Positionswechsel zwischen Afriyie und Marchesano – und wie sich diese aufs FCZ-Spiel auswirken / Lausanne-Sport – FCZ Analyse

FOUSSENI DIABATÉ STEHT VOR LIGA-DÉBUT / LAUSANNE-SPORT – FCZ VORSCHAU (Züri Live)

Die Konstanz der Spielweise, Taktik und des Personals ist ein Markenzeichen des Henriksen-Teams und einer der Gründe für den sehr guten Saisonstart. Dies heisst aber nicht, dass es gar keinen Wandel gibt. In kleinen Schritten nimmt Bo Henriksen immer wieder Anpassungen vor. So lief Antonio Marchesano in Lausanne wieder im Sturmzentrum auf, nachdem er zuvor auf dem Rechten Flügel gespielt hatte. Die Nummer 10 des FCZ tauschte somit mit Daniel Afriyie die Rolle, welche die beiden allerdings unterschiedlich interpretieren. Spielt Afriyie im Zentrum, dann nimmt dieser den gegnerischen spielmachenden Sechser in Manndeckung und folgt diesem allenfalls auch bis zum eigenen Strafraum. Marchesano ist in der defensiven Phase tendenziell weiter vorne anzutreffen und setzt auch den gegnerischen Torhüter unter Druck. Bei Ballbesitz ist es umgekehrt. Da sorgen Marchesano zurückgezogen auf der Zehnerposition mit seinem Direktspiel zusammen mit den zur Mitte eingerückten Flügeln Okita und Afriyie für zusätzliche Vertikalität im Zürcher Spiel. Afriyie als Zentrumsspieler stösst hingegen selbst häufig auf die Neunerposition vor, die Flügel Marchesano (oder Rohner) und Okita stehen in diesem Fall breiter.

Einwechselspieler bringen mehr Energie und PS

Schon nach Sekunden lag der Ball im Lausanner Tornetz. Der frühe Treffer von Okita wurde aber wegen Handspiels aberkannt. In der Nachspielzeit rettete Lausanne-Keeper Letica mit einem Big Save gegen einen Kopfball von Silvan Wallner. Diese beiden Ereignisse rahmten ein Spiel ein, in welchem der FCZ mehr Ballbesitz und auch die klareren Torchancen hatte. Die linke Seite blieb im ersten Spielviertel weiter ein Sorgenkind: Kamberi, Conceição und Okita starteten alle mit einer ungenügenden Zwischennote in die Partie. Danach wurde es besser. Insgesamt war es sowieso ein sehr gutes Spiel der Mannschaft mit der besten Durchschnittsnote der Saison ex-aequo mit dem Lugano-Heimspiel. Offensiv war es sogar klar die beste Partie im 23/24, was auf den ersten Moment bei einem 0;0 seltsam klingen mag. Bewertet werden ja aber nicht allein die Tore, sondern die Leistungen und einzelnen Aktionen insgesamt. Hätte der FCZ bei seinem zweiten Auswärtsspiel in Lausanne in kurzer Folge auch noch Tore erzielt: die Noten wären natürlich noch besser gewesen.

Defensiv war die Mannschaft von Bo Henriksen wieder deutlich fokussierter als noch in der Cup-Partie in Tuggen. Magnin-Teams sind in der defensiven Phase häufig etwas passiv. Der FCZ tritt da im Vergleich (zumindest in der Liga) deutlich proaktiver und aggressiver ohne Ball auf. Er gewann in der Tuilière die Bälle im Gegenpressing häufig schnell wieder zurück. Wohl unter anderem eine Folge davon ist dann aber auch ein gewisses Nachlassen nach der Pause aufgrund des Kräftehaushaltes. Umso wichtiger wäre es dann jeweils, dass die Einwechselspieler zusätzliche Energie reinbringen und die Mannschaft in der 2. Halbzeit tragen, was in Lausanne deutlich besser klappte als die Wochen zuvor. Die eingewechselten Oko-Flex, Rohner, Santini und Hodza brachten PS und Ideen auf den Platz, und konnten so die Starter entscheidend unterstützen. Wenn Lausanne-Sport in Umschaltsituationen mal durchkam, konnte es mit seinen Tempoverschärfungen durchaus gefährlich werden. Brighton Labeau, welcher Kaly Sène im Sturmzentrum ersetzte, holte sich einige Bälle auch hinten in der eigenen Platzhälfte.

Highlights – Santini mit der Hacke

Personalien – Cheick Condé: 17 Abschlussbeteiligungen und schon wieder MVP

  • Nikola Boranijasevic: In den bisherigen fünf Duellen mit dem FCZ gegen seinen Ex-Klub mit einer Züri Live-Durchschnittsnote 6,4. Diesmal mit Note 8 deutlich überdurchschnittlich, aber sein einziger Abschluss findet den Weg nicht ins Netz wie in der ersten Direktbegegnung vor zwei Jahren im Letzigrund (3:1, Boranijasevic war an allen drei Teffern beteiligt). Schlägt aber insgesamt sieben Flanken, so viele wie noch nie in dieser Saison – das ist wieder der gute, alte Nikola Boranijasevic!
  • LIndrit Kamberi: Defensiv eher schlecht, dreht aber im letzten Viertel der Partie offensiv auf.
  • Ifeanyi Mathew: Im Vergleich zu den letzten, eher durchschnittlichen Partien verbessert. Leitet in der 83. Minute einen Gegenangriff mit einem Fallrückzieher ein.
  • Cheikh Condé: 17 Abschlussbeteiligungen und schon wieder MVP – wie schon beim letzten Meisterschaftsspiel in Basel – knapp vor Yanick Brecher.
  • Armstrong Oko-Flex: Kommt für die Schlussminute plus Nachspielzeit herein und schlägt noch zwei gefährliche Standards.
  • Antonio Marchesano: Erstmals seit längerem wieder auf der 10er-Position auflaufend. Gibt dem Zürcher Spiel so mehr Tiefe.
  • Silvan Wallner: Gegner kommen mit Pässen und Abschlüssen zu einfach an ihm vorbei, beispielsweise weil er sich häufig seitlich abdreht und schmaler macht.

Kommentare – Labeau mit American Football-Körper

Weitere Berichte

Telegramm (transfermarkt)

Trotz FCZ-Blitztor werden die Punkte geteilt (Blick)

Auf der Tribüne beweist Bo Henriksen, dass er auch anders kann (Tages-Anzeiger)

Lausanne trotzt Zürich einen Punkt ab (Bluewin)

Leader FCZ mit müder Nullnummer bei Lausanne-Sport (SRF)

Lausanne-Sport – FCZ (Südkurve)

Stade de Genève liegt Avdijaj nicht / Servette FC – FCZ Analyse

Stilbruch unter dem neuen Coach Weiler / SERVETTE – FCZ VORSCHAU (Züri Live)

Auch im zweiten Spiel gegen Servette ist ersichtlich, dass der FCZ offensiv in allen Spielsituationen (Aufbauspiel, Umschaltspiel, Standards) eine ganze Palette an Lösungen und Varianten parat hat, die funktionieren. Man baut auf der personellen und taktischen Eingespieltheit und der Saisonvorbereitung auf. Coach Bo Henriksen schickt dasselbe Team auf den Platz wie gegen Yverdon-Sport. Mitentscheidend für den Punktgewinn in Genf ist die Präsenz des aufmerksamen und manchmal auch etwas giftigen Fabio Daprelà, der gewisse defensive Herausforderungen reaktiv löst, andere sogar proaktiv eindämmt oder verhindert. Gegen Yverdon war der 32-jährige noch nach einem mässigen Teileinsatz zur Pause angeschlagen ausgewechselt worden. Im ersten Spiel ging es noch weitgehend ohne Daprelà – im zweiten wäre das nicht mehr so gewesen.

Nach starker 1. Halbzeit Leistungsabfall nach der Pause

Servette tritt unter dem neuen Coach René Weiler ganz anders auf, als in all den Jahren unter Alain Geiger. Man kann fast schon vom puren Gegenteil sprechen! Vorbei die Zeit des eleganten Kombinationsspiels und der Vermeidung von Zweikämpfen. Unter Weiler wird Torhüter Frick zum wichtigsten Aufbauspieler mit seinen hohen Bällen hinten heraus. Speziell zu Beginn wartete an vorderster Front eine Genfer Fünferreihe mit den beiden Mittelstürmern, den Flügeln plus Rechtsverteidiger Tsunemoto auf die langen Bälle. Spielmacher Timothé Cognat hat sich grundsätzlich bereits gut an den neuen Stil adaptiert, wurde gegen den FCZ aber früh „aus dem Spiel genommen“. Nicht mehr mit dabei ist hingegen der vom FCZ jahrelang so gefürchtete Eckball-Spezialist Théo Valls. Die Rollen sind nun plötzlich in vielen Bereichen vertauscht. Aktuell ist der FC Zürich bei Cornern mit Guerrero und Okita gefährlicher als die Genfer. Servette seinerseits brachte von der 30. Minute bis zum Schlusspfiff ein ausgeprägtes Pressing auf den Platz. Beim FCZ ging im Verlauf der 1. Halbzeit die defensive Disziplin lokal teilweise verloren. Während Fabian Rohner im Spiel ohne Ball meist in der Nähe von Servette-Linksverteidiger Mazikou anzutreffen war, liess auf der anderen Seite Jonathan Okita seinem Gegenspieler Tsunemoto viele Freiheiten, die dieser aber nur selten zu nutzen vermochte.

Gemessen an den Züri Live-Durchschnittsnoten war der FCZ am Fusse des Salève im Vergleich zum Yverdon-Spiel defensiv etwa gleich gut, offensiv hingegen deutlich schlechter. Ein wirklich grosser Unterschied besteht zwischen der Leistung in der 1. Halbzeit (hervorragende Durchschnittsnote „6,5“) und derjenigen der zweiten 45 Minuten, die mit „4,8“ ungenügend war. Nachdem man im ersten Durchgang die Partie im Griff gehabt hatte, liess man Servette nach der Pause ins Spiel kommen. Der 2:0-Führungstreffer durch einen Mathew-Weitschuss in der 57. Minute fiel zu diesem Zeitpunkt entgegen dem Spielverlauf. Dafür hatte man bei beiden Gegentoren Pech. Beim ersten entdeckte VAR Sandro Schärer in Volketswil ein Handspiel von Ifeanyi Mathew an der Strafraumgrenze, das auf dem Platz und im Stadion niemand gesehen hatte – und meldete sich eine Minute nach der Szene. Der Ball schien wirklich die Fingerspitzen des Nigerianers berührt zu haben und von diesen abgelenkt worden zu sein. Allerdings flog der Ball von Mathews Oberschenkel und damit einem eigenen Körperteil an die Finger – und dies gilt nach der gängigen Auslegung eigentlich nicht als Handspiel. Beim zweiten Gegentor rutschte Guillemenot bei einem Richtungswechsel im Mittelfeld aus und stand dabei Boranijasevic auf den Fuss. Der FCZ spielte weiter und vertändelte durch Mathew den Ball. Beim Genfer Gegenstoss stand dann Dereck Kutesa auf seiner Seite völlig blank, weil der von Guillemenot getroffene Boranijasevic sich natürlich nicht auf seiner Position befand. In diesem Fall ging VAR Schärer nicht auf die Foulszene ein.

Highlights

Personalien

  • Lindrit Kamberi: Beim Saisonstart gegen Yverdon erneut parat und MVP. In Genf hingegen eine ungenügende 1. Halbzeit. Als es in der Schlussphase hart auf hart geht, kommt er etwas besser ins Spiel.
  • Nikola Katic: Im Gegensatz zum Auftakt gegen Yverdon diesmal offensiv deutlich ungenügend. Beginnt die Partie mit zwei Bällen ins Niemandsland – am Ball gelingt ihm so gut wie nichts. Defensiv hingegen ist der Kroate diesmal genügend.
  • Nikola Boranijasevic und Adrian Guerrero: Beide beginnen stark und haben am Ende der Partie aussergewöhnlicherweise sowohl offensiv wie defensiv identische Züri Live-Punktzahlen – und damit auch total. Guerrero ist knapp vor Boranijasevic der beste FCZ-Spieler der 1. Halbzeit. Boranijasevic hat als einziger Spieler in den beiden Auftaktpartien gegen Yverdon und in Genf mindestens eine Note „8“.
  • Fabian Rohner: Legt offensiv mit seinem Tempo über rechts nicht nur mehrere ausgezeichnete Torchancen auf, sondern überzeugt auch mit seinen Kopfballweiterleitungen bei hohen Bällen Yanick Brechers.
  • Daniel Afriyie: Wieder in der Startformation als 10er / „falsche 9“ und erstmals mit einer Leistung auf Super League-Niveau.
  • Yanick Brecher: Zum Auftakt gegen Yverdon mit zwei wichtigen Paraden defensiv der beste FCZ-Spieler, diesmal mit seiner Spielauslösung offensiv der Beste und auch insgesamt MVP.
  • Fabio Daprelà: Verletzungsbedingt ein schwieriger Start gegen Yverdon. In Genf hingegen bereits ein wichtiges Element, speziell in defensiver Hinsicht. Setzte gleich zu Beginn gegen den aktuell besten Servette-Spieler Timothé Cognat eine „Duftmarke“ als er ihn mit Okita ins Sandwich nahm. Cognat blieb in der Folge blass und wurde früh ausgewechselt.
  • Cheikh Condé: Trägt bei Defensivstandards deutlich mehr Verantwortung als noch letzte Saison. Condé deckt nun jeweils häufig den stärksten gegnerischen Kopfballspieler (in diesem Fall: Steve Rouiller).
  • Ifeanyi Mathew: Geht wenig in die Zweikämpfe. Nach gutem Beginn abnehmende Leistungskurve im Spiel. Erzielt zwischenzeitlich aus dem Nichts per Weitschuss die 2:0-Führung, vertändelt dann vor dem 2:2 aber auch unnötig den Ball.
  • Jonathan Okita: Nach ordentlich bis gutem Beginn nimmt seine Leistungskurve im Verlauf der Partie stark ab. Ab der 25. Minute macht er defensiv nicht mehr viel, die Standards werden deutlich schlehchter, und er ist am 2:2-Ausgleich Servettes beteiligt. Von der Sturmreihe kommt allgemein in der 2. Halbzeit zu wenig.
  • Donis Avdijaj:: Bei der 2:3-Niederlage vor Jahresfrist wurde Donis Avdijaj eingewechselt und brachte vorne sowohl defensiv wie offensiv auch unter Berücksichtigung der Unterzahl-Situation (Platzverweis gegen Okita) viel zu wenig zustande (Züri Live-Note: „2“). Diesmal war der Teileinsatz des Deutschen im Stade de Genève sogar noch etwas schlimmer (Note „1“). Das Stadion oder der Gegner scheint ihm nicht zu liegen.

Live-Kommentare zum Spiel

Randnotiz: Servette’s Probleme mit der Verteidigung der FCZ-Ecken

Weitere Berichte

Telegramm Servette FC – FCZ (transfermarkt)

Penalty-Pfiff wirft FCZ aus dem Konzept (BLICK)

Geniestreich und VAR verhindern FCZ-Sieg – Zürcher verspielen 2-Tore-Führung (20 Minuten)

Servette holt dank einer starken 2. Halbzeit einen Zwei-Tore-Rückstand auf (sport.ch)

Servette FC – FCZ (Südkurve)

Defensive Fortschritte / Offensiv fehlt den Teamleadern die INspiration der Meistersaison: Analyse Tore und Gegentore 19/20 – 22/23

Defensiv hatte der FCZ was die Leistung der Feldspieler betrifft in der Saison 22/23 sehr gute Werte, wie an dieser Stelle bereits gezeigt. Wie kommt es dazu? Schauen wir uns dieses Phänomen etwas genauer an! Ein wirklich erstaunliches Bild zeigt sich bereits in der ersten Grafik. Von 19/20 bis 22/23 hat der FC Zürich über mehrere Saisons hinweg unter verschiedenen Trainern (Magnin, Rizzo, Breitenreiter, Foda, Colatrella, Henriksen) die Verteidigung der gegnerischen Standards Schritt für Schritt stark verbessert (von rund 0,7 Standardgegentoren pro Partie auf unter 0,3). Auch nach der Meistersaison ist das Team in diesem Bereich noch einmal deutlich stärker geworden. Dies mag einige Leser erstaunen. Denn ohne eine systematische Untersuchung eines Phänomens hält man sich für die Beurteilung in der Regel an einzelne besonders in Erinnerung gebliebene Situationen und Spiele. Dazu gehört für die Saison 22/23 mit Sicherheit die 2:4-Heimniederlage gegen den FC Basel am 28. August mit gleich drei Standardgegentoren nach den Freistössen von Taulant Xhaka und dem Eckball durch Darian Males. Dieses Spiel war aber wie die Statistik zeigt, die Ausnahme, welche die Regel bestätigt.

Bessere Vorwärtsverteidigung und Abwehr von Standards als in der Meistersaison!

Beinahe ebenso stark wurden in der gleichen Zeitperiode die Gegentore aus dem Spiel heraus reduziert, wenn der Gegner aus einer tiefen Position angreift. Das heisst, man verteidigt von Saison zu Saison besser in hoher Position – und hat sich auf diesem Gebiet auch 22/23 im Vergleich zur Meistersaison nochmal verbessert! Der über Jahre anhaltende positive Trend in der Reduktion der Gegentore beim Umschaltspiel, Aufbauspiel und bei einer Hohen Position des Gegners konnte hingegen nicht fortgesetzt werden. In diesen Bereichen gab es einen Rückschritt – am meisten bei gegnerischem Aufbauspiel. Der FCZ verteidigt weniger gut als noch letzte Saison unter Breitenreiter, wenn er sich hinten reindrängen lässt.

Die verbesserte Verteidigung von Standards im Vergleich zur Meistersaison betrifft alle Bereiche mit Ausnahme der Penaltys. Am stärksten verbesserte hat man sich bei gegnerischen Einwürfen. Bei gegnerischen Eckbällen hat der fC Zürich im Verlauf der letzten Monate leichte Anpassungen in der Formierung vorgenommen und setzt nun auf zwei oder teilweise gar drei Raumdecker. Wenn der FCZ trotzdem wieder mal ein Corner-Gegentor kassiert, dann liegt dies jeweils eher nicht an der Taktik, sondern individuellen Unaufmerksamkeiten wie beim 2:3 durch Douline in Genf in letzter Sekunde oder einem vermeidbaren Gegentreffer Schettines im einzigen verlorenen Derby der Saison. Penaltys gegen den FCZ entstanden in der Zeitperiode 2019 bis 2023 am häufigsten nach Freistössen oder Einwürfen (je 3 Mal).

Linke Seite nicht mehr so wasserdicht, wie in der Meistersaison

Am meisten Gegenreffer kassiert der FC Zürich immer noch via Konterangriffe des Gegners, auch wenn sich dies seit der Saison 19/20 reduziert und im Vergleich zur Meistersaison auf dem Niveau von einem solchen Gegentreffer alle vier Spiele gehalten hat. Weiter reduziert haben sich aber die Gegentreffer bei gegnerischem (langsamem) Spielaufbau, wenn der FCZ hoch steht. Zu Magnin-Zeiten war in solchen Situationen die Verteidigungsarbeit der Stürmer und Mittelfeldspieler immer wieder mal ungenügend gewesen. Wie bereits weiter oben erwähnt nahmen die Gegentore des FCZ etwas zu, wenn er tief oder in einer mittleren Position gegen einen aufbauenden Gegner verteidigte. Gegentore aus Pressing- oder Gegenpressing-Situationen blieben hingegen relativ selten.

Obwohl die Standardgegentore weiter reduziert wurden, haben die Kopfballgegentore im Vergleich zur Meistersaison 22/23 wieder zugenommen, ohne dass es im Vorfeld von Gegentreffern mehr Flanken (definiert als Bälle von der Seite von ausserhalb des Strafraumes) gegeben hätte. Dies deutet vermehrt auf Kopfballgegentore aus dem Spiel heraus hin, teilweise durch kurze Chipbälle von innerhalb des Strafraumes. Weitschussgegentreffer haben im Vergleich zur letzten Saison hingegen abgenommen, was für die gute Arbeit speziell der FCZ-Akteure auf der 6er-Position (in erster Linie Cheick Condé) spricht. Deutlich zugenommen haben hingegen Tore auf gegnerische Angriffe durch die Mitte und über rechts (also die linke Zürcher Abwehrseite). Letztere hatten sich in der Meistersaison auf null reduziert. 22/23 konnten Guerrero, Aliti und Co. ihre Seite hingegen nicht mehr so gut schliessen, wie noch ein Jahr davor.

Inspiration bei den Offensivstandards ging verloren

Das Problem des FCZ 22/23 im Vergleich zur vorherigen Spielzeit lag in der Offensive, so viel ist schon länger bekannt. „Offensive“ bedeutet aber nicht automatisch „Stürmer“. Beispielsweise der Spielaufbau aus der Zone 1 in der eigenen Platzhälfte in die Zone rund um die Mittellinie schien in der Meistersaison besser zu funktionieren. Die Torausbeute hat in allen Spielphasen (Aufbau, Umschalten, Standards) und sowohl aus einer hohen wie auch tiefen Position durchs Band deutlich abgenommen, wobei dabei eine geringere Abschlusseffizienz eine gewisse Rolle spielte. Am stärksten reduziert hat sich die Ausbeute von Standards.

Schaut man die Standardtore im Detail an, sieht man einen leichten Anstieg bei den Penaltytreffern, aber eine starke Reduktion von FCZ-Treffern, die aus Freistössen und Eckbällen erzielt wurden – und zwar auf das tiefste Level der letzten vier Jahre. Was ist der Grund, dass Marchesano, Guerrero und Dzemaili nicht mehr so gute Freistösse und Corner hinkriegten wie in der Meistersaison? Dieses Rätsel zu lösen ist ein wichtiger Faktor für den offensiven Erfolg der kommenden Saison. Denn dass Marchesano, Guerrero, Krasniqi, Okita, Kryeziu und Co. grundsätzlich gute Standards drauf haben, ist unbestritten.

Weniger Erfolg im Knacken von tief stehenden Gegnern über die Seiten

In den letzten vier Jahren hat der FCZ am häufigsten Penaltys aus Freistössen und Konterangriffen erhalten. Auch aus Angriffen gegen tief stehende Gegner sowie aus Eckbällen gab es häufiger Penalty für als gegen den FCZ.

Aus dem Spiel heraus erzielt der FCZ weiterhin am meisten Tore aus dem Aufbauspiel gegen tief stehende Gegner sowie aus Konterangriffen, wobei vor allem ersteres in der abgelaufenen Saison stark abgenommen hat.

Offensiv fehlte die Überzeugung, das Zusammenspiel und das Timing bei den Standards aus der Meistersaison

Kopfballtore haben in der Saison 22/23 sehr stark abgenommen – von „einem in drei Spielen“ auf „eines in zehn Partien“. Dies hängt direkt zusammen mit der ebenfalls starken Abnahme von Toren aus „Angriffen über rechts“. Nikola Boranijasevic hat zwar insgesamt 22/23 gute Leistungen gezeigt, aber das Timing und Zusammenspiel mit den Stürmern in den entscheidenden Momenten funktionierte nicht mehr so traumwandlerisch sicher wie noch 21/22.

Durch die Analyse der Tore und Gegentore verdichtet sich das Bild über die Unterschiede zwischen der Saison 21/22 und der Saison 22/23. Die Teamleader Antonio Marchesano, Blerim Dzemaili, Adrian Guerrero, Willy Gnonto und Yanick Brecher zeigten sich von allen Kaderspielern als zu wenig anpassungsfähig an den Trainerwechsel und begannen die Spielzeit uninspiriert. Defensiv spielte die Mannschaft als Ganzes eine ganz gute Saison – speziell die neu verpflichteten Cheick Condé und später Ifeanyi Mathew sorgten im Zentrum für Stabilität. Ausserdem verbesserte man sich beim Verteidigen von gegnerischen Standards weiter. Offensiv fehlte hingegen die Überzeugung, das Zusammenspiel und das Timing bei den Standards, beim Abschluss und beim letzten Pass, welches die Breitenreiter-Mannschaft so ausgezeichnet hatte – exemplarisch illustriert durch die unglaubliche Serie direkt verwandelter Freistösse durch Marchesano, Kryeziu und Coric zum Saisonbeginn 21/22 im Kontrast mit dem verschossenen Penalty Marchesanos zum Auftakt 22/23 in Bern. Über die rechte Seite von Boranijasevic wurden nicht mehr so viele Tore vorbereitet wie noch in der Meistersaison, und die linke Seite mit Guerrero und Aliti war defensiv zwar immer noch gut, aber nicht mehr so ein wasserdichtes Bollwerk, wie noch im Jahr zuvor.

Ifeanyi Mathew sticht heraus: Spieler-Performance 22/23

Wie gut war die Leistung der Spieler des FCZ-Kaders in der abgelaufenen Saison 22/23? Nach der detaillierten Auswertung der Mehrzahl der Partien der letzten Saison steht Winterneuverpflichtung Ifeanyi Mathew mit einer Durchschnittsnote von 7,5 deutlich an erster Position. Auf den nächsten Positionen folgen eng beieinander Boranijasevic, Condé, Vyunnik, Krasniqi, Rohner und Ligue. Fünf Spieler lagen mit ihrer Durchschnittsnote im ungenügenden Bereich – allen voran Nikola Katic, der in der abgelaufenen Saision mit 2,5 einen der tiefsten aufgezeichneten Notenschnitte seit Beginn der Züri Live-Notengebung im Jahr 2016 hatte. Katic war sowohl mit wie auch ohne Ball der klar schlechteste FCZ-Spieler der abgelaufenen Saison. Mathew war auch offensiv die Nummer 1, während defensiv der speziell bei gegnerischen Umschaltsituationen immer wieder wertvolle Bledian Krasniqi am besten abschnitt. Im Vergleich zur Foda-Zeit hat sich Blerim Dzemaili unter Bo Henriksen am meisten gesteigert, dazu spielten auch Stephan Seiler, Marc Hornschuh und Cheick Condé unter dem Dänen deutlich besser.

Züri Live Spieler-Noten, Punkte pro Spiel und Torbeteiligungen pro 90 Minuten (noch nicht alle Spiele ausgewertet)

FCZ kann ohne Cheick Condé nicht gewinnen

Die Bilanz der „Punkte pro Spiel“ wird angeführt durch Selmin Hodza und Zivko Kostadinovic, die selten in der Meisterschaft, dafür aber im Cup gegen das Amateurteam Cham dabei waren. Mathew und Katic waren in der resultatmässig schlechten Anfangsphase der Saison nicht mit dabei und haben aus diesem Grund einen guten Punkteschnitt. Cheick Condé, der ebenfalls einen relativ guten Punkte pro Spiel-Schnitt aufweist, war hingegen die ganze Saison dabei. Der Guineer wurde über die Spielzeit verteilt in sechs Meisterschaftsspielen (2x Lugano, je 1x Winterthur, St. Gallen, GC und FCB) drei Mal wegen Gelbsperre und drei Mal als Ersatzspieler (davon beide Partien unter Interims-Coach Colatrella) nicht eingesetzt. Keines dieser sechs Partien konnte der FCZ gewinnen (drei Niederlagen, drei Unentschieden). Auch die einzige Europacup-Partie, in welcher Condé fehlte, wurde zu einer 1:5-Heimklatsche gegen PSV. Bogdan Vyunnik arbeitete sehr viel für die Mannschaft und kam auch aus diesem Grund zu wenig Torchancen im Strafraum. Dass er Tore erzielen kann, zeigte er später an der U21-EM, als er für die Ukraine gegen Spanien ins Netz traf. Am wenigsten Punkte pro Spiel weisen Spieler wie Ivan Santini und Donis Avdijaj auf, die in der Liga-Resultatflaute unter Franco Foda vorwiegend ihre Einsätze hatten.

Der gleiche Ivan Santini weist in der Statistik bezüglich „Torbeteiligungen“ die beste Statistik auf. Der bisher wenig eingesetzte Kroate war pro 90 Minuten in den ausgewerteten Partien an 1,2 FCZ-Toren beteiligt. Danach folgt Zivko Kostadinovic (dank dem Cupspiel in Cham), dann Stephan Seiler , Karol Mets, Aiyegun Tosin und Calixte Ligue. Am wenigsten Torbeteiligungen hatten Yanick Brecher, Becir Omeragic, Ifeanyi Mathew, Nikola Katic und Mirlind Kryeziu. Jonathan Okita hat eine ebenfalls niedrige Torbeteiligung.

Michi Frey zwei Mal hintereinander an der Spitze

Züri Live-Noten Top 5 und Flop 5 von 2016/17 bis 2022/23

Ifeanyi Mathew löst Antonio Marchesano ab, der in der Meistersaison bester Zürcher war. Michael Frey hatte in den Saisons 17/18 und 18/19 zwei Mal hintereinander die beste Durchschnittsnote, wobei er in der zweiten Saison nur in der Anfangsphase mit dabei war. Die sich diesmal unter den Top 5 befindlichen Bledian Krasniqi und Fabian Rohner sind dies nicht zum ersten Mal, hatten schon vor ihren Leihen nach Wil gute Leistungen im FCZ-Trikot gezeigt. Mirlind Kryeziu, Antonio Marchsano und Alain Nef (nun Assistenztrainer), die in der Aufstiegssaison 16/17 unter den Top 5 gewesen waren, sind immer noch mit dabei. Blerim Dzemaili war hingegen in den letzten drei Saisons immer unter den „Flop 5“, wobei er sich im Vergleich zu seiner sehr schlechten Rückkehr-Saison gesteigert hat. Auch der letztjährige beste FCZ-Torschütze Aiyegun Tosin war in jener Spielzeit im Schnitt deutlich ungenügend aufgetreten.

Hilfe, wir haben den Ball! / Luzern – FCZ Analyse mit Randnotiz: neue Kandidatur für den Schwalbenkönig

Macht Roko wieder den Simic? / Luzern – FCZ Vorschau (Züri Live)

Die angesprochenen Parallelen zur Abstiegssaison gehen weiter. Damals hatte der FCZ in der 27. Runde gegen den FC Basel unentschieden gespielt und lag damals wie heute danach auf dem 8. Platz – 15/16 sogar mit deutlich mehr Vorsprung als heute. Dann kam in der 28. Runde die Niederlage gegen Luzern, welche den Auftakt zu einer Serie von sieben Partien mit nur einem Punkt darstellte.

Wenig Ballbesitz, mehr Erfolg

Die 1:2-Heimniederlage vor zwei Spieltagen gegen den FC Sion war ein Schock für Luzern: viel mehr Ballbesitz und ein klares Chancenplus – und trotzdem baute man die Walliser auf, anstatt sich in der Tabelle nach vorne orientieren zu können. Trainer Mario Frick lernte daraus und zog sein Team in den folgenden Partien in Winterthur und gegen den FCZ in die eigene Platzhälfte zurück, suchte das Heil in schnellen Gegenstössen. Das funktionierte ausgezeichnet! Zwei Spiele, zwei Siege.

Die gleiche Schlussfolgerung könnte der FC Zürich nach der klaren Niederlage in der Swissporarena ziehen. Zuletzt hatte man in St. Gallen und gegen den FCB mit wenig Ballbesitz jeweils die besseren Torchancen herausgespielt. In Luzern hingegen hatte man deutlich mehr den Ball – und zog den Kürzeren. Dazu kam als zusätzliches Indiz: die einzige Spielphase, in der Luzern mehr Ballbesitz hatte, war das letzte Viertel – und dieses war gleichzeitig die beste Phase des FCZ. Für beide Teams scheint also zur Zeit zu gelten: „Hilfe, wir haben den Ball (zu lange)!“.

Verbesserung auf der linken Seite dank dem Duo Aliti / Hodza

Trotz ähnlicher Kontertaktik wie in Winterthur machte Coach Frick gegen den FCZ eine Umstellung taktischer Art vom üblichen Rhombus-System auf ein 4-2-3-1. So wie dies vor ein paar Wochen bereits Raphael Wicky in Zürich gemacht hatte. Die Innerschweizer zogen sich stark zurück. Dejan Sorgic wartete vorne allein auf weiter Flur auf die Auslösung eines überfallartigen Konters. Wenn Luzern aber mal zum Aufbauspiel kam, dann versuchte man es der taktischen Änderung entsprechend häufiger über die Seiten, als noch in Winterthur. Das 4:1 in der 64. Minute fiel dann auch durch einen Angriff über die linke Seite.

Die Einwechslung von Pascal Schürpf für Sofyan Chader zur Pause war einer der Gründe, warum die in der 1. Halbzeit noch gut spielende rechte Zürcher Seite mit Omeragic und Boranijasevic in der zweiten Hälfte einen richtiggehenden Einbruch erlitt. Das letzte FCZ-Gegentor mit einem Angriff über diese Seite fiel ebenfalls in Luzern kurz nach der Winterpause, als beim damaligen 2:0-Führungstreffer der Luzerner Boranijasevic sich hoch in der gegnerischen Hälfte düpieren liess. Ansonsten war zuletzt die linke Zürcher Seite anfälliger gewesen mit drei Gegentoren hintereinander gegen YB. Servette und in Lugano, als jeweils das Duo Aliti / Kamberi verteidigte. Mit Hodza als Aussenläufer und Aliti links in der Dreierabwehr scheint diese Seite defensiv besser zu funktionieren. Die Pässe, die Aliti zu Gast bei seinem Ex-Klub konstant von hinten heraus spielte, waren zudem eine echte Augenweide.

Katic bei der Spielweise unter Henriksen ein Sicherheitsrisiko

Zuletzt gegen Basel setzte der FCZ den durch das Cupspiel unter der Woche etwas müden Gegner richtigerweise durch hohes Pressing stark unter Druck und zwang diesen zu vielen Fehlern. Die Stürmer machten daraus in Abwesenheit von Tosin dann aber zu wenig. Es brauchte einen Weitschuss von Condé, um zu reüssieren. Auch in Luzern benötigte es ein Weitschusstor eines Mittelfeldspielers, um ins gegnerische Gehäuse zu treffen. In der Kategorie Weitschusstore (6) liegt der FCZ mittlerweile an zweiter Position der Liga. Zu Magnin-Zeiten war man in dieser Kategorie jeweils bei den Schlusslichtern.

Es fällt auf, wie viele gegnerische Trainer in letzter Zeit ihre Taktik gegen den FCZ umstellen – sicherlich auch aufgrund der zuletzt insgesamt eher positiven Resultate des Letzigrund-Teams. Luzerns Konzept war ganz auf den grössten Zürcher Schwachpunkt, die Langsamkeit der Verteidiger, speziell von Katic, ausgerichtet. Der FCZ stand aber nicht nur wegen Luzern hoch und hatte viel Ballbesitz, sondern er will dies unter Bo Henriksen auch. Das Problem dabei: das Stärken-/Schwächen-Profil der Mehrheit der eingesetzten Spieler passt nicht zu diesem Spielstil (siehe Randnotiz im Winterthur-Artikel). Nikola Katic ist nur eines von mehreren Beispielen dafür, aber wahrscheinlich das klarste. In einer wie letzte Saison unter André Breitenreiter tief stehenden Mannschaft, die in erster Linie auf schnelles Umschaltspiel ausgelegt ist, könnte Katic auf Super League-Niveau wohl bestehen. Man erinnere sich beispielsweise an die „Abwehrschlacht“ in Unterzahl in Basel, als kurz vor Schluss Rohner mit einem Konter beinahe noch das Siegtor erzielte. In einem hoch stehenden Team mit viel Ballbesitz ist er hingegen ein viel zu grosses Sicherheitsrisiko.

Forwards können sich in Luzern kaum durchsetzen

Bei der Beurteilung der Partie nicht vergessen werden darf, dass die junge Luzerner Mannschaft wirklich stark spielte – allen voran Marco Burch und Nicky Beloko. Sie benötigten für ihren Powerfussball in den ersten drei Vierteln der Partie aber auch viel Kraft, so dass der FCZ bei einem knapperen Spielstand in den letzten 15-20 Minuten die Partie durchaus noch hätte drehen können. Daher war für Luzern der Treffer zum 4:1 äusserst wichtig. Er nahm dem FCZ den Glauben an die Wende, wodurch die nachlassenden Kräfte in der Schlussphase weniger ins Gewicht fielen. Pius Dorn gelang zum ersten Mal in seiner Profikarriere ein Doppelpack. Zuletzt hatte er dies in der U19 des SC Freiburg (drei Mal) geschafft, als er noch auf einer offensiveren Position eingesetzt wurde.

Das Spiel des FCZ war im ersten Viertel grundsätzlich gut, auch wenn man sich danach aus dieser Phase vor allem an einzelne gefährliche Luzerner Szenen erinnern wird, die aufgrund des defensiven Schwachpunktes Katic entstanden. Im zweiten und dritten Spielviertel wurde dann die Leistung von mehreren Spielern schlechter, bevor im letzten Viertel nach den Wechseln der FCZ die bessere Mannschaft war. Insgesamt spielte der FCZ aber zu wenig einfach, schnell und schnörkellos. Und die Stürmer stiessen gegen die jungen Luzerner Verteidiger an ihre Grenzen. Insgesamt hatte der FCZ bei dieser klaren Niederlage in Luzern erstaunlicherweise die höchste bisher von Züri Live gemessene Anzahl an guten Offensivaktionen im Jahr 2023, aber gleichzeitig auch am zweitmeisten schlecht ausgeführte Aktionen im Spiel mit Ball.

Mehrere taktische Wechsel während der Partie

Die in den Medien nach der Partie viel thematisierte Pausenansprache Henriksens war im übrigen nicht eine klassische „Brandrede“, sondern beinhaltete viel eher (in lautem Ton vorgetragene) konkrete Anweisungen an das Team insgesamt und an einzelne Spieler. Henriksen stand dabei ganz offensichtlich vor einer Taktiktafel, blickte konkrete Spieler an und sagte Dinge wie: «ich erwarte von Dir, dass Du in diesen Raum gehst».

Taktische Veränderungen gab es beim FCZ während dem Spiel einige. Man begann so wie man das mit 2:1 gewonnene Heimspiel gegen Luzern aufgehört hatte: im 3-4-1-2. Aufgrund des überraschenden 4-2-3-1 von Luzern stellte man aber bereits nach fünf Minuten auf ein 3-3-2-2 um – das heisst, Cheick Condé stand höher und Bledian Krasniqi weniger zentral. Dadurch ergab sich zwischenzeitlich eine stärkere Mannorientierung im Zentrum. Nach dem Gegentor zum 0:1 wechselte der FCZ dann aber etwas hektisch wieder zurück auf das zu Beginn angewendete 3-4-1-2, was dem Zürcher Spiel nicht gut tat. Das System und die Zürcher Probleme setzten sich nach der Pause fort, auch mit dem eingewechselten Roko Simic auf der Zehnerposition für Bledian Krasniqi. Mit einer weiteren Umstellung auf ein 3-4-3 ab der 60. Minute wurde es dann deutlich besser.

Fragezeichen bei den Eckbällen

Normalerweise gibt es beim FCZ auch taktische Auswechslungen. Diesmal aber wechselte Coach Henriksen schlicht die fünf schlecht spielenden Spieler aus, erstmals auch Katic. Bei Eckbällen hatten beide Teams zu Beginn defensiv etwas Probleme. Beim ersten Zürcher Corner standen Krasniqi und Condé völlig frei. Beim zweiten wurde dies aber sofort korrigiert und die entsprechenden Zürcher Spieler von Jashari und Ottiger gedeckt. Bei Luzerner Eckbällen stand hingegen Dorn immer frei, weil der FCZ nun wieder drei statt zwei Spieler für die Raumdeckung abstellt. Den Sinn und Zweck, Marchesano auf den Kreuzungspunkt von nahem Pfosten und Elfmeterpunkt in den Raum zu stellen, erschliesst sich auf den ersten Blick nicht. In diesem Raum landet so gut wie nie ein Eckball.

Personalien

  • Bledian Krasniqi: War zeitweise alleine gegen das Duo Beloko und Jashari. Hatte aber auch einen schlechten Tag und wirkte weniger spritzig als in anderen Partien – null Abschlussbeteiligungen und nach vorne praktisch wirkungslos.
  • Jonathan Okita: Zeigte nach dem zweiten und vierten Gegentor eine Reaktion. So zielstrebig und schnörkellos wie in diesen Momenten müsste er von Beginn weg spielen. Seine lässige Ballannahme in Rücklage mit gestrecktem Bein erinnert an Feierabendfussball mit Kollegen, und führt in der Super League, wo die Verteidiger im Schnitt hartnäckiger agieren als in Holland, zu vielen Ballverlusten.
  • Becir Omeragic: Hatte insgesamt eigentlich eine gute 1. Halbzeit, kümmerte sich beispielsweise zuerst aufmerksam um den bei Standards gefährlichen Burch. War dann aber bei den gefährlichsten Luzerner Szenen auch negativ im Fokus, was ihm etwas das Selbstvertrauen zu rauben schien. Jedenfalls fiel er in der 2. Halbzeit in ein Loch.
  • Nikola Katic: Wieder eine Note „1“ wie im ersten Spiel nach der Winterpause in Luzern, im Jahr 2023 bisher fast ausschliesslich ungenügende bis schlechte Noten. Nach zuletzt immerhin aufsteigender Tendenz wieder ein extremer Rückfall. Die Defensivleistung ist miserabel. Gegen eine konternde Mannschaft auf Super League-Niveau viel zu langsam – und passt dabei seinen Spielstil trotzdem nicht à là Filipescu an diese Realität an – als würde er diese ignorieren. Die Gegner nutzen dies systematisch aus. Stürmer wie Sorgic locken Katic mit ihren Laufwegen in die gegnerische Platzhälfte oder an die Seitenlinie und lassen ihn dann dort stehen wie ein unabgeholtes Paket auf der Post. Die Szene wiederholt sich Spiel für Spiel, immer und immer wieder.
  • Mirlind Kryeziu: Ist aktuell relativ weit von seiner Bestform von letzter Saison entfernt, aber trotzdem ruhiger, überlegter und schneller als Katic.
  • Fidan Aliti: Wenn nur alle in der Mannschaft so ein Passspiel hätten! Die Präzision, die Dosierung, die Konstanz! Keine Kunst, aber Qualitätshandwerk. Auch von Alitis Schnörkellosigkeit könnten sich viele eine Scheibe abschneiden. Geht auch in der Nachspielzeit beim Stand von 1:4 noch volle Pulle.
  • Ifeanyi Mathew: Begann gut. liess sich dann phasenweise vom Auftritt einiger Mitspieler mit runterziehen. Als Selnaes ins Spiel kam, blühte er wieder auf. Premièrentor aus der Distanz mit dem schwächeren Fuss.
  • Selmin Hodza: Abgesehen von ein, zwei taktischen Fehlern bestätigte er den positiven Eindruck vom Basel-Spiel; einer der aufmerksamsten FCZ-ler auf dem Platz.
  • Antonio Marchesano: Hat etwas das Pech, dass er ausgewechselt wird, kurz bevor Luzern ausgepowert ist. Gegen das hochtourige Luzern der ersten drei Viertel der Partie kann er sich nicht durchsetzen. Die Gegenspieler sind praktisch immer schneller am Ball. In so einer Situation unterläuft ihm dann auch noch mehrmals der typische Tosin-Fehler der letzten Jahre: abrupte Richtungsänderung in einem Moment, wo der Mitspieler den Ball bereits am Zuspielen ist.
  • Calixte Ligue: Kam bei weitem nicht so gut in die Partie wie bei seinem ersten Einsatz nach der Winterpause in Luzern. Begann mit zwei unnötigen Fouls und stand defensiv zeitweise etwas verloren im Raum.
  • Ole Selnaes: Wie eine frische nordische Brise für das Zürcher Spiel. Machte dieses mit seiner Spielingelligenz und gutem Passspiel deutlich strukturierter. Profitierte dabei aber auch von nachlassenden Luzernern.

Randnotiz – neue Kandidatur für den Schwalbenkönig

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Scharmützel und Sachbeschädigungen nach Fussballspiel: FCZ-Anhänger bewerfen Polizei mit Flaschen – diese reagiert mit Gummischrot (Luzerner Zeitung)



Guerrero-Ersatz Aliti mit viel Freiheiten, aber wenig Spielanteilen / FCZ – YB Analyse mit Randnotiz: Aus fünf mach zwei – wie YB den FCZ beim 2:2-Ausgleich zerpflückt hat

Wer ersetzt Adrian Guerrero? / FCZ – YB Vorschau (Züri Live)

Wie von den Züri Live-Lesern und -Hörern gefordert, ersetzte Fidan Aliti den verletzten Adrian Guerrero gegen YB auf der linken Aussenläuferposition. Dieser wurde von den Teamkollegen aber wenig ins Offensivspiel eingebunden. YB gab Aliti viel Platz. Er stand häufig frei. Der FCZ nutzte aber potentielle zwei gegen eins-Situationen über die linke Seite nicht. Das Spiel lief aber vorwiegend wenn nicht durch die Mitte, dann über die rechte Zürcher und linke Berner Seite. YB-Coach Raphael Wicky wich gegen den FCZ von seinem geliebten Mittelfeld-Rhombus ab und liess sein Team in einem 4-2-3-1 antreten. Dies ist auch ein Kompliment an den Gegner. Die Berner Tendenz unter Wicky viel durch die Mitte zu spielen, blieb trotzdem erhalten.

Züri Live-Leserfrage vor der Partie

FCZ hält YB aus der Gefahrenzone fern

YB hatte mehr den Ball und kam zu einer deutlich höheren Anzahl von Abschlüssen. Die FCZ-Hintermannschaft gemeinsam mit dem Mittelfeld schaffte es aber, die Berner weitgehend aus der Gefahrenzone fernzuhalten, so dass die Abschlüsse der Gäste vorwiegend Weitschüsse oder Versuche aus spitzem Winkel blieben. Es war mit einer durchschnittlichen Defensivnote von 6,8 die zweitbeste Defensivleistung der Saison nach dem 1:0 in Unterzahl gegen den FC St. Gallen. Dies vor allem dank dem Mittelfeldzentrum: Cheick Condé hatte zum vierten Mal im sechsten Spiel nach der Winterpause die Maximalnote „10“ in der defensiven Phase, Krasniqi war defensiv ebenfalls hilfreich und die eingewechselten Dzemaili und Hornschuh leisteten im Spiel ohne Ball ebenfalls gute Dienste.

Die durchschnittliche Offensivnote war mit 5,7 hingegen deutlich schlechter, als noch im Stadtderby und auf gleicher Höhe mit dem Kantonsderby. Insgesamt kam der FC Zürich in dieser Partie gerade mal zu acht Abschlüssen, wovon aber zwei verwertet werden konnten – was zum zweiten Mal hintereinander für die FCZ-Abschlusseffizienz spricht. Das Offensivspiel aus dem Mittelfeld heraus war gut, aber die Stürmer konnten sich vorne zu wenig durchsetzen, waren vor allem in Person von Jonathan Okita zu wenig zielstrebig.

Boranijasevic entscheidend in der Vorbereitung beider Tore

YB glich zwei Mal auf ähnliche Art und Weise aus, wie der FCZ die Führung erzielt hatte. Das 1:0 und das 1:1 fielen jeweils gegen einen relativ hoch stehenden Gegner, bei dem die Stürmer für einen Moment in ihrer Defensivarbeit nachliessen. Das 2:1 und 2:2 wurden hingegen gegen einen jeweils eher tief stehenden Gegner und dank der Energie eingewechselter Spieler erzielt. Das Zürcher 2:1 durch Aiyegun Tosin war der dritte Treffer des FCZ aus einem Hohen Pressing in den letzten zwei Partien. Dies war bisher kein Markenzeichen unter Bo Henriksen.

Mit hervorragenden Bällen von der Seite in den Strafraum war Nikola Boranijasevic an beiden Zürcher Treffern entscheidend beteiligt. Der FCZ-Torschütze zum 1:0, Jonathan Okita, ist der einzige Zürcher mit einer ungenügenden Züri Live-Note. Die Entstehung seines Führungstores war bezeichnend für den Auftritt. Erst bremste Okita nach einem herausragenden langen Ball von Condé hinter die YB-Abwehr ab, und verzichtete darauf, durch die Mitte alleine Richtung gegnerisches Tor zu ziehen. Dann unterlief ihm aus dem Stand auch noch ein Fehlpass in die Füsse von Zesiger. Der Ball kam aber trotzdem nochmal zu Okita und da die YB-Sechser Niasse und Imeri weit und breit nicht zu sehen waren, hatte er genug Platz, um in die rechte untere Ecke zu treffen.

FCZ mit dem besseren Mittelfeldzentrum

Wieder kann der FCZ von Beginn weg im 3-4-3 den Gegner unter Druck setzen. YB spielt daher sehr vorsichtig mit vielen hohen Bällen und lässt sich auf kein risikoreiches Aufbauspiel ein. Der FCZ wagt diesbezüglich etwas mehr. Bei YB verhielt sich der 19-jährige Innenverteidiger Aurèle Amenda noch nicht in jeder Situation optimal. Filip Ugrinic hat sich weiterhin noch nicht richtig im Team integriert, konnte aber den ein oder anderen wichtigen Zweikampf (unter anderem vor dem 2.2-Ausgleich) gewinnen. Und der FCZ hatte an diesem Tag mit Condé / Krasniqi das bessere Zentrum, als der Gegner mit Niasse / Imeri. Letzterer interpretierte seine Rolle als Sechser in gewisser Weise in “Beckenbauer-Manier“, aber ohne grosse Wirkung.

https://soundcloud.com/fcz-radio/fcz-yb-2-2-fazit-omeragic-und-boranijasevic-spielen-gut-zusammen

Ab der 65. Minute wechselte YB dann zurück auf die übliche Rhombus-Formation im Mittelfeld. Der FCZ wechselte danach auf ein 3-5-2 und am Schluss auf ein 3-4-1-2. Der fehlende dritte Stürmer spielte defensiv gesehen eine grosse Rolle beim 2:2-Ausgleich YB’s in der 84. Minûte (siehe Rubrik „Randnotiz“ weiter unten). YB zementierte mit diesem Treffer seine hervorragende Trefferquote in der Schlussviertelstunde.

Personalien

  • Bledian Krasniqi: Der Zürcher Ballverteiler hatte in der Vergangenheit immer wieder mal Leistungsschwankungen während eines Spiels. Die Leistung gegen YB ist hingegen sehr konstant über die ganze Einsatzzeit.
  • Jonathan Okita: Trotz 1:0-Führungstreffer einziger FCZ-Spieler mit ungenügender Note. Schlampige Aktionen in Ballbesitz speziell in der ersten halben Stunde. Defensiv fehlt unter anderem bei gegnerischen Einwürfen eine klare Idee, was er machen will.
  • Aiyegun Tosin: In der Ersten Halbzeit fast ausschliesslich mit Defensivarbeit beschäfttigt. Seine Ablage auf Boranijasevic beim 1:0-Führungstreffer in der 40. Minute ist seine erste gute Offensivaktion.
  • Yanick Brecher: Dass Brecher fussballerisch der aktuell wohl beste Super League-Torhüter ist, ist bekannt. Der hohe Ball, den er aber in der 30. Minute ins Mittelfeld spielte, verdient spezielle Erwähnung. Dieser war so raffiniert getreten, dass er erst in einer sehr späten Phase seiner Flugbahn einen starken Seitwärtsdrall erhielt – und dies aber ohne Gefahr zu laufen, ins Seitenaus zu fliegen. Dies ermöglichte Okita, den Ball sicher vor dem Gegenspieler in Empfang zu nehmen und zu verarbeiten. Im Normalfall bei gerade gespielten Bällen verliert Okita praktisch jedes Luftduell oder versucht gar nicht erst, ein solches zu bestreiten.
  • Mirlind Kryeziu: Eine unter dem -Strich durchschnittliche Leistung mit Höhen und Tiefen. Trotzdem deutlich besser, als zuletzt Nikola Katic.
  • Cheick Condé: MVP wie beim Auftakt nach der Winterpause in Luzern. Sowohl defensiv wie offensiv mit der Maximalnote “10′, wenn auch beides knapp. Defensiv mit Durchschnittsnote 9,5 nach der Winterpause. Viele Konkurrenten hätten gerne einen solchen Mann auf dieser Position.
  • Blerim Dzemaili: Die chronisch ungenügende Defensivleistung war lange Zeit sein grösstes Problem. Seit der Winterpause hat sich das stark geändert. Endlich erfüllt er die defensiven Aufgaben auf seiner Position auf Super League-Niveau und ist wie gegen YB diesbezüglich sogar einer der Besten seines Teams. Er wirkt fitter als zuvor und die beschränkte Einsatzzeit kommt ihm zusätzlich entgegen.

Randnotiz – Aus fünf mach zwei: wie YB den FCZ beim 2:2-Ausgleich zerpflückt hat

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