FC Zürich im Clinch zwischen attraktivem Kulturwandel und alten Erfolgsrezepten

In der Winterpause hat der FC Zürich einen ambitionierten Kurswechsel vorgenommen, welcher den ganzen Klub betrifft. Der Zeitpunkt, das Tempo und die Radikalität der Änderungen sind dabei für Schweizer Verhältnisse aussergewöhnlich.

Eigene Jungs bringen Qualität und Emotionen – der Überflieger fehlt aber

Wie sah der bisherige Status Quo aus? Über die FCZ Academy haben im letzten Jahrzehnt überdurchschnittlich viele Talente den Schritt zum Profifussballer im In- und Ausland geschafft. Dies vor allem auch dank der vorbildlichen Zusammenarbeit mit Challenge League-Klubs, an erster Stelle dem FC Wil. Im Gegensatz zu früher leiht der FC Zürich heute nur noch Talente in die Challenge League aus, auf die man wirklich setzt – und gibt ihnen in der zweithöchsten Liga in der Regel zwei Jahre Zeit zu reifen. Allerdings: ein richtiges Top-Talent von welchem man eine langfristig entscheidende Rolle im A-Nationalteam erwarten kann, gab es aus dem Heerenschürli wohl schon lange keines mehr – möglicherweise mit Ausnahme des heute bei Hoffenheim aktiven Zidan Tairi. Dies ist ein Phänomen, welches nicht nur den FCZ betrifft.

Mit den Resultaten der Nachwuchsteams war es in den letzten Jahren ähnlich: gut, aber nicht überragend. Man spielte häufig um die Juniorentitel mit – und gewann sie gelegentlich auch. Das Reserve-Team (U21) zeigte zusammen mit demjenigen des FCB die grösste Konstanz in der Promotion League. In der 1. Mannschaft sind zudem überdurchschnittlich viele Profis anzutreffen, die aus dem eigenen Nachwuchs stammen. Yanick Brecher, Lindrit Kamberi, Mirlind Kryeziu oder Bledian Krasniqi bringen nicht nur Qualität, sondern auch Emotionen ins Zürcher Spiel. Allerdings lief der Einbau der neuesten Jahrgänge zuletzt harzig – speziell seit der Meistersaison unter dem die 1. Mannschaft eher konservativ ein- und aufstellenden André Breitenreiter. Ob dies allerdings nur an den Trainern der 1. Mannschaft lag, ist fraglich. Auf jeden Fall war die U18 der Saison 17/18 die letzte richtig produktive in Sachen Talent-Output: Matteo Di Giusto, Bledian Krasniqi, Simon Sohm, Ilan Sauter, Filip Stojilkovic, Henri Koide, Stephan Seiler, Guillaume Furrer, Sayfallah Ltaief. Danach folgten drei schlechtere Jahrgänge. Vom Team der Saison 18/19 beispielsweise scheinen ein Filip Frei, Silvan Wallner, Soheil Arghandewall, Nils Reichmuth, Kedus Haile-Selassie & Co. unter dem Strich nicht auf dem gleichen Entwicklungskurs zu sein.

Zwischen neuem Konzept und erfolgreichem „Meister-System“

In der Academy wurde über viele Jahre vorwiegend im in der Schweizer Nachwuchsausbildung allgemein vorherrschenden 4-3-3 gespielt – in einer klassischen Spielweise. In gewissen Altersstufen wurden zudem als Teil der Ausbildung wochenweise andere Systeme und Spielweisen ausprobiert. Die U21 trat in der Zeit unter Genesio Colatrella hingegen in einem eher abwartenden und resultatorientierten 4-1-4-1 auf. Die 1. Mannschaft wiederum präferierte spätestens seit der Meistersaison das damals so erfolgreiche schnelle Umschaltspiel durch die Mitte im 3-4-1-2. Dass dieses System und diese Spielweise am besten zum Kader passt, zeigt sich bis heute immer wieder. Bo Henriksen konnte so auf die Erfolgsspur zurückkehren – und auch unter dem Duo Ural / Romano holte man zuletzt mit diesem System und dieser Spielweise in Basel und Genf vier Punkte.

Man wich also in der 1. Mannschaft aufgrund des Resultatdruckes zuletzt in gewissen Partien von der eigentlich angestrebten dominanten Spielweise ab. Diese hatte man davor am ausgeprägtesten in den Auswärtspartien in Luzern, Lugano und Yverdon mal mehr und mal weniger erfolgreich umgesetzt gehabt. Aufgrund dieser aktuell wechselhaften Spielweise liegt die 1. Mannschaft unter dem neuen Trainer-Duo in Sachen Ballbesitz „nur“ an 3. Stelle hinter YB und Lugano. Dies sind aber trotz allem fünf Prozentpunkte mehr als der eigene Saisonschnitt. Die Ballbesitzzahlen der U21 haben sich unter dem neuen Coach Ricardo Moniz bisher noch etwas weniger stark gesteigert. In den zahlreichen Testpartien agiert dieses Team allerdings bereits sehr dominant. In der Academy wird die neue Spielweise hingegen bereits ohne Kompromisse durchgezogen. Von den vier Elite-Teams stehen drei beim Ballbesitz teils mit grossem Vorsprung an der Spitze ihrer Liga. Und die Team-Resultate sind gut.

Im Pressing nun vor YB und St. Gallen

Beim Hohen Pressing sieht es ähnlich aus. Von der U15 bis zur U19 liegt der PPDA-Wert durchs Band zwischen fünf und leicht über sechs. Zum Vergleich: kein Super League-Team bewegt sich in diesem Bereich! Unter dem Trainerduo Ural / Romano steht der FC Zürich neu mit einem Durchschnittswert von 6,64 für das intensivste Pressing der Liga – vor YB und dem FC St. Gallen. Die U21 liegt diesbezüglich in der Promotion League an Zweiter Position hinter St. Gallen. FCZ-Teams erreichen zudem seit Jahresbeginn 2024 hohe Werte bei Leistungsindikatoren wie „Anzahl Pässe“, „Anzahl Pässe ins Angriffsdrittel“, „Vorwärtspässe“, „Vorstösse mit Ball“, „Schüsse“, „Flanken“, „Eckbälle“, „Erlittene Foulspiele“ – und dies mit auf mehreren Altersstufen bereits ziemlich verjüngten Equipen. Das Frauen-Team von Trainerin Jacqueline Dünker hat seit der Winterpause vor allem beim Pressing zugelegt, tut sich aber in Ballbesitz mit dem neuen Konzept noch etwas schwer. Alles in allem ist der neue FCZ-Stil intensiv, modern und attraktiv. Ein Fragezeichen gibt es bezüglich der Eignung des aktuellen Kaders der 1. Mannschaft für diesen Spielstil. Ausserdem muss man auf Sicht auf jeden Fall auch das Energie-Management über eine ganze Saison hinweg im Auge behalten.

Vor etwa zehn Jahren war das dominante „Juego de posicion“ in der damaligen Form unter der etwas abschätzigen Bezeichnung „Tiki-Taka“ in unseren Breitengraden verpönt, und galt als eine seltsame sowie überholte katalanisch-spanische Spezialität. Heute scheint es, kommt auf dem Niveau des internationalen Klub-Fussballs niemand mehr am Erbe und den Prinzipien des einflussreichsten Trainers der heutigen Zeit, Pep Guardiola, vorbei. Speziell die Premier League als beste Liga der Welt ist davon durchdrungen. Alle einigermassen erfolgreichen Teams inklusive Aussenseiter wie der ehemalige Hyypiä-Klub Brighton & Hove Albion basieren ihr Spiel darauf. Selbst „Gegenpressing-Papst“ Jürgen Klopp wurde mit Liverpool erst dann richtig erfolgreich, als er vermehrt “Guardiola-Prinzipien“ in sein Spiel einfliessen liess. In der Bundesliga ist Bayer Leverkusen unter Xabi Alonso aktuell das leuchtende Beispiel für den Erfolg des Positionsspiels.

Ein FCZ in der Übergangsphase ist schwierig auszurechnen

Der Kulturwandel sorgt für Konfliktstoff bis in die Schweizer Nationalmannschaft, in welcher die von Coaches wie Guardiola, Arteta und Alonso geprägten Granit Xhaka und Manuel Akanji ihre im Klub gewohnte Spielweise entgegen der ursprünglichen Ausrichtung unter Murat Yakin auch in der Landesauswahl implementiert sehen wollen. Dabei stellt sich in der SFV-Auswahl eine ähnliche Fragestellung wie beim FC Zürich: ist das aktuelle Kader dafür geeignet? Sind beispielsweise die Innenverteidiger technisch stark und schnell genug? Wie sieht es mit dem Torhüter aus? Ausserdem ist die Qualität der für die im Positionsspiel nötige Breite sorgenden Flügelspieler entscheidend. Die beiden etablierten FCZ-Stürmer Marchesano und Okita fühlen sich an der Seitenlinie nicht wohl, sind im Umschaltspiel im 3-4-1-2 am stärksten. Oko-Flex und Rohner können auf dem Flügel spielen, stehen aber im zweiten Glied – und werden wohl beide als zu wenig zuverlässig gesehen.

So ist es aktuell in der 1. Mannschaft ein Hin und Her zwischen Partien in denen der FCZ im 4-3-3 oder 4-2-3-1 mit Dominanz auftritt – und anderen wo man dann wiederum das Direktspiel und die langen Bälle präferiert wie beispielsweise beim 1:0-Sieg bei Servette. Positiv formuliert ist es aktuell für die gegnerischen Trainer schwierig den FCZ auszurechnen. Selbst das eine Stunde vor Spielbeginn publizierte Matchblatt gibt dem gegnerischen Coach aktuell keine Auskunft über die vorgesehene FCZ-Spielweise, denn Nikola Boranijasevic beispielsweise hat zuletzt alles gespielt: Rechtsverteidiger in einer Viererabwehr, Aussenläufer im 3-4-1-2 – oder sogar als Aussenverteidiger einer Fünferabwehr (defensiv) und gleichzeitig Flügelstürmer (offensiv) in einem hybriden 4-3-3 / 5-3-2 wie im Liga-Heimspiel gegen Winterthur. Der FCZ tritt mit demselben Personal sehr unterschiedlich auf und ist daher für alle Seiten eine Wundertüte. Das wird sich aber ziemlich sicher auf nächste Saison hin ändern.

Daten: Wyscout, Liga, Saison 23-24, FCZ (N) = FCZ unter Ural / Romano bzw. Moniz.

FCZ überrascht SLO zu Beginn mit Umstellung auf 4-3-3 / FCZ – Stade Lausanne-Ouchy Analyse mit Randnotiz: FCZ neu bei Ballbesitz und Pressing im Spitzenbereich, Abschlusseffizienz als Problem nach der Winterpause

ACHTUNG AUF DIE LINKE SEITE VON SLO / FCZ – STADE LAUSANNE-OUCHY VORSCHAU (Züri Live)

Stade Lausanne-Ouchy spielt unter dem neuen Coach Ricardo Dionisio in einem eher defensiv ausgerichteten 5-4-1, aber so stark wie dies in der 1. Halbzeit (vor allem in den ersten 30 Minuten) in Zürich der Fall war, wollten sich die Waadtländer eigentlich dann doch nicht hinten reindrücken lassen. Der FCZ stand in dieser Phase im Hohen Pressing phasenweise mit zwei der vier Verteidiger zehn Meter von der gegnerischen Strafraumgrenze entfernt. Dies war möglich, weil SLO gegen den FCZ-Spielaufbau kein Mittel fand.

FCZ überrascht Stade Lausanne-Ouchy taktisch

Der FC Zürich hatte vom üblichen 4-2-3-1 auf ein 4-3-3 umgestellt und damit die Gäste überrascht. Die beiden Achter Mathew und Krasniqi veranlassten die Lausanner Bayard und Hamdiu weiter zurückzustaffeln als geplant, womit der FCZ-Sechser Cheick Condé im Spielaufbau völlig freie Hand genoss. Der FC Zürich baute dementsprechend praktisch jeden Angriff über den Mann aus dem Heimatland von Alhassane Keita auf. Conceição und Dante sorgten wieder für eine Breite, die sogar die Lausanner Fünferabwehr deutlich überspannte. Krasniqi und Mathew stiessen immer wieder beinahe oder ganz in die vorderste Linie.

Die beiden Tore zum 2:0 fielen dann aber untypisch für den Spielverlauf aus Umschaltsituationen. Es waren die ersten Tore aus einem Hohen Pressing und einem Konter seit dem 3:1-Heimsieg gegen YB in der ersten Saisonhälfte! Seither hatte der FC Zürich vorwiegend aus Standardsituationen getroffen. Während das erste Viertel der Partie aus FCZ-Sicht vermutlich das beste der bisherigen Saison war, liess das Heimteam bereits In der Viertelstunde vor der Pause etwas nach – und so entstand der Anschlusstreffer der Gäste nicht komplett „aus dem Nichts“.

Langjährige Cracks Hajrulahu und Ajdini ragen bei SLO heraus

Vor allem nach dem Pausentee aber kam Stade Lausanne-Ouchy „wie verwandelt“ aus der Kabine, agierte aggressiver. Ajdini und Bayard kümmerten sich nun zu zweit um Condé, die Aussenläufer rückten im Spiel gegen den Ball höher auf. Durch das Höherstehen kamen die Gäste auch eher ins Gegenpressing. Der FCZ liess sich davon etwas zu einfach ins Bockshorn jagen und hörte zeitweise auf, von hinten heraus aufzubauen. Vorne trauerten die Stürmer jeweils etwas zu lange vergebenen Möglichkeiten nach, und wurden vom in den zweiten 45 Minuten den Ball jeweils schneller wieder ins Spiel bringenden Torhüter Vachoux erwischt.

SLO kam zwar nicht zu vielen Torchancen, aber wenn, waren es tendenziell gefährliche Situationen im Strafraum. Die Waadtländer trugen dem Ball Sorge, spielten relativ viele Pässe und ein relativ hoher Prozentsatz der Zuspiele kamen beim Mitspieler an. Dabei zog ihr Toptalent Ismael Gharbi eher einen schlechteren Tag ein. Herausragend waren beim Dionisio-Team zwei langjährige Spieler aus der Region, die beide praktisch ihre ganze bisherige Profikarriere bei den „Stadistes“ verbracht haben. Captain Lavdrim Hajrulahu (26) hatte in seiner Jugend den Durchbruch bei der lokalen Nummer 1 Lausanne-Sport nicht geschafft. Im Letzigrund stach er mit seiner Aufmerksamkeit und Antizipation heraus – und entschärfte so viele im Ansatz gefährliche Angriffe des FC Zürich. Im gegnerischen Strafraum holte der Innenverteidiger ebenfalls dank seiner Wachheit gegen Daniel Afriyie den Penalty zum 2:2 heraus. Stürmer Albian Ajdini (24, aus dem Servette-Nachwuchs) musste vorne lange Zeit als „Alleinunterhalter“ auftreten, holte in fast jeder Situation ein Maximum heraus – und erzielte beide Treffer.

FCZ mit Mühe gegen situativ pressende Ballbesitzteams

Generell kann man aus dem Spiel mitnehmen, dass der FCZ endlich wieder mal aus Umschaltsituationen Tore erzielen konnte. Und mit einem zu Beginn sehr tief stehenden Gegner konnte man deutlich besser umgehen, als noch vor ein paar Wochen. Gegen YB hat der FCZ zudem zuvor bewiesen, dass er auch gegen einen hoch pressenden Gegner gute Lösungen hat. Am meisten Schwierigkeiten bereiten dem FCZ zur Zeit noch Gegner, die weder besonders tief noch besonders hoch stehen, dem Ball Sorge tragen, situativ pressen und schwer ausrechenbar sind – so wie beispielsweise Lugano, oder eben SLO in der 2. Halbzeit.

Personalien – Di Giustos vermaledeite Halbzeit

  • Cheick Condé: Zum dritten Mal in dieser Saison MVP, zum ersten Mal im Kalenderjahr 2024. Steht in der 1. Halbzeit im Mittelpunkt, weil fast alle Angriffe über ihn laufen. Hat etwas eine Baisse im dritten Spielviertel, dreht gegen Ende wieder auf.
  • Ifeanyi Mathew: Offensiv weiter in Topform – diesmal mit einem schönen Assist.
  • Mirlind Kryeziu: In Yverdon defensiv noch mit Tiefstnote „1“, diesmal im Spiel ohne Ball bester Zürcher mit einer glatten „10“. Im Offensivspiel nach der Druckphase der ersten halben Stunde in der Viertelstunde vor der Pause etwas mit Konzentrationsproblemen.
  • Lindrit Kamberi: Spielt in der neuen Rolle als Rechtsverteidiger konstant stark. Rettet in der 62. Minute wie in Yverdon vor der Linie, auch wenn der Effet-Abschluss des beim SLO-Konter im Strafraum alleinstehenden Mahmoud wohl am rechten Pfosten vorbeigeschwenkt wäre.
  • Amadou Dante: Es bleibt dabei: defensiv weiterhin deutlich ungenügend. Die Hoffnung war eigentlich, dass sich durch Dante die linke Seite defensiv stabilisiert, da Guerrero in einer Viererkette im Spiel gegen den Ball gewisse Schwachpunkte hat. Bisher ist eher das Gegenteil der Fall – mit einer Defensiv-Durchschnittsnote von 2,8. Gerade in Umschaltsituationen zu spät und zu langsam in der Rückwärtsbewegung. Auch im Aufbauspiel mit zu vielen „telefonierten“ Pässen. Die Eckbälle des Linksfusses sind hingegen weiterhin gut – in dieser Hinsicht ersetzt er Guerrero eins-zu-eins.
  • Bledian Krasniqi: Nicht mehr so ein Offensivfeuerwerk wie in Yverdon. Trotzdem: bereitet das 2:0 nach eigenem Ballgewinn mustergültig vor und bei seinem einzigen Eckball in der 85. Minute müsste Kryeziu den Ball per Kopf aufs Tor bringen.
  • Nevio Di Giusto: Eine vermaledeite Halbzeit. Will häufig zu viel. Hat auch mit dem schwächeren rechten Fuss einen guten Abschluss beziehungsweise letzten Pass und müsste häufiger auf dieser Seite vorbei am Gegenspieler – zieht dagegen immer zur Mitte, was die Kontrahenten vorausahnen. Immerhin ist er der einzige Einwechselspieler mit einer Chancenbeteiligung. Setzt sich in der 81. Minute rechts gegen Mahmoud durch, verliert dabei den Schuh, flankt mit dem schuhlosen linken Fuss einen gefährlichen Effet-Ball in die MItte, den Okita knapp verpasst. Das Tor hätte wohl gezählt. Die Aktion in welcher der Schuh verloren geht, darf der Spieler noch fertig machen.
  • Nikola Katic: Wird in der 76. Minute ausgewechselt, nachdem er sich bei Tacklings an der jeweils gleichen Stelle an der Seitenlinie in der 54. und 58. Minute ohne Fremdeinwirkung im Hüftbereich verletzt hat. Defensiv wie Dante deutlich ungenügend.
  • Jonathan Okita: Macht defensiv mehr als früher und allgemein vieles gut, ist dann aber beim 1:2 von SLO wie schon zwei Mal im Cup gegen Winterthur im entscheidenden Moment nicht auf seinem Posten. Trifft mit Überzeugung zum 1:0 und auch sein Dropkick mit LInks in der 85. Minute hätte ein Tor verdient gehabt.
  • Antonio Marchesano: Beginnt als Mittelstürmer im 4-3-3, nach der Einwechslung von Daniel Afriyie dann auf der Doppel-8 neben Bledian Krasniqi.
  • Nikola Boranijasevic: Zum fünften Mal in dieser Saison der offensiv Beste. Defensiv hingegen mit Note „1“. Der Teileinsatz beginnt mit einem missglückten Einwurf und übermotiviertem Einsteigen gegen Gharbi (der entsprechende Freistoss führt dann zum Penalty) schlecht.
  • Daniel Afriyie: Im 4-3-3 in dieser Saison häufig auf der Doppel-8 eingesetzt, diesmal hingegen als Mittelstürmer. Trotzdem begeht er im eigenen Strafraum gegen den höchst aufmerksamen Gegenspieler Hajrullahu kurz nach der Einwechslung ein ungeschicktes Foul. Bisher hatte in dieser Saison der FCZ umgekehrt im SLO-Strafraum von solchen Szenen profitiert (zwei Penaltytore durch Okita).
  • Yanick Brecher: Hat wenig zu tun und kommt weder offensiv noch defensiv richtig ins Spiel. Im Aufbauspiel nicht so stark wie gewohnt.

Randnotiz – FCZ neu bei Ballbesitz und Pressing im Spitzenbereich, Abschlusseffizienz als Problem nach der Winterpause

Der Ballbesitz hat im Verlauf der Saison kontiniuerlich und deutlich zugenommen. Dass die Spielweise nach der Winterpause stark geändert wurde, ist grafisch (siehe unten) gut sichtbar. Kurzfristig gibt es Schwankungen aufgrund einzelner Partien wie gegen YB, in denen zwischendurch der Ballbesitz gering ist. Über die ganze Saison hinweg liegt der Ballbesitz des FC Zürich noch bei 49,2% und damit an 7. Position. Zuletzt lag der FCZ-Ballbesitz allerdings im Schnitt bei 55% und damit im Bereich, in welchem sich der in dieser Wertung Zweitplatzierte FC Lugano bewegt, knapp hinter YB. Die Intensität des Hohen Pressings über 90 Minuten stieg hingegen schon im Verlauf des ersten Saisondrittels stark an und war im Oktober auf dem gleichen Niveau wie heute – sank dann aber bis zum 285. Derby wieder etwas ab. Über die ganze Saison hinweg ist der FCZ bezüglich Pressing mittlerweile mit dem PPDA-Wert (Passes Per Defensive Action) 8,86 an dritter Stelle hinter YB und St. Gallen. Gemessen an den letzten fünf Partien liegt der FCZ mittlerweile sogar deutlich vor dem Saisonwert von YB und St. Gallen.

In einem Low Scoring-Game wie Fussball sind Tore und Gegentore auch von Spezialfaktoren oder gar Zufallsfaktoren abhängig. Die Entwicklung der Expected Goals-Differenz (in der unteren Grafik in orange) ist daher für die Bewertung der Leistungsentwicklung aussagekräftiger, als die Tordifferenz. Man startete die Saison zu Hause gegen Yverdon sehr gut. Die Leistung (gemessen an den eigenen und gegnerischen Torchancen) bewegte sich dann aber trotz oder vielleicht auch wegen zunehmendem Ballbesitz und Pressing von Spiel zu Spiel abwärts und befand sich bis und mit dem 3:0-Auswärtssieg in Lugano im leicht negativen Bereich. Der 3:1-Heimsieg gegen YB nach der Nati-Pause Ende November war dann der Auftakt zu einer leistungsmässig guten Phase vor und nach der Winterpause mit einem kontinuierlichen Chancenplus.

Nach der 1:2-Niederlage durch die zwei späten Kontertore im 284. Derby hat man sich dann aber wieder in einen Bereich runterbewegt, in welchem das Chancenverhältnis ausgeglichen ist. Die tatsächliche Torbilanz und damit auch Tabellenentwicklung sah während der ganzen 1. Saisonhälfte deutlich besser aus, als es die Leistungen hergaben. Seit der Winterpause hat sich dieses resultatmässige „überperformen“ ins Gegenteil verkehrt. Im Jahr 2024 wird der FCZ für seine Leistungen bisher schlecht belohnt – wobei man sich mittlerweile wieder auf dem Weg zumindest in den Bereich einer ausgeglichenen Tor- und Expected Goals-Bilanz befindet. Die graue Linie in der oberen Grafik zeigt die Unterschied zwischen der Tordifferenz und der Torchancendifferenz an. Vor der Winterpause erzielte man deutlich bessere Ergebnisse, als man aufgrund des Chancenverhältnisses erwarten konnte – nach der Winterpause waren die Ergebnisse schlechter als das Chancenverhältnis. In den letzten Partien hat es sich aber ausgeglichen. Unter dem Strich haben die vor der Winterpause glücklich gewonnenen Punkte immer noch einen etwas grösseren Einfluss auf Punkte- und Tabellenlage, als die nach der Winterpause unglücklich verlorenen. Man kann sagen: der FCZ gehört von seinen Saisonleistungen her ins Tabellenmittelfeld.

Die Anzahl Gegentore hat seit Saisonbeginn mit kleineren Auf und Abs grundsätzlich kontinuierlich zugenommen. Die Zunahme wurde in der 1. Saisonhälfte durch die klare Leistungssteigerung von Yanick Brecher im Vergleich zur letzten Saison noch stark abgeschwächt. Seit der Winterpause ist dieser Effekt aber nicht mehr vorhanden. Die Gegentore entsprechen seither den gegnerischen Torchancen. Die stark fallende Torproduktion ist aber das noch grössere Problem geworden. Bis und mit dem 3:1-Heimsieg gegen YB Ende November konnte der FCZ zumindest von einer hohen Abschlusseffizienz profitieren. Diese lässt seither aber stark zu wünschen übrig. Der FC Zürich nutzte nach der Winterpause phasenweise weniger als die Hälfte der Chancen, die er hätte einnetzen müssen. In den letzten Partien hat sich die Abschlusseffizienz aber wieder gebessert.

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Eine Prise Arroganz – und trotzdem gute Nachrichten für den FCZ (Tages-Anzeiger)

Ajdini vermiest den Zürchern den Sonntag (Blick)

FCZ verspielt gegen Schlusslicht Ouchy einen Zwei-Tore-Vorsprung (Blue)

FCZ gibt gegen SLO sicher geglaubten Sieg aus der Hand (SRF)

FCZ muss sich gegen Aufsteiger Lausanne-Ouchy mit Remis begnügen (Nau)

Kamberi wiederholt seinen Fehler vom 284. Derby / Lugano – FCZ Analyse mit Randnotizen: Penaltyszenen und die veränderte Spielweise in Zahlen

LUGANO MIT VORSPRUNG AUF DER LEISTUNGSKURVE / LUGANO – FCZ VORSCHAU (Züri Live)

Die zweite Auswärtspartie bei einem FCL hintereinander brachte nach dem starken Auftritt in Luzern einen Rückschlag. Der sich aktuell in einer sehr guten Verfassung befindliche FC Lugano war für den sich im Umbruch befindlichen FCZ an diesem Tag zu gut. Das Pressing Luganos ist nicht so intensiv wie dasjenige des FCZ, aber dafür clever. Dadurch schafften es die Tessiner als erstes Team überhaupt in dieser Saison gegen den FCZ ein Tor (das 2:0) aus einem Hohen Pressing zu erzielen – nicht nur das: auch der Penalty zum 1:0 entstand aus einer solchen Situation. Natürlich waren diese Premièren auch durch die neue Spielweise des FC Zürich bedingt. Der 17-jährige Débutant Cheveyo Tsawa verkörperte das mutige Direktspiel des FC Zürich durchs Mittelfeld. Neben Tsawa kamen gleichzeitig Dante und Oko-Flex zu ihren Startelf-Débuts in der Liga. Und Nils Reichmuth spielte in dieser Saison ebenfalls zum ersten Mal in der Super League von Anfang an. Dante, Tsawa und Oko-Flex kommen alle auf eine ungenügende Note „3“.

FCZ in der 2. Halbzeit variabler

Es heisst, man solle den gleichen Fehler nicht zwei Mal begehen. Dies passierte aber vor dem wegweisenden 1:0 Luganos Lindrit Kamberi. Schon im 284. Derby hatte er kurz vor Schluss den Ball aus den Augen verloren und ein Zuspiel Cheick Condés passieren lassen, weil er mit einem Seitenblick hektisch zum anstürmenden Pascal Schürpf schaute. Dasselbe wiederholte sich in Lugano, als Kamberi ein Zuspiel seines Torhüter Yanick Brecher am eigenen Strafraum ohne Probleme hätte erreichen und verarbeiten können, wenn er nicht seinen Lauf gebremst, mit einem Seitenblick zum anstürmenden Hicham Mahou geschaut – und so den Ball aus den Augen verloren hätte. Ob man beim anschliessenden Tackling Kryezius im Strafraum gegen Mattia Bottani wirklich auf Penalty entscheiden musste, ist eine andere Frage (siehe Randnotiz).

Der FCZ agierte wie in Luzern in der 1. Halbzeit im 4-2-3-1, nahm dann aber auf die 2. Halbzeit hin einige Umstellungen vor – und brachte mehr Variabilität in sein Spiel. Di Giusto und Okita kamen für Tsawa und Oko-Flex rein. Man lief nun in einer 4-3-3 Grundformation auf, mit Di Giusto und Marchesano auf den beiden 8er-Positionen vor dem 6er Mathew. Wenn immer möglich, versuchte man daraus in der gegnerischen Hälfte in 3-3-4 zu machen. Dafür verschob sich Conceição rechts auf die Höhe der Stürmer und machte zusammen mit Okita das Spiel breit. Lugano vermochte so den FCZ nicht mehr so effektiv im Spielaufbau zu stören. Die Positionen wurden viel rotiert – umso mehr nach der Einwechslung Boranijasevics, der dafür ein Spezialist ist.

In der Offensivleistung grosse Diskrepanzen im Team

Während es für den FCZ in der 2. Halbzeit taktisch besser lief, schien gleichzeitig aber nach den läuferisch sehr intensiven ersten 45 Minuten die Team-Energie im zweiten Durchgang sich nicht mehr auf dem gleichen Level zu befinden. Insgesamt ist die Züri Live-Teamnote mit 5,6 unterdurchschnittlich, vergleichbar mit den beiden letzten Derbys. Defensiv war die Fehlerquote relativ hoch. Offensiv herrschte eine grosse Diskrepanz zwischen den auf hohem Niveau agierenden Boranijasevic, Marchesano und Mathew – und den ungenügend auftretenden Oko-Flex oder Tsawa am anderen Ende der Skala.

Highlights – Fand es ein deutliches Hands

Personalien – Nils Reichmuth findet Räume und Anspielstationen “aus dem Nichts“

  • Ifeanyi Mathew: Offensiv stark, mit den meisten Abschlüssen – defensiv aber fehlerbehaftet. Von allen eingesetzten Spielern die meisten Defensiv-Minuspunkte – unter anderem am 2:0-Treffer Luganos mit schlechter Zweikampfführung beteiligt.
  • Cheveyo Tsawa: Bei seinem Startelf-Début mutig, stark im Direktspiel, aber noch mit dem ein oder anderen Fehlpass zu viel.
  • Nevio Di Giusto: Spiel läuft zu Beginn seines Einsatzes noch etwas an ihm vorbei, steigert sich dann aber schnell.
  • Rodrigo Conceiçâo: Gegen eine im Schnitt eher kleingewachsene gegnerische Mannschaft scheint er sich besser durchsetzen zu können. Ist erstmals der Defensiv und zum dritten Mal in der 1. Halbzeit der Beste beim FCZ, baut allerdings in der 2. Halbzeit stark ab.
  • Nikola Boranijasevic: Zum ersten Mal in dieser Saison der beste FCZ-Spieler einer Partie. Hingegen bereits zum vierten Mal der beste Spieler der 2. Halbzeit und ebenfalls bereits zum vierten Mal der beste Spieler in der Offensiven Phase. Nach seiner Einwechslung speziell offensiv mit viel Impact, aber letztendlich ohne Ertrag, weil von den Mitspielern insgesamt in der Schlussphase zu wenig Unterstützung kommt – und Lugano diszipliniert und abgezockt agiert.
  • Armstrong Oko-Flex: Kann seine Chance in der Startformation (erstmals in der Liga) nicht nutzen. Unter anderem zu wenig engagiert im Gegenpressing. Positiv kann man die sofort und friktionslos funktionierende gegenseitige Abstimmung mit Dante auf der linken Seite erwähnen.
  • Jonathan Okita: Seine Standards sind auch in diesem Spiel gut. Den ersten Eckball kann er allerdings erst in der 91. Minute treten. Davor gab es für den FCZ keinen. LIefert fast die Hälfte der Abschlussvorlagen. Man spürt aber trotzdem bei ihm zu wenig den unbedingten Willen eines Einwechselspielers, die Partie noch zu drehen. Verliert die Bälle teilweise zu einfach.
  • Nils Reichmuth: Erster Startelf-Einsatz der Saison. Findet Räume und Anspielstationen “aus dem Nichts“, so auch bei seiner Vorlage zur einzigen FCZ-Torchance der 1. Halbzeit durch Junior Ligue. Unter dem Strich aber immer noch etwas zu wenig solide.

Kommentare – Luxusproblem: viele Auswärtsfans

Randnotiz 1 – (Potentielle) Penaltyszenen

Randnotiz 2 – Veränderte Spielweise des FCZ in Zahlen

Footballytics hat die Daten des FCZ unter Bo Henriksen (Saison 23/24) mit denjenigen der ersten beiden Partien der Nach-Henriksen Ära verglichen. Natürlich ist es eigentlich zu früh, Schlussfolgerungen zu ziehen. Die Mannschaft befindet sich in einer Anpassungs- und Übergangsphase. Kurzfristig hat sich auf jeden Fall der Ballbesitz wie vermutet von 48% auf 58% erhöht. Dementsprechend gibt es praktisch keine Konter mehr und es werden 40% mehr Pässe und gleichzeitig anteilsmässig deutlich weniger Lange Bälle gespielt. Das Pressing wurde stark intensiviert. Entscheidend dabei aber: die Expected Goals-Werte haben sich deutlich verschlechtert. Die Erwarteten Tore pro Spiel haben sich von 1,52 auf 0,7 mehr als halbiert. Gleichzeitig haben sich die Erwarteten Tore für die Gegner von 1,04 auf 1,74 erhöht. Eine positive Chancenbilanz wurde zu einer stark negativen. Dazu passt, dass trotz oder gerade wegen deutlich mehr Ballbesitz die Anzahl Ballberührungen im gegnerischen Strafraum um 46% zurückgegangen sind.

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Junger FCZ im Tessin überfordert (Blick)

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Kurz ist in Lugano die Rede von Spielabbruch (Landbote)

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Zuschauerrekord? Mehr Ballbesitz? Di Giusto in der Startelf? / FCZ – YB VORSCHAU

Der FCZ empfängt den Leader aus der Bundesstadt (einseitige Selbstbezeichnung seit neuestem: „Hauptstadt“) zu einem Duell zweier Mannschaften, denen das Toreschiessen schwer fällt. Dem FCZ noch mehr als YB. Er hat mit einem Team, dessen individuelle Qualitäten am besten für Konterspiel geeignet sind, nicht überraschend Probleme, mit viel Ballbesitz im Spielaufbau die benötigten Tore zu realisieren. Der Einsatz, Wille und die Laufbereitschaft der Spieler ist top – daran liegt es nicht. Die möglichst rasche und radikale Umsetzung der Ideologie hat aktuell aber wieder einmal Vorrang gegenüber dem Resultat. Natürlich will man trotzdem immer gewinnen. Die Frage ist aber, wenn es hart auf hart kommt: was hat faktisch Priorität?

FCZ in den 60er-, 70er- und 80er-Jahren mit grosser Strahlkraft in Bern

Gespannt darf man auf den Zuschauerzuspruch sein. Beim 3:1 im November gab es im Letzigrund mit 19’285 die zweithöchste Zuschauerzahl eines Heimspiels gegen YB. Nur im Oktober 1960 kamen einmal noch mehr. Nicht zufällig gab es damals zum bisher einzigen Mal mehr als 20’000 Zuschauer gegen YB. Dies ereignete sich am Ende der ersten grossen Zeit der Berner in den 50er-Jahren. Gleichzeitig war der FCZ zu jener Zeit im Aufschwung und startete seine erste grosse erfolgreiche Ära der 60er- und 70er-Jahre. Ab Mitte der 80er- bis Ende der 00er-Jahre waren Heimspiele gegen YB dann aber während rund 25 Jahren im Vergleich mit Heimspielen gegen andere Gegner konstant unterdurchschnittlich besucht. Ab der Ära Petkovic und speziell seit dem Beginn der zweiten grossen Blütezeit der Gelb-Schwarzen hat sich dies wieder geändert.

Auch der FCZ zieht in Bern überdurchschnittlich viele Zuschauer an. Allerdings ist beides nicht zu vergleichen mit der sehr grossen Strahlkraft, die der FC Zürich in den 60er-, 70er- und 80er-Jahren in Bern gehabt hat. Dort kamen in diesen drei Jahrzehnten in Partien gegen den FCZ lange Zeit doppelt so viele oder annähernd doppelt so viele Zuschauer ins Wankdorf, als sonst im Schnitt. Der Gesamtzuschauerschnitt von YB und FCZ bewegte sich über die Jahrzehnte hinweg hingegen auf einem ähnlichen Level, häufig nur mit ein paar hundert Nasen Unterschied. YB lag dabei häufiger knapp vor dem FC Zürich als umgekehrt. Die grosse Schere in der Zuschauerentwicklung ging mit der Eröffnung des neuen Wankdorf-Stadions auf.

Wird der FCZ diesmal mehr Ballbesitz haben?

Ab Anfang 60er- bis Mitte 80er-Jahre war der FC Zürich in den Direktduellen konstant besser. Daher rührt auch die Statistik, dass der FCZ gegen kein anderes Team in Wettbewerbspartien so häufig gewonnen hat, wie gegen YB. Die letzten zwei Jahrzehnte war hingegen YB besser. Dieser Trend begann bereits in der ansonsten erfolgreichen Favre-Zeit. Ganz arg wurde es in der zweiten Hälfte der 10er-Jahre, als die Unterlegenheit des FCZ gegen die Young Boys ein Vorbote der allgemeinen Dominanz der Berner in der Liga wurde. Seit der Meistersaison 21/22 (zuerst die obligate 0:4-Niederlage im Wankdorf, dann aber drei Siege in Folge) geht es im Head-to-Head aus FCZ-Sicht aber wieder aufwärts. In den letzten neun Duellen seither hat man vier Mal gewonnen und nur ein Mal (unter Coach Franco Foda) verloren. Der Ballbesitz war dabei immer unter 50% – teilweise deutlich. Interessant wird zu beobachten sein, wie die Ballbesitz-Statistik gegen einen Gegner wie YB im ersten Duell nach dem Philosophie-Wechsel beim FC Zürich aussehen wird.

Der PPDA-Wert (Passes Per Defensive Action) zeigt, wie intensiv das Hohe Pressing eines Teams in einer bestimmten Partie war. Ein tiefer Wert bedeutet intensives Pressing (man lässt den Gegner in dessen eigenem Platzdrittel nicht in Ruhe den Ball zirkulieren). Das über 93 Minuten intensivste Hohe Pressing gegen YB der letzten zweieinhalb Jahre brachte der FCZ im April 2022 auf den Platz. Dies allerdings nach einer Startviertelstunde, in der man den Gegner hinten heraus erstmal gewähren liess, und erst danach Schritt für Schritt den Druck erhöhte. Auffällig ist, dass sowohl Breitenreiter wie auch Foda oder Henriksen in ihrem ersten Spiel gegen YB in der Startviertelstunde erstmal vorsichtig einstiegen – und dann mit der Zeit tendenziell mutiger wurden (sofern sie Gelegenheit dazu hatten).

YB: Gute Spieler, aber etwas Probleme mit der Kohäsion

YB spielt weiterhin im von Coach Raphael Wicky präferierten 4-4-2 mit Mittelfeld-Rhombus. Man tritt dabei mit fünf sehr offensiv ausgerichteten Spielern an. Die defensive Absicherung mit Lauper (oder alternativ: Niasse) funktioniert aber nicht mehr so gut wie auch schon. Nur im Heimspiel gegen Stade Lausanne-Ouchy (1:0) änderte Wicky die Spielweise etwas mit einem sehr hohen und intensiven Pressing im 4-3-3. Im November hatte Raphael Wicky bei der 1:3-Niederlage gegen den FCZ im Letzigrund auf ein 4-2-3-1 umgestellt – was schief ging. Vor der Winterpause lebte YB weitgehend von seiner Effizienz im Abschluss und guten Torhüterleistungen, denn das Verhältnis der Erwarteten Tore war mit rund 1,5 : 2 sogar negativ! Mittlerweile hat sich die Situation umgekehrt. Die Berner kreieren deutlich bessere Torchancen und lassen deutlich weniger gegnerische Chancen zu. Trotzdem sind die Resultate etwas schlechter geworden. Mvuka und Hadjam sind gute Wintertransfers, der polnische 10-er Lakomy kommt in Abwesenheit von Ugrinic zudem nun langsam aber sicher in die Gänge. YB fehlen diese Saison aber im Vergleich zu den Vorjahren Spielertypen wie Christian Fassnacht oder Cédric Zesiger. Torhüter David Von Ballmoos versuchte dies bei der Cup-Niederlage unter der Woche beim unterklassigen Sion von der Ersatzbank aus zu kompensieren, und sah dafür Gelb.

Cheveyo Tsawa spielte am Samstag beim 5:3-Derbysieg im U19 Cup-Halbfinal im Heerenschürli (mit einem Assist zum zwischenzeitlichen 3:0). Die Reichmuth-Brüder und Joseph Sabobo Banda wurden beim 2:2 auswärts beim FC Breitenrain eingesetzt (FCZ II bleibt bestes Reserve-Team). Sie werden somit am Sonntag gegen die Young Boys eher nicht mit von der Partie sein: im Gegensatz zu Nevio Di Giusto oder Calixte Ligue, die beide in ihren Super League-Einsätzen zuletzt überzeugt haben.

Direktbegegnungen im Überblick (dbfcz)

Daten und Fakten im Vergleich (Transfermarkt)

Weltklasse-Assist von Stephan Seiler / FCZ – Winterthur Analyse mit Randnotiz: „Wie gut passt die Mannschaft zum Spielstil von Bo Henriksen?“

FCW mit neuer Spielweise nach der Winterpause / FCZ – Winterthur Kantonsderby Vorschau (Züri Live)

Wie zuletzt beim 1:0-Heimsieg gegen den FC Lugano trat Winterthur auch in Zürich mit einem Rhombus-Mittelfeld an. Allerdings zog man sich deutlich weiter zurück, als noch gegen die Tessiner. Winti-Coach Bruno Berner blieb der Linie treu, gegen den amtierenden Meister FCZ so weit zurückzustaffeln wie sonst nur noch jeweils gegen den neuen, alten Meister YB. Hatte der FCW gegen Lugano in der ersten Stunde noch rund 46% Ballbesitz gehabt, waren es beim FCZ im gleichen Zeitraum nur 36%. FCZ-Keeper Yanick Brecher hatte kaum etwas zu tun.

Stephan Seiler offensiv und defensiv mit Maximalnote „10“

Der FCW fokussierte sich ganz auf zwei, drei Kontersituationen und warf dann in diesen in einem unheimlichen Tempo die halbe Mannschaft nach vorne. Einer dieser drei überfallartigen Konter führte zum 1:1-Ausgleich durch Samir Ramizi. Der FCZ hat 14 Abschlüsse, was relativ viel ist. Gemessen an der Qualität der Chancen ist das 1:1 aber das logische Resultat. Die Züri Live-Gesamtnote von 5,8 steht für den negativen Trend seit dem St. Gallen-Spiel – dazu trägt vor allem die Zweite Halbzeit bei. Einwechselspieler wie Simic und Rohner bringen nach vorne zu wenig – Okita und Marchesano bauen im Verlauf der Zweiten Halbzeit ab.

So wie jetzt Winterthur war letzte Saison der FCZ aufgetreten. Unter Coach Henriksen versucht er hingegen das Spiel zu machen – kommt auf diese Weise bisher aber aus dem Spiel heraus nur zu wenigen Torchancen. Unter dem Druck des engen Raumes gute Torchancen herauszuspielen und auch zu nutzen, gehört nicht zu den Stärken dieses Teams. Dank solider Arbeit der ganzen Mannschaft gegen den Ball, speziell des Zentralen Mittelfeldes, und der Ausnutzung vieler Standardsituationen, sind die Resultate zur Zeit trotzdem positiv. Den Führungstreffer gegen Winterthur erzielte man aber dank einem Geniestreich Stephan Seilers, der seine Chance in der Startformation mehr als nutzte. Dass ein Spieler sowohl im offensiven wie im defensiven Bereich eine Züri Live-Note „10“ erzielt, wie Seiler gegen Winterthur, kommt höchst selten vor. Er war zudem sowohl in der Ersten wie in der Zweiten Halbzeit der beste FCZ-Akteur. Er eroberte Bälle sowohl mit starken Gegenpressing- wie auch Backchecking-Situationen und verteilte sie sehr gut weiter.

Nikola Katic lässt sich erneut erwischen

Am anderen Ende der Notenskala liegt erneut Nikola Katic mit einer „2“. Schon in den Testspielen war aufgefallen, wie langsam der Kroate in der Rückwärtsbwegung ist, und dass er grosse Mühe damit hat, die richtigen Entscheidungen zu fällen. Dies setzte sich angefangen beim Luzern-Spiel in der Meisterschaft nahtlos fort. Die Szene, welche zum 1:1-Ausgleich gegen Winterthur führte, hat man als Beobachter von FCZ-Partien in den letzten Wochen so ähnlich schon dutzendfach von Katic gesehen. Dieser folgt dem beileibe nicht allzu schnellen Buess nur zögerlich und verlässt dabei seine Position in der Abwehrkette. Buess erhält den Ball im Mittelfeld zugespielt, kann sich unbehelligt drehen und den entscheidenden Pass auf Matteo Di Giusto in die Tiefe spielen. Katic schaut dem Geschehen aus „sicherer Distanz“ zu. Der Schnellzug ist nun unterwegs, die Post abgeschickt – und während Becir Omeragic den Abschluss von Ardaiz noch auf der Linie klärt, ist selbst zum Zeitpunkt des erfolgreichen Nachschusses von Ramizi vom Zentralen Verteidiger Katic am Brennpunkt weit und breit nichts zu sehen. Winterthur nutzt den gebotenen Platz dankbar aus.

Grundsätzlich versuchen beide Teams schnell umzuschalten, aber der FCZ braucht länger, um mit mehreren Spielern nach vorne zu stossen, weil er viel mehr den Ball und mehr Angriffsaktionen hat. Winterthur spart seine Energie für wenige Aktionen auf, die dadurch mit mehr Power gespielt werden können. Der FCZ baut zu Beginn in einem 4-1-4-1 auf, in welchem Guerrero links und Tosin rechts in der offensiven Mittelfeldreihe positioniert sind. Seiler und Condé bringen mit guten Diagonalbällen und Seitenwechseln den Gegner zum Laufen und die eigenen Seitenspieler in vielversprechende Positionen. Die Abstimmung zwischen den Flügelspielern und den Offensivleuten im Zentrum ist aber häufig ungenügend, die Laufwege wirken uninspiriert. Dies gilt in diesem Spiel auch für die Standards.

Personalien

  • Yanick Brecher: Bis zum Gegentor in der 39. Minute arbeitslos und auch danach unterbeschäftigt.
  • Adrian Guerrero: Führte die meisten Standards aus und hatte neun Abschlussbeteiligungen.
  • Nikola Katic Zum vierten Mal im vierten Spiel nach der Winterpause sowohl offensiv wie auch defensiv deutlich ungenügend. Aktuell fehlt das Super League-Niveau. Bei den meisten Konkurrenten würde er nicht spielen. Stehende Bälle kann er spielen, aber aus dem Spiel heraus viele einfache Fehlpässe. Verliert weiterhin seine defensiven Kopfballduelle mit deutlich kleineren Gegenspielern.
  • Nikola Boranijasevic: Wirkte etwas ausgelaugt, brachte nur eine Flanke in den Strafraum, die anderen wurden von Diaby und Co. geblockt.
  • Antonio Marchesano: Arbeitsbiene – in der ersten halben Stunde an allen Zürcher Torchancen beteiligt.
  • Cheick Condé: Mehr als eine Bank. Im vierten Rückrundespiel zum dritten Mal mit Defensivnote „10“. Der einzige Zürcher, der auch mit der Power des eingewechselten Ballet fertig wird. Offensiv zudem mit guten Spieleröffnungen und Seitenwechseln.
  • Roko Simic: Offensiv ein Ausfall. Bo Henriksen schien ihn als nr. 10 bringen zu wollen, aber er interpretierte seine Rolle eher als Mittelstürmer in einem Dreimannsturm.

Randnotiz – wie gut passt die Mannschaft zum Spielstil von Bo Henriksen?

Wie geeignet ist der Kader des FC Zürich für kontrolliertes Aufbauspiel auf der einen, und Umschaltspiel auf der anderen Seite? Für viel oder wenig Ballbesitz? Für den Rückzug in eine tiefe Position oder für draufgängerisches Pressing? Diese Frage zieht sich jetzt schon mehrere Jahre wie ein roter Faden durch die FCZ-Analysen von Züri Live. Grundsätzlich kann man mit jedem Spielkonzept und jeder Taktik Erfolg haben. Entscheidend ist darum neben finanziellen Mitteln, Sozialkompetenz, Fansupport und weiteren Faktoren vor allem, wie gut das Spielkonzept und die Taktik zu den individuellen Qualitäten der Kaderspieler passt. Können die Spieler ihre Stärken ausspielen? Oder offenbart die Spielphilosophie des Trainers und des Vereins eher ihre Schwachpunkte?

Eine Mannschaft, die kontrolliertes Ballbesitzspiel betreibt, braucht Mittel, um den Gegner auf engem Raum überwinden zu können. Das kann man einerseits mit „Wasserverdrängung“ und andererseits einem hohen Grad an Beweglichkeit bewerkstelligen. Dazu müssen alle zehn Feldspieler technisch versiert sein, um die Fehlerquote gering zu halten. Im Sturmzentrum braucht es ein gutes Timing und Körperbeherrschung in der Luft, da so eine Mannschaft zu vielen Flanken und Standards kommt. Bei einer Mannschaft hingegen, die aus einer tiefen Position kontert, können zwei, drei technisch gute Spieler vollkommen ausreichen. Präzision ist sekundär, wichtiger sind Schnelligkeit in Kopf und Beinen. Die Innenverteidiger so einer Mannschaft müssen typischerweise vor allem hohe Bälle im Akkord zuverlässig aus der Gefahrenzone köpfen – dafür ist Körpergrösse der alles entscheidende Faktor. Eine Mannschaft, die im Spiel ohne Ball hingegen häufig im hohen Pressing angreift, braucht in der Innenverteidigung nicht so sehr den Typ „Abwehrturm“, sondern viel dringender einen vergleichsweise leichtgewichtigen Sprinter, der bei Umschaltmomenten oder fehlgeschlagenem Pressing die gegnerischen Stürmer im Laufduell schlagen kann.

Gehen wir also mal die Startaufstellung des FCZ gegen den FC Winterthur durch. Es fällt auf, dass die Mannschaft von Bo Henriksen mehrheitlich immer noch aus Spielern besteht, die eher für grossräumigen, als für kleinräumigen Fussball gemacht sind. Dies gilt selbst für „Flankengott“ Boranijasevic, der für seine Top-Hereingaben den Platz einer Kontersituation braucht. Steht der Gegner hinten rein, wie Winterthur, bleibt er mit seinen Versuchen hingegen immer wieder hängen. Dies hat unter anderem mit seinem charakteristischen Bewegungsablauf zu tun. Viele Spieler der FCZ-Startaufstellung und des Kaders können gute lange Bälle spielen, sind im Kurzpassspiel aber nicht versiert. Man hat hinten in der Mitte einen Nikola Katic oder als Ersatz Mirlind Kryeziu, welche die Bälle massenweise aus dem eigenen Strafraum rausköpfen können, aber beim Umschalten in die Defensive in der Rückwärtsbewegung langsam sind. Im gegnerischen Strafraum hingegen kommt es selten vor, dass sich Spieler dieses FCZ-Teams in der Luft durchsetzen können. Sie werden meist abgedrängt und neutralisiert, selbst wenn der Standard gut getreten ist.

Die aktuelle Mannschaft des FC Zürich ist von seinen individuellen Qualitäten her also weiterhin alles andere als ein Ballbesitzteam. Kommt sie hingegen mal wieder in eine Kontersituation, zeigt sich auch ohne Ceesay oder Kramer, dass sie dies weiterhin am besten beherrscht. Von der Startaufstellung gegen Winterthur ist kaum einer für Ballbesitzfussball à la YB am besten geeignet: eigentlich nur Cheick Condé – und Torhüter Brecher. Seiler und Omeragic können sich bei einer Pressingspielweise à la St. Gallen am besten entfalten. Die Mehrheit der Startaufstellung, Katic, Aliti, Boranijasevic, Guerrero, Marchesano, Tosin und Okita sind hingegen alle in einer Kontermannschaft am besten aufgehoben. Eine, wie sie der FCZ in der Meistersaison unter André Breitenreiter hatte.

Bo Henriksen ist eindeutig ein taktisch versierter Trainer, hängt dies aber nicht gerne an die grosse Glocke. Er redet gegen aussen lieber von Teamgeist und Siegeswillen. Dies ist nicht unklug, denn nach aussen über Taktik zu reden, bringt einem Trainer und seinem Team wenig Vorteile. In der Kommunikation nach innen sieht dies anders aus. Tatsächlich hat er unter anderem auch mit taktischen Mitteln zur aktuell punktreichen Phase beigetragen. Was Henriksen aber zumindest kurzfristig nicht ändern kann, ist das Stärke/Schwäche-Profil seiner Spieler – und dass sein Team in grossen Teilen nicht wirklich zu seinem Fussball passt. Dies setzt dem aktuellen FCZ gewisse Limiten nach oben. Die Spieler können nicht ihr volles Potential entfalten, so wie sie dies letzte Saison mehrheitlich getan haben.

Wenn man die Kader der anderen Super League-Klubs durchgeht, dann fällt auf, dass es kein Team gibt, das vom Stärke/Schwäche-Profil her zu 100% zum Fussball passt, der von ihnen gespielt wird. Bei Teams wie YB, Servette oder St. Gallen ist die Übereinstimmung aber hoch. Selbst bei diesen Klubs gibt es aus der Reihe tanzende Spieler, die verpflichtet wurden, weil sich eine gute Gelegenheit ergeben hat. Oder weil sie aus Mentalitätsgründen wichtig sind. Aber das sind Einzelfälle. Einigermassen passend zusammengestellt, aber mit wesentlichen Lücken, sind Basel, Lugano oder Luzern.

Ziemlich unpassend zusammengestellt sind hingegen der FCZ, GC, Winterthur und Sion. Bei Winterthur liegt es in der Natur der Sache einer Aufstiegsmannschaft, die zu grossen Teilen zusammengeblieben ist. Sie wurde zusammengestellt, um in der Challenge League oben mitzuspielen und muss nun in der Super League einen anderen Fussball spielen, der für einige Spieler nicht optimal ist. GC und Sion sind ein buntes Puzzle. Aus der fussballerischen Zusammensetzung dieser Mannschaften ist es schwierig, eine Idee zu erkennen. Der FCZ hingegen ist / war für den „Breitenreiter-Fussball“ gut zusammengestellt und befindet sich diese Saison unter Foda und Henriksen in einer radikalen taktischen Transformation, die nicht zur Mehrheit der Stammspieler passt. Die Winterneuverpflichtungen Simic, Mathew oder Afriyie scheinen hingegen relativ gut zur Spielidee unter Henriksen zu passen. Aber sie brauchen alle drei noch etwas Zeit, um sich richtig zu integrieren.

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Viel Offensivgeist, Ladehemmung im Sturm / FCSG – FCZ in der Züri Live-Analyse

21 Abschlüsse: in der ganzen Meistersaison hatte der FCZ nur zwei Mal (jeweils gegen Luzern) das gegnerische Tor häufiger ins Visier genommen. Neun Abschlüsse aufs Tor: mehr gabs im ganzen Meisterjahr in der Liga nie – nur in der 1. Runde des Schweizer Cups in Solothurn, als zehn von 16 Bällen im Netz landeten. Von der 30. Minute bis zum Spielende befand sich der FCZ in St. Gallen zu 60-70% in Ballbesitz. St.Gallen-Keeper Zigi stellte einen neuen persönlichen Rekord an gehaltenen Schüssen auf. Erstaunlich ebenfalls: der FCZ machte mehr Pressing als St. Gallen. Das letzte Mal, als das Letzigrund-Team solche Pressingwerte erreicht hat, war im April beim 2:1-Heimsieg gegen YB. 17 Minuten plus Nachspielzeit war der FCZ in St. Gallen in Überzahl und in den letzten Jahren hat das Team kaum mal eine Überzahl spielerisch so gut ausnutzen können wie diesmal. Es war basierend auf den Züri Live-Noten insgesamt die beste Liga-Offensivleistung der noch jungen Saison und die 2. Halbzeit die beste Liga-Halbzeit.

Qualität und Schnelligkeit der Entscheidungen der Stürmer am Ball mangelhaft

Der in einem 4-2-3-1 auf der Zehnerposition eingesetzte Bledian Krasniqi erfreute die Fussballliebhaber sowohl mit viel Kampfgeist, als auch kunstvollen Pässen und schwindelerregenden Dribblings. Jonathan Okita klebte der Ball selbst in grosser Bedrängnis so am rechten Fuss, als sei er dort mit Sekundenkleber angebracht worden. Nikola Boranijasevics Flanken waren auch in der Vergangenheit gut, zur Zeit sind sie aber schlichtweg phänomenal – und das immer. Im fünften Wettbewerbsspiel der Saison war der FCZ zum vierten Mal nach „Expected Goals“ besser als der Gegner. Warum verliert man dann 0:2 in St. Gallen?

Die Gründe dafür sind sowohl ganz hinten, als auch ganz vorne zu suchen. Das in der Ostschweiz neu aufgestellte Innenverteidigerduo Omeragic / Mets spielte defensiv einen schlechten Match (Omeragic: Defensiv-Note 1, Mets: Defensiv-Note 2 – siehe Match Performance-Grafik). Nicht nur bei den beiden Gegentoren kamen sie einen Schritt zu spät. Omeragic hat ausserdem seine Schwäche in der Luft während seiner Verletzungspause natürlich nicht ausmerzen können – was es ihm in Zukunft erschweren wird, sich auf der Innenverteidigerposition in einer Top-Liga durchzusetzen. Mit Ball spielten Omeragic und Mets hingegen gut. Bei den Stürmern war es umgekehrt. Sie arbeiteten defensiv ordentlich mit, offensiv gelang hingegen gemessen an den vielen hervorragend aufgelegten Bällen von Krasniqi, Boranijasevic und Co. wenig (Gnonto, Okita) bis nichts (Tosin). An erster Stelle auf der Mängelliste steht bei allen Dreien die Qualität und Schnelligkeit der Entscheidungen am Ball. Die eingewechselten Santini und Gogia waren auch keine Hilfe, sondern sogar noch mehr enttäuschend, als die Starter.

St. Gallen gewinnt, obwohl Konzept nicht aufgegangen ist

Positiv zu vermerken ist hingegen, dass die eher wacklig in die Saison gestarteten Brecher und Marchesano wieder besser in Fahrt kommen. Zwei der drei „Captains“ sind damit wieder an Bord. Auch Routinier Aliti steigert sich von Spiel zu Spiel. Seiler hatte von letzter Saison gute Erinnerungen an St. Gallen und machte auch diesmal einen guten Match, eroberte mit seiner Explosivität in heiklen Situationen einige wichtige Bälle zurück. Aufgrund der taktischen Marschroute war die Aufgabe für Seiler nicht einfach. Im eigenen Platzdrittel staffelte bei gegnerischem Ballbesitz Mittelfeldspieler Marc Hornschuh zurück und machte aus der Vierer- eine Fünferabwehrreihe. Seiler und Krasniqi sahen sich so im Mittelfeldzentrum konstant einer St. Galler Überzahl gegenüber. Der eingewechselte Cheick Condé war offensiv der beste Zürcher, sogar noch knapp vor Krasniqi. Neben Condé und Krasniqi erzielten auch Marchesano und Boranijasevic die Offensiv-Note „10“.

St. Gallen kehrt zum Start dieser Saison wieder zum alten Matchplan zurück: Energieeinsatz über dem Limit in den ersten 20-30 Minuten – und danach die aus grünweisser Sicht hoffentliche Führung mit defensiver Stabilität und schnellen Kontern über die Runden bringen. Das hat gleich aus zweifacher Sicht gegen den FCZ eigentlich nicht funktioniert. Erstens hatte das Team von Franco Foda mit guten Kontern in den ersten 15 Minuten ein Chancenplus, und zweitens kam der FCSG in der langen Druckphase der Zürcher von der 30. Minute bis zum Schlusspfiff zu deutlich weniger Konterchancen, als erhofft. Schon lange vor der Roten Karte gegen Isaac Schmidt in der 73. Minute waren die Energiereserven St. Gallens aufgebraucht und es spielte praktisch nur noch der FCZ. Trotzdem reichte es den Grünweissen zum Sieg.

Gegenspieler stossen, reissen, werfen – anything goes

Seit langer Zeit gibt es wieder einmal eine einseitige Spielleitung zu bemängeln. Die St. Galler konnten mit den Händen die Gegenspieler stossen, reissen oder gar wie Guindo den leichtgewichtigeren Gnonto mit beiden Händen am Trikot wortwörtlich vom Platz werfen, wie einen Kehrichtsack in die Tonne. Nichts davon wurde abgepfiffen. Und dies teilweise in wichtigen Umschaltsituationen. Auch Hohes Bein wurde von Ref Fähndrich nie geahndet. In der Platzverweisszene (Schmidt vs. Gnonto) musste erst der VAR eingreifen – Fähndrich hatte auch kein Gelb gegeben. Umgekehrt erhielten die Grünweissen Freistösse nach einwandfreien Laufduellen Körper an Körper.



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