Halbzeitanalyse 21/22

Der Klassenerhalt des FCZ ist bereits zur Winterpause so gut wie gesichert! Eine höhere Punktzahl zu diesem Zeitpunkt der Saison hatte der Stadtclub letztmals vor 13 Jahren unter Trainer Bernard Challandes gesammelt! Und ist am Ende jener Saison mit einem Aegerter, „Tico“ Okonkwo, Abdi, Leoni, Tihinen und Djuric auf dem Platz tatsächlich nicht abgestiegen! Erklärungen für die ersten 18 Runden wurden in den letzten Tagen in allen sich mit der Super League befassenden Medien (und auch in einigen, die dies normalerweise nicht tun) gesucht und gefunden. Trainer Breitenreiter habe „fast jeden Spieler besser gemacht“. Der FCZ spiele den „schönsten und erfolgreichsten“ Fussball, „mutig, offensiv, mit viel Drang zum Tor“, die Spiele seien „ein Spektakel“. Die Jungs hätten einen „super Team-Spirit“. Assan Ceesay oder Mirlind Kryeziu hätten eine fast schon „wundersame Wandlung“ genommen. Der Kader sei ausbalanciert und die individuelle Qualität „so gross wie schon lange nicht mehr“.

Was davon stimmt tendenziell? Was nicht? Was muss man relativieren? Und vor allem: welche Gründe wurden vergessen? Zum Start der Halbzeitanalyse nennen wir die aus unserer Gesamtsicht wichtigsten Erfolgsfaktoren der FCZ-Vorrunde. In den kommenden Tagen und Wochen werden wir mit Hilfe von Zahlen und Analysen unsere Einschätzungen und diejenigen der anderen Medien überprüfen und zusätzliche Erkenntnisse zu gewinnen versuchen.

1. Physis

Dieser Punkt wurde in keinem anderen Medium genannt, ist aus Züri Live-Sicht aber der wichtigste Fortschritt im Vergleich zu den letzten Saisons. Mehrere FCZ-Schlüsselspieler sind auf einem physisch deutlich besseren Niveau als noch in der Saison davor. „Marche sano in corpore sano!“ möchte man da ausrufen. Am augenfälligsten sieht man dies bei Assan Ceesay. Viele dachten, der Gambische Stürmer habe einen „Holzfuss“, wenn er wieder mal zehn Meter am Tor vorbeigeschossen hat. Dem ist aber nicht so. Mit einem „Holzfuss“ schiesst man üblicherweise einen Meter daneben, nicht zehn. Ceesay hat grundsätzlich ein gutes Ballgefühl in beiden Füssen. Seine Probleme waren nicht feinmotorisch, sondern grobmotorisch. Es fehlte die Rumpfstabilität und damit die optimale Koordination seiner grossen Bewegungen. Bereits mit einer leichten Berührung konnte man ihn zudem jeweils aus dem Gleichgewicht bringen. Neuerdings wirkt Ceesay wie ein echter Athlet. Die verbesserte körperliche Stabilität hat insbesondere seine Präzision im Passspiel und Abschluss innert kurzer Zeit stark verbessert.

Zweites Beispiel: Adrian Guerrero. Auch der Neuzugang hat sich im physischen Bereich im Vergleich zu seiner Saison bei Lugano enorm verbessert. Seine spielerischen Qualitäten und guten Standards waren schon im Tessin ersichtlich, aber er verlor letzte Saison noch so gut wie jeden Zweikampf. Nun kann der Spanier nicht mehr so einfach zur Seite gedrückt werden und seine Laufleistung nicht nur vorwärts, sondern vor allem auch im Umschalten in die Defensive ist bisher phänomenal. Drittens: Mirlind Kryeziu. Aus physischen Gründen hatte er in der Vergangenheit immer wieder grosse Leistungsschwankungen gehabt. In den letzten sechs Monaten wirkte er erstmals in jedem Spiel topfit und seine Leistungen waren somit sehr konstant.

Etwas erstaunlich sind diese eklatanten Verbesserungen weil es im FCZ-Staff abgesehen von Trainer und Assistent keine wesentlichen Änderungen gegeben hat. Clichés erweisen sich halt eben doch manchmal als wahr. So das Cliché von den typisch deutschen Tugenden. Den stärkeren Fokus auf Physis und stabile Defensive kann man nicht nur im Breitenreiter-Team, sondern auch bei den ebenfalls von einer deutschen Trainerin gecoachten FCZ Frauen-Mannschaft beobachten. Schweizer Trainer und Ausbildner gewichten diesen Aspekt traditionell weniger stark – ganz speziell Trainertypen wie Ludovic Magnin oder Fabio Celestini. Was passiert, wenn man diese Faktoren zu sehr ausser acht lässt, sieht man aktuell beim FC Luzern, welcher in den letzten Monaten in Sachen Wucht und physische Präsenz eine gegenläufige Entwicklung zum FCZ genommen hat und nun mit dem Trainerwechsel diesbezüglich das Ruder wieder herumreissen will. Man kann auch zu viel davon haben, aber nach den letzten Jahren hat dem FCZ dieses „deutsche“ Element auf jeden Fall schon mal gut getan.

2. Taktik

Auch wenn es unpopulär klingt und einige in und ausserhalb des FCZ nicht gerne hören: der Stadtclub spielt nun schon seit rund vier Jahren immer dann am erfolgreichsten, wenn er tief steht und wenig Ballbesitz hat. Ganz speziell gegen die besten Teams der Liga. Ludovic Magnin hat diese Erkenntnis nur in relativ begrenzten Saisonphasen beherzigt und war dann jeweils auch erfolgreich. Zum Beispiel vor der Winterpause vor zwei Jahren, als man sich mit nur noch acht Punkten Rückstand auf Leader YB auf den 4. Platz vorgekämpft hatte. Als Magnin danach wieder auf Ballbesitz spielen wollte, setzte es vorwiegend Niederlagen. Dasselbe bei Massimo Rizzo: mit tief stehen und wenig Ballbesitz konnte er bis zur Winterpause letzte Saison den FCZ stabilisieren und einige schöne Siege einfahren. Nach der Winterpause wollte er schrittweise seinem Team wieder etwas mehr Ballbesitz verpassen, was unter dem Strich zusammen mit den unglücklichen Personalien Sobiech (verletzt) und Dzemaili (nicht parat für die Super League) erneut zu einer Abwärtstendenz führte.

André Breitenreiter erkannte dies und sein FCZ stand daher zu Saisonbeginn noch tiefer und hatte noch weniger Ballbesitz, als unter Massimo Rizzo ein Jahr zuvor. Aber auch der deutsche Trainer konnte der Versuchung nicht widerstehen und liess sein Team Mitte Vorrunde schrittweise immer höher stehen und mehr Ballbesitz übernehmen. Die Resultate wurden auch bei ihm dadurch sofort etwas schlechter. Der Unterschied zu den Vorgängern war dann aber, dass Breitenreiter schnell die Handbremse zog und die taktischen Änderungen rückgängig machte. So kommt es, dass zur Winterpause 21/22 mit dem FCZ das Team mit dem tiefsten Ballbesitz der Liga mit sieben Punkten Vorsprung an der Tabellenspitze steht.

Starker Start in die Vorrunde mit unter 30% Ballbesitz. dann mit zunehmendem Ballbesitz (bis zu 55% in Runde 12) eine Baisse. Die besten Leistungen gab es in den letzten drei Spielen der Vorrunde mit wieder gesunkenem Ballbesitz von um die 45% (gleitender Durchschnitt).

Dass der FCZ im Vergleich zu den anderen Teams speziell „mutig, offensiv, mit viel Drang zum Tor“ spiele, ist bei ehrlicher Betrachtung falsch. YB, Basel, Servette und aus dem Spiel heraus auch St. Gallen hatten in der Vorrunde mehr Abschlüsse, als der FCZ, welcher vor allem von seiner Effizienz und Standardqualitäten profitierte. Breitenreiter spricht in seinen heimischen Medien davon, dass der FCZ ein sehr Hohes Pressing betreibe und vom Spielstil mit Atalanta oder Leipzig vergleichbar sei. Davon kann aber auch keine Rede sein. Sein Team liegt statistisch beim Hohen Pressing im Mittelfeld der Liga – nicht nur hinter St. Gallen, YB und Basel, sondern auch GC. Zudem wurde unter Ludovic Magnin beim FCZ mehr Hohes Pressing betrieben, als unter Breitenreiter, wenn man die dafür relevante Kennzahl der „Passes Per Defensive Action“ (PPDA) zu Rate zieht. Dessen Mannschaft hat zudem erst drei Tore aus einem Hohen Pressing erzielt, was selbst unter dem Schnitt der Rizzo-Zeit liegt, wo der FCZ weniger Pressing betrieb, dafür sehr effektiv. Mittlerweile hat Ludo Magnin übrigens seine Amtszeit als Trainer der 1. Mannschaft des FCZ analysiert und kommt in einem Interview mit „24 heures“ zum Schluss, dass der Aufschwung unter Breitenreiter in erster Linie damit zu tun habe, dass dieser auf Umschaltspiel setze, was besser zur Mannschaft passe, als Ballbesitz.

Mit Ausnahme der Cupspiele in Solothurn und Yverdon liess André Breitenreiter seinen FCZ immer in einem 3-4-1-2 oder dem sehr ähnlichen 3-3-2-2 auflaufen. Ob man mit zwei Sechsern oder zwei Achtern / Zehnern spielte, hing dabei natürlich immer auch etwas von der Mittelfeldzusammensetzung des Gegners ab. Nicht nur bei der Formation, sondern auch bezüglich Personal setzte Breitenreiter stark auf Kontinuität. Ein eiserner Kern von neun Spielern spielte praktisch die Vorrunde durch. Deutlich variabler war man hingegen bezüglich Spielweise mit unterschiedlicher Spielauslösung, Positionierung, Pressing und Umschaltintensität. Speziell gegen Basel muss man sich für die Rückrunde etwas überlegen. Beinahe hätte der FCZ gegen die Rotblauen nach dem Hinspiel im St. Jakob Park auch noch das Rückspiel im Letzigrund verloren, weil man zu hoch stand. Der Spielweise und den Qualitäten des FCB kam dies schon in den letzten Jahren immer entgegen und es hat sich auch diese Saison nicht geändert, zumal Torhüter Heinz Lindner mit den Füssen gewisse Fortschritte gemacht hat und Akteure wie Tavares, Millar, Kasami, Frei, Zhegrova, Stocker, Males, Ndoye oder Cabral für Angriff- und Konterspiel gegen einen hoch stehenden Gegner prädestiniert sind. Bei allen sonstigen positiven Entwicklungen muss man sagen: in der Art und Weise wie man gegen den FCB spielen muss, war man letzte Saison unter Massimo Rizzo schon mal einen Schritt weiter.

3. Erfolgsorientiertheit

Eigentlich im Profifussball eine Selbstverständlichkeit, aber nicht unbedingt immer beim FCZ in den letzten Jahren. Unter Trainer Breitenreiter ist der Erfolg das oberste Ziel. Man wählt dementsprechend die erfolgsversprechendste Taktik, Spielweise und Personal. Vor allem werden Ideen, die sich nicht bewährt haben, sofort korrigiert. Der schnelle Lern- und Adaptionsprozess ist eine der grössten Stärken dieses Trainerteams und sicherlich ein Faktor, der zu Optimismus für die kommende Zeit berechtigt. Auch der Aspekt, dass unabhängig von Namen, Alter, Nationalität oder Rendement aufgestellt wird. Eine kleine Ausnahme gibt es dabei mit Blerim Dzemaili. Dieser wird trotz seiner immer noch offensichtlichen Mankos für die Hierarchie im Team ganz offensichtlich als unverzichtbar angesehen und deshalb von Breitenreiter und Co. stark geredet und häufig eingesetzt.

4. Automatismen

In einer Studie des CIES Sports Observatory Neuchâtel vor einigen Jahren wurde herausgefunden, dass personelle Kontinuität bei den Spielern als Erfolgsfaktor eines Fussballteams gelten kann. Der FCZ hatte in dieser Vorrunde eine sehr hohe Kontinuität und damit konnten sich Automatismen etablieren. Dies hat dem FCZ sicherlich im ein oder anderen Spiel gegen einen Gegner mit mehr personellen Wechseln einen mitentscheidenden Vorteil verschafft. Dazu ist der Team-Spirit dieser Mannschaft tatsächlich offensichtlich.

5. Transfers

Seit Sommer 2020 ist die Kaderentwicklung grundsätzlich positiv einzustufen. Spieler, welche die Entwicklung der Mannschaft gebremst haben, konnten abgegeben werden. Gleichzeitig wurden vorwiegend Spieler dazugeholt, die das Team weiterbringen. Eine hundertprozentige Trefferquote hatte man aber auch in dieser Zeit nicht. Namen wie Schättin, Dzemaili, Gogia, Leitner, Buschman oder Pollero sind zumindest mit Fragezeichen zu versehen. Schon seit 2018 hatte sich Auswahl, Qualität und Entwicklung der Leihen von Talenten in die Challenge League stark verbessert und funktioniert seither tadellos. Der FCZ war der erste Super League-Klub, der diesbezüglich das richtige Rezept gefunden hat. Mittlerweile hat YB nachgezogen.

Züri Live-Durchschnittsnoten in der Saison (Sommertransfers) oder Halbsaison (Wintertransfers) vor dem Abgang / nach dem Zugang

6. Abschlusseffizienz

Weiter verbesserte Abschlusseffizienz (der FCZ war letzte Saison schon effizient gewesen) hat einen grossen Teil zu den 40 Punkten der Vorrunde beigetragen. Pro Partie hat der FC Zürich ein halbes Tor durch Abschlusseffizienz erzielt – 2,4 Tore pro Spiel statt der erwartbaren 1,9 Treffer. Ein Teil der Abschlusseffizienz hat mit der Spielweise zu tun: kommt man durch einen Konterangriff vors gegnerische Tor, hat man mehr Platz und Zeit für den Abschluss. Ein weiterer Aspekt speziell im Fall des aktuellen FCZ ist die Torquote bei Standards. Dazu kommt die oben erwähnte verbesserte Physis (Kondition, Rumpfstabilität), die für einen präziseren Abschluss sehr hilfreich ist. Wie wichtig eine gute Abschlusseffizienz ist. zeigt der Vergleich mit den Saison-Rangierungen in untenstehender Grafik.

7. Detailarbeit

Die Analyse der FCZ-Partien der letzten Monate vermittelt den Eindruck, dass noch mehr als früher an Details gearbeitet wird – von Einwürfen über ballferne Bewegungen bis zur Schusshaltung und verfeinerten Zuteilungsregeln bei Defensivstandards.

Folgerungen und Ausblick

Während man beim Ausscheiden im Cup auch Pech hatte, ist in der Meisterschaft einiges für den FCZ gelaufen. Partien, die normalerweise Unentschieden ausgehen, kippten häufig noch auf die Seite des FCZ – dank Mentalität und (erarbeitetem?) Glück. Der erste Meisterschaftssieg seit Jahren gegen YB war ein Meilenstein – trotz Personalsorgen beim Gegner. Der FC Zürich hat denselben Personalaufwand und etwas tiefere Erträge wie der FC St. Gallen und ist wie dieser vor zwei Jahren zur Halbzeit vorne sehr gut mit dabei. Wie damals trafen diese beiden Teams im letzten Spiel vor der Winterpause aufeinander – beide Male gewann der FCZ. In der Anfangsphase waren die vielen direkt verwandelten Freistösse (in erster Linie von Marchesano) ein wichtiges Element, gegen Ende der Vorrunde die Rückkehr von Tosin und Leistungsexplosion Wilfried Gnontos. Letzteres kompensierte die schon seit Jahren traditionelle Ladehemmung Assan Ceesays in den Wintermonaten. Die nach dem Züri Live-Notenschnitt des Teams besten Spiele der Vorrunde waren die Heimsiege gegen Luzern und YB gegen Ende der Vorrunde und die beiden „Dreier“ gegen Lausanne. Das „schlechteste“ Spiel war der glückliche Heimsieg im ersten Derby.

Nach dem guten Start gegen die drei „L“ (Lugano, Lausanne, Luzern) kam eine Baisse. Angefangen bei der Auswärtsniederlage in Basel gings wieder aufwärts.

„Angesichts der Voraussetzungen das Maximum herausgeholt“ klingt im ersten Augenblick etwas nach: „besser kanns gar nicht mehr werden“. Dem ist nicht so. In verschiedenen Bereichen sind in den letzten ein bis zwei Jahren Prozesse in Gang gesetzt worden, bei deren Stossrichtung man sich heute noch nicht mal auf halbem Weg der Entwicklung befindet. Zum Beispiel bei der Kaderentwicklung, den Verbesserungen im physischen Bereich, den Automatismen, der Taktik oder der Detailarbeit auf verschiedensten Gebieten. Der FCZ hat in all diesen Bereichen braches Potential und die Entwicklungsprozesse gehen in die richtige Richtung. Und man lässt sich nicht durch kurzfristigen Aktionismus oder dem Schielen auf die Konkurrenz vom Weg abbringen. Dies alles stimmt zuversichtlich. Dazu kommt der Bezug des neuen „Home of FCZ“ im Heerenschürli.

Sehr gute Vorrunde in der Challenge League 16/17, deutlich schlechtere Rückrunde – trotzdem aufgestiegen. Gutes erstes Saisonviertel 17/18 und 18/19. Dazu gab es im letzten Saisonviertel 18/19 und 19/20 eine Leistungssteigerung. Stark sinkender Notenschnitt 20/21, vor allem in der Rückrunde. In der ersten Saisonhälfte 21/22 geht der Notenschnitt wieder stark rauf in Richtung der Challenge League (und Europa League) Vorrunde 16/17.

Im Sturm hat der FCZ neuerdings wieder Alternativen auf der Bank, was gerade auf dieser Position unabdingbar ist. Die Stürmer „Nummer 5 und 6“ Pollero und Koide haben ihre Super League-tauglichkeit bisher allerdings noch nicht nachweisen können. Das 3-4-1-2 nutzt die Laufstärke und Polyvalenz von Nikola Boranijasevic und vor allem Adrian Guerrero optimal aus, denn es ermöglicht immer wieder Überzahlsituationen im Zentrum, sowohl in der Spielauslösung wie in der gegnerischen Platzhälfte. Fabian Rohner, der Alternative zu Nikola Boranijasevic auf rechts ist durch die Detailarbeit unter Breitenreiter durchaus eine interessante Entwicklung zuzutrauen. Seine Einsätze in der Vorrunde waren allerdings noch nicht immer eine Empfehlung. Links steht als Alternative der offensiv von vielen unterschätzte Fidan Aliti bereit. Bezüglich Spielweise bietet sich an, weiterhin tief zu stehen mit wenig Ballbesitz und schnellem direktem Umschaltspiel – gepaart mit situativem Hohen Pressing und Gegenpressing, um den Gegner aus dem Gleichgewicht zu bringen. Breitenreiter bringt zudem gerade gegen Gegner aus der hinteren Tabellenhälfte immer mehr Rhythmuswechsel und Ballbesitzphasen ins Zürcher Spiel ein. Speziell in den Partien gegen Basel sollte man die Lehren aus den Vorsaisons aber beherzigen und wieder tiefer stehen, als man dies in der Vorrunde praktiziert hat.

Die grösste Problemzone der Vorrunde war in einigen Spielen das Zentrale Mittelfeld. Und dies obwohl man hier quantitativ sehr gut bestückt ist. Neben den gesetzten Ousmane Doumbia und Antonio Marchesano kam in diesem Mannschaftsteil Bledian Krasniqi am meisten zum Einsatz. In seiner Entwicklung scheint dieser nun langsam aber sicher bereit zu sein, als echter Stammspieler Verantwortung zu übernehmen. Blerim Dzemaili hat auf der 6-er Position deutlich besser gespielt, als weiter vorne. Er könnte typischerweise bei Rückstand oder unentschiedenem Spielstand für Ousmane Doumbia hereinkommen und mit seinen langen Bällen und Seitenwechseln von hinten heraus für verstärkten Druck sorgen – während weiterhin Marc Hornschuh bei einer Führung als zusätzliches defensives Gewissen einen Bledian Krasniqi ersetzten würde. Moritz Leitner ist aus seiner nach unten zeigenden Leistungskurve der letzten Jahre nicht herausgekommen, Ante Coric hat grosse Schwankungen – beide sind für das Team bisher in der defensiven Phase tendenziell eine Hypothek. Vasilie Janjicic wird wohl auch in der Rückrunde physisch noch nicht bereit für die definitive Rückkehr in die Super League sein. Stephan Seiler und allenfalls Miguel Reichmuth aus der U21 bieten sich hingegen immer mehr als valable Alternativen an.

Wichtig in der Rückrunde kann auch werden, dass man intern auf Eventualitäten der Pandemie-Entwicklung gefasst und vorbereitet ist. Angefangen von der Teilnahme von Assan Ceesay am Afrika-Cup bis zu Entwicklungen mit möglichen vielen Quarantänen und improvisierten Teamzusammenstellungen beim eigenen Team und/oder den Gegnern, die andere Ligen aktuell durchmachen. Einerseits muss man auf der administrativen Ebene im direkten Zusammenspiel mit der Liga und anderen Klubs natürlich versuchen, das Beste für das Team herauszuholen, während man in der Kommunikation nach aussen und die Mannschaft selbst vor allem bereit sein muss, jede Situation als sportlichen Challenge und Chance wahrzunehmen.

Stärkstes Pressing der Saison nutzt Luzerner Verunsicherung / FCZ – Luzern in der Züri Live-Analyse

Zum dritten Mal in Folge geht der FCZ nach einem Tor aus dem Hohen Pressing oder Gegenpressing mit 1:0 in Führung. Die Zürcher überliessen zu Beginn Luzern den Ball und praktizierten das bisher stärkste Pressing dieser Saison, noch stärker als beim Auswärtsspiel in Basel (mit einer der zwei bisherigen Vorrundenniederlagen). Vorausgegangen waren dem Treffer zügige Kombinationen mit zwei Seitenwechseln der Zürcher. Dies nachdem der FCZ zuvor über Wochen kaum mehr solche Treffer erzielt hatte.

Den Assist zum 1:0-Führungstreffer gegen den FC Luzern erhält bei Züri Live Nikola Boranijasevic gutgeschrieben. Dies obwohl er als Viertletzter am Ball war. Sein Zuspiel auf der rechten Seite versuchte Tosin erfolglos als Steilpass für Marchesano weiterzuleiten und erlief dann höchstselbst den verunglückten Querpass in den eigenen Strafraum des Luzerners David Domgjoni. Der Grund sind die Regeln, die bei der Bestimmung von Assists, Pre-Assists, Vorlagen und Pre-Vorlagen bei Züri Live seit langer Zeit angewendet werden. 
1. Die Vorlagenkette wird nur unterbrochen, wenn der Gegner mehr als eine Ballberührung hintereinander hat (egal ob durch einen oder mehrere Spieler). Eine einzelne Ballberührung gilt nicht als Ballkontrolle des Gegners. Daher zählt die FCZ-Passfolge vor dieser Ber¨ührung als Assist und Pre-Assists. 
2. Pro Tor oder Torchance wird jeder beteiligte Spieler nur einmal gezählt. Torschütze Tosin wird also nicht auch noch zusätzlich ein Assist gutgeschrieben, sondern dem Spieler vor ihm in der Vorlagenkette (Boranijasevic). Dies unter anderem, um die Anzahl Torbeteiligungen und Chancenbeteiligungen korrekt eruieren zu können. 
3. Bei direkt abgeschlossenen Penaltys und Freistössen wird die Vorlagenkette zur Entstehung des Penaltys oder des Freistosses berücksichtigt -  bei direkt abgeschlossenen Cornern oder indirekt abgeschlossenen Standards nicht. 

Chieffo macht den Tramezzani – mit komplett anderer Wirkung

Wie in der Vorschau beschrieben traf im Letzigrund ein bezüglich Personal und Grundformation eingespieltes Team auf einen Gegner mit vielen Veränderungen. Der neue Trainer Sandro Chieffo versuchte es im Vergleich zu seiner Auftaktniederlage gegen Basel mit weiteren personellen und taktischen Wechseln. Er passte das System dem Gegner an. Ein Vorgehen, welches Sion-Coach Tramezzani mit seinem Team zuletzt durchaus erfolgreich umgesetzt hatte, um seine Mannschaft zu stabilisieren. In Luzern scheint dieselbe Methode hingegen vor allem das eigene Team zu verwirren.

Luzern fehlen Automatismen / FCZ lässt nicht locker

Beim Aufbau hinten heraus fand die Luzerner Hintermannschaft die üblichen Anspielstationen auf den Flügeln nicht mehr. Nicht nur aus taktischen Gründen, sondern auch weil aus der Verunsicherung heraus mehrere Spieler beim FCL sich nicht exponieren wollten und im Zweifelsfall versteckten. Gleichzeitig versuchte der neu reingekommene Lorik Emini als alleiniger Sechser das Spiel an sich zu reissen. Er und Holger Badstuber standen sich mehrmals im Spielaufbau gegenseitig im Weg. Kosovo-Verteidiger David Domgjoni spielte beim 1:0 des FCZ Tosin den Ball in die Füsse. Der Nigerianer feierte sein Startelfdébut nach langer Verletzungspause und einer Reihe von gelungenen Joker-Einsätzen mit der frühen Führung.

Tosin an allen vier Toren beteiligt / Marchesano wieder „der Alte“

Domgjoni muss auch das 3:0 durch seinen Gegenspieler und Nationalteamkonkurrenten Mirlind Kryeziu auf seine Kappe nehmen. Tosin ist auch an diesem Treffer und damit an allen vier Zürcher Toren entscheidend beteiligt, denn er ist der Mann, der Domgjoni ohne eine Obstruktion zu begehen den Weg versperrt, wodurch Kryeziu entwischen kann. Auch nach diesem 3:0 in der 20. Minute liess das Team von Trainer Breitenreiter dem Gegner kaum Möglichkeiten zum Verschnaufen und eroberte weiterhin Bälle durch Pressing hoch in des Gegners Hälfte. FCZ-Angriffe durch die Mitte waren am gefährlichsten. Die frühe Auswechslung gegen YB (wenn auch wegen Gelb-Rot Gefährdung) könnte für Antonio Marchesano ein kleiner Weckruf gewesen sein. Gegen Luzern war der Tessiner nach einer zwischenzeitlichen kleinen persönlichen Baisse wieder überragend wie zu Beginn der Saison!

Kein Super League-Fussball mehr in 2. Halbzeit

Luzern kam durchaus zu seinen Chancen. Yanick Brecher stand bei einem Weitschuss von Filip Ugrinic in der 7. Minute falsch und rettete dafür in der 34. Minute gegen Marvin Schulz, als der FCZ erstmals ungenügend in die Defensive umgeschaltet hatte und zusätzlich für einmal Kryeziu und Aliti im eigenen Strafraum indisponiert waren. In der Zweiten Halbzeit gab sich Luzern dann zunehmend auf. In der Pause hatte Trainer Chieffo mit seinen Wechseln die Defensive gestärkt. Das sah dann in den zweiten 45 Minuten nicht mehr wirklich nach Super League-Fussball aus. Etliche Spieler konnten sich ohne allzu viel Gegenwehr durch die gegnerischen Reihen durchdribbeln. Trotz in dieser Phase FCZ-Konterchancen im Minutentakt stand es am Ende in der Expected Goals-Statistik nur 3:1 für den FC Zürich.

Telegramm

FCZ – Luzern 4:0 (3:0)
Tor: 2. Tosin (Boranijasevic) 1:0, 12. Marchesano (Tosin) 2:0, 20. Kryeziu (Guerrero) 3:0; 57. Tosin (Ceesay) 4:0.
FCZ – Brecher; Omeragic, Kryeziu, Aliti; Boranijasevic (78. Rohner), Dzemaili (88. Kamberi), Doumbia (78. Seiler), Guerrero; Marchesano; Ceesay (59. Kramer), Tosin (59. Gnonto).
Luzern – Müller; Burch, Badstuber, Domgjoni (46. Grether); Schulz, Emini (62. Tasar), Frydek; Gentner (79. Rupp), Ugrinic; Sorgic (46. Ndenge), Ndiayé (67. Cumic).

Wie Tag und Nacht / FCZ – Lugano 1:0 in der Züri Live-Analyse

Der Respekt vor den Umschaltmomenten des Gegners war auf beiden Seiten gross. Lugano agierte im Letzigrund vorsichtig und zog sich meist weit zurück. Der FCZ übernahm über weite Strecken das Spieldiktat, war aber gleichzeitig darob besorgt, in der eigenen Platzhälfte dem Gegner keine Umschaltsituationen zuzugestehen. So spielte Yanick Brecher fast ausschliesslich hohe Bälle ins Mittelfeld, wo sich dann häufige Ballbesitzwechsel ergaben. Erst in der gegnerischen Hälfte kamen beim FCZ dann die spielerischen Elemente zum Zug. Und es gab phasenweise bei Ballbesitz viel Bewegung in der ganzen Mannschaft, Die Partie zog sich trotzdem zäh wie ein Kaugummi bei einem klaren Chancenplus des Breitenreiter-Teams. Auf das Gehäuse von FCZ-Goalie Brecher kam kein einziger Ball.

Entwicklung der FCZ-Spielweise im Vergleich zum Saisonstart

Seit dem Saisonauftakt hat der FCZ sein Spiel von Runde zu Runde entwickelt. Dies wird unter anderem illustriert durch die Ballbesitzstatistik. Im Cornaredo zum Saisonstart lag dieser noch bei fast schon rekordtiefen 28% (und dies gegen einen Gegner wie Lugano!) – beim zweiten Aufeinandertreffen der beiden Teams im Letzigrund waren es hingegen 54%. Der Gleitende Durchschnitt bewegt sich kontinuierlich Richtung 50%-Marke. Wurde zu Saisonbeginn beim FCZ noch ultraschnell und direkt umgeschaltet, nimmt man nun viel häufiger das Tempo aus den Aktionen, um das Spiel kontrolliert in Richtung gegnerisches Gehäuse aufzubauen. Nicht nur die Anspielzeit, sondern auch die Spielweise unterschied sich wie Tag und Nacht vom Saisonstart.

FCZ-Ballbesitz 21/22, Liga, Gleitender Durchschnitt

Ousmane Doumbias gelungener Abend

Im Vergleich zum Heimspiel gegen Sion kam der FCZ gegen einen noch massierteren Gegner häufiger über die Seiten und profitierte dabei von der Rückkehr der Aussenläufer Guerrero und Boranijasevic in die Startformation. MVP ist zum ersten Mal in dieser Saison Ousmane Doumbia, dem von der 1. Minute an eine offensiv wie defensiv starke Partie gelang. Blerim Dzemaili (erstmals in der Startformation diese Saison) hatte hingegen nach seiner sehr guten Halbzeit gegen Sion wieder einen Rückschritt zu verzeichnen. Lag es unter anderem daran, dass er diesmal vorwiegend wieder auf der 8-er Position spielte, statt wie gegen Sion auf der „Sechs“? Insgesamt ist der Notenschnitt der Mannschaft (6,0) identisch mit demjenigen des Sion-Spiels.

Telegramm

FC Zürich – FC Lugano 1:0 (1:0)
Tore: 77. Ceesay (Marchesano) 1:0.
FCZ – Brecher; Omeragic (90. Kamberi), Kryeziu Aliti; Boranijasevic, Doumbia, Guerrero; Dzemaili (64. Gnonto), Krasniqi (64. Coric); Marchesano (83. Hornschuh), Ceesay.
Lugano – Osigwe; Hajrizi (81. Luis Phelipe), Daprelà, Ziegler, Facchinetti (81. Yuri); Custodio (81. Mahmoud); Sabbatini, Lovric; Lavanchy, Celar (64. Amoura), Abubakar (76. Lungoyi).

8, 75, 125, 150, 1’000 – Zahlenspiel zum Jubiläum / FCZ – Sion 6:2 in der Züri Live-Analyse

8 Tore zum 125 Jahr-Jubiläum – die Feierlichkeiten gingen nahtlos in das Spiel über und das Spiel nahtlos in Feierlichkeiten. Glückstage laufen so. Sowohl in der 1. wie auch in der 2. Halbzeit traf Assan Ceesay jeweils nach exakt 150 Sekunden zur Führung. Und Antonio Marchesano gelang in der 75. Minute das 1’000-ste FCZ-Tor der Super League-Geschichte. Der FC Zürich ist der dritte Verein, der diese Marke erreicht.

Lücken im FCZ-Gegenpressing lassen Sion im zweiten Viertel ins Spiel kommen

Gegen Sion zum Jubiläum startet der FC Zürich gut und hat die Partie im ersten Viertel unter Kontrolle. In der 24. Minute lässt man Sion ein erstes und danach gleich noch ein zweites Mal kontern. Moritz Leitner wich nach einem Krasniqi-Kopfballablenker zum Gegner in seiner typischen Art zurück, anstatt den Ballführenden anzugreifen.

Seitenwechsel als Erfolgsrezept

Obwohl durch schnelle Konter zurück ins Spiel gefunden, erzielt der FC Sion seine beiden Tore mit Hilfe von Seitenwechseln und nutzte dabei Lücken, die durch die Verschiebebewegung im gegnerischen Defensivverbund entstehen. Dies erinnerte stark an den Februar, wo die Walliser unter Weltmeister Fabio Grosso als Coach durch Luca Clemenza ebenfalls so im Letzigrund ihr Tor erzielten: “Grgic, Brecher und Domgjoni retten matten Zürchern einen Punkt“. Der FCZ kam zu seinem 1:0-Führungstreffer durch Assan Ceesay in der 3. Minute nach Vorarbeit von Bledian Krasniqi und Fidan Aliti allerdings ebenfalls auf die genau gleiche Art und Weise.

Moritz Leitner ungenügend

Sion ging nach dem 1:1-Ausgleich durch Filip Stojilkovic (trifft bei seinem zweiten Auftritt im Letzigrund gegen seinen Stammklub schon wieder) mit einem Chancenplus im zweiten Spielviertel und einem besseren Gefühl in die Kabine. André Breitenreiter reagierte und nahm den zu “pomadig“ auftretenden Moritz Leitner raus – und ebenso Fabian Rohner. Da half auch nicht mehr. dass die beiden kurz vor der Pause noch in einer hervorragenden Aktion nach einem Einwurf die beste Zürcher Chance von Bledian Krasniqi vorbereitet hatten.

Fabian Rohner aus dem Tritt geraten

Der 23-jährige Rohner hatte im Sommer auf den verschiedensten Positionen eingesetzt sehr gute Testpartien absolviert, ist aber mittlerweile aus dem Tritt geraten. Für die Stammformation reicht es zur Zeit nicht und bei seinen (Teil-)Einsätzen kann er sich nicht nachhaltig empfehlen. Die Entschlossenheit scheint ihm sowohl offensiv wie auch defensiv etwas abzugehen und er wird von den Mitspielern auch wenig gesucht und ins Spiel gebracht. Gar völlig neben den Schuhen stand Wilfried Gnonto. Der junge Italiener schien mit dem Kopf nicht ganz bei der Sache zu sein und hatte an diesem Tag gar kein Auge für seine Mitspieler.

Taktische Umstellung bringt Wende zugunsten des FCZ

Vor allem aber nahm der FCZ auf die 2. Halbzeit hin eine taktische Umstellung von einem 3-3-2-2 (zuletzt liess Breitenreiter sein 3-4-1-2 vermehrt mit nur einem 6-er auflaufen) auf ein 4-1-2-1-2, also ein 4-4-2 mit Rhombus, vor. Auch dies ist wie Breitenreiters bisherige Lieblingsformationen beim FCZ grundsätzlich ein System mit Fokus aufs Zentrum. Entscheidend aber: in der defensiven Phase standen die beiden 8-er Doumbia und Gnonto breit. Sion, das sich vom zweiten Viertel der Partie gewohnt war, mit Doppelpässen und Seitenwechseln erfolgreich auf den Seiten durchzukommen, wurde angesichts der neuen Situation etwas auf dem falschen Fuss erwischt. Der FCZ nutzte dies zum schnellen 2:1-Führungstreffer.

Balleroberer Doumbia nach der Pause auf der richtigen Position eingesetzt

Wichtig dabei auch die Personalwahl, Ousmane Doumbia auf die 8-er Position auf der rechten Seite zu stellen, denn Sion konnte sich zuvor mit dem spielfreudigen Cipriano und Itaitinga speziell auf ihrer linken Seite immer wieder durchsetzen. Balleroberer Doumbia sollte generell immer auf derjenigen Position spielen, wo der Gegner vorzugsweise sein Spiel aufbaut. Das könnte auch mal auf der “10“ sein, oder (warum nicht?) gegen einen seitlichen Spielmacher wie aktuell wieder Stevanovic oder letzte Saison Clichy von Servette ganz auf der Seite als Aussenverteidiger oder Flügel. Was Doumbia ganz und gar nicht ist: ein „Stratege“ auf der “6“, der defensiv positionssicher agiert und mit präzisen langen Bällen das Spiel lanciert.

Zuletzt gute Entwicklung bei Blerim Dzemaili

So eine Beschreibung trifft viel eher auf Blerim Dzemaili zu – auf einen fitten Blerim Dzemaili wohlgemerkt. Bei seinen Einsätzen letzte Saison war Dzemaili weit vom Super League-Niveau entfernt gewesen. In Züri Live-Analysen wurden auch schon starke Zweifel geäussert, ob er dieses Niveau überhaupt nochmal erreichen kann. Nach seinen (Teil-)Einsätzen zuletzt lässt sich sagen: es ist nicht mehr auszuschliessen, dass Dzemaili doch noch einmal für ein paar Wochen oder Monate dem FCZ wirklich helfen könnte. Die Entwicklung zuletzt ist gut. Neben der taktischen Umstellung war die Hereinnahme des Zürchers ein weiterer Faktor für den Umschwung gegen Sion nach der Pause. Bei der Balleroberung vor dem 2:1 beispielsweise machte er einen wichtigen Laufweg, welcher Serey Dié eine Anspielstation wegnahm und somit Boranijasevic und Doumbia die Balleroberung wesentlich erleichterte.

Ceesay, Dzemaili & Co. physisch verbessert

Die 6-er Position scheint in dieser Phase von Dzemailis Karriere auch wieder besser auf ihn zugeschnitten zu sein – was auch in dieser Hinsicht eine Rückkehr zu den Wurzeln wäre, nachdem er auf dem Höhepunkt seiner Karriere tendenziell eher auf der 8er- und teilweise sogar 10er-Positon gespielt hatte. Was ersichtlich ist: auch schon nur ein 45 Minuten-Einsatz in Super League-Intensität bringt Dzemaili aktuell physisch an seine Grenzen. Ein Blick in sein Gesicht spricht Bände. Aber zumindest ist er im Gegensatz zu letzter Saison mittlerweile in der Lage, 45 oder 60 Minuten das Tempo mitzugehen und die entscheidenden Sprints zu machen. Vielleicht bald auch noch mehr? Eine verbesserte physische Verfassung scheint ganz allgemein ein wichtiger Faktor für den guten Saisonstart des FCZ zu sein. Speziell in Bezug auf den lange Zeit äusserst fragilen Assan Ceesay. Dessen sichtlich verbesserte Körperbalance und -stabilität setzt sich nahtlos um in mehr Zweikampfgewinne, aber auch deutlich mehr Präzision am Ball.

Zweiter taktischer Wechsel nach dem 2:2

Im Gegensatz zum 1:1 fiel der 2:2-Ausgleichstreffer Sions nach der Pause entgegen dem Spielverlauf. Der FCZ war ab der 46. Minute einfach besser und liess sich auch durch diesen temporären Rückschlag in der Spielweise auf der Resultattafel nicht beirren. Allerdings wechselte Trainer Breitenreiter nach dem 2:2 erneut die taktische Formation – zurück auf das lange Zeit übliche 3-4-1-2 mit zwei 6-ern. In dieser Aufstellung gelangen dann gegen zunehmend nachlassende Walliser durch gute Spieleröffnungen Mirlind Kryezius durch die Mitte die entscheidenden Treffer zum 3:2 und 4:2.

Telegramm

FC Zürich – FC Sion 6:2 (1:1)
Tore: 3. Ceesay (Krasniqi) 1:0, 33. Stojilkovic (Cipriano) 1:1; 48. Ceesay (Marchesano) 2:1, 63. Serey Dié (Stojilkovic / Eigentor Aliti) 2:2, 72. Ceesay (Marchesano) 3:2, 75. Marchesano (Ceesay) 4:2, 87. Gogia (Doumbia) 5:2, 90. Ceesay (Coric) 6:2.
FCZ – Brecher; Omeragic, Kryeziu Aliti; Rohner (46. Boranijasevic), Doumbia, Gnonto (69. Gogia); Leitner (46. Dzemaili), Krasniqi (69. Coric); Ceesay, Marchesano (86. Hornschuh).
Sion – Fayulu; Wesley, Saintini, Schmied, Cipriano; Serey Dié (77. Vagner); Cavaré (72. Tosetti), Keita, Zuffi, Itaitinga (63. Bua); Stojilkovic (72. Karlen).

Post Scriptum

Die erste Mannschaft, welche die Marke von 1’000 Treffern erreicht hatte, war vor mehr als fünf Jahren der FC Basel gewesen. Der Isländer Birkir Bjarnason traf dabei im April 2016 nach 0:2-Rückstand (Tore: Kerzhakov, Bua) für die Rotblauen zum 2:2-Ausgleich gegen den FCZ. Nachdem man nach einer schlechten Vorrunde mit Neuverpflichtung Leonardo Sanchez gut in die Rückrunde gestartet war, gab es nach diesem verpassten Auswärtssieg im St. Jakob Park beim FCZ einen Bruch (gerade mal ein Punkt aus den folgenden sieben Spielen), auch weil Sanchez nach einem harten Einsteigen von Cédric Itten in der Folge für den Rest der Saison angeschlagen war. Zwei Jahre später hätte YB ebenfalls zu Haue im April gegen den FCZ mit zwei Toren die 1’000-er Marke knacken können, aber es resultierte “nur“ ein 1:0-Sieg (Tor: Sanogo). Das tausendste Tor wurde ein paar Tage später in Thun durch Jean-Pierre Nsamé nachgeholt und zwei Wochen danach feierte Bern gegen den FC Luzern den ersten Meistertitel seit mehr als drei Jahrzehnten. Bis zum nächsten Klub, der die 1’000-er Marke erreicht, wird es wieder ein paar Jahre dauern. GC, St. Gallen oder Luzern in dieser Reihenfolge sind dafür die heissesten Kandidaten.

Nicht mehr im Feuerwehrmodus, drei Tore nach Marchesano-Standards / Luzern – FCZ in der Züri Live-Analyse

Was macht eigentlich Aliti? Wo ist Doumbia? Und womit beschäftigt sich zur Zeit Antonio Marchesano? Solche Fragen stellen sich während der detaillierten Nach-Analyse des dritten FCZ-Saisonsieges immer wieder. Man ist es sich von letzter Saison gewohnt, dass Aliti, Doumbia und Marchesano ständig im Zentrum des Geschehens stehen. Es waren diejenigen Spieler, welche als Feuerwehrmänner fortlaufend Lücken stopften, fehlende Laufarbeit von Mitspielern kompensierten und taktische oder technische Fehler ausbügeln mussten. Zum Saisonstart 21/22 ist alles anders. Die Spieler mit der zu geringen Laufleistung und unnötigen Fehlern sind grösstenteils nicht mehr da. Alle elf Mann auf dem Platz bringen das, was man in der Super League von ihnen erwarten kann. Die Last wird auf viel mehr Schultern verteilt. So fällt es kaum auf, dass Aliti bisher einen eher durchschnittlichen Saisonstart erwischt hat, Doumbia nach einer Stunde ausgewechselt wird und Marchesano zwischen seinen hervorragenden Offensivaktionen auch mal für zwei, drei Minuten nicht im Fokus steht.

Zehn Mann, die laufen – Marchesano mit hoher Standard-Effizienz

Zwar läuft Marchesano auch in Luzern viel, aber er befindet sich nicht mehr wie letzte Saison als Führungsspieler 70 bis 90 Minuten im mentalen Dauerstress. Das gewohnte Lamentieren in Richtung Mitspieler, wenn diese schon wieder das Kommando fürs Pressing verschlafen haben, fällt weg. So kann sich der Tessiner noch besser auf die entscheidenden Aktionen nach vorne fokussieren. In Luzern erzielt der FCZ drei Tore – alle nach Marchesano-Standards. Erst ein kurz gespielter Eckball auf Guerrero, den der Spanier ideal auf den Kopf von Mirlind Kryeziu zirkelt, welcher von Gegenspieler Holger Badstuber (nicht das einzige Mal) aus den Augen verloren worden ist. Dann ein stark von links aus dem Halbfeld an den entfernten Pfosten gezogener Freistoss, welcher Frydek zu einem penaltyreifen Foul an Omeragic verleitet. Und schliesslich der direkt verwandelte Freistoss, der eine so tückische Flugbahn nahm, dass Filip Ugrinic in der Mauer sich in die falsche Richtung bewegte und den Weg für den Ball frei machte.

Positiv wie sie sich bewegen und geduldig sind (Luzern – FCZ Kommentare)

Débutant Gogia defensiv noch ungenügend

Wie „aus dem Nichts“ ging Luzern in der 5. Minute nach einem zu riskanten Zweikampfverhalten Mirlind Kryezius gegen Ugrinic in Führung. Gegen Ende der Partie passierte übrigens Fidan Aliti gegen den eingewechselten Lorik Emini dasselbe noch einmal. Der FCZ reagierte aber mit Ruhe und Geduld und hatte dann im zweiten Viertel der Partie seine bisher beste Phase der noch jungen Saison. Auch nach der Pause und der 2:1-Führung kam das Breitenreiter-Team zu einigen sehr guten Torchancen, um das Skore frühzeitig auszubauen. Erst im letzten Viertel der Partie baute man ein bisschen ab, teilweise aufgrund der etwas nachlassenden Kraft und Konzentration, teilweise weil nicht alle Einwechselspieler das Niveau der Startelf weiterziehen konnten. Dies betrifft im Speziellen den Débutanten Akaki „Andy“ Gogia. Dem in Georgien geborenen Deutschen Offensivspieler war das halbe Jahr ohne Wettbewerbseinsätze in Berlin anzumerken. Neben Ungenauigkeiten, falschen Einschätzungen und Stockfehlern mit Ball (einmal direkt vor dem eigenen Strafraum), ist vor allem das Spiel ohne Ball noch stark ungenügend. Nach der Umstellung Breitenreiters auf ein 5-4-1 ab der 76. Minute unterstützt Gogia seinen Hintermann Guerrero auf der linken Seite deutlich zu wenig.

Gute taktische Umstellungen von Celestini – aber es reicht für Luzern trotzdem nicht

Sowohl Luzern-Coach Fabio Celestini wie auch André Breitenreiter hatten taktisch eine Änderung vorgenommen. Luzern spielte erstmals in dieser Saison gegen eine Dreierabwehr und stellte dementsprechend vom üblichen 4-4-2 auf ein 4-2-3-1 um, mit der Möglichkeit ein Hohes Pressing aufzuziehen, aus welchem sich der FCZ aber von Anfang an gut herauslösen konnte. Dies obwohl Luzern diesmal taktisch viel besser eingestellt war, als noch in St. Gallen. Christian Gentner bereitete dem FCZ am meisten Probleme. Mit seinen Laufwegen vermochte er ab und zu Löcher im Zürcher Defensivverbund aufzureissen. Filip Ugrinic war ebenfalls viel unterwegs, aber abgesehen von seinem Tor nicht mit der aus Luzerner Sicht gewünschten Effektivität. Marco Burch hatte mit einem mediokren Holger Badstuber neben sich in der Innenverteidigung alle Hände voll zu tun und arbeitete für anderthalb. Der 20-jährige wirkte wie ein Routinier, der einen unerfahrenen Jungspund neben sich führen muss. Ausserdem vermisste Luzern den verletzten Torhüter Marius Müller sowie den gesperrten Marvin Schulz.

Krasniqi findet über den Kampf ins Spiel

Der FCZ seinerseits nimmt von einer soliden Basis ausgehend Schritt für Schritt. Er hat in Lugano sehr tief stehend und mit minimem Ballbesitz begonnen und steht nun von Spiel zu Spiel etwas höher und steigert seinen Ballbesitz – auch wenn das Zürcher Spiel weiterhin hauptsächlich auf schnelle Konter ausgelegt ist. Da Luzern im Gegensatz zu Lugano und Lausanne mit zwei Sechsern spielt, reagierte Breitenreiter, indem er Bledian Krasniqi auf die Achterposition vorzog. Mit nun einem Sechser (Doumbia gegen Ugrinic) und zwei Achtern (Marchesano gegen Wehrmann, Krasniqi gegen Gentner) ergab sich so an Stelle eines 3-4-1-2 ein 3-3-2-2. Bledian Krasniqi steigerte sich in seinem dritten Super League-Einsatz im Vergleich zum Lausanne-Spiel nochmal deutlich. Auch wenn ihm schon bei seinem Einsatz in der Europa League in Napoli eine gute Leistung gelang, vermochte er in Luzern erstmals sein Potential auf Super League-Niveau umzusetzen. Dies vor allem auch, weil er in der Anfangsphase dank zwei, drei starken Balleroberungen gut ins Spiel fand. Selten war die Umschreibung „über den Kampf ins Spiel finden“ zutreffender. Unter anderem auch deshalb liess Breitenreiter den 20-jährigen bis in die Nachspielzeit hinein im Spiel und nahm Doumbia bei der Einwechslung von Hornschuh raus.

Telegramm

Luzern – FC Zürich 1:3 (1:2)
Tore: 5. Ugrinic (Tasar) 1:0, 35. Kryeziu (Guerrero) 1:1, 44. Kramer (Penalty-Nachschuss, Omeragic) 1:2; 75. Marchesano (Freistoss, Boranijasevic) 1:3.
Luzern – Vasic; Farkas (80. Sidler), Burch, Badstuber (55. Domgjoni), Frydek; Gentner, Wehrmann (55. Emini); Tasar (55. Alounga), Ugrinic, Ndiayé; Sorgic (80. Rupp).
FCZ – Brecher; Omeragic, Kryeziu, Aliti; Boranijasevic, Doumbia (61. Hornschuh), Guerrero; Marchesano (76. Rohner), Krasniqi (90.+1 Seiler); Ceesay (90.+1 Gnonto), Kramer (61. Gogia).

Kryeziu macht endlich sein Kopfball-Tor (Luzern – FCZ Highlights)