Verschlafen, reagiert – und dann kam Pafundi / FCZ – Lausanne-Sport Analyse mit Randnotiz: Rangliste der schlechtesten Saisonleistungen

ZWEI TEAMS AUF DER SUCHE NACH DER ABSCHLUSSEFFIZIENZ / FCZ – LAUSANNE-SPORT VORSCHAU (Züri Live)

Ex-FCZ Trainer Ludovic Magnin hat den FC Zürich gut studiert und stellt seine Spielweise um. An Stelle des üblichen Kombinationsfussballs werden immer wieder hohe Bälle Richtung Mittellinie geschlagen, wo diese dann unbedrängt in die Tiefe hinter die Zürcher Abwehr gelenkt werden können. Dies geht auf, da vor allem Nikola Katic auch an diesem Tag praktisch jedes seiner Luftduelle verliert und keiner der Verteidiger schnell und / oder stark genug ist, um die Lausanner Offensivkräfte zu stoppen. Da Torhüter Letica mit den Füssen nicht so gewandt ist, agiert der multifunktionale Olivier Custodio als eigentlicher Regisseur des Lausanner Spiels von der Rechtsverteidiger-Position aus. Die Mannschaft wurde bei Lausanne in der 1. Halbzeit in zwei Teile aufgeteilt: sechs Verteidiger hinten und vier Konterstürmer vorne, die mit langen, hohen Bällen bedient wurden, und mit Diagonalläufen und -pässen die FCZ-Abwehr überforderten. Der FCZ versuchte zu Beginn hoch zu pressen und hinten herauszuspielen während die Gäste das Heimteam im Magnin-üblichen Mittelfeldpressing erwarteten.

Fenomeno Simone Pafundi

Unmittelbar nach dem Derby mit der besten 1. Halbzeit der ganzen Saison fiel der FCZ ins andere extrem und spielte mit einem Züri Live-Notenschnitt von 4,5 die mit Abstand schlechtesten ersten 45 Minuten der Spielzeit. Die Leistungen waren sowohl Defensiv wie Offensiv ähnlich ungenügend – in beiden Phasen wurden zu viele Fehler gemacht. Zumindest Offensiv gab es gleichzeitig von einem Teil der Spieler auch viele gute Aktionen. Die 2. Halbzeit war besser, blieb aber im Saisonvergleich ebenfalls unterdurchschnittlich. Der FCZ konnte oder wollte nicht so schnell umschalten wie Lausanne-Sport und benötigte für seine relativ wenigen Torchancen lange Passkombinationen. Im Gegensatz zu den vorangehenden Wochen lagen die Noten der FCZ-Einwechselspieler diesmal aber über dem Mannschaftsschnitt.

Zur Pause stellte der FC Zürich auf ein 4-3-3 um (mit Afriyie und Krasniqi auf den 8er-Positionen) und brachte die notwendige Energie auf den Platz. Die Gäste aus dem Waadtland wurden in der Phase nach der Halbzeit überrumpelt. Beim 1:2 spekulierten Krasniqi und Marchesano proaktiv auf einen Rebound beim Okita-Weitschuss und der 2:2-Ausgleich in der 52. Minute war eine Traumkombination. In der 66. Minute ist der Zürcher Angriffswirbel dann aber bereits wieder vorbei, weil Ludovic Magnin Italo-Talent Simone Pafundi einwechselt. Der 17-jährige bestimmt bei seinem ersten Super League-Einsatz von der Ersten Minute an Ballbesitz und Rhythmus – und nimmt fast schon im Alleingang für Lausanne-Sport das Heft wieder in die Hand. Seine enge Ballführung in hohem Tempo, Technik, Raum- und Spielverständnis sind phänomenal. Aus dieser wiedergewonnenen Spielkontrolle der Gäste resultiert dann auch das vermeintliche 3:2 durch Brighton Labeau, welches aber gleich wegen zwei Handspielen in der Entstehung (Poaty, Labeau) aberkannt wird. Dank der VAR-Intervention in dieser Szene beeinflusste die unterdurchschnittliche Schiedsrichterleistung Sven Wolfensbergers (einige falsche Einschätzungen bezüglich Fouls) den Spielausgang nicht entscheidend.

Highlights – Ganz än andere Fuessball wänn de Pafundi ufem Platz isch

Personalien – LS scheint Oko-Flex zu liegen, Katic am Ursprung der Gegentore

  • Nikola Boranijasevic: Wie so häufig gegen seinen Ex-Klub von Anfang an trotz Aussenbahn im Zentrum des Geschehens – sowohl mit guten wie auch weniger guten Aktionen.
  • Fabio Daprelà: Die Partie zeigt einmal mehr deutlich, dass Daprelà im Spielaufbau weniger Qualität hat, als sein Vorgänger Aliti.
  • Cheikh Condé: Macht das Leben seiner Mitspieler mit seiner Passivität schwerer, und bietet sich zu selten als echte Anspielstation an.
  • Armstrong Oko-Flex: Beginnt seinen “Shift“ übermotiviert mit einem unnötigen Foul vor dem eigenen Strafraum, steigert sich danach aber. Lausanne-Sport scheint ihm zu liegen, denn wie schon in der Auswärtspartie auf der Tuilières ist er erneut der Offensiv beste Mann beim FCZ.
  • Lindrit Kamberi: Erstmals in dieser Saison der Defensiv beste Mann beim FC Zürich – dafür diesmal Offensiv ungenügend.
  • Antonio Marchesano: Ähnlich wie Condé in dieser Partie ungewohnt passiv, kommt dem Ball zu wenig entgegen.
  • Nikola Katic: Seine Fehler stehen am Ursprung beider Gegentore sowie auch des aberkannten vermeintlichen Lausanner 3:2.
  • Bledian Krasniqi: Im Gegensatz zur Mehrzahl der Teamkollegen mit dem Anpfiff voll da. Zum dritten Mal in den letzten vier Partien der beste FCZ-Spieler der 1. Halbzeit und am Ende auch MVP.

Kommentare – FCZ hätt chuum ä Torchance

Randnotiz – Rangliste der schlechtesten FCZ-Leistungen der Saison

Das Heimspiel gegen Lausanne-Sport gehört zu den drei Leistungen mit dem tieften Züri Live-Notenschnitt der Mannschaft (5,3). Interessanterweise hat das Team von Coach Bo Henriksen keines seiner sieben schlechtesten Spiele verloren. Was weiter auffällt: die besten Partien gelangen gegen starke Gegner, die viel Druck machen, wie YB und Luzern. Der FCZ unter Henriksen scheint eine Mannschaft zu sein, die sich dem Gegner anpasst – nach oben wie nach unten. Tritt man gegen einen nicht so guten Gegner an, oder einen, der einen schlechten Tag erwischt hat, passt sich die eigene Leistung nach unten an – am Ende reichte es in solchen Fällen dann jeweils trotzdem zu einem Sieg oder mindestens Unentschieden.

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Quo Vadis FCZ?

Yverdon als Tiefpunkt? Das Derby als Wegweiser? Beim FCZ scheint der grosse Umbau erst noch bevorzustehen – eine Analyse   

Am 26. Oktober 2021 schied der FC Zürich im Schweizer Cup in Yverdon aus – nach einem epischen Penaltyschiessen. Coach André Breitenreiter war damals von seinem üblichen 3-4-1-2 abgewichen, schickte seine Mannschaft am Neuenburgersee in einem 4-3-3 aufs Feld – und verschaffte einigen Ergänzungsspielern eine Chance in seiner Startelf. Beides hatte er bereits in den ersten beiden Cup-Partien gegen Unterklassige in Solothurn und Kriens praktiziert. Die mentale Einstellung mehrerer Spieler stimmte in allen drei Partien nicht. Gegen das noch halb in den Sommerferien weilende Solothurn (klar) und das in der Challenge League mit einem Punkt aus sechs Spielen abgeschlagen auf dem letzten Platz liegende Kriens (knapp, dank Direktem Freistoss Marchesanos) reichte es trotzdem zum Weiterkommen – beim ambitionierten Challenge League-isten Yverdon-Sport nicht mehr.  

Dominanter Fussball kostet in der Regel Geld

Etwas mehr als zwei Jahre später reist der FCZ wieder ins Municipal. Und es folgen gleich mehrere Déjà-Vu! Das Trainerteam um Bo Henriksen (krank zu Hause) und Murat Ural (in dessen Vertretung am Spielfeldrand) wich auch diesmal von seinem üblichen 3-4-1-2 (defensive Phase) / 3-4-3 (offensive Phase) ab und liess die Mannschaft erstmals in dieser Saison von Beginn weg in einem 4-3-3 auflaufen – analog Breitenreiter zwei Jahre zuvor. Es handelte sich übrigens entgegen anderer Verlautbarungen tatsächlich um ein klassisches 4-3-3 – nicht nur defensiv, sondern auch im Spielaufbau. Cheick Condé agierte bis zu seinem Platzverweis durchgehend von seiner 6er-Position aus und liess sich nur zwei oder drei Mal für wenige Sekunden zwischen die Innenverteidiger zurückfallen. Auch diesmal schien einzelnen Spielern etwas die Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit im Auftreten zu fehlen. Man hatte zwar zu Beginn rekordverdächtigen Ballbesitz von mehr als 80% zu verzeichnen, vermochte sich aber kaum zwingende Torchancen zu erarbeiten.

Servette scheint sich derweil vom FCZ abgeschaut zu haben, wie man als Klub mit einem mittleren Super League-Budget YB herausfordern kann. Mit dem neuen Trainer René Weiler sind sie mit einem vor allem im Spiel mit Ball an «Breitenreiter-Fussball» erinnernden Stil trotz ihrer Unterzahl-Niederlage in Yverdon der einzige halbwegs verbliebene Herausforderer um den Meistertitel. Während sich der FCZ in Spielart (und in der Tabelle) zuletzt eher in die umgekehrte Richtung entwickelte – in gewissen Aspekten hin zu «Alain Geiger»-Fussball. Dies aber ohne die dafür geeigneten Akteure. Es soll ein dominanter Fussball sein mit einer hoch positionierten Viererkette und breit stehenden Flügeln. Dafür braucht es Spieler, welche die Physis, Technik und Antrittsschnelligkeit haben, um sich vorne in engen Räumen durchzusetzen. Spieler wie beispielsweise ein Filip Ugrinic, Meschack Elia oder Jean-Pierre Nsamé. Und man benötigt in der Regel kopfballstarke und gleichzeitig technisch starke Stürmer, weil Flanken in den Strafraum für dominante Teams fast immer ein wichtiges Mittel sind (ausgenommen einzelne Weltklasse-Teams wie Manchester City oder Barcelona zu ihren besten Zeiten). Solche Spieler kosten aber Geld. In den meisten Ligen Europas hat daher der jeweilige «Krösus» auch deshalb am meisten Ballbesitz, weil er sich die Spieler dafür leisten kann.

Keine Regel ohne Ausnahmen: Brighton, Fluminense, Thun, SLO, Lugano, Servette

Die Ausnahmen von der Regel sollen allerdings nicht unerwähnt bleiben, denn sie sind interessant! Die innovativen Ansätze des Ballbesitz-Spiels von Roberto De Zerbis Brighton & Hove Albion (Fokus auf Überzahl im eigenen Drittel, «Dritter Mann»-Konzept) oder Fernando Diniz’ Fluminense (Relationalismus) scheinen allerdings nicht der Philosophie zu entsprechen, die beim FCZ umgesetzt werden soll. In der Schweiz war früher der FC Thun das deutlichste Beispiel eines Teams, das mit einem kleinen Budget erfolgreich auf Ballbesitz setzte. In der aktuellen Saison kann man bis zur Ablösung von Anthony Braizat auch Stade Lausanne-Ouchy nennen. Gerade als sich die Waadtländer mit ihrem mutigen Spiel in der Liga immer besser zurechtfanden, wurde der Trainer allerdings entlassen und durch einen fast durchgehend mit einer Fünferkette agierenden ersetzt. Seither hat «SLO» kaum noch Punkte geholt. St. Gallen ist kein klassisches Beispiel für Ballbesitz-Spiel, weil die überdurchschnittlichen Ballbesitz-Werte der Ostschweizer vor allem aufgrund ihres Defensivkonzeptes zustande kommen. Servette zu Alain Geiger-Zeiten oder Lugano heute tragen dem Ball Sorge und erhöhen jeweils nur so weit das Tempo, dass es immer noch möglich ist, den Ball mit geringem Risiko und flach zu passen.

Basierend auf den Veränderungen der Spielweise der 1. Mannschaft im Trainingslager sowie in den ersten Super League-Partien nach der Winterpause, den Testpartien der U21 unter einem neuen Trainerteam und den Äusserungen von Milos Malenovic, Bo Henriksen oder Ancillo Canepa in Interviews und an Pressekonferenzen ist ziemlich deutlich geworden, was den Verantwortlichen vorschwebt – und dass es mit den oben erwähnten Beispielen jeweils nur in Einzelbereichen Überschneidungen gibt.

Ein Klub vom Polarkreis als gutes Beispiel  

Dass in Bezug auf die einheitlichen Prinzipien, die von den Jugendteams bis in die 1. Mannschaft umgesetzt werden sollen, an der Präsentation von Milos Malenovic als neuem Sportchef als Beispiele Ajax und Benfica genannt wurden, ist natürlich ein hingeworfener Knochen, an dem in unserer Medienlandschaft speziell die GC-, FCB- und YB-affinen Journalisten in den kommenden Jahren noch häufig mit grosser Dankbarkeit nagen werden. Sie werden dabei bewusst ausblenden, dass sich die Aussage einzig auf die Einheitlichkeit der Prinzipien vom Nachwuchs bis in die 1. Mannschaft bezog – nicht auf die Mitgliederzahlen oder das finanzielle und sportliche Level.

Kein Brighton, kein Fluminense, kein FC Thun, St. Gallen oder Lugano, und sicher kein Ajax oder Benfica… Mit welchem Team lässt sich denn nun das, was die ambitionierte sportliche Leitung mit dem FCZ vorhat, am ehesten vergleichen? Dazu lohnt sich ein Blick weit in den Norden auf einen Klub, den der FCZ aus seiner letzten Europa League-Kampagne kennt: Bodø/Glimt. Diese Mannschaft spielt schon seit längerer Zeit einen dominanten Fussball im 4-3-3 mit einer hoch stehenden Viererkette und intelligentem Pressing – genauso wie es beim FCZ in den letzten Wochen die 1. Mannschaft und die U21 mehr oder weniger erfolgreich versucht haben. So spielen sie auch gegen renommierte Gegner. Interessant: Bodø/Glimt hat wie beim FCZ vorgesehen auf diese Spielweise gewechselt, ohne dabei zu den begüterten Klubs der Liga zu gehören.

Beeindruckende Entwicklung von Bodø/Glimt auf allen Ebenen

Die Fussballer von nördlich des Polarkreises wurden über Jahrzehnte vom im Süden des Landes beheimateten Profifussball und dessen Traditionsklubs belächelt. Nicht nur wegen dem Stadion, sondern weil man Bodø ganz generell nicht als Fussballstadt gesehen hat. Gewisse Parallelen mit Zürich sind also auch diesbezüglich vorhanden. Mittlerweile hat Bodø/Glimt drei Meistertitel in vier Jahren gewonnen und die vormaligen Dominatoren Rosenborg und Molde überholt. Man hat mit dem Anfang 2019 direkt aus Nigeria an den Polarkreis dislozierten damals 18-jährigen Victor Boniface einen wesentlichen Anteil an der langjährigen Entwicklung eines der aktuell besten Stürmer der Bundesliga. Die jährlichen Transfereinnahmen haben sich Schritt für Schritt auf umgerechnet rund 15 Mio. Schweizer Franken erhöht. Der einheimische Cheftrainer Kjetil Knudsen ist trotz Interesse aus der Premier League nun schon seit sechs Jahren am Ruder. Geholfen hat dabei wohl auch die Konstellation, dass er erst im Alter von 50 Jahren erstmals im Profibereich tätig wurde.  

Auch international sorgte Bodø/Glimt für Furore. 21/22 hat man gegen den späteren Conference League-Sieger AS Roma in vier Begegnungen zwei Mal gewonnen und einmal Unentschieden gespielt – und dabei mit einem 6:1 José Mourinho gemäss Statistikern die höchste Niederlage der Trainerkarriere zugefügt. Die AS Roma lag eigentlich bereits im Koma. Trotzdem schied Glimt letztendlich gegen die Italiener aus. Davor wurde der schottische Primus Celtic mit zwei klaren Siegen aus dem Rennen geworfen – und dies ohne einen Urs Fischer und dessen Flankenkünste dafür zu benötigen. In der aktuellen europäischen Saison überwintern die Norweger zum dritten Mal in Folge und treffen im 1/16-Final der Conference League auf… Ajax. Man kann es sich mittlerweile dank der Transfererlöse leisten, mit Patrick Berg einen Stammspieler der norwegischen Nationalmannschaft für 4 Mio. Schweizer Franken aus Lens zurückzukaufen und den genauso wie Berg aus Bodø stammenden Stürmer Jens Petter Hauge im besten Fussballeralter (mit Kaufoption) von der Frankfurter SGE auszuleihen. Das wäre vergleichbar mit einem FCZ, der Anfang der laufenden Saison Ricardo Rodriguez von Torino zurückkauft und Josip Drmic von Dinamo Zagreb mit Kaufoption ausleiht.     

Die Entwicklung von Bodø/Glimt ist ein Vorbild und Idealszenario. Auch nur schon teilweise sich in den Fussstapfen der Norweger zu bewegen, wäre ein Erfolg. Gleichzeitig hat man in Zürich teilweise sogar bessere Voraussetzungen: nämlich das gemessen an der Einwohnerzahl grössere Einzugsgebiet an Talenten und Zuschauern als die Norweger.  

Schlechte Erfahrungen der letzten Jahre

«Ein oder zwei Sechser?» ist in der Welt des ballbesitzorientierten Positionsspiels fast schon eine religiöse Frage – wie «katholisch oder reformiert?». Christlich ist beides, aber der Teufel steckt in den Details. Aktuell spielt beim FCZ die 1. Mannschaft bei einer Viererabwehr mit einem Sechser, was auch die Präferenz des «Godfather» Johan Cruyff war. Die Schweizer Juniorennationalteams und die meisten Klub-Academy-Teams haben in der jüngeren Vergangenheit jahrelang fast ausschliesslich in diesem System gespielt – genauso Alain Geiger mit Servette. In der Premier League gibt es aktuell im Spielaufbau unter anderem bei den «Cruyff-Jüngern» Guardiola und De Zerbi aber wieder eine Entwicklung zur Doppel-Sechs im Spielaufbau. Klassisch wäre das ein 4-2-3-1, es kann sich aber beispielsweise auch um ein 3-2-4-1 handeln.   

Egal ob mit einem oder zwei Sechsern: das FCZ-Kader passt so oder so nicht zum angestrebten Fussball. Das ist keine neue Erkenntnis. Schon seit Jahren trägt der FC Zürich dieses Problem mit sich herum. Jedes Mal, wenn man unter Trainern wie Magnin, Rizzo oder Foda das Spiel dominanter gestalten wollte, führte dies in den Misserfolg. Selbst in der Endphase der Breitenreiter-Saison versuchte man erfolglos vermehrt höher zu stehen – nur spielte die dadurch sinkende Leistungskurve in diesem Zeitpunkt keine Rolle mehr, da der Vorsprung vor der Konkurrenz schon zu gross war. Breitenreiters Pragmatismus und Erfolgsorientierheit hatte den FCZ zum Titel geführt. Der anschliessende Philosophie-Wechsel bekam der Mannschaft resultatmässig dann nicht gut.

Vertragsverlängerungen, die sportlich nicht zu passen scheinen

Das Hauptproblem war in den letzten Jahren jeweils der «Mismatch» zwischen Kader und Spielweise. Steht eine Mannschaft tief, wie der FCZ grösstenteils in der Meistersaison, braucht sie sprintstarke Stürmer. Steht sie hoch, wie dies jetzt wieder der Plan ist, braucht sie sprintstarke Verteidiger. Nikola Katic und Fabio Daprelà gehören zu den langsamsten Verteidigern der Liga. Auch Lindrit Kamberi ist in diesem Bereich nur Liga-Durchschnitt. Dies wurde den FCZ-Verantwortlichen nach der Winterpause in der Entstehung aller Gegentore (drei in Yverdon, zwei beim ersten Derby, zwei gegen Lausanne-Sport) erneut schmerzhaft vor Augen geführt. Mit schnellen Verteidigern hätten alle diese Gegentore verhindert werden können. Beim ersten Gegentor in Yverdon bezieht sich diese Aussage dabei auf die Entstehung des Freistosses.  

Katic und Daprelà sind typische Haudegen mit einer beschränkten Technik für eine tief stehende Mannschaft, die nicht das Spiel machen will und muss. Trotz dieses klaren Spieler–Spielweise Mismatches war Nikola Katic interessanterweise einer der ersten Spieler mit denen Sportchef Malenovic den Vertrag verlängert hat. Eine weitere frühe Vertragsverlängerung gab es mit Rodrigo Conceição, der mit seiner zu wenig engen Ballführung und etwas wilden Art ebenfalls das Profil eines Konterspielers hat. Bledian Krasniqi oder Antonio Marchesano sind ebenfalls in Umschaltsituationen am stärksten – sowohl offensiv wie defensiv.

Kaum Spieler im Kader für dominanten Fussball

Dasselbe gilt für Jonathan Okita. Dieser hat am Ball kein überragendes Tempo und ist daher kein Spieler, den man wie Assan Ceesay oder Fabian Rohner typischerweise hinter die gegnerische Abwehr lancieren kann. Er benötigt für seine Einzelaktionen und Weitschüsse trotzdem den Raum und die Zeit einer Umschaltsituation. Natürlich kann eine solche auch aus einem Hohen Pressing entstehen – aber dafür benötigt man ebenfalls die richtigen Spieler. Seit mehreren Jahren steht und fällt das FCZ-Pressing mit der Form des «Pressing-Leaders» Antonio Marchesano. Die anderen Stürmer sind in diesem Bereich nicht speziell stark.  

Auch Ifeanyi Mathew ist vor allem in Kontersituationen gut. Es gibt kaum Spieler im Kader, denen dominanter Fussball besser liegen könnte als der bisherige Spielstil. Cheick Condé ist ein Kandidat. Mit Amadou Dante kommt nun ein weiterer hinzu. Die Stossrichtung auf Seiten der Neuverpflichtungen scheint zu stimmen – auch in Bezug auf das Motto „Qualität vor Quantität“.

Drei Punkte im Derby dank Rückkehr zum Pragmatismus

Ein wichtiger Erfolgsfaktor der Meistersaison war André Breitenreiters Pragmatismus und Erfolgsorientiertheit, die er auch aufgrund seines Standings bis fast zum Ende der Saison durchziehen konnte. Er nahm keine Rücksicht auf Spielphilosophien, Nachwuchsentwicklung oder personelle Belange. Wer ein oder zwei Chancen erhalten hatte, und sie nicht nutzte, war für den Rest der Saison aussen vor. Entscheidungen wurden nüchtern gefällt und aus Fehlern rasch gelernt. Dass der Abgang von Bo Henriksen auf Ende Saison nun bekannt geworden ist, könnte einen ähnlichen Effekt haben – und für den Rest der Saison ebenfalls zu Pragmatismus und Erfolgsorientiertheit führen. Nichts könnte dies besser illustrieren als das zweite Derby: nach dem 1:0-Führungstreffer wurde der eigene Strafraum mit Mann und Maus verteidigt und auf schnelle Gegenstösse mit Fabian Rohner als einzigem Stürmer gesetzt. Daraus resultierten drei Punkte. Im ersten Derby nach der Winterpause hatte man nach einer 1:0-Führung risikovoll weitergespielt und lief dem Gegner zwei Mal ins offene Messer.      

Auch bezüglich Spielsystem kehrte Henriksen am Wochenende zum 3-4-3 / 3-4-1-2 zurück. Seit dem Auswärtsspiel in St. Gallen kurz vor der Winterpause hat man mit der Umstellung auf ein 4-3-3 im Verlauf der 2. Halbzeit grundsätzlich gute Erfahrungen gemacht. Die Kadenz der herausgespielten Torchancen erhöhte sich. Dies weil es für einen Gegner immer schwierig ist, während einer laufenden Partie auf so eine Umstellung zu reagieren. Das 4-3-3 als Grundformation und die hohen Linien haben aber erstmal weder in den Winter-Testspielen noch in Yverdon funktioniert. Gegen einen tief stehenden Gegner wie die Waadtländer braucht es dazu Spieler, die sich mit Technik, Kraft und Antrittsschnelligkeit (am liebsten alle drei Skills gleichzeitig) auf Super League-Niveau auf engem Raum durchsetzen können.

Yverdon erneut der Wendepunkt?

Betreibt der Gegner selbst ein hohes Pressing, benötigt man einen Zielspieler für Yanick Brechers hohe Bälle, um einen gegnerischen Ballgewinn in der eigenen Platzhälfte zu verhindern. Zu Beginn der Saison war Lindrit Kamberi dieser Zielspieler auf der rechten Seite – aber auf ihn haben sich die Gegner mittlerweile eingestellt, so am Samstag auch GC’s Florian Hoxha. Afriyie, Marchesano, Conceição, Krasniqi, Guerrero oder Mathew haben bei solchen hohen Bällen keine Chance. Okita und Boranijasevic gehen diesen trotz einer gewissen Körpergrösse aus dem Weg. Cheick Condé ist allenfalls noch eine Variante, die vereinzelt und ansatzweise nicht schlecht funktioniert hat. Der Guineer ist zuletzt aber etwas aus dem Tritt geraten und obendrein Stand heute noch für die nächsten zwei Spiele gesperrt.    

In Yverdon wurde vor zwei Jahren Breitenreiters Meisterteam endgültig geformt. Denn das 4-3-3 wurde nach der dortigen Erfahrung sofort wieder eingestampft. Pollero wurde zur Winterpause abgegeben, Leitner, Gogia, Hornschuh oder Coric spielten bis zum Ende der Saison nur noch untergeordnete Rollen. Marchesano, Gnonto und Tosin stiegen hingegen in der Hierarchie auf und wurden zu tragenden Säulen. Es folgte ein mirakulöses Last Minute-3:3 im Letzigrund gegen den FCB und danach neun Siege in Folge. Es wäre vermessen, in der aktuellen Saison noch vom Meistertitel zu träumen. Aber ist Yverdon auch diesmal ein Wendepunkt? Die vorläufige Rückkehr zumindest bis Ende Saison zum 3-4-1-2 und dem direkten Fussball durch die Mitte? Und die Herauskristallisierung einer griffigeren Stammformation mit Kryeziu, Krasniqi und Ligue an Stelle von Katic, Condé und Okita?

Schwierige Entscheidungen in der Kaderplanung

Im Hinblick auf den kommenden Sommer und die Zeit danach kann eine Transformation des Spielstils nur mit einem Kaderumbau umgesetzt werden. Es braucht dafür die passenden Spielertypen. Daher stehen schwierige Entscheidungen an. Die Verträge von Antonio Marchesano, Adrian Guerrero, Nikola Boranijasevic oder Marc Hornschuh laufen aus. Guerrero und Boranijasevic waren und sind die Schlüsselspieler des Erfolgssystems 3-4-1-2. Nur dank ihres Laufvermögens auf der Seite kann die Mannschaft in allen drei Linien im Zentrum immer wieder die so wichtigen Überzahlsituationen kreieren. Boranijasevic gehört zu den Top 3-Flankengebern der Liga und Guerrero zu den Top 3-Standardschützen.

Marchesano sorgt mit seiner Kombination aus stupender Technik und grossem Arbeitswillen immer wieder für die Differenz. Über die Jahre hat er sich beim FCZ enorm gesteigert und kann aktuell wieder eine Skorerquote wie in der Meistersaison vorweisen. Er ist genauso wie Guerrero mit Sicherheit auch ein entscheidender Mann für die Stimmung und den Team-Zusammenhalt. Marc Hornschuh war in den letzten zweieinhalb Jahren eine wertvolle Team-Ergänzung und immer da, wenn es ihn brauchte. Nichts symbolisiert seinen Wert für die Mannschaft so gut wie die Szene in St. Gallen, wo er sich aufopferungsvoll in den Schuss von Christian Witzig warf und daraufhin ausgewechselt werden musste. All diese Faktoren machen die zu treffenden Entscheidungen nicht einfacher. Ohne die bisherigen Säulen von Grund auf ein neues Haus zu errichten, in welchem alle für ein Team wichtigen Elemente berücksichtigt werden müssen, ist ein heikles Unternehmen.   

Erfolgreiche taktische Umstellung 5 Minuten vor Spielbeginn / Lugano – FCZ Analyse

Zwei Teams mit gleicher taktischer Formation? / Lugano – FCZ Vorschau (Züri Live)

Der FCZ geht nach einer Serie von acht ungeschlagenen Ligapartien in Lugano mit 0:2 als Verlierer vom Platz. Interessanterweise hatte das Team von Bo Henriksen gleichenorts gegen den gleichen Gegner mit dem gleichen Resultat verloren gehabt, bevor diese Serie mit dem 4:1-Heimsieg gegen Servette vor der WM-Pause startete. Damals kam die Niederlage wenige Tage nach dem Highlight im Emirates gegen Arsenal nicht überraschend. Diesmal war es ein leichter Abwärtstrend, der die zahlreich mitgereisten und kreativen Fans (Motto „Safety Matches“) mit einem etwas mulmigen Gefühl ins Tessin reisen liess.

Lugano’s taktischer Kniff fünf Minuten vor Spielbeginn griff

Ein wichtiger Teil des Duells fand schon vor dem Anpfiff statt. FCZ-Coach Henriksen stellte auf einen Dreimannsturm in einem 3-4-3 um und gab vorne dem Trio Tosin-Simic-Okita eine Chance. Lugano-Coach Croci-Torti hatte sein Team die ganze Woche auf das Zürcher 3-4-1-2 eingeschworen. Nun das! Er entschied sich kurzerhand fünf Minuten vor Spielbeginn die geplante Taktik und alle in der Trainingswoche vorbereiteten Abläufe über den Haufen zu werfen und ganz anders aufzutreten. So zog sich Macek auf der rechten Seite im Spielaufbau jeweils stark zurück, um hinten mit vier Mann plus Torhüter aufbauen zu können. Vor allem aber wurden viel mehr lange Bälle als üblich hinten heraus nach vorne geschlagen.

Da Lugano die von der Körpergrösse her wohl kleinste Mannschaft der Liga hat, versucht Croci-Torti die Taktik seiner Mannschaft immer so dem Gegner anzupassen, dass man im Aufbauspiel durch die vom Gegner abweichende taktische Grundordnung, Geduld, das Aufreissen und Ausnutzen von Zwischenräumen sowie proaktive Laufwege Überzahlsituationen schafft. Das Ziel: möglichst wenig Zweikämpfe. Gelingt dies, dann hat Lugano in der Super League mit seinen flinken Spielern gute Chancen, ein Spiel zu gewinnen.

FCZ lässt Leistungssteigerung nach der Pause vermissen

Das Zürcher Sturmtrio trat vorne in der 1. Halbzeit zu nonchalant (Okita, Tosin) beziehungsweise übermotiviert (Simic) auf und produzierte aus im Ansatz guten Möglichkeiten zu wenig Ertrag. Auch das Gegenpressing der Stürmer war häufig zu wenig konsequent – so beim Lugano-Führungstreffer auf Konter, nachdem Okita am Lugano-Strafraum ein Geschenk von Valenzuela scheinbar nicht annehmen wollte. Das Tor erinnerte in seiner Entstehung stark an den Monteiro-Treffer zum zwischenzeitlichen 1:1 für YB zuletzt im Letzigrund. Die Tessiner gingen kurz vor der Pause mit 2:0 in Führung, als einige Zürcher Akteure mit den Gedanken schon in der Kabine schienen – und erzielten zwei weitere wegen Offsides aberkannte Kontertreffer. Aliseda lupfte den Ball in der 65. Minute alleine vor Zürich-Keeper Brecher aus der Distanz über das gegnerische Gehäuse.

Die Partie war zu Beginn intensiv. In den ersten zwanzig Minuten hatte der FCZ angeführt vom im ersten Durchgang agilen Bledian Krasniqi im Cornaredo ein Chancenplus. Dazu gehörte der Lattenschuss von Nikola Boranijasevic in der 14. Minute. Die Lugano-Führung fiel gegen den Spielverlauf. In der 55. Minute wurde Tosin im gegnerischen Strafraum von Lugano-Keeper Osigwe penaltyreif gelegt, dies aber aus einer Offsideposition heraus. Zwischen der 49. und 63. Minute versuchte es der FCZ mehrmals mit durchaus ansprechenden Weitschussversuchen, denen aber kein Abschlussglück beschieden war. Insgesamt vermochte sich der FCZ in der 2. Halbzeit aber nicht zu steigern. Die Einwechselspieler entfalteten praktisch keine Wirkung.

Durchschnittsleistung zu wenig, um in Lugano zu punkten

Die Lugano-Verteidiger waren während der ganzen Partie nahe an den gegnerischen Stürmern dran, Nikola Katic hingegen liess Zan Celar viele Freiheiten, damit dieser die langen Bälle für seine Flügelstürmer ablegen konnte. Im Spiel mit Ball benötigte der FCZ zu viele Pässe, um zu einem Abschluss zu kommen. Die Mehrheit der FCZ-ler brachte im Cornaredo eine Durchschnittsleistung – ohne Ausreisser nach oben oder unten. Eine Note „8“ reichte Cheick Condé diesmal für die Auszeichnung als Züri Live-MVP. Am anderen Ende der Notenskala konnten sich Okita und Katic im Vergleich zu ihren schlechten Auftritten gegen Servette-steigern. Yannick Brecher hatte praktisch nichts zu tun und musste trotzdem zwei Mal hinter sich greifen. Zum ersten Mal im Jahr 2023 ist seine Defensivnote ungenügend.

Personalien

Weitere Berichte und Highlights

Telegramm Lugano – FCZ (transfermarkt)

Lugano – FC Zürich (SFL)

Südkurve in Lugano

Futsch ist die FCZ-Ungeschlagenheit (BLICK)



Guerrero-Ersatz Aliti mit viel Freiheiten, aber wenig Spielanteilen / FCZ – YB Analyse mit Randnotiz: Aus fünf mach zwei – wie YB den FCZ beim 2:2-Ausgleich zerpflückt hat

Wer ersetzt Adrian Guerrero? / FCZ – YB Vorschau (Züri Live)

Wie von den Züri Live-Lesern und -Hörern gefordert, ersetzte Fidan Aliti den verletzten Adrian Guerrero gegen YB auf der linken Aussenläuferposition. Dieser wurde von den Teamkollegen aber wenig ins Offensivspiel eingebunden. YB gab Aliti viel Platz. Er stand häufig frei. Der FCZ nutzte aber potentielle zwei gegen eins-Situationen über die linke Seite nicht. Das Spiel lief aber vorwiegend wenn nicht durch die Mitte, dann über die rechte Zürcher und linke Berner Seite. YB-Coach Raphael Wicky wich gegen den FCZ von seinem geliebten Mittelfeld-Rhombus ab und liess sein Team in einem 4-2-3-1 antreten. Dies ist auch ein Kompliment an den Gegner. Die Berner Tendenz unter Wicky viel durch die Mitte zu spielen, blieb trotzdem erhalten.

Züri Live-Leserfrage vor der Partie

FCZ hält YB aus der Gefahrenzone fern

YB hatte mehr den Ball und kam zu einer deutlich höheren Anzahl von Abschlüssen. Die FCZ-Hintermannschaft gemeinsam mit dem Mittelfeld schaffte es aber, die Berner weitgehend aus der Gefahrenzone fernzuhalten, so dass die Abschlüsse der Gäste vorwiegend Weitschüsse oder Versuche aus spitzem Winkel blieben. Es war mit einer durchschnittlichen Defensivnote von 6,8 die zweitbeste Defensivleistung der Saison nach dem 1:0 in Unterzahl gegen den FC St. Gallen. Dies vor allem dank dem Mittelfeldzentrum: Cheick Condé hatte zum vierten Mal im sechsten Spiel nach der Winterpause die Maximalnote „10“ in der defensiven Phase, Krasniqi war defensiv ebenfalls hilfreich und die eingewechselten Dzemaili und Hornschuh leisteten im Spiel ohne Ball ebenfalls gute Dienste.

Die durchschnittliche Offensivnote war mit 5,7 hingegen deutlich schlechter, als noch im Stadtderby und auf gleicher Höhe mit dem Kantonsderby. Insgesamt kam der FC Zürich in dieser Partie gerade mal zu acht Abschlüssen, wovon aber zwei verwertet werden konnten – was zum zweiten Mal hintereinander für die FCZ-Abschlusseffizienz spricht. Das Offensivspiel aus dem Mittelfeld heraus war gut, aber die Stürmer konnten sich vorne zu wenig durchsetzen, waren vor allem in Person von Jonathan Okita zu wenig zielstrebig.

Boranijasevic entscheidend in der Vorbereitung beider Tore

YB glich zwei Mal auf ähnliche Art und Weise aus, wie der FCZ die Führung erzielt hatte. Das 1:0 und das 1:1 fielen jeweils gegen einen relativ hoch stehenden Gegner, bei dem die Stürmer für einen Moment in ihrer Defensivarbeit nachliessen. Das 2:1 und 2:2 wurden hingegen gegen einen jeweils eher tief stehenden Gegner und dank der Energie eingewechselter Spieler erzielt. Das Zürcher 2:1 durch Aiyegun Tosin war der dritte Treffer des FCZ aus einem Hohen Pressing in den letzten zwei Partien. Dies war bisher kein Markenzeichen unter Bo Henriksen.

Mit hervorragenden Bällen von der Seite in den Strafraum war Nikola Boranijasevic an beiden Zürcher Treffern entscheidend beteiligt. Der FCZ-Torschütze zum 1:0, Jonathan Okita, ist der einzige Zürcher mit einer ungenügenden Züri Live-Note. Die Entstehung seines Führungstores war bezeichnend für den Auftritt. Erst bremste Okita nach einem herausragenden langen Ball von Condé hinter die YB-Abwehr ab, und verzichtete darauf, durch die Mitte alleine Richtung gegnerisches Tor zu ziehen. Dann unterlief ihm aus dem Stand auch noch ein Fehlpass in die Füsse von Zesiger. Der Ball kam aber trotzdem nochmal zu Okita und da die YB-Sechser Niasse und Imeri weit und breit nicht zu sehen waren, hatte er genug Platz, um in die rechte untere Ecke zu treffen.

FCZ mit dem besseren Mittelfeldzentrum

Wieder kann der FCZ von Beginn weg im 3-4-3 den Gegner unter Druck setzen. YB spielt daher sehr vorsichtig mit vielen hohen Bällen und lässt sich auf kein risikoreiches Aufbauspiel ein. Der FCZ wagt diesbezüglich etwas mehr. Bei YB verhielt sich der 19-jährige Innenverteidiger Aurèle Amenda noch nicht in jeder Situation optimal. Filip Ugrinic hat sich weiterhin noch nicht richtig im Team integriert, konnte aber den ein oder anderen wichtigen Zweikampf (unter anderem vor dem 2.2-Ausgleich) gewinnen. Und der FCZ hatte an diesem Tag mit Condé / Krasniqi das bessere Zentrum, als der Gegner mit Niasse / Imeri. Letzterer interpretierte seine Rolle als Sechser in gewisser Weise in “Beckenbauer-Manier“, aber ohne grosse Wirkung.

https://soundcloud.com/fcz-radio/fcz-yb-2-2-fazit-omeragic-und-boranijasevic-spielen-gut-zusammen

Ab der 65. Minute wechselte YB dann zurück auf die übliche Rhombus-Formation im Mittelfeld. Der FCZ wechselte danach auf ein 3-5-2 und am Schluss auf ein 3-4-1-2. Der fehlende dritte Stürmer spielte defensiv gesehen eine grosse Rolle beim 2:2-Ausgleich YB’s in der 84. Minûte (siehe Rubrik „Randnotiz“ weiter unten). YB zementierte mit diesem Treffer seine hervorragende Trefferquote in der Schlussviertelstunde.

Personalien

  • Bledian Krasniqi: Der Zürcher Ballverteiler hatte in der Vergangenheit immer wieder mal Leistungsschwankungen während eines Spiels. Die Leistung gegen YB ist hingegen sehr konstant über die ganze Einsatzzeit.
  • Jonathan Okita: Trotz 1:0-Führungstreffer einziger FCZ-Spieler mit ungenügender Note. Schlampige Aktionen in Ballbesitz speziell in der ersten halben Stunde. Defensiv fehlt unter anderem bei gegnerischen Einwürfen eine klare Idee, was er machen will.
  • Aiyegun Tosin: In der Ersten Halbzeit fast ausschliesslich mit Defensivarbeit beschäfttigt. Seine Ablage auf Boranijasevic beim 1:0-Führungstreffer in der 40. Minute ist seine erste gute Offensivaktion.
  • Yanick Brecher: Dass Brecher fussballerisch der aktuell wohl beste Super League-Torhüter ist, ist bekannt. Der hohe Ball, den er aber in der 30. Minute ins Mittelfeld spielte, verdient spezielle Erwähnung. Dieser war so raffiniert getreten, dass er erst in einer sehr späten Phase seiner Flugbahn einen starken Seitwärtsdrall erhielt – und dies aber ohne Gefahr zu laufen, ins Seitenaus zu fliegen. Dies ermöglichte Okita, den Ball sicher vor dem Gegenspieler in Empfang zu nehmen und zu verarbeiten. Im Normalfall bei gerade gespielten Bällen verliert Okita praktisch jedes Luftduell oder versucht gar nicht erst, ein solches zu bestreiten.
  • Mirlind Kryeziu: Eine unter dem -Strich durchschnittliche Leistung mit Höhen und Tiefen. Trotzdem deutlich besser, als zuletzt Nikola Katic.
  • Cheick Condé: MVP wie beim Auftakt nach der Winterpause in Luzern. Sowohl defensiv wie offensiv mit der Maximalnote “10′, wenn auch beides knapp. Defensiv mit Durchschnittsnote 9,5 nach der Winterpause. Viele Konkurrenten hätten gerne einen solchen Mann auf dieser Position.
  • Blerim Dzemaili: Die chronisch ungenügende Defensivleistung war lange Zeit sein grösstes Problem. Seit der Winterpause hat sich das stark geändert. Endlich erfüllt er die defensiven Aufgaben auf seiner Position auf Super League-Niveau und ist wie gegen YB diesbezüglich sogar einer der Besten seines Teams. Er wirkt fitter als zuvor und die beschränkte Einsatzzeit kommt ihm zusätzlich entgegen.

Randnotiz – Aus fünf mach zwei: wie YB den FCZ beim 2:2-Ausgleich zerpflückt hat

Weitere Berichte und Highlights

Telegramm FCZ – YB (transfermarkt)

Südkurve vs. YB

Meister und Leader teilen sich die Punkte (Züri Today)

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Super League ist keine Reha-Klinik: FCZ nach 14 Spielen unter Franco Foda

Der Liga-Saisonstart 22/23 des FCZ ist schlechter als in der Abstiegssaison 15/16. Damals hatte man nach sieben Runden fünf Punkte auf dem Konto, diesmal nur zwei – und noch keinen einzigen Sieg. Die Tabellensituation ist dramatisch. Man erinnere sich daran, wie viel Effort und herausragende Leistungen Luzern letzte Saison gebraucht hat, um es in dieser ausgeglichenen Liga zumindest noch auf den 9. Platz zu schaffen. Sitzt man mal so tief im Loch, kommt man selbst mit „ordentlichen Leistungen“ nirgendwo mehr hin. Denn die Konkurrenten punkten ebenfalls regelmässig.

Nach Expected Goals erst eine Niederlage in 14 Spielen

Allerdings: gemessen an den Expected Goals müsste der FC Zürich eigentlich zehn Punkte auf dem Konto haben! Die Expected Goals widerspiegeln die Leistung einer Mannschaft besser. Das Stimmungsbild wird aber natürlich von den tatsächlichen Resultaten geprägt. Die beiden Heimspiele zuletzt gegen Basel und Lugano hätten gemessen an den Torchancen jeweils mit einem 2:1-Sieg enden müssen. Und man wäre in der Champions League-Qualifikation mindestens eine Runde weitergekommen. Nur ein einziges von 14 Spielen hat der FC Zürich bisher nach Expected Goals verloren. Dies war das Heimspiel gegen Sion. Und selbst in dieser Partie war man eine Stunde klar überlegen und der Gegner hatte bis zur 56. Minute keine nennenswerte Torchance. Unterlegen war man nie, häufig das bessere Team. Im Gegensatz zu letzter Saison fehlt es vor allem an der Abschlusseffizienz. Und weil man im Verlaufe einer 2. Halbzeit aufgrund des fehlenden Torerfolges zunehmend Risiken eingeht, kassiert man weitere Gegentreffer.

FCZ Expected Goals und Goals Saisonstart 22/23

Ganz anders sieht es beispielsweise beim Stadtrivalen aus, der vor dem Derby gegen Winterthur neun statt nach Expected Goals nur drei Punkte auf dem Konto hat – und dann auch dieses dank grosser Effizienz gewinnt. GC hat diese Saison noch kein Liga-Spiel nach Erwarteten Toren gewonnen, aber trotzdem in den beiden Heimpartien gegen Lugano und St. Gallen jeweils Siege eingefahren – und auswärts ausser in Genf jeweils einen Punkt. GC war im Gegensatz zum Rest der Liga diesen Sommer auf dem Transfermarkt zurückhaltend bis fast schon inexistent. Auf dem Platz ist allerdings bis jetzt ein Realismus ersichtlich, der zumindest teilweise an den FCZ der letzten Saison erinnert. Ob das von aussen eher zerbrechlich wirkende Teamgefüge (geringe Kadertiefe, einige launische Spieler) aber wirklich halten wird, muss sich erst noch zeigen.

GC Expected Goals und Goals Saisonstart 22/23

Auch in der dritten Saison: mit Dzemaili weniger Punkte

Stichwort Transfersommer: es wurden an dieser Stelle in den letzten Wochen schon mehrmals die Vor- und Nachteile der FCZ-Tranferstrategie vor allem in Bezug auf die Personalen Selnaes und Santini erörtert. Beides sind Spieler mit gehobenen technischen Qualitäten, bei denen aber nach einem Jahr in Saudi-Arabien im Alter von 33 Jahren (Santini) beziehungsweise dreieinhalb (!) Jahren in China (Selnaes) unsicher ist, ob sie es nochmal auf das Niveau des Super League-Rhythmus schaffen, und wenn ja, wie lange das dauert. Erfahrene Verpflichtungen müssten eigentlich sofort helfen können. Der FCZ gibt stattdessen diesen Spielern die Plattform, um sich wieder an den europäischen Rhythmus heranzutasten. Früher hat man eine solche Plattform vielversprechenden jungen Spielern aus dem eigenen Nachwuchs gegeben.

Aktueller Stand: Santini ist immer noch weit entfernt von der in dieser Liga geforderten Spritzigkeit. Bei Selnaes könnte man sich hingegen vorstellen, dass er gegen Ende der Vorrunde (die im neuen Jahr startet) der Mannschaft langsam, aber sicher auch unter dem Strich helfen kann. Aber nur dann, wenn er nicht wie gegen Lugano mit Dzemaili gleichzeitig auf dem Platz steht. Die beiden sehr ähnlichen Spieler sind in den Zweikämpfen und in der Rückwärtsbewegung viel zu schwach für diese Liga. Man gibt im Spiel ohne Ball dem Gegner das Zentrum preis. Als gegen Lugano Condé für Dzemaili reinkam, stieg die Stabilität merklich. Dzemaili hat sowieso eine schlechte Bilanz. Wenn die FCZ-Legende auf dem Platz steht, holt die Mannschaft weniger Punkte. Das war in der Saison seiner Rückkehr 20/21 so, im Meisterjahr 21/22 ebenfalls, und es gilt genauso wieder für die aktuelle Saison 22/23.

Becir Omeragic defensiv haarsträubend

Auch der 36-jährige Dzemaili gehört zu den Spielern, die man nach einer seiner zahlreichen kleineren Verletzungen immer wieder „aufpäppeln“ muss. Genauso wie der schon seit Jahren fragile 16 Jahre jüngere Becir Omeragic, der defensiv in der Liga zur Zeit einfach nur schlecht spielt. Bis und mit dem Cupspiel in Cham hat er eine Defensivdurchschnittsnote von gerade mal 4,0. Selbst wenn man sich einzig auf die Gegentore in seinen bisherigen drei Liga-Einsätzen fokussiert, ist die Bilanz haarsträubend. In St. Gallen ist der Genfer mit zu zögerlichem Verhalten an beiden Gegentreffern wesentlich mitbeteiligt. Gegen Sion verursacht er das wegweisende erste Gegentor mit einem Ballverlust in der eigenen Hälfte und trottet beim dritten Gegentreffer wie ein “Baditschütteler“ in der Gegend herum, lässt die Walliser gewähren. Gegen Lugano schliesslich ist er erneut der Hauptverursacher des wegweisenden ersten Gegentreffers. Er vergisst, die Aussenseite zuzumachen und verliert (ohne Ball) das entscheidende Laufduell gegen Haile-Selassie (mit Ball) klar und deutlich. Bei der Entscheidung zum 1:2 wiederum versteckt er sich gedankenverloren hinter Mitspieler Boranijasevic und lässt seine zwei Verteidigerkollegen Kryeziu und Aliti im Strafraum gegen drei Luganesi in Unterzahl alleine zurück. Dass Omeragic in der aktuellen Saison einen über dem Durchschnitt liegenden Punkteschnitt hat (siehe Grafik oben), liegt in erster Linie daran, dass er in seinen wenigen Einsätzen in der noch jungen Saison überproportional in Cup und Europacup eingesetzt worden ist. Die drei Liga-Spiele mit ihm gingen allesamt verloren.

Dann Willy Gnonto: zwar bemüht, aber völlig ausser Form und scheinbar mit dem Kopf nicht 100% bei der Sache, erhielt in den letzten Wochen sehr viel Spielzeit – und Chancen. Die Mannschaft ist nicht stark genug, um so viele prominente Spieler auf der Suche nach ihrer Form (Selnaes, Santini, Dzemaili, Omeragic, Gnonto) mitschleppen und deren viele Unzulänglichkeiten kompensieren zu können. Keine Super League-Mannschaft könnte das. Letzte Saison war einzig Dzemaili so ein Fall. Er kam dabei aber nur in etwa der Hälfte der Spiele von Beginn weg zum Einsatz und hatte mit dem Jubiläumsspiel gegen Sion und dem Meisterspiel in Basel immerhin zwei Highlights dabei, wo er der Mannschaft wirklich helfen konnte. Nach Mannschaftsteilen betrachtet enttäuschten bisher die gelernten Stürmer im Kader (mit Ausnahme von Vyunnik) am meisten. Den Glauben an die eigenen Stürmer nicht zu verlieren, ist für dieses Team jetzt einer der wichtigsten Faktoren.

Super League ist keine Reha-Klinik

Von den anderen neuen Spielern im Team sind Bohdan Vyunnik und Cheick Condé eine klare Verstärkung. Donis Avdijaj und Jonathan Okita erinnern manchmal etwas an launische Ex-Spieler wie Kololli oder Mahi, die die Mannschaft nicht wirklich weiter brachten. Allerdings arbeiten Avdijaj und Okita defensiv mehr für die Mannschaft und haben insgesamt eine höhere Qualität. Gerade Okitas Potential ist gross, wenn er mal “ins Rollen kommt“ und noch etwas zielgerichteter agiert. Die neuste Neuverpflichtung Nikola Katic ist der Typ des grossgewachsenen, etwas ungelenken und im Antritt mit Problemen kämpfenden Innenverteidigers. Vorletzte Saison verpasste der Kroate aufgrund eines Kreuzbandrisses komplett. Der FCZ baut wohl darauf, dass er nach dem Wiederaufbau letzte Saison bei Hajduk in der Kroatischen Liga zum jetzigen Zeitpunkt wieder zurück in seine Verfassung vor der Verletzung kommen könnte. Und wenn man sich vorstellt, wie sich bei Standards das Trio Kryeziu / Mets / Katic gemeinsam in die gefährliche Zone begiebt, könnte das bei einigen Super League-Gegnern für Unruhe sorgen.

Das Trainerteam um Franco Foda muss nun dringend notwendige personelle Entscheidungen treffen. Die Super League ist keine Reha-Klinik. Von den Spielern, die Mühe mit dem Rhythmus haben, darf allerhöchstens einer gleichzeitig auf dem Platz stehen. Entscheidet man sich beispielsweise für Selnaes, dann müssen Omeragic, Dzemaili und Santini draussen bleiben. Und Katic sollte man nur einsetzen, wenn er sofort helfen kann. Noch einen Spieler, der erst aufgebaut werden muss, kann sich der FCZ nicht leisten. Die Grösse des Kaders ist grundsätzlich gut. Angesichts der Liste von „Fragezeichen“ im Team muss man aber sicherlich auch ein Auge auf die Optionen aus der U21 (Hodza, Janko, Reichmuth, Bajrami,…) haben.

Auf dem Weg zu einer neuen Team-Identität

Letzte Saison stellte sich in unserer Liga-Analyse heraus, dass Konstanz ein Erfolgsfaktor ist. In erster Linie im personellen Bereich, in zweiter Linie bezüglich Spielweise und in dritter Linie beim Spielsystem. Dies scheint sich in der aktuellen Saison weiter zu bestätigen. Sion beispielsweise tritt personell und taktisch deutlich konstanter als letzte Saison an, und spielt dementsprechend erfolgreicher. Der FCZ ist bezüglich aller drei Faktoren unkonstanter – mit dementsprechend deutlich schlechteren Resultaten. Wie letzte Saison eine Stammformation zu haben, würde dem FCZ grundsätzlich gut tun. Wie sehr dies aufgrund des Dreitage-Rhythmus tatsächlich sinnvoll und möglich ist, ist schwierig zu beurteilen, wenn man das Innenleben des Teams nicht im Detail kennt. Trainer von Teams, die in der gleichen Situation wie der FCZ sind, rotieren in der Regel ja ebenfalls relativ viel.

Bezüglich Spielsystem hat sich in den letzten Wochen eine gewisse Formation herausgebildet. In der Grundformation ein 3-4-1-2 wie letzte Saison, welches aber in vielen Spielsituationen gegen und auch mit dem Ball zu einem 3-4-3 wird – speziell wenn nicht hoch gepresst wird und mehr Breite erforderlich ist. Man praktiziert nicht mehr eine Manndeckung auf dem ganzen Platz wie unter Breitenreiter. Die Raumdeckung kann im negativen Fall dazu führen, dass die Mannschaft zu passiv wird. Breitenreiters Manndeckung hatte auch den Effekt, dass sie einige latent etwas lethargisch veranlagte Spieler dazu zwang, jede Zehntelssekunde des Spiels aufmerksam zu sein. Zuletzt war in den Details aber auch eine Entwicklung erkennbar. So sind neuerdings in Ballbesitz die drei Spieler in der vordersten Reihe mit Diagonalläufen viel in Bewegung. Tosin, Avdijaj, Vyunnik, Krasniqi, Marchesano, Okita und Co. tauchen mal zentral und dann wieder auf dem Flügel auf und machen dem Gegner Probleme, weil sich dessen Abwehrspieler ständig auf neue Situationen und Gegenspieler einstellen müssen.

Wechsel während dem Spiel – manchmal ist weniger mehr

In Sachen Höhe des Pressings agiert man je nach Gegner unterschiedlich. Manchmal zieht man sich zurück, manchmal greift man hoch an. In der Meistersaison war man sehr tief stehend gestartet, und versuchte dann im Laufe der Rückrunde zunehmend ins Pressing zu gehen. Die taktischen Wechsel während des Spiels unter Foda sind manchmal nützlich, manchmal aber auch kontraproduktiv – wie zuletzt die Umstellung auf Viererabwehr mit der Einwechslung Santini für Guerrero in der Schlussphase gegen Lugano. Der Wechsel brachte vor allem Fodas eigenes Team durcheinander und hatte einen wichtigen Anteil an der Niederlage. Schon zum Auftakt in Bern hatte Foda mit zu offensiven Wechseln die Balance im Team entscheidend gestört, was YB sofort ausnutzte. Auch bezüglich Spielweise und System tut Foda gut daran, die Identität des Teams noch mehr zu schärfen. Flexibilität ist gut, aber nur, wenn darunter ein Fundament vorhanden ist. Schritte in diese Richtung sind zuletzt getan worden, aber es ist noch nicht genug.

Zum Thema: Leistungsbilanz zum Saisonstart: Unkenrufe aus Österreich bewahrheiten sich nicht

FCZ in Rückrunde mit flexiblerer Spielweise – Saison-Analyse zum Start, Teil 1

Konstanz als Erfolgsfaktor in der Super League – Halbzeitanalyse, Teil 9

Tosin und Gnonto treffen / Linfield – FCZ in der Züri Live-Analyse

Der FCZ hat in der Anfangsphase dieser Saison darunter gelitten, dass mit Tosin und Gnonto die beiden Stürmer, auf die man aktuell am meisten setzt, das Tor nicht getroffen haben. Dies trotz zahlreicher Einschussmöglichkeiten. Die Bürde war den beiden, speziell dem 18-jährigen Gnonto, auch anzumerken. In der 1. Halbzeit in Belfast verwarf der Italienische Nationalspieler immer wieder die Hände und verzog verzweifelt das Gesicht. Ganz anders nach seinem schönen Treffer in der 64. Minute: plötzlich gelang ihm wieder fast alles – Ballan- und mitnahmen in hohem Tempo, Dribblings, präzise Zuspiele. Die Leichtigkeit des Stürmerseins war in den zwanzig Minuten bis zu seiner Auswechslung wieder zurück.

Abwärtstendenz seit Champions League-Ausscheiden

Davor hatte der FCZ erfolgreich vermieden, den Fehler des Norwegischen Meisters Bodö/Glimt zu wiederholen, der sich im Windsor Park zu sicher gefühlt hatte und letztendlich nach einem Ballverlust im eigenen Platzdrittel mit einer 0:1-Niederlage nach Hause flog. Wirklich sattelfest wirkte man trotzdem nicht, aber es war in den wenigen heiklen Szenen letztendlich immer noch ein Zürcher da, der ein Bein dazwischen hielt oder den Gegner entscheidend beim Abschluss bedrängte. Und bei den beiden eigenen Toren profitierte man von Fehleinschätzungen in der Defensivzentrale Linfields. Bei Tosins 1:0 reklamierte Shields so lange (wohl zu Unrecht) Offside, bis der nigerianische Stürmer an ihm vorbei war. Und beim 2:0 unterschätzte Hall den von Condé mit viel Gefühl auf Gnonto gezirkelten Ball hinter die Abwehr.

Beim 2:0 schlug der FCZ auch Kapital daraus, dass Linfield mit dem taktischen Wechsel des Stadtclubs auf ein 3-4-3 nicht zurecht kam. Zu Beginn der Partie hatte der FCZ seinerseits Probleme mit seinem eigenen Pressing, so dass Trainer Foda erst Gnonto und dann Marchesano einen Zettel mit Anweisungen auf den Weg gab, was dann aber ebenfalls nicht wirklich fruchtete. In Ballbesitz bewegten sich die offensiven Flügel des FCZ häufig in zentrale Positionen, so dass Linfield stark zurückgedrängt wurde und die Gäste aus Zürich ruhig und unbedrängt im Mittelfeld das Aufbauspiel aufziehen konnten. Unter dem Strich war es aber speziell auch wegen der unterdurchschnittlichen Defensivleistung der zweitschlechteste FCZ-Auftritt der Saison nach dem 0:4 zum Auftakt in Bern. Seit dem Ausscheiden aus der Champions League-Qualifikation, die für einige Akteure sicherlich ein grosses Ziel war, ist eine Abwärtstendenz erkennbar. Es ist wichtig, dass sich die Mannschaft mental wieder fängt.

Marc Hornschuh: Mister Zuverlässig

Trainer Foda scheint bei seinen Wechselentscheiden als eines der wichtigsten Kriterien auf die Leistung im Spiel zu schauen – und daher zumindest teilweise eher „auszuwechseln“ als „einzuwechseln“. So kamen die in Belfast unter dem Strich eher enttäuschenden Selnaes und Okita als Erste vom Platz. Boranijasevic gelang ausnahmsweise offensiv wenig und agierte dafür defensiv sehr solide – tendenziell umgekehrt als sonst. Aliti hatte lange Mühe, ins Spiel zu kommen, blühte dann aber auf, als er ab der 62. Minute offensiver auf der Aussenläuferposition eingesetzt wurde, und verstand sich speziell gut mit Gnonto. Davor war die linke Seite mit Aliti / Okita eher ein Schwachpunkt im 4-4-2 gewesen. MVP ist diesmal Marc Hornschuh. Gegen Gegner wie YB oder Qarabag stiess der Dortmunder zuletzt an seine Grenzen. Aber als Einwechselspieler gegen einen mittelprächtigen Gegner einen Vorsprung zu verteidigen: diese Rolle erfüllt er jedes Mal mit grosser Zuverlässigkeit und Effektivität.



Frey mit Rekord bei zweitem FCZ-Comeback der Saison / FCSG – FCZ Spielinfos und Stats

Der 2:1-Auswärtssieg vom Wochenende in der Ostschweiz kann als aussergewöhnlich bezeichnet werden. Zum ersten Mal in dieser Saison verliert St. Gallen eine Super League-Partie nach einer Führung, und dem FCZ gelingt erst zum zweiten Mal die Wende (Comeback) von einem Rückstand zu einem Sieg. Das erste Mal war ebenfalls das zweite Meisterschaftsspiel nach der (Sommer-)Vorbereitung gewesen, welches im Letzigrund gegen den FC Thun ebenfalls mit 2:1 endete (die Tore fielen zudem damals zu ähnlichen Zeitpunkten). Michael Frey kommt in St. Gallen gut ins Spiel und hat nach 24 Minuten bereits 14 Ballkontakte. Der Stürmer erzielt zwar keinen Treffer, agiert aber wieder so stark wie in seinen besten Vorrundenpartien und stellt gar einen neuen Rekord an Top-Offensivaktionen (16) auf. Zum achten Mal in dieser Saison ist der Münsinger Züri Live-MVP, letztmals war er dies vor zwei Monaten beim 3:1-Sieg an gleicher Stätte geworden, ebenfalls ohne dafür ein Tor zu benötigen. Dafür hatte Frey diesmal nur eine statt wie normalerweise zwei bis drei Top-Defensivaktionen zu verzeichnen, was wohl auch eine Folge des 3-5-2 Systems ist, in welchem im Spiel ohne Ball etwas weniger Last auf seinen Schultern liegt.

Auch im Kybunpark unterlaufen der Zürcher Defensive einzelne Schnitzer durch Pa Modou und Palsson, aber nicht mehr ganz so viele wie noch gegen Thun und in Lausanne. Eine bessere individuelle Qualität im Spiel ohne Ball ist auf Seiten des FCZ aber nicht auszumachen. Dass man dem Gegner diesmal nicht mehr als ein Gegentor zugesteht, hängt einerseits mit der kompakteren Formation und zurückhaltenderen Spielweise, andererseits aber auch mit Unzulänglichkeiten und Abschlussschwächen des Gegners zusammen. Ebenfalls zur defensiven Kompaktheit trägt der vor dem Spiel in einer Choreo des FCZ-Gästeblocks geehrte Alain Nef bei, welcher mit 10 Top-Aktionen am zweitbesten abschneidet. Bemerkenswert allerdings, dass die Mehrheit seiner Top-Aktionen offensiver Natur sind. In der 83. Minute wurde Nef angeschlagen durch Umaru Bangura ersetzt, der seine übliche zentrale Position in der Dreierkette einnahm – Palsson verschob sich auf halbrechts.

Raphael Dwamena zeigt aufsteigende Tendenz und ist genauso wie Michael Frey und Antonio Marchesano an jeweils neun der 16 Torchancen, welche nicht zu einem Tor führen, beteiligt. Marchesano kommt auf insgesamt neun Top-Aktionen und tritt zudem neun von zehn Zürcher Standards in der Offensivzone. Allerdings führt ausgerechnet der einzige nicht von Marchesano ausgeführte Standard zum Game Winning Goal (Eckball Rodriguez – Palsson am entfernten Pfosten mit einer Finte im Stile eines Wide Receivers im American Football – Abstauber Dwamena). Roberto Rodriguez brachte nach seiner Einwechslung in der 60. Minute wichtige Impulse und war an beiden Zürcher Treffern entscheidend beteiligt. Mit seiner Hereinnahme wechselte der FCZ zurück auf das übliche 3-4-3 und konnte so die Partie drehen. Nach der 2:1-Führung wechselte Uli Forte zurück auf 3-5-2 mit Rodriguez neben Marchesano auf einer der beiden Achterpositionen.

Adrian Winter ist mit drei Toren aus den letzten vier Spielen vor dem St. Gallen-Match der in den letzten Monaten treffsicherste Schütze im FCZ-Dress. Im Kybunpark, wo er noch vor zwei Monaten ein herrliches Weitschusstor erzielt hatte, gelang ihm diesmal gegen seinen Ex-Klub aber praktisch nichts. Bezeichnend dafür auch, dass Winter keine einzige Flanke schlug, wo er doch sonst jeweils der Flankengeber vom Dienst beim FCZ ist (bisher 67 Hereingaben in den Strafraum oder an die Strafraumgrenze in der laufenden Saison). Der für Winter eingewechselte Fabian Rohner ist zur Zeit besser drauf, auch wenn er in St. Gallen nur eine echte offensive Top-Aktion (beim 1:5 in Lausanne vor der Winterpause beispielsweise hatte er nach seiner Einwechslung noch sieben gehabt!) erspielen konnte – aber diese war das wichtige Tor zum 1:1.

 

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