Weltklasse-Assist von Stephan Seiler / FCZ – Winterthur Analyse mit Randnotiz: „Wie gut passt die Mannschaft zum Spielstil von Bo Henriksen?“

FCW mit neuer Spielweise nach der Winterpause / FCZ – Winterthur Kantonsderby Vorschau (Züri Live)

Wie zuletzt beim 1:0-Heimsieg gegen den FC Lugano trat Winterthur auch in Zürich mit einem Rhombus-Mittelfeld an. Allerdings zog man sich deutlich weiter zurück, als noch gegen die Tessiner. Winti-Coach Bruno Berner blieb der Linie treu, gegen den amtierenden Meister FCZ so weit zurückzustaffeln wie sonst nur noch jeweils gegen den neuen, alten Meister YB. Hatte der FCW gegen Lugano in der ersten Stunde noch rund 46% Ballbesitz gehabt, waren es beim FCZ im gleichen Zeitraum nur 36%. FCZ-Keeper Yanick Brecher hatte kaum etwas zu tun.

Stephan Seiler offensiv und defensiv mit Maximalnote „10“

Der FCW fokussierte sich ganz auf zwei, drei Kontersituationen und warf dann in diesen in einem unheimlichen Tempo die halbe Mannschaft nach vorne. Einer dieser drei überfallartigen Konter führte zum 1:1-Ausgleich durch Samir Ramizi. Der FCZ hat 14 Abschlüsse, was relativ viel ist. Gemessen an der Qualität der Chancen ist das 1:1 aber das logische Resultat. Die Züri Live-Gesamtnote von 5,8 steht für den negativen Trend seit dem St. Gallen-Spiel – dazu trägt vor allem die Zweite Halbzeit bei. Einwechselspieler wie Simic und Rohner bringen nach vorne zu wenig – Okita und Marchesano bauen im Verlauf der Zweiten Halbzeit ab.

So wie jetzt Winterthur war letzte Saison der FCZ aufgetreten. Unter Coach Henriksen versucht er hingegen das Spiel zu machen – kommt auf diese Weise bisher aber aus dem Spiel heraus nur zu wenigen Torchancen. Unter dem Druck des engen Raumes gute Torchancen herauszuspielen und auch zu nutzen, gehört nicht zu den Stärken dieses Teams. Dank solider Arbeit der ganzen Mannschaft gegen den Ball, speziell des Zentralen Mittelfeldes, und der Ausnutzung vieler Standardsituationen, sind die Resultate zur Zeit trotzdem positiv. Den Führungstreffer gegen Winterthur erzielte man aber dank einem Geniestreich Stephan Seilers, der seine Chance in der Startformation mehr als nutzte. Dass ein Spieler sowohl im offensiven wie im defensiven Bereich eine Züri Live-Note „10“ erzielt, wie Seiler gegen Winterthur, kommt höchst selten vor. Er war zudem sowohl in der Ersten wie in der Zweiten Halbzeit der beste FCZ-Akteur. Er eroberte Bälle sowohl mit starken Gegenpressing- wie auch Backchecking-Situationen und verteilte sie sehr gut weiter.

Nikola Katic lässt sich erneut erwischen

Am anderen Ende der Notenskala liegt erneut Nikola Katic mit einer „2“. Schon in den Testspielen war aufgefallen, wie langsam der Kroate in der Rückwärtsbwegung ist, und dass er grosse Mühe damit hat, die richtigen Entscheidungen zu fällen. Dies setzte sich angefangen beim Luzern-Spiel in der Meisterschaft nahtlos fort. Die Szene, welche zum 1:1-Ausgleich gegen Winterthur führte, hat man als Beobachter von FCZ-Partien in den letzten Wochen so ähnlich schon dutzendfach von Katic gesehen. Dieser folgt dem beileibe nicht allzu schnellen Buess nur zögerlich und verlässt dabei seine Position in der Abwehrkette. Buess erhält den Ball im Mittelfeld zugespielt, kann sich unbehelligt drehen und den entscheidenden Pass auf Matteo Di Giusto in die Tiefe spielen. Katic schaut dem Geschehen aus „sicherer Distanz“ zu. Der Schnellzug ist nun unterwegs, die Post abgeschickt – und während Becir Omeragic den Abschluss von Ardaiz noch auf der Linie klärt, ist selbst zum Zeitpunkt des erfolgreichen Nachschusses von Ramizi vom Zentralen Verteidiger Katic am Brennpunkt weit und breit nichts zu sehen. Winterthur nutzt den gebotenen Platz dankbar aus.

Grundsätzlich versuchen beide Teams schnell umzuschalten, aber der FCZ braucht länger, um mit mehreren Spielern nach vorne zu stossen, weil er viel mehr den Ball und mehr Angriffsaktionen hat. Winterthur spart seine Energie für wenige Aktionen auf, die dadurch mit mehr Power gespielt werden können. Der FCZ baut zu Beginn in einem 4-1-4-1 auf, in welchem Guerrero links und Tosin rechts in der offensiven Mittelfeldreihe positioniert sind. Seiler und Condé bringen mit guten Diagonalbällen und Seitenwechseln den Gegner zum Laufen und die eigenen Seitenspieler in vielversprechende Positionen. Die Abstimmung zwischen den Flügelspielern und den Offensivleuten im Zentrum ist aber häufig ungenügend, die Laufwege wirken uninspiriert. Dies gilt in diesem Spiel auch für die Standards.

Personalien

  • Yanick Brecher: Bis zum Gegentor in der 39. Minute arbeitslos und auch danach unterbeschäftigt.
  • Adrian Guerrero: Führte die meisten Standards aus und hatte neun Abschlussbeteiligungen.
  • Nikola Katic Zum vierten Mal im vierten Spiel nach der Winterpause sowohl offensiv wie auch defensiv deutlich ungenügend. Aktuell fehlt das Super League-Niveau. Bei den meisten Konkurrenten würde er nicht spielen. Stehende Bälle kann er spielen, aber aus dem Spiel heraus viele einfache Fehlpässe. Verliert weiterhin seine defensiven Kopfballduelle mit deutlich kleineren Gegenspielern.
  • Nikola Boranijasevic: Wirkte etwas ausgelaugt, brachte nur eine Flanke in den Strafraum, die anderen wurden von Diaby und Co. geblockt.
  • Antonio Marchesano: Arbeitsbiene – in der ersten halben Stunde an allen Zürcher Torchancen beteiligt.
  • Cheick Condé: Mehr als eine Bank. Im vierten Rückrundespiel zum dritten Mal mit Defensivnote „10“. Der einzige Zürcher, der auch mit der Power des eingewechselten Ballet fertig wird. Offensiv zudem mit guten Spieleröffnungen und Seitenwechseln.
  • Roko Simic: Offensiv ein Ausfall. Bo Henriksen schien ihn als nr. 10 bringen zu wollen, aber er interpretierte seine Rolle eher als Mittelstürmer in einem Dreimannsturm.

Randnotiz – wie gut passt die Mannschaft zum Spielstil von Bo Henriksen?

Wie geeignet ist der Kader des FC Zürich für kontrolliertes Aufbauspiel auf der einen, und Umschaltspiel auf der anderen Seite? Für viel oder wenig Ballbesitz? Für den Rückzug in eine tiefe Position oder für draufgängerisches Pressing? Diese Frage zieht sich jetzt schon mehrere Jahre wie ein roter Faden durch die FCZ-Analysen von Züri Live. Grundsätzlich kann man mit jedem Spielkonzept und jeder Taktik Erfolg haben. Entscheidend ist darum neben finanziellen Mitteln, Sozialkompetenz, Fansupport und weiteren Faktoren vor allem, wie gut das Spielkonzept und die Taktik zu den individuellen Qualitäten der Kaderspieler passt. Können die Spieler ihre Stärken ausspielen? Oder offenbart die Spielphilosophie des Trainers und des Vereins eher ihre Schwachpunkte?

Eine Mannschaft, die kontrolliertes Ballbesitzspiel betreibt, braucht Mittel, um den Gegner auf engem Raum überwinden zu können. Das kann man einerseits mit „Wasserverdrängung“ und andererseits einem hohen Grad an Beweglichkeit bewerkstelligen. Dazu müssen alle zehn Feldspieler technisch versiert sein, um die Fehlerquote gering zu halten. Im Sturmzentrum braucht es ein gutes Timing und Körperbeherrschung in der Luft, da so eine Mannschaft zu vielen Flanken und Standards kommt. Bei einer Mannschaft hingegen, die aus einer tiefen Position kontert, können zwei, drei technisch gute Spieler vollkommen ausreichen. Präzision ist sekundär, wichtiger sind Schnelligkeit in Kopf und Beinen. Die Innenverteidiger so einer Mannschaft müssen typischerweise vor allem hohe Bälle im Akkord zuverlässig aus der Gefahrenzone köpfen – dafür ist Körpergrösse der alles entscheidende Faktor. Eine Mannschaft, die im Spiel ohne Ball hingegen häufig im hohen Pressing angreift, braucht in der Innenverteidigung nicht so sehr den Typ „Abwehrturm“, sondern viel dringender einen vergleichsweise leichtgewichtigen Sprinter, der bei Umschaltmomenten oder fehlgeschlagenem Pressing die gegnerischen Stürmer im Laufduell schlagen kann.

Gehen wir also mal die Startaufstellung des FCZ gegen den FC Winterthur durch. Es fällt auf, dass die Mannschaft von Bo Henriksen mehrheitlich immer noch aus Spielern besteht, die eher für grossräumigen, als für kleinräumigen Fussball gemacht sind. Dies gilt selbst für „Flankengott“ Boranijasevic, der für seine Top-Hereingaben den Platz einer Kontersituation braucht. Steht der Gegner hinten rein, wie Winterthur, bleibt er mit seinen Versuchen hingegen immer wieder hängen. Dies hat unter anderem mit seinem charakteristischen Bewegungsablauf zu tun. Viele Spieler der FCZ-Startaufstellung und des Kaders können gute lange Bälle spielen, sind im Kurzpassspiel aber nicht versiert. Man hat hinten in der Mitte einen Nikola Katic oder als Ersatz Mirlind Kryeziu, welche die Bälle massenweise aus dem eigenen Strafraum rausköpfen können, aber beim Umschalten in die Defensive in der Rückwärtsbewegung langsam sind. Im gegnerischen Strafraum hingegen kommt es selten vor, dass sich Spieler dieses FCZ-Teams in der Luft durchsetzen können. Sie werden meist abgedrängt und neutralisiert, selbst wenn der Standard gut getreten ist.

Die aktuelle Mannschaft des FC Zürich ist von seinen individuellen Qualitäten her also weiterhin alles andere als ein Ballbesitzteam. Kommt sie hingegen mal wieder in eine Kontersituation, zeigt sich auch ohne Ceesay oder Kramer, dass sie dies weiterhin am besten beherrscht. Von der Startaufstellung gegen Winterthur ist kaum einer für Ballbesitzfussball à la YB am besten geeignet: eigentlich nur Cheick Condé – und Torhüter Brecher. Seiler und Omeragic können sich bei einer Pressingspielweise à la St. Gallen am besten entfalten. Die Mehrheit der Startaufstellung, Katic, Aliti, Boranijasevic, Guerrero, Marchesano, Tosin und Okita sind hingegen alle in einer Kontermannschaft am besten aufgehoben. Eine, wie sie der FCZ in der Meistersaison unter André Breitenreiter hatte.

Bo Henriksen ist eindeutig ein taktisch versierter Trainer, hängt dies aber nicht gerne an die grosse Glocke. Er redet gegen aussen lieber von Teamgeist und Siegeswillen. Dies ist nicht unklug, denn nach aussen über Taktik zu reden, bringt einem Trainer und seinem Team wenig Vorteile. In der Kommunikation nach innen sieht dies anders aus. Tatsächlich hat er unter anderem auch mit taktischen Mitteln zur aktuell punktreichen Phase beigetragen. Was Henriksen aber zumindest kurzfristig nicht ändern kann, ist das Stärke/Schwäche-Profil seiner Spieler – und dass sein Team in grossen Teilen nicht wirklich zu seinem Fussball passt. Dies setzt dem aktuellen FCZ gewisse Limiten nach oben. Die Spieler können nicht ihr volles Potential entfalten, so wie sie dies letzte Saison mehrheitlich getan haben.

Wenn man die Kader der anderen Super League-Klubs durchgeht, dann fällt auf, dass es kein Team gibt, das vom Stärke/Schwäche-Profil her zu 100% zum Fussball passt, der von ihnen gespielt wird. Bei Teams wie YB, Servette oder St. Gallen ist die Übereinstimmung aber hoch. Selbst bei diesen Klubs gibt es aus der Reihe tanzende Spieler, die verpflichtet wurden, weil sich eine gute Gelegenheit ergeben hat. Oder weil sie aus Mentalitätsgründen wichtig sind. Aber das sind Einzelfälle. Einigermassen passend zusammengestellt, aber mit wesentlichen Lücken, sind Basel, Lugano oder Luzern.

Ziemlich unpassend zusammengestellt sind hingegen der FCZ, GC, Winterthur und Sion. Bei Winterthur liegt es in der Natur der Sache einer Aufstiegsmannschaft, die zu grossen Teilen zusammengeblieben ist. Sie wurde zusammengestellt, um in der Challenge League oben mitzuspielen und muss nun in der Super League einen anderen Fussball spielen, der für einige Spieler nicht optimal ist. GC und Sion sind ein buntes Puzzle. Aus der fussballerischen Zusammensetzung dieser Mannschaften ist es schwierig, eine Idee zu erkennen. Der FCZ hingegen ist / war für den „Breitenreiter-Fussball“ gut zusammengestellt und befindet sich diese Saison unter Foda und Henriksen in einer radikalen taktischen Transformation, die nicht zur Mehrheit der Stammspieler passt. Die Winterneuverpflichtungen Simic, Mathew oder Afriyie scheinen hingegen relativ gut zur Spielidee unter Henriksen zu passen. Aber sie brauchen alle drei noch etwas Zeit, um sich richtig zu integrieren.

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Beide Teams und die Unparteiischen machen im Strafraum eine schlechte Figur / Sion – FCZ Analyse

Simic oder Marchesano? Auch eine Systemfrage / Sion – FCZ Vorschau (Züri Live)

Das gestiegene Selbstvertrauen sahen die Züri Live-Leser im Vorfeld des Sion-Spiels als Hauptgrund für die verbesserte Abschlusseffizienz des FCZ nach der Winterpause (siehe Grafik unten). Im Wallis war dies dann aber bereits wieder Makulatur. Der FCZ hätte gemäss Expected Goals-Messung mindestens zwei Tore erzielen müssen, reüssierte letztendlich aber nur aus einem Penalty. In den drei Partien nach der Winterpause konnte somit noch kein einziges Tor aus dem Spiel heraus erzielt werden. Der knappe Sieg war zwar verdient, aber nur weil Sion noch schlechter als der FCZ auftrat. Wie schon im Herbst traf zum Rückrundenauftakt Jonathan Okita zum 1:0-Sieg im Tourbillon. Französisch ist seine Muttersprache und er scheint bisher sowohl in Sion als auch in Genf besonders treffsicher zu sein.

Routiniers gehen zu Beginn voran

Der Start in die Partie von Seiten des FCZ war gut. Man hatte ganz offensichtlich einiges für diese Partie vorbereitet und griff von hinten heraus in einer ersten Phase häufig in einem 4-2-4 an – mit versetzten Aussenläufern. Während Guerrero sich links in die Sturmreihe eingliederte, staffelte Boranijasevic rechts eher zurück. Die linke Seite war denn auch die offensiv (und defensiv) starke Zürcher Seite in dieser Partie. Mit mehreren schönen Kombinationen wurde jeweils letztendlich Adrian Guerrero im gegnerischen Strafraum freigespielt. Der FCZ hätte in dieser Phase in Führung gehen müssen. Speziell die Routiniers Dzemaili, Aliti und Marchesano spielten zu Beginn gut. Sion verteidigte in der eigenen Platzhälfte sehr vorsichtig in einem 6-1-2-1. Coach Celestini hatte Freude daran, dass die Flügelspieler Bua und Itaitinga weit nach hinten arbeiteten. Beim FCZ fehlte während der ganzen Partie die Kaltblütigkeit in der Angriffszone. Insgesamt war der Auftritt nicht mehr so stark, wie noch gegen St. Gallen.

Personalien

  • Nikola Katic: Mehrere gefährliche Ballverluste in der eigenen Platzhälfte, reisst immer wieder Lücken in die eigene Abwehrreihe indem er einem Gegenspieler folgt, diesen dann aber trotzdem nicht an der Weiterleitung des Balles in die Tiefe hindern kann.
  • Becir Omeragic: Hat in der 1. Halbzeit grosse Mühe mit Itaitinga und verursacht mit einem zu nonchalant geführten Laufduell mit Chouaref eine Top-Konterchance für Sion. Muss zum x-ten Mal in den letzten Monaten und Jahren ohne wesentliche Einwirkung des Gegners angeschlagen ausgewechselt werden, nachdem er in einem anderen Laufduell nicht aufmerksam war.
  • Roko Simic rackert und behauptet sich. Lässt in der 2. Halbzeit nach.
  • Wenn Marc Hornschuh auf dem Platz steht, ändert sich die Rollenverteilung im Zürcher Mittelfeld von Raumdeckung zu teilweiser Manndeckung. Hornschuh deckt den spielstärkeren gegnerischen Achter und folgt diesem überall hin (gegen St. Gallen Görtler, in Sion Zuffi) – Condé übernimmt den Rest.
  • Fabian Rohner: In seinem ersten etwas längeren Teileinsatz nach der Winterpause kommt er zu seinem ersten Abschluss – und ist gleich gefährlich.
  • Cheick Condé: Ist zum Zentrum des Zürcher Spiels geworden. Der einzige Spieler, der in den ersten drei Partien nach der Winterpause jedes Mal eine zweistellige Zahl von Pluspunkten sowohl bei den Defensiv- wie auch bei den Offensivaktionen gesammelt hat.
  • Blerim Dzemaili: Seine Verfassung scheint so gut zu sein wie wohl noch nie seit seiner Rückkehr zum FCZ. Aussergewöhnlich war vor allem, dass er diesmal auch defensiv stark war. Seiner Züri Live-Benotung half allerdings wohl, dass er schon früh verletzungsbedingt ausgewechselt werden musste, denn nach rund 45 Minuten geht seine Leistungskurve häufig nach unten.
  • Fidan Aliti: Ist für die Mannschaft gegen Gegner wie Sion am wichtigsten. Seit Aliti beim FCZ ist, wird man gegen solch rustikale und emotionale Opponenten praktisch nie mehr “überfahren“, wie das zuvor immer wieder mal der Fall gewesen war. Nicht per Zufall Zürcher MVP dieser Begegnung.

Randnotiz

Eine rekordverdächtige Zahl von potentiellen und tatsächlichen VAR-Check Szenen gibt es in diesem Duell im Wallis. Dies liegt nicht an den Unparteiischen auf dem Platz oder dem VAR, sondern daran, dass sich die beiden Teams an diesem Tag im eigenen Strafraum immer wieder ungeschickt oder fahrlässig anstellen. Die Entscheidungen der Unparteiischen waren dann aber nur teilweise richtig. Der FCZ hätte zwei weitere Penaltys zugesprochen erhalten müssen und der FC Sion tendenziell auch einen. Das Team, welches danach auf SRF die Zusammenfassung produzierte, war mit der Beurteilung all dieser Spielszenen überfordert.

So wurde die Topchance Blerim Dzemailis in der 21. Minute gezeigt, dabei aber das klare Foulspiel Numa Lavanchys, der mit beiden Händen Dzemaili in den Rücken stösst und entscheidend aus dem Gleichgewicht bringt, überhaupt nicht erwähnt. Der Abschluss alleine vor Lindner gelingt aus diesem Grund nicht. Bei einer solchen Szene im Mittelfeld kommt der Schiedsrichter auf das Foul zurück und gibt den Freistoss. So aber muss sich niemand wundern. wenn die Offensivspieler im Strafraum schnell fallen, wenn einer, der wie Dzemaili sich auf den Beinen zu halten versucht, nachher für dieses löbliche Verhalten mit einem fehlenden Penaltypfiff bestraft wird.

Zwei Minuten später kommt derselbe Dzemaili zu einer weiteren Grosschance im Sion-Strafraum. Hier sieht das SRF tendenziell einen Penalty – wohl weil Dzemaili umfällt. Tatsächlich war diese Szene im Gegensatz zur Lavanchy-Szene eher keiner. Baltazar rutscht klar vor Dzemaili rein, um dessen Schuss zu blocken und Dzemaili stolpert danach über den grätschenden Walliser Aussenverteidiger – und verletzt sich dabei. In der 44. Minute sieht das SRF wieder tendenziell einen Penalty, diesmal auf der anderen Seite. In den TV-Bildern ist aber selbst nach x-facher Betrachtung aus verschiedenen Perspektiven und in einer Bildvergrösserung nicht wirklich ersichtlich, ob der Ball Condé wirklich an die Hand geht. Die Hand ist nahe beim Ball, aber auch wirklich am Ball? Bei solch unklaren Bildern kann der VAR verständlicherweise keine Entscheidung fällen.

Eine Minute später wieder eine Ungeschicklichkeit im Sion-Strafraum. Joel Schmied steht Antonio Marchesano eindeutig auf den Fuss. Es müsste wieder Penalty für den FCZ geben. Der VAR-Check kommt unverständlicherweise zu einem anderen Ergebnis. In der SRF-Zusammenfassung wird eine direkt anschliessende Szene gezeigt, in der Schmied ein Luftloch schlägt und dabei Okitas Fuss knapp verfehlt – mit der Konklusion: „richtig entschieden, kein Penalty“. Vermutlich ist im VAR-Raum derselbe Fehler passiert und man hat die falsche Szene angeschaut. Anders ist die fehlende Intervention hier nicht erklärbar.

In der 55. Minute wieder eine Szene im Zürcher Strafraum. Katic kommt aus der Deckung raus und verliert zum wiederholten Male an der Mittellinie ein Kopfballduell bei Abschlag des gegnerischen Torhüters. Itaitinga zieht in den Strafraum, dort berührt Hornschuh den Ball mit dem Zeigefinger, als Itaitinga diesen an ihm vorbeilupft. Man kann hier Penalty geben, muss aber nicht. Dass es gar nicht angeschaut wird, hat wohl wie beim Lavanchy-Foul gegen Dzemaili zu Beginn der Partie damit zu tun, dass der Angreifer zum Abschluss gekommen ist. Weitere drei Minuten später ein Hands von Ziegler im eigenen Strafraum. Ein klarer Penalty, den Schiedsrichterin Staubli erst nach VAR-Intervention gibt.

Ziegler lamentiert nach der Partie, dass es eine natürliche Armhaltung gewesen sei und dass er sich den Arm abschneiden müsse. Tatsächlich hat er aber beim Rennen im Laufduell seine Arme nie so weit hinten und oben gehalten. Erst als die Flanke Guerreros kommt, streckt er seinen linken Arm reflexartig hinten raus, um die Flanke zu stoppen. Eine sehr ähnliche Szene im Mittelfeld bereits in der 1. Minute der Partie wurde als Handspiel abgepfiffen. Absicht im eigentlichen Sinne ist dies nicht. Niemand spielt den Ball im eigenen Strafraum absichtlich (als bewusste Entscheidung) mit der Hand – mit Ausnahme von Luis Suarez an der WM 2010 gegen Ghana. Reflexartige Handspiele, zumal wenn der Arm zum Ball geht und die Körperfläche verbreitert wird, gelten seit Jahr und Tag aber ebenfalls als Hands. Denn die angreifende Mannschaft wird auf unrechtmässige Weise in der Angriffsaktion behindert, der Ball in eine andere Richtung abgefälscht.

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Hornschuh ist der bessere Görtler / FCZ – St. Gallen Analyse

Gegner im Umbruch / FCZ – FCSG Vorschau (Züri Live)

Gegen den FC St. Gallen gelingt dem FCZ als Team eine durch und durch starke Leistung. Es ist sicherlich eines der bisher besten Spiele der Saison. Nur dank diesen in den Schlussminuten gewonnenen drei Punkten war die Vorrunde 22/23 nicht die schlechteste FCZ-Vorrunde der Super League-Geschichte. Die Züri Live-Durchschnittsnote der eingesetzten Spieler erreicht den Top-Wert von 7,1. Speziell die Defensivleistung sticht dabei heraus, gemessen an der Unterzahlsituation während einem Grossteil der Partie war aber auch die Offensiv-Performance sehr gut. Bo Henriksen lässt sein Team erstmals in einem Wettbewerbsspiel in einem mutigen 3-4-3 auflaufen. Dies war sein Standardsystem bei Midtjylland gewesen. Mit Mittelstürmer Simic und den zwei sich im Halbfeld bewegenden Tosin und Okita brachte der FCZ St. Gallen sowohl im Spielaufbau als auch in Umschaltsituationen von Anfang an in Schwierigkeiten und dominerte die Partie. Da sich das 3-4-3 bei Angriffen über die Seiten um 45 Grad drehte, konnte auch dort eine hohe Präsenz erzeugt werden.

FCZ weiterhin stark im Konterspiel

Man war so gut drauf, dass man selbst als Bledian Krasniqi nach einem Foul gegen Guillemenot in der15. Minute nach VAR-Intervention von Lionel Tschudi durch Luca Piccolo in der 17. Minute vom Platz gestellt wurde , noch mehr als weitere zehn Minuten in Unterzahl die Partie dominierte. Die Grosschance von Jérémy Guillemenot in der 28. Minute alleine vor Yanick Brecher war dann aber das Signal für den FCZ, tiefer zu stehen und den Gegner kommen zu lassen. In der Folge formierte sich das Heimteam in einem 5-2-2. So konnte St. Gallen trotz Unterzahl wirkungsvoll gehindert werden, ihre Umschaltmomente durch die Mitte zu fahren – auch weil Condé, der eingewechselte Hornschuh sowie die auf dem Platz verbliebenen Stürmer Tosin und Okita ihre Defensivarbeit gut machten. Das unter Franco Foda häufig etwas als Sorgenkind fungierende Mittelfeldzentrum war mit dem Duo Condé / Hornschuh diesmal der stärkste Mannschaftsteil. Bledian Krasniqi zeigte sich in der Startviertelstunde ebenfalls sehr engagiert, wobei er seine Möglichkeiten in der Situation des Fouls gegen Guillemenot für einen Moment ein kleines bisschen überschätzte.

Durch die Unterzahlsituation wurde der Matchplan natürlich etwas auf den Kopf gestellt. Der FCZ setzte vernünftigerweise auf Konter und deshalb nahm Coach Henriksen von den drei Stürmern auch Roko Simic aus der Partie – und brachte den späten Torschützen Marc Hornschuh herein, dem nicht nur aufgrund seines Tores eines seiner besten Spiele im FCZ-Dress gelang. Einmal mehr ersichtlich wurde dabei, dass der FCZ wie in der Meistersaison häufig bewiesen sehr gut im Konterspiel ist. Man ist in dieser Diszplin wohl immer noch die beste Mannschaft der Liga. Gegen St. Gallen kam der FC Zürich in Unterzahl so zu den besseren Torchancen. Dies akzentuierte sich noch mit der Einwechslung des Duos Marchesano / Rohner, das in seinen Offensivaktionen in der Schlussphase stark an das Duo Marchesano / Ceesay von letzter Saison erinnerte.

Defensive Stabilität und gute Standards

Ebenfalls an letzte Saison erinnert die wiedergefundene Qualität bei Standards. Schon in Luzern traf man in der Schlussphase nach einem Freistoss aus dem Mittelfeld und einem Eckball Bledian Krasniqis. Gegen St. Gallen kam man nur zu drei Cornern, aber den dritten durch Antonio Marchesano verwertete Marc Hornschuh zum späten Siegestor. Standards sind dank zielgerichtetem Einsatz von Daten ebenfalls eine Spezialität von Bo Henriksens Ex-Verein Midtjylland. Das Fundament unter Henriksen bleibt, dass man wenig Gegentore erhält, wofür alle Mannschaftsteile gleichberechtigt ihren Teil beitragen. Die Initialzündung für die verbesserte defensive Stabilität waren die beiden 0:0 gegen YB und in Unterzahl in Basel in den ersten beiden Meisterschaftspartien des dänischen Coaches gewesen. In beiden Spielen hatten die beiden Krösusse der Liga sich kaum Torchancen erarbeiten können. Gegen St. Gallen kommen mit Marc Hornschuh, Cheick Condé und Fabian Rohner gleich drei Spieler auf eine Züri Live-Maximalnote von “10“ bezüglich ihrer Defensivleistung.

Highlights

Personalien

  • Nikola Katic: Der einzige Spieler mit einer schlechten Note. Vor allem defensiv war der Kroate ungenügend. Er liess sich im eigenen Strafraum mehrfach auf einfache Weise düpieren und fällte häufig die falsche Entscheidung. So beispielsweise als er kurz vor Schluss bei der von Ref Piccolo erst als Penalty gepfiffenen Situation in einem zwei gegen eins dem eigenen Mitspieler Condé den Ball wegspitzelte anstatt leicht zurückgestaffelt abzusichern – Ndombasi sagte “Danke“. Auch die drei anderen grössten St. Galler Torchancen durch Guillemenot und Akolo / Kempter wären ohne die schlechte Verteidigungsarbeit von Katic gar nicht erst zustande gekommen.
  • Becir Omeragic hat sich im Vergleich zum Luzern-Spiel auf ein akzeptables Niveau gesteigert.
  • Roko Simic begann gut, musste aufgrund der Unterzahl raus, da er kein Konterstürmer ist.
  • Marc Hornschuh: Durch den Platzverweis wird es sein Spiel. Arbeitet nicht nur defensiv viel und erobert Bälle, sondern leitet die schnellen Gegenstösse auch noch viel besser ein als früher. Hat Lukas Görtler gut im Griff und ist in diesem Spiel die bessere Nummer 16. Sein Ballgewinn im Laufduell mit Landsmann Dajaku stand am Ursprung des Siegtores, das er dann auch noch selbst erzielte.
  • Fabian Rohner: Holt mit seinem Speed nicht nur den entscheidenden Eckball heraus, sondern geht vor allem auch defensiv weite Wege.
  • Cheick Condé: Ganz starke 1. Halbzeit, viele Ballgewinne, gute Auslösung von Umschaltsituationen, in der 58. Minute im eigenen Strafraum gegen Michael Kempter mit dem Block der Partie.
  • Antonio Marchesano: Extremer geht ein Leistungssprung nicht – offensiv in Luzern mit der Tiefestnote “1“, und gegen den FCSG mit einer “10“. Der Tessiner machte als Joker eine sehr gute Falle und war für den Sieg mitentscheidend.

Kommentare

Randnotiz

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Die Züri Live Hörer- und Leserschaft zeigte sich in der Umfrage in Bezug auf die Lösung des Stürmerproblems vorsichtig optimistisch und nach der Partie in Luzern kann man konstatieren: es scheint tatsächlich gelöst zu sein. Roko Simic bestätigte seinen in den Testpartien angedeuteten Stürmerinstinkt. So eine Abschlussqualität und -effizienz hat im Herbst gefehlt. Dass Simic für Super League-Verhältnisse überdurchschnittliches Potential hat, war von Anfang an klar. Die Frage ist einzig, wie stark der FCZ im kommenden Halbjahr davon wird profitieren können. Seine Unbekümmertheit, das Selbstvertrauen und die Technik im Abschluss mit einer hundertprozentigen Chancenverwertung gibt Hoffnung.

Alle Stürmer mit guter Leistung – auch Okita

Aiyegun Tosin schien zudem mit einem Stürmertyp wie Simic an seiner Seite in der Schlussphase aufzublühen. Mit einem anderen Stürmer als Fixpunkt kann er sich auf unterstützende Arbeit mit einem weiten Aktionsradius rund um die zentrale Sturmposition fokussieren, was ihm besser liegt. Der Nigerianer war in der Entstehung beider Tore entscheidend beteiligt. Speziell beim Ausgleich holte er mit viel Einsatz den Eckball heraus und schraubte sich bei diesem dann in einer Art und Weise in die Luft, wie man es von ihm noch selten gesehen hat.

Jonathan Okita kam in vielen Bewertungen unmittelbar nach Spielschluss nicht gut weg. Aufgrund der detaillierten Züri Live-Analyse muss allerdings konstatiert werden: auch der Kongolesische Nationalspieler (ein Länderspiel) machte eine gute Partie. Auch er könnte möglicherweise gut mit Simic harmonieren. Seine Defensivarbeit ist in der Regel ordentlich und offensiv brachte er sich in Luzern mit einigen guten Zuspielen, Ablagen und Seitenwechseln ein. Es fehlte zu diesem Zeitpunkt halt einfach ein Simic zur Verwertung dieser Vorlagen. Der 17-jährige Calixte Ligue wiederum spielte, als würde er schon jahrelang zur Mannschaft gehören und war in den paar Minuten bei seinem Super League-Début ein Gewinn. Mit ihm, Simic und später dann auch noch Afriye (steht im CHAN-Viertelfinal gegen Niger) erhält Trainer Henriksen vorne viel mehr Möglichkeiten.

Kontinuität oder Formstand? Schwierige Entscheidung für Henriksen

Leider bestätigten sich in Luzern auch die schlechten Testspiel-Eindrücke der Dreierabwehrkette. Speziell bei Nikola Katic und Becir Omeragic: in der Luft fehlte die Durchsetzungsfähigkeit, am Boden Schnelligkeit sowie Stellungsspiel und am Ball die technische Qualität, letzteres speziell bei Katic. Kryeziu und Kamberi scheinen auch aufgrund der letzten Eindrücke aktuell die besseren Optionen zu sein. Im Mittelfeldzentrum wächst Cheick Condé ausgezeichnet in die Rolle als einziger Sechser hinein. Die beiden Achterpositionen waren hingegen mit den beiden erfahrenen Captains deutlich schlechter besetzt. Marchesano gelang im Spiel mit Ball fast nichts (Offensiv-Note „1“) , Dzemailis 1. Halbzeit war geprägt durch Ballverluste und Fehlpässe.

Dem eingewechselten Bledian Krasniqi gelang auch nicht alles, aber er war im Vergleich mit Dzemaili und Marchesano auf jeden Falll ein Upgrade. So ein guter Eckball wie beim 2:2 ist dem FCZ seit sehr langer Zeit nicht mehr gelungen. Das war richtig zwingend. Trotzdem ist nicht auszuschliessen, dass aus Gründen der Hierarchie und Kontinuität auch gegen St. Gallen wieder Katic, Dzemaili und Marchesano von Anfang an auflaufen – auch wenn sich aus anderen Gründen Kryeziu, Krasniqi und Selnaes eher anbieten würden. Eine schwierige Entscheidung für Coach Henriksen. Denn in Luzern stellte sich ein Gefühl ein von „die Zukunft hat begonnen“ – mit Condé, Krasniqi, Ligue und Simic – dazu Kamberi, Rohner und Tosin. Ein Team mit Durchschnittsalter 23,4 Jahre hat den Zweitore-Rückstand in den letzten Minuten noch egalisiert.

Spielweise erinnert an Rückrunde 21/22 – die Einzelleistungen noch nicht

Sehr vieles an diesem FCZ nach der Winterpause erinnerte an die Rückrunde letzter Saison unter Trainer André Breitenreiter: die ungewöhnlich guten Offensiv-Standards, Hohes Pressing, Manndeckung auf dem ganzen Feld und fast ausschliesslich Hohe Bälle im Spiel hinten heraus. All diese Aspekte halfen dem FCZ. Dass man trotzdem noch ein gutes Stück vom Level des Teams vor Jahresfrist entfernt war, lag am beschriebenen tiefen Formstand mehrerer Routiniers. Für ein wirklich erfolgreiches Spiel mit Hohen Bällen aus der hinteren Zone heraus fehlten zudem die Qualitäten eines Yanick Brecher.

Der Support der Fans bei Minustemperaturen für das Team des Tabellenletzten war phänomenal. Die in einzelnen Medien geschätzten Zahlen waren eher untertrieben. Mehr als 3’000 Gästesupporter unter den offiziell 14’000 Zuschauern (verkaufte Tickets) waren es mit Sicherheit. Die Swissporarena (Kapazität: 17’000) hat 14 kleine und sechs (mindestens doppelt so) grosse Sektoren. Von diesen waren zwei grosse und ein kleiner Sektor, die zusammen rund 20% der Stadionkapazität ausmachen, komplett mit FCZ-Fans gefüllt. Dazu kamen weitere Gästeteam-Anhänger auf der Gegen- und Haupttribüne. Luzern hatte mitten im Januar die zweithöchste Zuschauerzahl der Saison – nur gegen YB Anfang Oktober wurden 400 Eintritte mehr gemeldet.

Tosin läutet mit Forechecking Schlussoffensive ein

Wie schon im letzten Spiel vor der Winterpause Servette spielte auch Luzern gegen den FCZ sicherlich nicht in Bestform. Es werden in den nächsten Wochen noch stärkere Gegner warten. Trotzdem: den Punkt muss man unter den gegebenen Umständen mit dem höchst zweifelhaften Penalty erst mal holen. Als in der 80. Minute Guerrero und Simic nach einem Zürcher Ballverlust nicht eingreifen, sieht es auf den ersten Blick so aus, als habe der FCZ aufgegeben und Luzern die Partie gewonnen. Aber eine Minute später erzwingt Tosin mit einem Forechecking, dass Luzern-Goalie Müller einen Ball ins Seitenaus spielt. Dies leitet die Schlussoffensive ein.

Personalien

  • Fidan Aliti: Für seine Verhältnisse ein ungewohnt fahriger Auftritt gegen seinen Ex-Klub in der 1. Halbzeit. Verbessert sich in der 2. Halbzeit deutlich.
  • Zivko Kostadinovic: Auf der Linie und im Herauslaufen flinker als Brecher. Bei gegnerischen Penaltys fliegt er immer in die Ecke, in welche der Schütze schaut, was schon viele Gegner ausgenutzt haben – auch Max Meyer. Und seine im Vergleich zu Yanick Brecher schlechtere fussballerische Qualttät fällt bei einer Spieleröffnung mit hohen langen Bällen hinten heraus natürlich stärker ins Gewicht, als bei einfachen, flachen Kurzpässen.
  • Adrian Guerrero: Beste Phase vor der Pause. Es läuft viel über die linke Seite mit Aliti, Guerrero und Okita. Ist wie sein Pendant Boranijasevic an vielen Abschlüssen beteiligt.
  • Nikola Katic: Verliert fast jedes Luftduell gegen den kleineren Chader, was bei Abschlägen von Luzern-Goalie Müller zu gefährlichen Situationen führt. Immer wieder schlechtes Stellungsspiel, langsam in der Rückwärtsbewegung, behindert Mitspieler in ihren Aktionen, deutlich ungenügendes Passspiel. Die schlechten Eindrücke aus den Testpartien haben sich leider in seinem Fall beim Auftakt nach der Winterpause bestätigt.
  • Becir Omeragic: An jeder Grosschance Luzerns und auch den beiden Gegentoren mit je einem entscheidenden Fehler beteiligt. Erhält diese Saison bei Züri Live erneut grossmehrheitlich ungenügende Noten und zum dritten Mal die Tiefstnote „1“.
  • Roko Simic: Zeigt wie bereits in den Testspielen echtes Stürmerblut. Mehrere Schnitzer zu Beginn seines Einsatzes, aber mit einer wortwörtlich hundertprozentigen Chancenauswertung und dem Traumtor zum Anschluss in der 89. Minute. Trifft nach einem Krasniqi-Eckball, Tosin Kopfballablage und einer unglücklichen Aktion seines ebenfalls eingewechselten Salzburg / Liefering-Teamkollegen Diambou zum Ausgleich in der 93. Minute.
  • Die Jungen übernehmen in der Schlussphase erfolgreich Verantwortung. Bledian Krasniqi ist wichtig in defensiven Umschaltmomenten, mit seinen Tempodribblings und dem entscheidenden Corner.
  • Calixte Ligue ist bei seinem Début zwar nur ein paar Minuten auf dem Platz, aber entscheidend am 1:2-Anschlusstreffer beteiligt.
  • Jonathan Okita: An den beiden Toren nicht beteiligt, da schon ausgewechselt. Trotzdem ein gutes Spiel mit Engagement und einigen intelligenten und technisch anspruchsvollen Aktionen. Scheint sich positiv zu entwickeln.
  • Aiyegun Tosin: lange Zeit eher durchschnittlich, dreht aber in der Schlussphase an der Seite von Roko Simic auf und bereitet beide Tore entscheidend vor – das zweite gleich doppelt mit dem herausgeholten Corner und der Kopfballablage.
  • Lindrit Kamberi: Hat als Einwechselspieler immer etwas Mühe in den ersten Minuten. Danach aber wohl derjenige Spieler, der (zusammen mit Tosin) von der Mentalität her am meisten zum Umschwung und späten Ausgleich beigetragen hat. Spielte links in der Dreierabwehr und zum Ende der Partie mit der Captain-Binde am Arm (Brecher verletzt, Dzemaili und Marchesano ausgewechselt), was die Wertschätzung für ihn zeigt. Zum zweiten Mal nach dem Cup-Spiel in Cham der offensiv Beste.
  • Cheick Condé: In der 1. Halbzeit hatte er im Zentrum rund um sich herum lauter ungenügende Mitspieler. Hat das Team in dieser Phase mit einem starken Auftritt im Spiel gehalten. Die Rolle als einziger Sechser liegt ihm besser, als die Doppel-Sechs, da die Rollenverteilung klarer ist und er seine grosse Reichweite optimal einsetzen kann. Nach dem Auswärtsspiel in Baku zum zweiten Mal MVP. Und wie im Heimspiel gegen Qarabag defensiv der Beste.
  • Blerim Dzemaili in der 1. Halbzeit vor allem mit Ballverlusten und Fehlpässen, wusste wohl von Trainer Henriksen, dass er nach der Pause noch 10-15 Minuten erhält. Er gab daher in dieser kurzen Zeit Vollgas. Dies machte ihn zum besten FCZ-ler-der 2. Halbzeit. Für die Gesamtnote haben die 45 Minuten der 1. Halbzeit natürlich ein grösseres Gewicht.

Randnotiz

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„Dümmste“ Niederlage in Santinis bestem Spiel / Lausanne-Sport – FCZ Analyse

Cup-Torhüter Kostadinovic degradiert, Dzemaili und Omeragic spielen trotz Kunstrasen, Sturmduo Avdijaj + Santini / Lausanne-Sport – FCZ Vorschau und Matchblatt (Züri Live)

Ludovic Magnin ist endlich zu Hause in Lausanne – und trifft jetzt auf den FC Zürich, seine andere Liebe (Luzerner Zeitung)

In Lausanne fand wieder das Schicksalsspiel für den FCZ-Trainer statt. Genau vor zwei Jahren wurde die Zeit des heutigen Lausanne-Coaches Ludovic Magnin als FCZ-Cheftrainer nach einer 0:4-Niederlage auf der Pontaise beendet. Schon damals unter den Torschützen: Aldin Turkes. Nikola Boranijasevic erzielte ebenfalls ein Tor für Lausanne-Sport. Auf Seiten des FCZ standen damals ebenfalls schon Brecher, Omeragic und Marchesano in der Startaufstellung. Eine weitere Parallele: ein FCZ-Verteidiger, der im Verlauf der 1. Halbzeit verletzungsbedingt ausgewechselt werden musste – damals Silvan Wallner, diesmal Becir Omeragic.

Warum war es die “dümmste“ Niederlage?

Die letzte Niederlage unter Coach Franco Foda war aus verschiedenen Gründen die “dümmste‘:

  • Der FCZ war dominant, konnte diese Dominanz aber nicht ausnutzen
  • Franco Foda hatte mit seiner Aufstellung und den Wechseln kein gutes Händchen
  • Mehreren Spielern unterliefen entscheidende Blackouts
  • Für einmal wurden gute Standards getreten – aber im Abschluss nicht verwertet
  • Wie so häufig, wenn er ein Spiel in der Liga oder im Cup pfeift, hatte Schiedsrichter Alain Bieri auch diesmal Einfluss auf den Verlauf der Partie

Die Partie begann eher chaotisch. Die ersten beiden Tore waren dafür bezeichnend: ein Eigentor von Lausanne-Verteidiger Anel Husic nach Avdijaj-Hereingabe beim ersten gefährlichen FCZ-Konter und der Ausgleich Brighton Labeaus mit der ersten Lausanne-Torchance. Das Heimteam nutzte dabei unter anderem aus, dass der soeben für den angeschlagenen Becir Omeragic eingewechselte Lindrit Kamberi seine Position noch nicht ganz gefunden hatte. Omeragics Nomination in der Startaufstellung war einer von mehreren unglücklichen Personalentscheiden auf Seiten des FCZ gewesen. Ausgerechnet auf der Tuilière, an welche Omeragic gesundheitlich schlechte Erinnerungen hat, sollte er nach einer Pause von drei Partien sein Comeback feiern.

Coyle bereitet dem FCZ Probleme

Dass Omeragic nicht mehr auf dem Platz war, war grundsätzlich gut für den FCZ, denn er hatte seinen Einsatz katastrophal begonnen und speziell gegen den jungen Sanches grosse Probleme. Kamberi war nach Anlaufschwierigkeiten etwas besser als Omeragic, allerdings in der defensiven Phase auf einem für seine Verhältnisse ebenfalls sehr tiefen Niveau. Es war ganz generell mit einer Durchschnittsnote von bloss 4,3 die bisher klar schlechteste Defensivleistung der Saison. Auch Fidan Aliti, der später eingewechselte Cheick Condé oder Yanick Brecher waren defensiv schlecht. Der Unterschied zwischen Lausanne-Sport und dem FCZ bezüglich Einwechselspieler war frappant. Während bei den Waadtländern Schwizer, Turkes und Koyalipou zur Entscheidung wesentlich beitrugen, hatten auf Zürcher Seite Kamberi, Condé, Okita und Vyunnik nach ihrer Einwechslung längere Anlaufschwierigkeiten zu bewältigen oder waren gar in der Entstehung der Gegentore entscheidend beteiligt. Condé und Vyunnik vermochten sich zumindest in der Verlängerung zu steigern. In dieser war wie schon gegen Qarabag Nikola Boranijasevic auf Zürcher Seite der Beste. Wenn eine Partie mehr als 90 Minuten dauert, dreht der Dauerläufer auf der rechten Seite erst so richtig auf!

Die Führung des FCZ in der 8. Minute ging auf einen Ballverlust des jungen Stammspielers aus dem eigenen Nachwuchs Alvyn Sanches gegen Ole Selnaes zurück. Beim LS-Ausgleich in der 24. Minute ist entscheidend, dass sich Stürmer Trae Coyle wie so häufig ins Mittelfeld zurückfallen lässt, damit Kryeziu und Guerrero aus der Abwehrreihe herauslockt, und dann am Boden liegend mit viel Willen den Dreikampf gegen gleich beide Gegenspieler gewinnt. Wenn Lausanne sich im Spiel nach vorne mal durchsetzen kann, dann fast immer dank des agilen und zielstrebigen Coyle.

Magnins Joker stechen

Die Führung des FCZ in der 36. Minute erzielt wieder mal Antonio Marchesano per Kopf: sein erstes Saisontor, nach Massflanke des offensiv starken und gleichzeitig defensiv ungenügend auftretenden Fidan Aliti. Der 2:2-Ausgleich fällt durch den eingewechselten ehemaligen FCZ-Stürmer Aldin Turkes in der letzten Nachspielminute. Der zuletzt verletzungsgeplagte Turkes hatte zu Beginn seiner Profikarriere seinen Anteil an den Abstiegen des FCZ 15/16 und des FC Vaduz in der Folgesaison. Drei Jahre später wurde er zu einem guten Challenge League-Stürmer und reifte mit der Zeit in Richtung Super League-Niveau, hat aber mit 26 Jahren trotzdem erst 44 Partien in der höchsten Spielklasse auf seinem Palmarès.

Lausanne-Coach Magnin hatte in der 68. Minute mit Dominik Schwizer für Toichi Suzuki die offensivere Variante auf der linken Seite eingewechselt und der Flankenspezialist bereitete den Ausgleich nach einem Blackout von Condé und Boranijasevic denn auch mustergültig vor. Zwei Minuten davor hatte bereits Gaudino den vermeintlichen Lausanner Ausgleich erzielt gehabt. Dieser wurde aber zu Recht aberkannt, weil der im Offside stehende Brighton Labeau Torhüter Yanick Brecher eindeutig die Sicht verdeckte und dieser deshalb erst spät auf den Weitschuss reagieren konnte.

FCZ spielt in einem Hybrid-System

Der Siegtreffer von Turkes in der 114. Minute ging von einem missglückten Freistoss des ansonsten seine Leistungssteigerung im Vergleich zum Anfang der Saison bestätigenden Ole Selnaes aus. Aliti verpasste am gegnerischen Strafraum gegen Giger den entscheidenden Moment, den sich anbahnenden Konter mit einem Tackling zu unterbinden: er hatte noch nicht Gelb gesehen. In der Rückwärtsbewegung agierten Guerrero und Boranijasevic zu ballorientiert. Die eingewechselten Kamberi und Condé bewegten sich viel zu langsam zurück, gaben sich nicht wirklich Mühe, mitzuhelfen. Und Torhüter Yanick Brecher positionierte sich in der schlechtestmöglichen Distanz auf halbem Weg zum Tor. Nicht nahe genug am Stürmer, um wirklich den Winkel verkürzen zu können – und nicht weit genug, um Zeit zu haben, den Schuss zu parieren.

Taktisch verwandelte sich das 4-2-3-1 mit Ball häufig in die von Franco Foda präferierte Raumdeckung im 3-4-3 gegen den Ball. Der Linke Flügel Guerrero orientierte sich dementsprechend defensiv nach hinten und Fidan Aliti rückte nach innen. Die drei Spieler der vordersten Defensivlinie Avdijaj – Santini – Marchesano arrangierten sich flexibel basierend auf der Spielsituation. In den ersten sieben Wettbewerbspartien der Saison hatte der FCZ vier Mal kein Tor erzielt. Danach konnte aber seit dem 0:3 gegen Sion im Letzigrund in jeder der elf letzten Spielen mindestens ein Treffer bejubelt werden.

Personalien

  • Fidan Aliti: Drittes Assist in vier Spielen (darunter ein herausgeholter Penalty gegen Arsenal). Einer der besten Passspieler im Team. Wird in Bezug auf seine Offensivqualitäten von vielen unterschätzt. Sein begrenzter Speed ist defensiv ein grösseres Handicap als offensiv.
  • Nikola Boranijasevic: Der “Duracell-Hase“ des FCZ. Kommt wie schon im Rückspiel gegen Qarabag in der Verlängerung, wo alle anderen in der Startaufstellung stehenden Spieler beider Teams abbauen, erst so richtig in Fahrt.
  • Donis Avdijaj: Wirkt oft etwas unauffällig, lässt aber immer wieder seine Qualität aufblitzen und arbeitet viel. Wie in Norwegen das erste Tor erzielt beziehungsweise provoziert.
  • Ole Selnaes: Bestätigt den Aufwärtstrend. Dank Selnaes und Marchesano gab es in dieser Partie so viele gute FCZ-Standards wie wohl noch nie in dieser Saison – mit der grossen Ausnahme des völlig verunglückten Freistosses, der in der 114. Minute zum entscheidenden Gegentor zum 2:3 führte.
  • Ivan Santini: Sein bisher bestes Spiel, wirkt wie verwandelt. Legt in der Luft und am Boden gut für die Mitspieler ab. Übertrifft seine bisher besten Leistungen gegen Luzern und Linfield. Muss von Gegenspieler Husic extrem viel einstecken, weil dieser von Schiedsrichter Bieri eine Carte Blanche erhält. Dass Santini in diesem Duell eine frühe Gelbe Karte sieht und Husic keine, kann nur als Witz bezeichnet werden. In der Folge bleibt Santini trotz aller Widrigkeiten bis zu seiner Auswechslung in der 85. Minute beim Stand von 2:1 für den FCZ erstaunlich cool. Leider macht in der Folge das Beispiel Husic Schule und Santini wird auch in den kommenden Einsätzen Zielscheibe von Mätzchen und Provokationen von Gegenspielern.
  • Jonathan Okita: Die Gelb-Rote Karte in der 117. Minute ist hart, aber nicht falsch. Der zweite Platzverweis in Folge. Muss sich unbedingt die Plauschfussball-Routine abgewöhnen, bei der Annahme den Ball unnötig weit vom Fuss prallen zu lassen – eine Frage der technischen Qualität ist das bei ihm nicht, es ist Gewohnheit.
  • Lindrit Kamberi: Vier Abschlüsse, die meisten im Team – alle bei Standards. Früh für den angeschlagenen Omeragic eingewechselt, ist es defensiv einer seiner schwächsten Auftritte.
  • Cheick Condé: Agiert erneut zu Beginn nach seiner Einwechslung zu wenig fokussiert und engagiert. Steigert sich in der Verlängerung. Nach starkem Saisonstart zuletzt fünf ungenügende Noten in sechs Einsätzen.

Randnotiz

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Leistungsbilanz zum Saisonstart: Unkenrufe aus Österreich bewahrheiten sich nicht

Der FC Zürich hat seit diesem Sommer ein neues Trainerteam und als Meister einen resultatmässig rekordverdächtig schlechten Start in die Meisterschaft hingelegt. Das ruft nach einer ersten kleinen Zwischenbilanz und Analyse – und Vergleichen mit vergangenen Saisons. Im Fokus sollen dabei die einzelnen Spieler und ihre Entwicklung stehen. Zuerst aber zu den bisherigen Partien: In Bern und St. Gallen hat der FCZ auf schwierigem Pflaster über weite Strecken gute Leistungen gezeigt. Das 0:0 gegen ein sein erstes Saisonspiel absolvierendes Luzern war eine verpasste Chance. Und gegen Sion merkte man nach der über 64 Minuten bisher besten Saisonleistung im letzten Drittel der Partie erstmals den psychologisch negativen Effekt des schlechten Saisonstarts. Im Europacup sind die Resultate hingegen nicht schlecht, nicht nur weil man im Gegensatz zur Meisterschaft in bisher jedem Spiel zwei Tore erzielt hat.

Der FCZ priorisiert zum Saisonstart den Europacup

Der Polnische und Ungarische Meister sind gegen das formstarke und europacuperprobte Qarabag einiges deutlicher aus der Champions League-Qualifikation ausgeschieden, als es beim FC Zürich der Fall war. Und dies obwohl die Aseris bisher nur gegen den FCZ in Bestformation angetreten sind. In den Partien gegen Lech Poznan zu Beginn pröbelte Coach Qurbanov noch auf der Suche nach seiner Bestformation und gegen Ferencvaros fehlten mehrere Stammspieler gesperrt / verletzt. Zwei der drei bisherigen Europacup-Partien konnte der FC Zürich nach 90 Minuten für sich entscheiden.

Die Mannschaft wurde wie vor der Saison angekündigt für die Liga zusammengestellt – unter den Transfers sind Spieler wie Selnaes, Santini und teilweise Okita, die noch Zeit brauchen. Gleichzeitig deuten neben den Resultaten auch die Aufstellungen darauf hin, dass die Qualifikation für eine Europacup-Gruppenphase aktuell beim FCZ Priorität geniesst. Die vermeintliche Stammformation und die erfahrenen Spieler werden eher im Europacup eingesetzt. Die Neuverpflichtungen Condé und Okita wurden von Beginn weg forciert und sind Teil einer bisher siebenköpfigen Basis der Mannschaft – wobei Okita gegen Sion sei es aus taktischen oder aus Leistungsgründen nicht mehr in der Startformation stand. Von den drei letztjährigen „Captains“ waren die Feldspieler Marchesano und Dzemaili aus unterschiedlichen Gründen bisher nicht Teil dieser Basis. Die stark forcierten Stürmer Gnonto, Tosin und Okita erzielten bisher in der Liga noch kein und im Europacup zusammen erst zwei Tore. Krasniqi konnte als Teil des Ligateams seine Chance nutzen, Seiler agierte solide – die Innenverteidiger Omeragic und Mets sind hingegen in Unterform. Selnaes kann aktuell erst 45 Minuten auf einem ordentlichen Niveau spielen. Rohner hat Franco Foda bewusst als Überraschungsmoment im Europacup gebracht, wo ihn die Gegner nicht kannten. Das hat funktioniert, auch wenn im Hinspiel in Baku der Schiedsrichter in zwei, drei entscheidenden Szenen nicht zugunsten von Rohner entschied.

Unkenrufe aus Österreich bewahrheiten sich nicht

Der Ruf der Rotbauchunke (Bombina Bombina) klingt für Menschenohren unheilvoll / pessimistisch (Bild: Marek Szczepanek, CC BY-SA 3.0)

Nach der Verpflichtung von Franco Foda erreichten Zürich schnell mal die „Unkenrufe“ aus Österreich. Der Trainer ist im östlichen Nachbarland bei manchem Medienvertreter als „zu defensiv“ verschrien. Man mag das in Bezug auf die Österreichische Nationalmannschaft so empfunden haben, aus Zürcher Perspektive sieht die Situation hingegen völlig anders aus. Unter André Breitenreiter wurde man letzte Saison mit dem zweitgeringsten Ballbesitz der Liga Meister. Der Fussball des Meisterteams war auf defensive Absicherung und Fehlervermeidung ausgerichtet – eine äusserst nüchtern, pragmatisch, konservative Strategie und Taktik. Man praktizierte zudem Manndeckung auf dem ganzen Platz, was ab den 90er-Jahren in den Fussball-Lehrbüchern als „überholt“ galt. Dies gepaart mit einer auf die positiven Punkte fokussierten Kommunikation nach innen und aussen. Man betonte die (wenigen) Stärken der vorhandenen Spieler und versuchte nebenbei während der Saison gleichzeitig an den Schwächen zu arbeiten. In der Vorbereitung aufs erste Saisonspiel in Lugano wurde auf die vielen Fehler und Unzulänglichkeiten in der Mehrheit der Vorbereitungsspiele nicht eingegangen, sondern in der Videoanalyse ganz auf die knapp 30 Minuten fokussiert, als man einen coronageschwächten Abstiegskandidaten aus der Challenge League dominiert hatte. Gegenüber den Medien redete Breitenreiter gerne vom „attraktiven Offensivfussball“ seines Team und diese übernahmen seine Diktion – natürlich in erster Linie auch des Erfolges wegen.

Die Pressewelt und der Fussballplatz sind aber zwei verschiedene Realitäten. Auf dem Fussballplatz tritt der FC Zürich unter Franco Foda deutlich offensiver auf, als unter Breitenreiter. In der Liga ist man beim Ballbesitz innert kürzester Zeit vom 9. auf den 4. Platz geklettert, tritt am meisten Eckbälle und geht von allen Mannschaften nach YB am zweitmeisten ins Dribbling. Wenn überhaupt, ist Fodas Ausrichtung eher zu offensiv, als zu defensiv. In Bern beispielsweise fiel das zuvor stark auftretende Team auseinander, als nach den Einwechslungen in der 72. Minute fünf Stürmer auf dem Platz standen – und damit die so wichtige Balance zwischen Offensive und Defensive sich auflöste. Auch gegen Sion rannte man nach dem Rückstand zu hektisch nach vorne. Und man spielt im Spielaufbau wieder flach hinten heraus. Die zuletzt in solchen Situationen enorm resistente Mannschaft hat bereits mehr Gegentore aus gegnerischem Pressing kassiert, als die ganze letzte Saison zusammengezählt! In dieser Hinsicht ist man in kürzester Zeit wieder zurück in die Zeit vor Breitenreiter versetzt worden, als der FCZ nicht konsequent erfolgsorientiert funktionierte und viele Gegentore aus Selbstüberschätzung kassierte. Dass der FC Zürich im Spielaufbau plötzlich grosse Mühe mit dem Pressing der Gegner hat, sieht man auch in der entsprechenden Kennzahl „PPDA against“, wo man auf Rang 9 der Liga liegt.

Innenverteidiger auf dem Tiefpunkt, Flügel in der Krise

Letzte Saison lebte der FCZ offensiv stark vom kongenialen Duo Marchesano / Ceesay und von Dauerläufer Guerrero. Kryeziu und Aliti sorgten für die notwendige Stabilität. Dies gemessen an den Züri Live-Noten, die das Resultat der detaillierten Analyse jeder einzelnen Sekunde der Saison aus Sicht von allen in der ein oder anderen Form an der jeweiligen Szene beteiligten FCZ-Spielern sind. Im Gegensatz zur Vorsaison, wurden die drei notenbesten Spieler auch mit am häufigsten eingesetzt. Damals hatten die Innenverteidiger der Dreierabwehr in den meisten Spielen viel Arbeit zu verrichten. Die kampfstarken Aliti, Nathan, Sobiech standen im Mittelpunkt und leisteten einen Knochenjob, der dem FCZ den Klassenerhalt brachte. Wenn man sich die Liste der überdurchschnittlich benoteten Spieler der aktuellen Saison 22/23 anschaut, fällt auf, dass kein einziger klassischer Stürmer oder Verteidiger drauf ist. Das Mittelfeld inklusive Aussenläufer funktioniert hingegen gut.

Die Durchschnittsnoten der Innenverteidiger sind aktuell so schlecht wie nie seit dem Start der systematischen Züri Live-Matchanalysen in der Saison 16/17. Und der Notenrückgang bei den Forwards ist nur deshalb vergleichsweise milde ausgefallen, weil in dieser Kategorie die vorwiegend auf der Position des „Zehners“ agierenden Avdijaj und Marchesano mitgezählt werden. Seit der Saison 17/18 sind zudem die Durchschnittsnoten der Flügelspieler kontinuierlich und deutlich gesunken. Zu jener Zeit gehörte beispielsweise ein Roberto Rodriguez zu den Leistungsträgern im Kader. Kololli, Mahi oder Khelifi waren in der Folge unter dem Strich Fehleinkäufe, die das Team mit ihrer Art und Spielweise runterzogen und Schönbächler kam nach seinen langwierigen Verletzungen nicht mehr auf sein altes Niveau.

Krasniqi, Boranijasevic und Dzemaili im Aufwind

Der FCZ hatte über Jahre einen nicht unwesentlichen Teil der Lohnsumme für Flügelspieler ausgegeben, die für die Performance der Mannschaft unter dem Strich wenig brachten. So wurde nach den Abgängen von Kololli und Schönbächler ein Neuaufbau gemacht. Man agierte in der Meistersaison 22/23 praktisch ohne Flügelspieler – nicht zuletzt weil Andy Gogia und Fabian Rohner Trainer Breitenreiter zu Beginn der Saison zu wenig überzeugt hatten. Mit dem klassischen Flügel Jonathan Okita (der aber auch Mittelstürmer spielen kann) wollte man auf die aktuelle Saison hin diese Position wieder stärker besetzen, um taktisch flexibler zu sein. Die Qualitäten Okitas sind unbestritten – an Zielstrebigkeit mangelt es ihm aber noch.

Von den Neuen haben zum Saisonstart Condé und Avdijaj sofort eingeschlagen. Rohner spielt weiter vorne und nimmt eine wichtigere Rolle ein. Krasniqi ist drauf und dran, den Durchbruch zum Leistungsträger zu schaffen. Und Nikola Boranijasevic spielt zur Zeit sogar noch besser, als unter André Breitenreiter. Auch Blerim Dzemaili machte in seiner bisher kurzen Einsatzzeit einen noch besseren Eindruck, als letzte Saison. Brecher, Guerrero und Marchesano sind nach Startschwierigkeiten wieder auf dem Weg zurück in Richtung letztjähriger Form. Unterdurchschnittlich in Form sind zur Zeit vor allem Stürmer und Innenverteidiger. Santini konnte nach zu Beginn guten Ansätzen zuletzt kaum einen Ball halten. Gogia scheint die notwendige Ernsthaftigkeit für Profifussball komplett abhanden gekommen zu sein. Im Vergleich zwischen 20/21 und der Meistersaison 21/22 fällt vor allem auf, dass die Anzahl Spieler mit ungenügenden Durchschnittsnoten (unter 5) abgenommen hat – und die Akteure mit überdurchschnittlichen Noten fast alle Stammspieler waren.

Avdijaj und Tosin defensiv überraschend wertvoll

Boranijasevic und Condé sind von Fodas „Basisteam“ sowohl offensiv wie defensiv die grössten Stützen bisher. Boranijasevics Flanken, Einwürfe und unorthodoxen flachen Zuspiele in die Schnittstellen sind noch besser geworden. Und Condé ist ein kompletter Mittelfeldspieler mit sowohl spielerischen wie kämpferischen Qualitäten und besserem Positionsspiel als Ousmane Doumbia. Sicherlich auf den ersten Blick etwas überraschend wirkt, dass Neuverpflichtung Donis Avdijaj bisher speziell defensiv überzeugen konnte. Auch Tosin hat sich in dieser Hinsicht deutlich verbessert.

Herausragende Leistungen gibt es von Bledian Krasniqi und Donis Avdijaj bisher jeweils in der 1. Halbzeit zu bestaunen. In der 2. Halbzeit hingegen treten die meisten Spieler im Durchschnitt weder hervorragend noch schlecht auf.

Talente machen früh auf sich aufmerksam, brauchen dann aber viel Einsatzzeit in der Challenge League

Unterdurchschnittlich in der Defensivarbeit sind bisher vorwiegend Verteidiger (Omeragic, Kryeziu, Mets, Hornschuh) – und mehrere Stürmer (Gnonto, Santini, Okita, Tosin) konnten offensiv zu wenig punkten. Gnonto, Omeragic, Mets oder Hornschuh sind zudem Spieler, die jeweils in der 1. Halbzeit ungenügend in die Gänge kamen. Ob für den jungen Gnonto die Jokerrolle weiterhin besser geeignet wäre?

Mirlind Kryeziu war in der Saison 16/17 nach Züri Live-Note die Nummer Zwei des Kaders hinter Oliver Buff. Auch Maren Haile-Selassie, Fabian Rohner (beide 17/18), Bledian Krasniqi (18/19), Henri Koide oder Lenny Janko (19/20) konnten alle in ihren ersten Einsätzen überzeugen und waren im Notenschnitt in den Top Drei der Saison. Mirlind Kryezius Entwicklung beim FCZ war ein Auf und Ab. In der Saison 19/20 spielte er überdurchschnittlich. Die Vorrunde 20/21 misslang aber, worauf er für die Rückrunde zum zweiten Mal in die Challenge League ausgeliehen wurde. Auch andere Akteure aus dem eigenen Nachwuchs wie Kamberi, Krasniqi und Rohner, die mittlerweile nahe an der Stammelf sind, hat der FCZ alle zur Reifung mehr als ein Jahr in die Challenge League verliehen.

Assan Ceesay auch schon in erster FCZ-Saison überzeugend

Was viele vergessen haben: auch Assan Ceesay war in seiner ersten Saison beim FCZ 18/19 überdurchschnittlich in seinen Auftritten. 19/20 hatte er in der Vorrunde eine Baisse, worauf er in der Corona-Rückrunde nach Osnabrück verliehen wurde. Die Physis der 2. Bundesliga war ein Element, das er für seine Entwicklung benötigt hat. Der Gambische Nationalstürmer kam gestärkt zurück. Becir Omeragics erste Einsätze in der Saison 18/19 waren ebenfalls stark. Danach hat der Genfer aber über Jahre stagniert. Yannick Brecher hingegen hat sich über einen langen Zeitraum kontinuierlich gesteigert. In den Saisons 16/17, 17/18 und 20/21 waren seine Noten im Durchschnitt ungenügend.

Auffällig in der Saison 18/19 und vor allem in den Lockdown-Zeiten von 19/20 ist die grosse Anzahl eingesetzter Spieler. Diese hat sich mittlerweile wieder stark reduziert.

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