Temperatursturz – warum der FCZ in der Zweiten Halbzeit beinahe unterging / FCB – FCZ 3:0 Analyse
Grosse Euphorie Samstagnacht unter den FCZ-Fans: ein Fahnenmehr in blau-weiss erwartet die Mannschaft nach ihrer Rückkehr aus Grozny am Flughafen – nach dem 1:1 Auswärtsunentschieden in Tschetschenien ist der FC Zenit Russischer Meister. Aber davon soll hier nicht die Rede sein. Sondern von einer Begegnung am gleichen Abend, welche die Bezeichnung «Klassiker» definitiv nicht mehr verdient. Der Begriff wird mehrheitlich noch in Basel als Werbeslogan propagiert, um (erfolglos) zusätzliche Zuschauer ins Stadion zu locken. Die Marketingphrase hat sich aber abgelutscht. Der «Clasico» ist die Begegnung der beiden über lange Zeit dominierenden Mannschaften – das sind wenn schon YB und der FCB. Die Berner lagen in den letzten zwölf Saisons nur vier Mal nicht in den Top 2 und gar nur einmal nicht in den Top 3 der Liga. Gegen den FCZ haben sie nun 15 Meisterschaftspartien in Folge nicht mehr verloren. Ein «Derby» gar, von welchem einzelne Basler Akteure manchmal schwadronieren, ist die Begegnung FCB – FCZ natürlich sowieso nicht.
Das Auf und Ab geht weiter. In den letzten sieben Wochen musste der FC Zürich nur drei Mal ausserhalb des Letzigrund-Stadions antreten – das waren gleichzeitig wohl die drei schlechtesten Partien in dieser Phase (zu Null-Niederlagen in Sion, Lugano und Basel). Insgesamt hat der Stadtclub in diesem Kalenderjahr ausserhalb des Letzigrunds erst drei Tore erzielt. Im Stade de Suisse und im St. Jakob Park kann der FCZ meist 30-45 Minuten mithalten, aber über 90 Minuten scheint der FCZ im Gegensatz zu den meisten Liga-Konkurrenten in diesen Stadien in der Meisterschaft kaum eine Chance auf auch nur einen Punktgewinn zu haben. Und dies schon seit Jahren. Der «Expected Goals»-Wert des FCZ vom Samstag in Basel ist sein drittschlechtester der Saison nach dem kürzlichen 0:1 im Tourbillon gegen Sion sowie dem 1:1 in Razgrad im Dezember.
Auch mit René Van Eck an der Seitenlinie setzte der FCZ auf das in den letzten Partien erprobte System mit drei Verteidigern, dem 6er- Rüegg hinter zwei Achtern und zwei Sturmspitzen. Die Aussenläufer Schönbächler und Kharabadze standen dabei aber tendenziell höher, als noch im Heimspiel gegen Sion. «Löcher wie Edamer» habe man im Zentrum gehabt, meinte Van Eck nach der Partie an der Pressekonferenz. Dies begann schon in der 1. Minute, als Sertic, Rüegg und Schönbächler kollektiv schlecht standen. Erst mit der Hereinnahme von Simon Sohm in der 54. Minute wurde die Organisation im Mittelfeld besser. An Sohms Seite steigerte sich vor allem Captain Kevin Rüegg merklich, wohingegen Toni Domgjoni zwar wie immer bemüht war, diesmal aber über die ganze Partie hinweg deutlich mehr schlechte als gute Aktionen zu verzeichnen hatte.
In die Zweite Halbzeit startete der FCZ zuerst besser als der Gegner und hatte nach 23 Sekunden bereits eine Torchance durch Stephen Odey. Grégory Sertic hingegen spielte zwar ab und zu mal einen guten Ball in die Tiefe, trat im ersten Spiel nach seiner Verletzungspause ansonsten aber ähnlich auf, wie in den meisten seiner bisherigen Partien: halbherzig, nonchalant und mit schlechter Körpersprache. Der Franzose hat einerseits, wenn er weit hinter dem Ball steht, ein gutes Gespür für die Passwege des Gegners – aber auf Höhe des Balles ist er andererseits in Zweikämpfen und Laufduellen beim Bemühen, den Ball zu gewinnen, selten eine Hilfe. Zudem geht durch den Leihspieler immer wieder die Kompaktheit flöten. Seine eher halbherzige Haltung war dann auch entscheidend bei der wichtigsten Szene des Spiels, als er Gegenspieler Zambrano beim Eckball Zuffis kurz nach der Pause wegen fehlender Aufmerksamkeit aus den Augen verlor und dieser zum 1:0 für den FCB traf. Dies ist umso ärgerlicher, als sich der FCZ bei gegnerischen Eckbällen im Verlauf der Rückrunde merklich gesteigert hat, und auch diesmal abgesehen von Sertic alle ihre Gegenspieler bei diesen Situationen im Griff hatten.
Stephen Odey hatte mehr gute als schlechte Aktionen, muss aber nach einem unnötigen Ballverlust und anschliessendem taktischen Foul in Neuenburg gesperrt zuschauen. Im Heimspiel gegen Sion vor Wochenfrist vermochte Assan Ceesay noch fast jedes Kopfballduell im Mittelfeld zu gewinnen, in Basel stimmte sein Timing in der Luft dann aber plötzlich wieder nicht mehr. Auch kam der hagere Gambier durch das bessere lokale Pressing Basels nicht zu seinen gefährlichen raumgreifenden Aktionen. Schon anlässlich der anderen beiden Duelle des Frühlings gegen den FCB wurde es an dieser Stelle erwähnt: das aktuelle Team von Marcel Koller ist nicht mehr mit demjenigen des Herbstes vergleichbar. Die Art und Weise, wie die „Bebbis“ mit Kombinationsspiel und Laufwegen einen Gegner taktisch aushebeln können, ist mittlerweile sogar wieder auf einem höheren Niveau als bei YB. Dazu kam gegen den FCZ ein Valentin Stocker, der erstmals so richtig wieder an seine besten Zeiten als Teenager vor seinem ersten Kreuzbandriss erinnerte. Die Zweite Halbzeit Stockers am Samstagabend war sicherlich eine der besten 45 Minuten aller Super League-Spieler in dieser Saison.
Ähnlich wie zuletzt häufig Roger Assalé bei YB übernahm Stocker die Rolle des in der Mittel- und Angriffszone überall auftauchenden Spielmachers innerhalb des Forward-Trios. In erster Linie Kevin Bua, aber auch Ricky Van Wolfswinkel suchten die Tiefe, kamen aber über Rechts selten durch, da Andreas Maxsø wie eine Wand allem, was Kharabadze (und Sertic) durchliessen, den Eintritt in die Gefahrenzone verwehrte. Alain Nef spielte zwar ebenfalls eine gute Partie, aber das Niveau von Maxsø erreichte er nicht. Basel fand schnell heraus, dass die rechte Zürcher Seite mit Schönbächler und Domgjoni sehr löchrig war, und spielte daher fast alle seine in der Zweiten Halbzeit zahlreichen gefährlichen Angriffe und Gegenstösse über links. Selbst bei einem Ballverlust des FCZ auf der anderen Spielfeldseite wurde ab einem gewissen Zeitpunkt von den Rot-Blauen immer schnell der Seitenwechsel nach links gesucht. Schönbi hatte zwar einige gute, aber auch viele zu wenig konsequent durchgezogene Aktionen: im entscheidenden Moment kein Druck auf den Gegenspieler, ungenaue Pässe oder Flanken oder wenig inspirierte Versuche, sich mit dem Kopf durch die Wand durchzusetzen. Im Offensivspiel fehlte über seine Seite die Breite und im eigenen Strafraum war er bei Flanken von der anderen Seite jeweils zu weit weg von seinem Gegenspieler, was zu zwei von drei guten Möglichkeiten Basels in der Ersten Halbzeit führte.
So wie Rüegg sich in der Zweiten Halbzeit verbesserte, baute dafür der in der 1. Halbzeit aufmerksam agierende Umaru Bangura um so mehr ab. In der ersten Viertelstunde nach der Pause war er zusammen mit Schönbächler und Sertic der Schwachpunkt beim FCZ. In den ersten 45 Minuten war die Dreierabwehr noch in corpore gut gestanden. Im Zweiten Durchgang nahmen hingegen die undurchdachten Aktionen zu. Typisch die Szene vor dem 0:2. Anschliessend an einen Basler Durchbruch über ihre Linke Seite kommt der Ball auf Rechts, wo das Heimteam wegen Maxsø aber nicht durchkommt. Man spielt zurück in die Mitte vor den Strafraum, wo sich dann mit Bangura, Nef, Schönbächler und Domgjoni gleich vier Spieler erfolglos auf Stocker stürzen und dieser dadurch mit Van Wolfswinkel und Zuffi gleich zwei Mitspieler in eine Position alleine vor dem Zürcher Tor anspielen kann. Aus dem Trio Bangura / Nef / Schönbächler hätte nur einer herauspreschen sollen – am ehesten Nef.
Der aus Zürcher Sicht mit Abstand positivste und hoffnungsvollste Aspekt der Partie waren die Einsätze von Simon Sohm und Becir Omeragic. Diese zwei trugen ganz wesentlich dazu bei, dass der FCZ zwei, drei Mal eine minutenlange Druckphase in der gegnerischen Hälfte aufzuziehen vermochte. Da wurde gut antizipiert, Zweite Bälle gewonnen und es entstand Zug Richtung gegnerisches Tor. Der 18-jährige Sohm hat sich geöffnet, fühlt sich nun als gleichwertiger Spieler, bietet sich an, denkt mit, wirkt reifer. So kann er sein grosses Talent noch deutlich besser in die Waagschale werfen, als zuvor. Auch der 17-jährige Omeragic, dessen erster Einsatz in der Super League durch einen Wadenbeinbruch verzögert worden war, fand sich sofort gut ein und war in der Schlussphase offensiv wie defensiv ein Pluspunkt – dass er alleine gegen zwei Basler (Stocker, Ajeti) das 0:3 nicht zu verhindern vermochte, kann man ihm nicht vorwerfen. Anders sieht die Bilanz beim mittleren Zürcher Einwechselspieler Kololli aus. Weiterhin versucht dieser meist erfolglos bei Zuspielen aus der Zürcher Abwehr den Gegenspieler abzuschirmen, anstatt dem Ball entgegenzulaufen. Auf Super League-Niveau endet dies meist mit einem schmerzhaften Ballverlust. Ausserdem ist «Benji» bezüglich Zielstrebigkeit und Schnörkellosigkeit weit vom Niveau eines Sohm oder Omeragic entfernt. Noch nie war die Diskrepanz innnerhalb des Teams bei den Züri Live-Noten so gross, wie nach diesem Match – drei Maximalnoten «10» und eine «9» stehen einer Minimalnote «1» und drei «2»-ern gegenüber.
In den Bereichen Ballbesitz, Eckbälle, Schüsse nebens Tor, Offsides, Fouls und Verwarnungen war die Bilanz der Partie FCB – FCZ ausgeglichen. Der grosse Unterschied besteht bei den Schüssen aufs Tor bzw. Expected Goals. Für die vielen Top-Chancen von Basel in der Zweiten Halbzeit waren zusammenfassend drei Faktoren entscheidend:
- Die defensiv zu schwache Rechte Seite des FCZ (Schönbächler, Domgjoni)
- Die zu gefährlichen Basler Gegenstössen führenden zahlreichen Fehler und Ballverluste speziell von Kharabadze und Kololli sowie Bangura ab der 65. Minute
- Der sich im zweiten Durchgang in einen aussergewöhnlichen Spielrausch steigernde Valentin Stocker
Diese Faktoren führten passend zum Wetter zu einem Temperatursturz in der Gefühlswelt der FCZ-Gemeinde. Giftige Fouls und umstrittene Szenen gab es hingegen im Vergleich zum Cup-Halbfinal deutlich weniger – dafür ging es für den FCB um zu wenig. Zwei versteckte Stürmerfouls von Suchy und Zambrano im gegnerischen Strafraum, einmal «Hals würgen von hinten» von Stocker gegen Rüegg im Mittelfeld, sowie einmal ein absichtliches gesundheitsgefährdendes Unterlaufen von Suchy gegen Kololli direkt nach dessen Einwechslung. Das war «vergleichsweise wenig» im Verhältnis zu vorletzter Woche. Auf Zürcher Seite stiess Bangura in der Ersten Halbzeit nachdem er zwei Mal hintereinander im eigenen Strafraum unaufmerksam gewesen war, den zum Kopfball hochsteigenden Van Wolfswinkel von hinten – und hätte sich über einen Penaltypfiff nicht wirklich beklagen können.
Basel – FCZ 3:0 (0:0)
Tore: 49. Zambrano (Zuffi) 1:0, 66. Van Wolfswinkel (Stocker) 2:0, 90.+2 Ajeti (Stocker) 3:0.
Basel: Omlin; Widmer, Suchy, Zambrano, Riveros; Xhaka, Frei (73. Balanta); Stocker, Zuffi, Bua (76. Zhegrova); Van Wolfswinkel (84. Ajeti).
FCZ: Brecher; Nef (80. Omeragic), Bangura, Maxsø; Schönbächler, Rüegg, Kharabadze; Domgjoni, Sertic (54. Sohm); Ceesay (67. Kololli), Odey.