouchy setzte man dann aber stärker auf defensive Absicherung und Routiniers – was eher der Ausrichtung von Umberto Romano entspricht. Und nun sind wir in der Story bei Ricardo Moniz angelangt. In den letzten fünf Partien der alten und den ersten Wochen der neuen Saison switchte der Holländer zwischen dem Rhombus-System (4-1-2-1-2) und dem 4-3-3 hin und her. Häufig liess er sein Team im einen System beginnen – und während der Partie ins andere wechseln.
Das Holländische 4-3-3 ist auch New School
Als „Alter Holländer“ liegt Moniz natürlich das 4-3-3 am nächsten. Noch bis vor etwa zwei Jahren haben in der Eredivisie ausnahmslos alle Mannschaften so gespielt. Popularisiert wurde dieses System in den 70er-Jahren durch Johan Cruyffs Ajax und das Niederländische Nationalteam (als „besseres Team“ zwei Mal WM-Final Verlierer) in Kombination mit den Prinzipien des Total Voetbal (“Totaler Fussball“). Den Totalen Fussball verstanden im Rest Europas nicht alle, aber das 4-3-3 mit dem typischen Flügelspiel wurde auch in der Schweiz bis Ende der 80er-Jahre zur vorherrschenden Spielweise sowohl bei den Profis wie auch Amateuren und Junioren. Bis es hierzulande vom aus Schweden importierten 4-4-2 und der damals neuen Pressing-Philosophie inklusive Offsidefalle mit Protagonisten wie Sacchi, Hitzfeld oder Fringer abgelöst wurde.
Bevor das 4-3-3 aber aussterben konnte, exportierte es Cruyff als Trainer nach Barcelona. Dessen ehemaliger Spieler Pep Guardiola führte dann den vom ersten FCZ-Captain Hans „Joan“ Gamper gegründeten Klub in einem revitalisierten und modernisierten 4-3-3 mit Weltklasse-Talenten aus der eigenen Jugend zu neuen Höhenflügen. Ricardo Moniz redet zwar im Zusammenhang mit dem 4-3-3 von „Old School“, aber ausgedient hat dieses System noch lange nicht. Bis vor etwa vier Jahren spielten die Juniorenauswahlen des Schweizerischen Fussballverbandes und die meisten Spitzenjuniorenteams der Schweizer Klubs fast ausschliesslich mit diesem System. Dies einerseits inspiriert durch die Erfolge des Spanischen Nationalteams, andererseits aber auch da es als besonders ausbildungsfreundlich galt. Ausserdem passte es zum damaligen Talentpool und den Selektionskriterien, die eher kleine, technisch gut entwickelte Talente favorisierte. Bei Juniorenländerspielen waren die Schweizer regelmässig im Schnitt einen halben Kopf kleiner als viele europäische Gegner. Alain Geiger führte Servette im 4-3-3 zurück in die Super League und in die erweiterte Liga-Spitze. Der aktuell von vielen als heissester Meisterkandidat gehandelte FC Lugano spielt mit einer von der Körpergrösse her eher kleinen Mannschaft ebenfalls im 4-3-3. Und Jürgen Klopp’s Liverpool hat jahrelang bewiesen, dass man im 4-3-3 auch ein sehr effektives Pressing aufziehen kann.
Das grosse Dilemma des Ricardo Moniz
Als „Old School“ im positiven Sinne empfindet Moniz das Spiel über die Seiten und die Eins-gegen-Eins Situationen Flügel gegen Aussenverteidiger. Das sind Fussballprinzipien, die in Holland mehr als eine Philosophie sind. Es handelt sich eher um ein Glaubensbekenntnis der „Jünger Cruyffs“, das von Generation zu Generation weitergegeben wird. Das Oranje-Team wird dabei nicht nur als Repräsentant eines Landes, sondern fast noch mehr einer bestimmten Art von Fussball gesehen. Erdreistet sich ein Nationaltrainer davon abzuweichen, ist die Kritik riesengross. Vor diesem Hintergrund stellt sich die offensichtliche Frage, warum Ricardo Moniz beim FCZ nicht von Anfang an ausschliesslich aufs 4-3-3 gesetzt hat – und nun sogar davon abgekommen ist.
Den einen Grund hat er immer wieder erwähnt. Wenn man zwei Spieler für die offensiven Flügelpositionen opfert, die man auch zentraler einsetzen könnte, dann müssen diese Spieler die Qualität haben, sich häufig genug in Eins-gegen-eins Situationen durchsetzen können. Sonst geht die Rechnung unter dem Strich nicht auf. Positive News für Moniz: der FCZ hat im Juniorenbereich mittlerweile so viele starke Flügel und Eins-gegen-Eins Spieler wie wohl noch nie. Allerdings sind diese alle zwischen 15 und 17 Jahre alt und noch nicht ganz ready für das Profiteam. Einer von ihnen, der 15-jährige Dylan Munroe, wurde mittlerweile auf der FCZ-Webpage wieder von der Kaderliste der 1. Mannschaft gestrichen. Von den Flügel-Auftritten eines Oko-Flex, Emmanuel oder Chouiar zu Beginn der Saison war Moniz offenbar nur mässig begeistert, obwohl sie eigentlich nicht schlecht waren. Seine Erwartungshaltung scheint in diesem Bereich speziell hoch zu sein.
Das zweite Problem heisst Marchesano: im 4-3-3 gibt es seine Lieblingsposition der „Nr. 10“ nicht. Und damit sind wir wieder bei der anfänglichen Aussage von Ricardo Moniz: „Der Trainer ist nicht so wichtig“. Letztendlich entscheiden häufig die Profile, Qualitäten und Vorlieben der Schlüsselspieler wie gespielt wird – und nicht der Trainer.
Umstellung auf ein System ohne Flügel ausgerechnet mit der Ankunft von Ballet
Nach der schlechten 1. Halbzeit gegen Luzern mit Okita und Ligue auf den Flügeln sowie den sich nicht im Rhythmus befindlichen Denoon und Tosic als Aussenverteidiger fiel offenbar die Entscheidung zur Rückkehr zur Dreierabwehr. Obwohl das Problem beim Personal und nicht beim System lag. Mit dem sich vor allem als Pressing-System eignenden Rhombus hatte der FCZ zu Beginn der Saison mit schnellen Umschaltsituationen gegen Yverdon und Shelbourne „zu Null“ gewonnen. In Bern gegen YB erreichte man mit diesem System ein 2:2, worauf Moniz auch zu Hause gegen Vitoria Guimaraes auf das 4-1-2-1-2 setzte. Die Portugiesen waren aber in den meisten Belangen schlicht die bessere Mannschaft. Ob man mit einem anderen System da mehr hätte ausrichten können, ist fraglich. Der wichtigste Vorteil des FCZ wurde vom Schiedsrichter beschnitten, weil dieser bei den vielen taktischen Fouls der Gäste gegen den immer wieder entwischenden Emmanuel die Gelbe Karte jeweils in der Tasche stecken liess, wodurch dieser seine Schnelligkeitsvorteile nicht ausspielen konnte. In der Schlussphase nahm Moniz dann mit dem 4-2-4 zu viel Risiko, was zum schnell aufeinanderfolgenden 0:2 und 0:3 führte.
Ausgerechnet zeitgleich mit der Ankunft des Flügelspielers Samuel Ballet stellte man auf das Cup-Spiel in Le Locle hin auf Dreierabwehr um. Einzelne Schweizer Fussballjournalisten vertraten zuletzt die Meinung, dass beispielsweise ein 3-4-3 eigentlich gut für Flügelspieler sei, da mehr Seitenpositionen zur Verfügung stünden, auf denen diese eingesetzt werden könnten. Dies ist falsch. Die äusseren Stürmer in einem 3-4-3 spielen nicht auf dem Flügel (Aussenbahn), sondern auf den Halbpositionen. Dies verlangt nach einem anderen Stürmertyp – wobei es natürlich auch Stürmer gibt, die beides spielen können. In einem 3-4-3 spielen vorne eher drei „Mittelstürmer“ oder allenfalls „Halbstürmer“ – keine „Flügel“. Armstrong Oko-Flex oder Jonathan Okita sind allerdings sowieso eher für die Halbpositionen als für den Flügel geeignet. Samuel Ballet hingegen ist ein typischer Flügel.
Bizarrer Widerspruch: System auf die Mitte ausgerichtet, Spielweise auf die Seiten
Die sich daraus ergebende Situation wirkt bizarr. Im Gegensatz zu Foda und Henriksen hat Moniz nun sowohl das System wieder auf Marchesano ausgerichtet, als auch diesen als unbestrittenen Stammspieler auf der 10er-Position etabliert. Gleichzeitig redet er aber von Flügelspiel und Eins-gegen-Eins Situationen auf der Seite. Dabei bedeuten Dreierabwehr und Marchesano in einer zentralen Rolle beides zwingend, dass durch die Mitte gespielt werden muss. Dort findet man die Überzahlsituationen – bei insgesamt acht Feldspielern im Zentrum und auf den Halbpositionen – und nur je einem auf den beiden Aussenbahnen. Im Meisterteam sind selbst die Aussenläufer Boranijasevic und Guerrero in der Offensiven Phase mit ihren Diagonalläufen in die Mitte vor den gegnerischen Strafraum gezogen. Mit nur je einem Aussenspieler hingegen regelmässig an die Grundlinie kommen zu wollen, klingt nicht logisch und erfolgsversprechend. An der Pressekonferenz vor dem Derby nannte Moniz Vorbilder wie Marcelo, Roberto Carlos oder Jordi Alba. Das waren aber alles leichtgewichtige Aussenverteidiger mit viel Ausdauer, die aus einer Viererabwehr mit Flügelspielern davor agierten. Eine völlig andere Ausgangslage als die kräftigen Ballet und Ligue alleine auf der Aussenbahn. Man scheint die Quadratur des Kreises anzustreben.
Schnelligkeit ist immer ein Plus, aber Aussenläufer benötigen vor allem Ausdauer. Optimalerweise sollte ein Aussenläufer in einem System mit Dreierabwehr daher ein Leichtgewicht sein, mit einem Körperbau, der in Richtung eines Langstreckenläufers tendiert – wie bei einem Alejandro Grimaldo, Jeremie Frimpong, Adrian Guerrero, Rodrigo Conceição oder Doron Leidner. Ein kräftig gebauter Junge wie Samuel Ballet stösst hingegen bei dem Laufvermögen, welches auf dieser Position verlangt wird, an seine Grenzen. Sein Einsatzwille ist formidabel, aber damit allein schafft man es auf Dauer nicht.
Junior Ligue scheint die Position zumindest von seiner Spielanlage her besser zu passen. Er hat auch schon in einzelnen Spielen bei den Junioren oder Testpartien mit der 1. Mannschaft unter Bo Henriksen auf dieser Position gespielt und gezeigt, dass er es kann. Die Ausdauerfrage stellt sich letztlich aber wohl auch bei ihm. Das Problem mit Conceição oder Leidner wiederum ist, dass sie zwar sehr gut auf diese Position passen würden, leistungsmässig diese Saison bisher aber noch keinen vertrauenswürdigen Eindruck hinterlassen haben – auch wenn Leidner zuletzt etwas Aufwärtstendenz zeigte. Stattdessen sieht Moniz Emmanuel weiterhin als Alternative auf links, obwohl dies aufgrund dessen taktischer Unbedarftheit in St. Gallen kolossal schief gelaufen ist.
Vier Handlungsoptionen für den FC Zürich
Das treffende Bild für den inneren Widerspruch der aktuellen Taktik und Spielweise des FC Zürich sind ein Samuel Ballet und ein Junior Ligue, die in St. Gallen ganz auf sich allein gestellt gegen einen doppelnden Gegner über die Seiten immer und immer wieder erfolglos durchzukommen versuchen. Moniz ist 60 Jahre alt, hat aber in seiner ganzen Trainerkarriere noch nie mit Dreierabwehr spielen lassen. „Ein Abenteuer“ nennt er dies. Seine Mannschaft scheint personell und auch vom Team-Spirit her in einem guten Zustand zu sein. Um so mehr wäre es schade, wenn man sich im taktischen Bereich unnötig selbst Knüppel zwischen die Beine werfen würde. Dabei gäbe es durchaus mehrere stimmige Handlungsoptionen.
Variante A: Der FCZ setzt in der 1. Mannschaft voll auf 4-3-3 und Flügelspiel, der Wunschtraum von Moniz
Vorteil: Es ist das klassische System für den dominanten Fussball, den man spielen möchte. Das 4-3-3 steht für mutigen Fussball. Man hat speziell nach der Verpflichtung von Samuel Ballet auch die Spieler dafür, im Nachwuchs sowieso.
Nachteil: Für die formstarken (und einflussreichen) Marchesano und Chouiar ist es nicht das ideale System. Und es ist eine Abkehr vom Erfolgsrezept der letzten beiden Titel (Cupsieg 2018, Meistertitel 2022).
Variante B: Zurück zum Meistersystem mit Dreierabwehr und direktem Umschaltspiel durch die Mitte mit aller Konsequenz
Vorteil: Es hat 21/22 funktioniert und die Schlüsselspieler sind weitgehend dieselben. Das Kader ist zudem eher noch etwas besser besetzt als damals. Ideal auf Marchesano ausgerichtet.
Nachteil: Entspricht nicht der neuen Vereinsphilosophie und den Vorlieben von Trainer Moniz. Wenig passende Spieler für die Aussenpositionen und diese (Conceição, Leidner) wirken bei weitem nicht so verlässlich, wie es Boranijasevic und Guerrero waren.
Variante C: Wie bei Variante B Dreierabwehr und Spiel durch die Mitte, aber mit kontrolliertem Spielaufbau analog Bayer Leverkusen (Alonso) oder Schweizer Nationalmannschaft (Yakin)
Vorteil: Man kann das 3-4-2-1 auf das man eben gerade umgestellt hat, beibehalten – und dank der darin enthaltenen “Box“ im Zentrum trotzdem dominant auftreten.
Nachteil: Es braucht Zeit, um die Abläufe zu erarbeiten. Möglicherweise würden aktuell wichtige Spieler wie Marchesano oder Condé nicht optimal zu dieser Spielweise passen. Aussenläuferproblem analog Variante B.
Variante D: 4-2-3-1 als Kompromiss
Vorteil: Man kann mit je zwei Spielern auf der Aussenbahn spielen und gleichzeitig Marchesano auf der 10er-Position einsetzen – wie früher unter Forte und Magnin.
Nachteil: Ein eher “fauler“ Kompromiss. Tendenziell ein konservatives System, nicht ideal für dominanten Fussball. Zudem möglicherweise kein Platz für Chouiar.
Quo vadis FCZ? Die Formation vorne mit der Doppel-10 Marchesano / Chouiar und der Spitze Perea passt zu diesen Spielern, die aktuell aufgrund ihres Formstandes zu Recht den Offensivstamm bilden. Auch hat man mit dem neuen System trotz aller Ungereimtheiten in Basel überzeugend gewonnen und in St. Gallen in einem hochstehenden Duell in den ersten drei Vierteln der Partie gut bis sehr gut gespielt. Unmittelbar vor dem 2:1 des FCSG hatte der FCZ selbst eine Grosschance und diese Führung wäre verdient gewesen. Letztendlich entschieden der für einmal schlechte Auftritt Krasniqis und die Fehlbesetzung des taktisch noch unbedarften Emmanuels als Linker Aussenläufer die Partie. Beim Heimspiel gegen Sion lief daraufhin beim FCZ nicht viel zusammen und der 1:0-Sieg war glücklich – gegen Lugano konnte sich das Team wieder etwas steigern.
Profis hinken vereinsintern hinterher
Insgesamt hinkt die 1. Mannschaft vereinsintern in der Entwicklung hin zur neuen Philosophie noch etwas hinterher. Natürlich ist es bei den Junioren und Frauen einfacher eine neue Philosophie rascher konsequent umzusetzen, weil diese viel weniger unter öffentlicher Beobachtung stehen und kaum Feedback auf zwischenzeitlich schlechte Resultate erhalten. Auch bewegt sich die Konkurrenz auf einem tieferen Level. Um in der (Männer-)Super League erfolgreich bestehen zu können, muss jedes Detail stimmen. In der Anfangsphase in St. Gallen hatte der FCZ trotzdem bereits eine Ball- und Spielkontrolle wie man sie in der Super League selten sieht. Der Ausgleich zum 1:1 war Ausdruck davon, während das Gegentor kurz davor etwas aus dem Nichts fiel. Bayer Leverkusen und die Schweizer Nationalmannschaft zeigen, dass man in einem System mit Dreierabwehr durchaus die gewünschte Dominanz im Spiel entwickeln kann. Aber man muss dafür definitiv mehr durch die Mitte spielen, als dies der FCZ aktuell tut. Die Bilder eines Samuel Ballet, der in St. Gallen auf der Seite immer wieder gedoppelt wird und in der Schlussphase des Sion-Spiels nach Luft schnappt, sprechen Bände.
Nicht verschwiegen werden soll, dass es grundsätzlich in der heutigen Welt des Fussballs auch einen Pep Guardiola gibt, der mit Manchester City seit Jahren vorwiegend ein 3-2-5 oder 2-3 -5 praktiziert. Vincent Kompany lässt Bayern in einem 2-4-4 angreifen und Fabian Hürzeler Brighton in einer Art 3-1-6. Ricardo Moniz redet im Zusammenhang mit seinem Team auch häufig von einem 3-2-5. Die angesprochenen Teams schaffen es, sich über weite Strecken einer Partie in der gegnerischen Platzhälfte aufzuhalten. Es ist Ausdruck einer personellen und taktischen Exzellenz, die mit auf Super League-Niveau tätigen Spielern und Trainern schwierig umzusetzen ist – umso mehr wenn es in der Liga mehrere Klubs mit deutlich mehr finanziellen Mitteln gibt.
Dem FC Zürich gelingt 24/25 zum dritten Mal in den letzten vier Saisons ein hervorragender Saisonstart. Mit 18 Punkten aus den ersten neun Runden hat das Team einen Punkt weniger auf dem Konto als zum gleichen Zeitpunkt vor einem Jahr. Gleichzeitig ist es ein Punkt mehr als 21/22, als man den Meistertitel vor allem durch Topleistungen im zweiten und dritten Saisonviertel, also im Winterhalbjahr, nach Zürich holen konnte. Letzte Saison hatte man den Eindruck, dass die Mannschaft in den ersten Monaten (keine Niederlage bis Anfang November) am oberen Rand ihrer Möglichkeiten performte:
viele Standardtore
treffsichere Offensivspieler Marchesano und Okita
ein Fabio Daprelà, der in dieser Phase so lange es gesundheitlich ging der Mannschaft mit seiner italienisch geprägten Verteidigungsleidenschaft helfen konnte
Daniel Afriyie traf doppelt gegen Lugano, überzeugte als Stammspieler aber vor allem mit seiner Defensivarbeit als Manndecker des gegnerischen Sechsers
Trotz dünner Personaldecke lag vor einem Jahr sogar eine makellose Bilanz in den ersten neun Spielen im Bereich des Möglichen – fragwürdige Schiedsrichter- / VAR-Entscheide gegen St. Gallen und in Genf, sowie ein Last Minute-Gegentreffer in Basel und -Big Save von Letica gegen Wallner in Lausanne führten zu Unentschieden in den vier Partien, die man gut und gerne ebenfalls hätte gewinnen können. Und vor der Winterpause war man mit nur einem Punkt aus den erfreulichen Auftritten gegen Luzern, in Winterthur und in St. Gallen schlecht bedient. Letztendlich wäre es aber mit dem letztjährigen Kader eine riesige Sensation gewesen, über eine ganze Saison hinweg vorne in der Tabelle mitreden zu können.
Gomez überzeugt als Rechtsverteidiger mehr denn als Abwehrchef
Diese Saison sind die personellen Voraussetzungen vorteilhafter. Mit Juan José Perea hat man den ersten echten Mittelstürmer seit Assan Ceesay, der regelmässig trifft. Fernand Gouré und Labinot Bajrami wären zudem gute Alternativen, kommen zur Zeit aber wegen Verletzung / Leihe nicht in Betracht. Die Verteidigungsreihe wurde ebenfalls gestärkt. Mirlind Kryeziu bringt konstant gute Leistungen und der Fitnessstand und damit auch die Auftritte von Nikola Katic haben sich im Vergleich zur letzten Saison deutlich verbessert. Eine Viererreihe zusammen mit den beiden Neuverpflichtungen Mariano Gomez und Nemanja Tosic auf den Aussenpositionen wie beim Startspiel in Yverdon wäre ein Abwehrblock, der den Mittelfeldspielern und Stürmern mehr offensive Entfaltung ermöglichen und gleichzeitig bei Standards im gegnerischen Strafraum eine grosse Gefahr für den Gegner darstellen würde.
Tosic musste allerdings schon im ersten Saisonspiel verletzungsbedingt ausgewechselt werden und ist bis heute noch nicht richtig in der Saison angekommen. Gomez hat als Rechtsverteidiger gute bis sehr gute Leistungen erbracht. Aufgrund seiner Schnelligkeit stellte ihn Ricardo Moniz zuletzt auf die zentrale Position in der Dreierabwehr. Diese Rolle liegt ihm bisher aber weniger gut. Gomez scheint zumindest auf den ersten Blick dann am stärksten zu sein, wenn er sich voll auf seine Zweikämpfe, Laufduelle und Zuspiele fokussieren kann, und nicht noch zusätzlich die Abwehr als Ganzes im Blick halten und ordnen muss. Silvan Wallner ist für die eigentlich auf der LInksverteidiger-Position vorgesehenen Tosic und Leidner eingesprungen und entwickelte dabei erstmals im Dress der 1. Mannschaft eine gewisse Konstanz. Damit verdiente er sich seinen Wechsel zu Blau-Weiss Linz, wo er zuletzt bei der Partie bei WSG Tirol bereits erstmals in der Startformation stand. Lindrit Kamberi hingegen kommt bisher weniger zum Zug als letzte Saison und überzeugt dabei jeweils auch nicht in einer Weise, dass ihn Ricardo Moniz zwingend häufiger einsetzen müsste.
Chouiar: viele Torbeteiligungen und effektive Defensivaktionen
Im Mittelfeldzentrum sieht die personelle Situation ebenfalls gut aus, wobei mit dem 27-jährigen Ifeanyi Mathew und dem 17-jährigen Cheveyo Tsawa der Älteste und der Jüngste die grösste Konstanz aufweisen. Tsawa ist nach seiner Gesichtsverletzung auf dem Weg zurück. Der Sohn des ehemaligen FCZ-Spielers, erfolgreichen FCZ Frauen-Coaches und heutigen Athletiktrainers Dorjee Tsawa spielt einen erstaunlich reifen Fussball, ist zweikampfstark, spielintelligent, hat zudem eine gute Technik und ist mit Distanzschüssen auch offensiv gefährlich. Er wirkt wie ein Spieler auf den man sofort bauen könnte. Mathew und Bledian Krasniqi waren in den letzten Wochen die Optionen des Trainers für die Position neben dem gesetzten Cheick Condé. Krasniqi hatte in St. Gallen, wo er normalerweise seine besten Leistungen abzurufen pflegt, Ende September einen völlig verpatzten Einsatz in der 2. Halbzeit. Condé wiederum schien lange nicht 100% fokussiert in die Partien zu gehen. Zwei Tage nach Schliessung des internationalen Transferfensters stand gegen den FC Luzern dann aber plötzlich wieder der Cheick Condé seiner besten Tage auf dem Platz. Seit diesem Spiel ist er wieder zu einem wichtigen Stabilitätsfaktor geworden – und war auch beim 2:0-Sieg in Basel der beste Mann im FCZ-Trikot. Noch nicht zu einem Wettbewerbseinsatz mit der 1. Mannschaft kam bisher der wie Condé aus Conakry (Guinea) stammende Mohamed Bangoura (18), der zudem ein ähnlicher Spielertyp ist, und im Frühling am Blue Stars / FIFA Youth Cup im FCZ U19-Team für gut befunden worden war. Bei seinem Promotion League-Début flog er Mitte September gegen den FC Baden nach 38 Minuten mit Gelb-Rot vom Platz. Seither folgten vier weitere Einsätze in der U21.
In der Meistersaison waren Antonio Marchesano und Assan Ceesay die Offensivtrümpfe des FC Zürich, bei der starken ersten Saisonhälfte vor einem Jahr das Duo Marchesano / Okita – nun sind es Marchesano und Perea. Das Muster ist erkennbar: Marchesano gut – FCZ gut. Dazu kommt mit Mounir Chouiar nun aber noch ein dritter Mann. Die elf Torbeteiligungen des Franzosen sind aktuell der Spitzenwert im Kader. Unter mehreren Standardspezialisten ist Chouiar im Moment die Nr. 1. Seine Eckbälle und Freistösse sind häufig hervorragend geschlagen. Der von Ludogorets Razgrad ausgeliehene 25-jährige ist spielerisch stark, darüber hinaus aber auch handlungsschnell und mit einem soliden Support in der Defensivphase. Beides im Gegensatz zu manchem früher vom FCZ verpflichteten Spieler vom Typus “Techniker‘ wie Ole Selnaes, Mimoun Mahi, Moritz Leitner, Ante Coric, Denis Popovic, Gregory Sertic oder Benjamin Kololli. Während Marchesano zu Beginn der Saison teilweise auch in einer Doppelspitze eingesetzt worden war, spielt der FCZ aktuell mit Marchesano / Chouiar als Doppel-10 auf den Halbpositionen und Perea als einzige Spitze, die sich flexibel in der ganzen gegnerischen Platzhälfte bewegt.
Ligue als Linker Aussenläufer? Keine neue Idee
Durch die Verletzung von Gouré und die Leihe Bajramis nach Winterthur sind aktuell Daniel Afriyie und Umeh Emmanuel die Alternativen für Perea. Der 23-jährige Ghanaer Afriyie schiesst aber bisher keine Tore und der 20-jährige Nigerianer Emmanuel ist ein anderer Stürmertyp. Marchesano sprüht vor Tatendrang. Sein Notenschnitt bewegt sich konstant auf hohem Niveau zwischen 7 und 9. Die Alternativen für Marchesano und Chouiar auf den Halbpositionen (Doppel-10) sind neben Bledian Krasniqi Nevio Di Giusto, Joseph Sabobo, Jonathan Okita und Armstrong Oko-Flex. Di Giusto hatte bisher durchwegs vielversprechende Teileinsätze, sich aber gegen Sion scheinbar ohne Fremdeinwirkung wieder verletzt. Okita fiel nach anfänglich ansprechenden Leistungen zuletzt wieder ins gleiche Fahrwasser wie bei den wenig erbaulichen Auftritten der vergangenen Rückrunde. Der 18-jährige Sambier Joseph Sabobo wiederum scheint noch nicht bereit für die Liga zu sein. Eine baldige Leihe in die Challenge League oder eine vergleichbare Liga wäre bei ihm sicherlich angebracht.
Zu Beginn der Saison trat der FCZ vorwiegend mit Viererabwehr an. Mariano Gomez (rechts) und Silvan Wallner (links) zeigten dabei gute Leistungen. Lindrit Kamberi ist hingegen ausser Form und Daniel Denoon wurde nach einer längeren Verletzungspause und ohne echte Promotion League-Spielpraxis in der Super League gegen Luzern ins kalte Wasser geworfen, was schief ging. Die dedizierten Linksverteidiger Nemanja Tosic und Dorin Leidner hatten ebenfalls mit Problemen zu kämpfen. Mittlerweile wurde das System auf Dreierabwehr umgestellt. Das Stammduo auf der Aussenläufer-Position sind innert kurzer Zeit Neuverpflichtung Samuel Ballet (rechts) und Eigengewächs Junior LIgue (links) geworden. Ballet füllt diese Rolle bisher dank seiner mittlerweile gewonnenen Reife zufriedenstellend aus. Der gelernte Stürmer Ligue macht sich als LInker Aussenläufer ebenfalls gut. Er hat auf dieser Position in der Vergangenheit bereits bei den Junioren (unter anderem am Blue Stars / FIFA Youth Cup 2022) und bei Testspielen mit der 1. Mannschaft unter Bo Henriksen Erfahrungen gesammelt. Die Idee, dass die Zukunft von Ligue möglicherweise auf dieser Position liegen könnte, existiert beim FCZ also schon seit mehreren Jahren. Ein Beispiel für einen solchen Prozess aus der Vergangenheit ist der FCZ-Junior Miro Muheim, der ursprünglich im Offensiven Mittelfeld spielte. Als er von Chelsea zum FCZ zurück wechselte und zum Linksverteidiger umfunktioniert werden sollte, sträubte sich Muheim erst dagegen. Als dann aber sein nächster Verein FC St. Gallen ihm diesen Positionswechsel ebenfalls nahelegte, willigte er ein.
Brecher noch unter dem Leistungsniveau von 23/24
Doron Leidner als Alternative auf der Linken Seite war zu Beginn der Saison überfordert. Der 22-jährige Israeli hat sich zuletzt zwar etwas verbessert präsentiert, strahlt aber weniger Ballsicherheit aus als der drei Jahre jüngere Ligue, welcher zudem physische Vorteile mitbringt. Nemanja Tosic ist eher ein Linksverteidiger in einer Vierer- oder Innenverteidiger in einer Dreierabwehr als ein Aussenläufer. Rodrigo Conceição wirkt in seinen Auftritten nicht solide und verlässlich. Der jeweilige Gegner bekommt sofort Aufwind auf seiner Seite, wenn der Portugiese eingewechselt wird. Selmin Hodza hat schon bewiesen, dass er mithelfen kann, Druck zu machen, wenn in einer Schlussphase ein Rückstand aufgeholt werden soll. Um ein Kandidat für die Startaufstellung zu werden, müsste er aber mehr Konstanz an den Tag legen – nicht zuletzt bei seinen Einsätzen in der Promotion League. Im Tor zeigte sich Zivko Kostadinovic im Vergleich zu seinen Cup-Auftritten der letzten Jahre verbessert – fokussiert und sicher. So machte er in Le Locle unter anderem eine Topchance Christophe Mokranis zunichte. Yanick Brecher wiederum gehört zu den wenigen Spielern beim FCZ, die in der laufenden Saison bisher unter der letztjährigen Form spielen. Allerdings gab es bei ihm in den letzten Partien eine Aufwärtstendenz und zuletzt gegen den FC Lugano war Brecher erstmals diese Saison Züri Live-MVP.
Der FC Zürich trifft in der 2. Runde des Schweizer Cups 24/25 auswärts im Kanton Neuenburg auf den FC Le Communal Sport Le Locle. Die Partie wird von Züri Live am Samstagabend ab 18:20 live übertragen.
Die letzten Jahre seit dem Finalsieg 2018 gegen den damaligen neuen Schweizer Meister YB in Bern sind für den FCZ im Schweizer Cup nicht mehr erfolgreich verlaufen. Sogar in der Abstiegssaison 15/16 hatte man mit vier Siegen gegen Super League-Gegner den Titel verdient gewonnen. In der Meistersaison 21/22 schied man hingegen gegen das damals unterklassige Yverdon Sport aus.
Le Locles Nachbarstadt La Chaux-de-Fonds ist die grösste Schweizer Stadt mit einem Zentrum im amerikanischen Stil nach Schachbrettmuster strukturiert, wobei ein „Schachfeld“ auch Block genannt wird. Der FC Le Communal Sport Le Locle ist das New Kid On The Block im Schweizer Fussball und hat in den letzten Jahren den wohl steilsten Aufstieg von der Gründung bis an die 2. Liga-Spitze und 2. Runde Schweizer Cup nach Sieg gegen den Erstligisten Prishtina Bern hingelegt. Auf Mittelstürmer Couasnon sollte der FCZ sicherlich ein Auge haben.
Beim FCZ scheint diesmal Yanick Brecher nicht in der Startformation zu stehen. Aus der U21 könnten Spieler wie Vukelic, Eraslan, Denoon, Huber oder Turping um Einsatz kommen. Samuel Ballet könnte zudem zu seinem Début kommen.