Der Blick der Mehrheit der Super League-Beobachter und FCZ-Sympathisanten auf die letzten Trainer des Stadtclubs ist wie immer in solchen Fällen natürlich durch die Resultate geprägt: Breitenreiter top, Henriksen gut bis sehr gut, Rizzo und Magnin sosolala, Foda schlecht. Tatsächlich sind die Unterschiede zwischen den verschiedenen Coaches manchmal kleiner als man denkt. Auch stimmt das Image eines Coaches bei weitem nicht immer mit der Realität seines Fussballs überein. Franco Foda scheiterte zu grossen Teilen an der fehlenden Abschlusseffizienz seiner Stürmer. Wären nämlich alle Partien unter Foda gemäss den Torchancen ausgegangen, hätte der Österreicher nur drei seiner 18 Partien verloren! Die einzigen Spiele, in denen der FCZ unter Foda weniger / schlechtere Torchancen als der Gegner hatte, waren das Liga-Heimspiel gegen Sion sowie in der Europa League die Partien gegen Arsenal und Bodö/Glimt. Auf der Basis der Erwarteten Tore hätte es zum Auftakt in Bern ein respektables 2:2 Unentschieden abgesetzt, gefolgt von einem Auswärtssieg in der Champions League-Qualifikation gegen Qarabag. Mit dem Heim-2:2 gegen denselben Gegner wäre man damit in der Champions League-Qualifikation eine Runde weitergekommen. In der Liga wären die drei Punkte aus den ersten drei Partien (davon auswärts bei YB und St. Gallen) angesichts der Doppelbelastung durchaus okay gewesen und der Trainer nicht in Frage gestellt worden. Zum Zeitpunkt der Entlassung Fodas hätte man auf der Basis der Erwarteten Tore und Gegentore nach acht Partien elf Punkte auf dem Konto gehabt. Der Trainer wäre so sicherlich kein Thema gewesen und hätte die notwendige Zeit gekriegt sein Ideen umzusetzen. Zumal man auch noch im Cup in Lausanne zumindest das Penaltyschiessen und vielleicht sogar die Champions League-Gruppenphase erreicht hätte.
Resultate nach Erwarteten und tatsächlichen Toren unter Coach Franco Foda
Meistertrainer bleiben bei ihrer gewählten Taktischen Formation
So musste Franco Foda aber nach 18 Spielen gehen. Nach Erwarteten Toren war seine Bilanz 5 Siege / 10 Unentschieden / 3 Niederlagen – und damit besser als die Bilanz von Bo Henriksen nach ebenfalls 18 Partien: 5 Siege / 8 Unentschieden / 5 Niederlagen! Vergleicht man hingegen die realen Resultate, dann waren es bei Foda 5 Siege / 3 Unentschieden / 10 Niederlagen, während Henriksen in den ersten 18 Partien 7 Siege / 7 Unentschieden / 4 Niederlagen erreichte. Dazu kam, dass kein einziger der fünf Foda-Siege in der Liga zustande kam. Unter Henriksen waren hingegen speziell in der wichtigen Phase nach der Winterpause nach dem ebenso glücklichen wie beruhigenden 4:1-Heimsieg gegen Servette vor der WM die Resultate konstant besser, als die Leistungen.
Resultate nach Erwarteten und tatsächlichen Toren unter Coach Bo Henriksen
Die Gemeinsamkeit der beiden letzten Super League-Meistertrainer Breitenreiter (FCZ) und Wicky (YB) ist, dass sie ihre taktische Formation in der Liga die ganze Saison lang durchgezogen haben. Breitenreiter beim FCZ das 3-4-1-2, Wicky sein 4-4-2 im Rhombus, welches der aktuelle YB-Trainer früher als Spieler jahrelang in der Nationalmannschaft unter Köbi Kuhn gespielt hatte. Auch die anderen kürzlichen FCZ-Trainer Rizzo und Henriksen wechselten ihre taktische Formation selten. Konstanz bezüglich taktische Formation gehört zu den Erfolgsfaktoren in der Super League. Dies sieht man nicht zuletzt an den die taktische Formation am häufigsten wechselnden Trainern Celestini und Foda, welche letztendlich jeweils nur kurz im Amt waren. Mattia Croci Torti ist mit seiner Kombination von Erfolg trotz hoher taktischer Flexibilität eine Ausnahme, welche die Regel bestätigt.
Bo Henriksen passt die Spielweise auch dem Gegner an
André Breitenreiter behielt 21/22 auch eine hohe personelle Konstanz bei. Die 11 am meisten eingesetzten Spieler spielten 77% aller Spielminuten der gesamten Mannschaf!. Bo Henriksen hält ebenfalls weitgehend an denselben Spielern fest, wenn auch nicht so stark wie der Meistertrainer aus Deutschland. Massimo Rizzo mit 71% und Franco Foda mit 70% lagen bezüglich personeller Konstanz allerdings ebenfalls beinahe auf der Höhe von Henriksen.
Breitenreiter wurde 21/22 mit dem zweittiefsten Ballbesitz der Liga nach dem FC Sion Schweizer Meister mit dem FCZ. Dies war aussergewöhnlich, denn Meistermannschaften haben normalerweise die höchste oder zumindest eine der höchsten Ballbesitzquoten einer LIga – so wie auch Wicky’s YB in der abgelaufenen Saison. Franco Foda stellte die Spielweise dann auf deutlich mehr Ballbesitz als bei Breitenreiter um. Die Ballbesitzquote war lange Zeit unter Foda deutlich mehr als fünf Prozentpunkte höher, bis in den letzten Partien unter dem österreichischen Coach der Ballbesitz reduziert wurde. Letztendlich konnte er sich damit dann aber auch nicht mehr retten. Bo Henriksen praktiziert eine Mischform: grundsätzlich eher relativ viel Ballbesitz wie unter seinem direkten Vorgänger Foda, ausser gegen YB und den FCB. Gegen diese Gegner lässt der dänische Trainer sein Team sehr tief verteidigen und auf schnelle Konter lauern – durchaus erfolgreich.
Reduziertes Pressing unter Bo Henriksen
Das intensivste Hohe Pressing der Liga praktizierte letzte Saison Peter Zeidlers fC St. Gallen vor Wicky’s YB. Unter Bo Henriksen ging der FCZ weniger stark ins Pressing wie unter Foda, Magnin und Breitenreiter. Letzterer liess sein Team zu Beginn wenig pressen, förderte dann aber im Verlauf der Saison und speziell auf die Rückrunde hin diese Spielweise immer mehr. Das eklatante Hin-und-her-Wechseln der Spielweise von Tramezzani über Celestini und wieder zurück zu Bettoni hat sicherlich seinen Teil zum Abstieg des FC Sion beigetragen. Beim FC Basel ist nicht nur beim Faktor Pressing ein klarer Unterschied in der Spielweise von Heiko Vogel im Vergleich mit seinem direkten Vorgänger Alex Frei zu erkennen gewesen.
Defensiv hatte der FCZ was die Leistung der Feldspieler betrifft in der Saison 22/23 sehr gute Werte, wie an dieser Stelle bereits gezeigt. Wie kommt es dazu? Schauen wir uns dieses Phänomen etwas genauer an! Ein wirklich erstaunliches Bild zeigt sich bereits in der ersten Grafik. Von 19/20 bis 22/23 hat der FC Zürich über mehrere Saisons hinweg unter verschiedenen Trainern (Magnin, Rizzo, Breitenreiter, Foda, Colatrella, Henriksen) die Verteidigung der gegnerischen Standards Schritt für Schritt stark verbessert (von rund 0,7 Standardgegentoren pro Partie auf unter 0,3). Auch nach der Meistersaison ist das Team in diesem Bereich noch einmal deutlich stärker geworden. Dies mag einige Leser erstaunen. Denn ohne eine systematische Untersuchung eines Phänomens hält man sich für die Beurteilung in der Regel an einzelne besonders in Erinnerung gebliebene Situationen und Spiele. Dazu gehört für die Saison 22/23 mit Sicherheit die 2:4-Heimniederlage gegen den FC Basel am 28. August mit gleich drei Standardgegentoren nach den Freistössen von Taulant Xhaka und dem Eckball durch Darian Males. Dieses Spiel war aber wie die Statistik zeigt, die Ausnahme, welche die Regel bestätigt.
Bessere Vorwärtsverteidigung und Abwehr von Standards als in der Meistersaison!
Beinahe ebenso stark wurden in der gleichen Zeitperiode die Gegentore aus dem Spiel heraus reduziert, wenn der Gegner aus einer tiefen Position angreift. Das heisst, man verteidigt von Saison zu Saison besser in hoher Position – und hat sich auf diesem Gebiet auch 22/23 im Vergleich zur Meistersaison nochmal verbessert! Der über Jahre anhaltende positive Trend in der Reduktion der Gegentore beim Umschaltspiel, Aufbauspiel und bei einer Hohen Position des Gegners konnte hingegen nicht fortgesetzt werden. In diesen Bereichen gab es einen Rückschritt – am meisten bei gegnerischem Aufbauspiel. Der FCZ verteidigt weniger gut als noch letzte Saison unter Breitenreiter, wenn er sich hinten reindrängen lässt.
Die verbesserte Verteidigung von Standards im Vergleich zur Meistersaison betrifft alle Bereiche mit Ausnahme der Penaltys. Am stärksten verbesserte hat man sich bei gegnerischen Einwürfen. Bei gegnerischen Eckbällen hat der fC Zürich im Verlauf der letzten Monate leichte Anpassungen in der Formierung vorgenommen und setzt nun auf zwei oder teilweise gar drei Raumdecker. Wenn der FCZ trotzdem wieder mal ein Corner-Gegentor kassiert, dann liegt dies jeweils eher nicht an der Taktik, sondern individuellen Unaufmerksamkeiten wie beim 2:3 durch Douline in Genf in letzter Sekunde oder einem vermeidbaren Gegentreffer Schettines im einzigen verlorenen Derby der Saison. Penaltys gegen den FCZ entstanden in der Zeitperiode 2019 bis 2023 am häufigsten nach Freistössen oder Einwürfen (je 3 Mal).
Linke Seite nicht mehr so wasserdicht, wie in der Meistersaison
Am meisten Gegenreffer kassiert der FC Zürich immer noch via Konterangriffe des Gegners, auch wenn sich dies seit der Saison 19/20 reduziert und im Vergleich zur Meistersaison auf dem Niveau von einem solchen Gegentreffer alle vier Spiele gehalten hat. Weiter reduziert haben sich aber die Gegentreffer bei gegnerischem (langsamem) Spielaufbau, wenn der FCZ hoch steht. Zu Magnin-Zeiten war in solchen Situationen die Verteidigungsarbeit der Stürmer und Mittelfeldspieler immer wieder mal ungenügend gewesen. Wie bereits weiter oben erwähnt nahmen die Gegentore des FCZ etwas zu, wenn er tief oder in einer mittleren Position gegen einen aufbauenden Gegner verteidigte. Gegentore aus Pressing- oder Gegenpressing-Situationen blieben hingegen relativ selten.
Obwohl die Standardgegentore weiter reduziert wurden, haben die Kopfballgegentore im Vergleich zur Meistersaison 22/23 wieder zugenommen, ohne dass es im Vorfeld von Gegentreffern mehr Flanken (definiert als Bälle von der Seite von ausserhalb des Strafraumes) gegeben hätte. Dies deutet vermehrt auf Kopfballgegentore aus dem Spiel heraus hin, teilweise durch kurze Chipbälle von innerhalb des Strafraumes. Weitschussgegentreffer haben im Vergleich zur letzten Saison hingegen abgenommen, was für die gute Arbeit speziell der FCZ-Akteure auf der 6er-Position (in erster Linie Cheick Condé) spricht. Deutlich zugenommen haben hingegen Tore auf gegnerische Angriffe durch die Mitte und über rechts (also die linke Zürcher Abwehrseite). Letztere hatten sich in der Meistersaison auf null reduziert. 22/23 konnten Guerrero, Aliti und Co. ihre Seite hingegen nicht mehr so gut schliessen, wie noch ein Jahr davor.
Inspiration bei den Offensivstandards ging verloren
Das Problem des FCZ 22/23 im Vergleich zur vorherigen Spielzeit lag in der Offensive, so viel ist schon länger bekannt. „Offensive“ bedeutet aber nicht automatisch „Stürmer“. Beispielsweise der Spielaufbau aus der Zone 1 in der eigenen Platzhälfte in die Zone rund um die Mittellinie schien in der Meistersaison besser zu funktionieren. Die Torausbeute hat in allen Spielphasen (Aufbau, Umschalten, Standards) und sowohl aus einer hohen wie auch tiefen Position durchs Band deutlich abgenommen, wobei dabei eine geringere Abschlusseffizienz eine gewisse Rolle spielte. Am stärksten reduziert hat sich die Ausbeute von Standards.
Schaut man die Standardtore im Detail an, sieht man einen leichten Anstieg bei den Penaltytreffern, aber eine starke Reduktion von FCZ-Treffern, die aus Freistössen und Eckbällen erzielt wurden – und zwar auf das tiefste Level der letzten vier Jahre. Was ist der Grund, dass Marchesano, Guerrero und Dzemaili nicht mehr so gute Freistösse und Corner hinkriegten wie in der Meistersaison? Dieses Rätsel zu lösen ist ein wichtiger Faktor für den offensiven Erfolg der kommenden Saison. Denn dass Marchesano, Guerrero, Krasniqi, Okita, Kryeziu und Co. grundsätzlich gute Standards drauf haben, ist unbestritten.
Weniger Erfolg im Knacken von tief stehenden Gegnern über die Seiten
In den letzten vier Jahren hat der FCZ am häufigsten Penaltys aus Freistössen und Konterangriffen erhalten. Auch aus Angriffen gegen tief stehende Gegner sowie aus Eckbällen gab es häufiger Penalty für als gegen den FCZ.
Aus dem Spiel heraus erzielt der FCZ weiterhin am meisten Tore aus dem Aufbauspiel gegen tief stehende Gegner sowie aus Konterangriffen, wobei vor allem ersteres in der abgelaufenen Saison stark abgenommen hat.
Offensiv fehlte die Überzeugung, das Zusammenspiel und das Timing bei den Standards aus der Meistersaison
Kopfballtore haben in der Saison 22/23 sehr stark abgenommen – von „einem in drei Spielen“ auf „eines in zehn Partien“. Dies hängt direkt zusammen mit der ebenfalls starken Abnahme von Toren aus „Angriffen über rechts“. Nikola Boranijasevic hat zwar insgesamt 22/23 gute Leistungen gezeigt, aber das Timing und Zusammenspiel mit den Stürmern in den entscheidenden Momenten funktionierte nicht mehr so traumwandlerisch sicher wie noch 21/22.
Durch die Analyse der Tore und Gegentore verdichtet sich das Bild über die Unterschiede zwischen der Saison 21/22 und der Saison 22/23. Die Teamleader Antonio Marchesano, Blerim Dzemaili, Adrian Guerrero, Willy Gnonto und Yanick Brecher zeigten sich von allen Kaderspielern als zu wenig anpassungsfähig an den Trainerwechsel und begannen die Spielzeit uninspiriert. Defensiv spielte die Mannschaft als Ganzes eine ganz gute Saison – speziell die neu verpflichteten Cheick Condé und später Ifeanyi Mathew sorgten im Zentrum für Stabilität. Ausserdem verbesserte man sich beim Verteidigen von gegnerischen Standards weiter. Offensiv fehlte hingegen die Überzeugung, das Zusammenspiel und das Timing bei den Standards, beim Abschluss und beim letzten Pass, welches die Breitenreiter-Mannschaft so ausgezeichnet hatte – exemplarisch illustriert durch die unglaubliche Serie direkt verwandelter Freistösse durch Marchesano, Kryeziu und Coric zum Saisonbeginn 21/22 im Kontrast mit dem verschossenen Penalty Marchesanos zum Auftakt 22/23 in Bern. Über die rechte Seite von Boranijasevic wurden nicht mehr so viele Tore vorbereitet wie noch in der Meistersaison, und die linke Seite mit Guerrero und Aliti war defensiv zwar immer noch gut, aber nicht mehr so ein wasserdichtes Bollwerk, wie noch im Jahr zuvor.
Es ist wohl der spektakulärste Absturz in der Geschichte des Schweizer Fussballs! Der FC Zürich fällt von einem mit 14 Punkten Vorsprung souverän errungenen Meistertitel in wenigen Monaten auf den letzten Platz zurück, schiesst in der Liga praktisch keine Tore mehr und erringt erst am 30. Oktober (14. Runde) den ersten Sieg. Wie sowas möglich ist, wird uns in den Analysen des Klubs und der Liga wohl noch lange begleiten. Man wird noch in vielen Jahren Vergleiche zu diesen zwei Saisons ziehen und zukünftige Massnahmen mit Verweis auf 21/22 und 22/23 begründen oder kritisieren. In Bezug auf die Liga zeigt das Beispiel des FCZ wie eng die Teams tatsächlich beieinander liegen. Auch kleine Änderungen können grosse Auswirkungen haben. Eine Aussage über das Niveau lässt sich daraus nicht ableiten. Man kann sowohl auf hohem Niveau wie auch auf tiefem Niveau sowohl eng wie auch weit auseinanderliegen.
Die leistungsmässig beste Phase unter Franco Foda war bereits nach zwei Wochen mit dem Heimspiel gegen Qarabag (2:2 n.V.) und den Auswärtspartien in St. Gallen (0:2) und bei Linfield (2.0) erreicht. Danach sank der Notenschnitt bei Züri Live kontinuierlich von 6.0 auf unter 5.4. Resultatmässig ging es zwar zwischendurch mit den drei Siegen hintereinander gegen Hearts (2x) und Cham noch einmal hoch, danach begann sich der Leistungseinbruch mit sechs Niederlagen in Folge auch in den Resultaten zu zeigen.
Leistungsabfall von Dzemaili, Hornschuh und Condé entscheidend
Die Aussenläufer / Aussenverteidiger waren in der Hälfte der sechs Phasen à drei Spielen unter Franco Foda der beste Mannschaftsteil – die Flügel zur Hälfte der schlechteste. In der besten Phase (Qarabag, St. Gallen, Linfield) waren der Torhüter, das Mittelfeld und die Aussenläufer gut. Die Spieler im Offensivzentrum steigerten sich mit der Zeit, wohingegen die kontinuierlich sinkende Leistung des Zentralen Mittelfeldes bestimmend war für den Leistungsabfall der Mannschaft insgesamt.
Zu Beginn war Cheikh Condé der beste Zentrale Mittelfeldspieler, dann Bledian Krasniqi. Für den Leistungsabfall im Zentralen Mittelfeld im Verlauf der zwei Monate unter Franco Foda verantwortlich waren Dzemaili, Hornschuh und Condé. Krasniqi und Selnaes hatten hingegen tendenziell eher eine steigende Leistungskurve. Dzemailis Auftritte waren den grössten Schwankungen unterworfen. Nach jeder kurzen Verletzungspause muss er jeweils erst wieder aufgebaut und in den Rhythmus gebracht werden, was der Mannschaft jeweils Punkte kostet.
Thesen bezüglich Konstanz und Umschaltspiel bestätigen sich immer wieder
Die Fussball-Experten haben sich darauf geeinigt, dass der FCZ nach dem Abgang André Breitenreiters idealerweise eine Kopie des Meistertrainers hätte engagieren sollen. Der Wechsel des Spielsystems und des Kommunikationsstils des neuen Trainers hätten den Absturz bewirkt. Nachdem wir mit der Erfassung und Analyse des zweiten Cup-Outs in Folge im Waadtland nun jede Minute der 18 Partien unter Foda (acht Meisterschaft, zwei Cup, acht Europacup) durchgeackert haben, wollen wir nun die Früchte dieser Arbeit ernten – mit dem Vergleich Foda vs. Breitenreiter im Detail. Welche Diagnosen stimmen? Welche sind falsch? Gibt es zusätzliche bisher noch nicht berücksichtigte Aspekte?
Auf der Basis unserer Analysen haben sich hier auf Züri Live in den letzten Jahren zwei Thesen herauskristallisiert, die sich seither in der Realität immer wieder bestätigt haben, so auch diese Vorrunde wieder.
These 1: Konstanz bei Personal, Spielweise und Taktik bringt in der Super League Erfolg
These 2: Der FCZ ist mit schnellem Umschaltspiel am erfolgreichsten
Sion als Gegenstück des FCZ im Saisonvergleich
Die Detailanalyse bezüglich personeller und taktischer Konstanz der Super Leage-Teams wurde für die noch laufende Vorrunde noch nicht gemacht. Trotzdem fällt auf: das letzte Saison personell und taktisch konstanteste Super League-Team (FCZ) hatte in der neuen Spielzeit in jeder Dimension viele Wechsel von Spiel zu Spiel zu verzeichnen – und fällt dabei vom Ersten auf den Letzten Platz zurück. Der FC Sion auf der anderen Seite geht anfangs den umgekehrten Weg. Letzte Saison noch mit vielen Wechseln, ändert Coach Tramezzani zu Beginn dieser Saison fast nichts – und hat damit Erfolg. Dann beginnt er Mitte der Vorrunde doch wieder mehr zu wechseln – und fällt mit seinem Team zurück.
Auch die These mit dem Umschaltspiel hat sich seit Sommer 2019 immer bestätigt. Die kurzen Phasen in denen unter den Trainern Magnin und Rizzo so gespielt wurde, waren unter diesen Trainern die mit Abstand erfolgreichsten Wochen. Breitenreiter liess gar eine ganze Saison so spielen und wurde Meister. Unter dem neuen Trainer Foda sollte die Mannschaft hingegen wieder mehr den Ball kontrollieren. Das war sicherlich nicht nur die Idee des Trainers, denn auch schon die Transfers deuteten in diese Richtung. Umschaltfussballer wie Ceesay, Kramer oder Doumbia wurden nicht durch ähnliche Spielertypen ersetzt. Es kamen Zugänge mit mindestens so viel Qualität – aber anderem Profil. Dass aber selbst mit neuem Personal Umschaltspiel wohl immer noch besser funktioniert, zeigten unter anderem die Vergleiche im Europacup gegen Arsenal und PSV. Gegen den Premier League-Leader war man aus einer sicheren Deckung in der Schlussphase der Partie zwei Mal nahe an einem Unentschieden dran. Gegen die Holländer stand man deutlich höher, wollte mitspielen . und lief ins offene Messer. Wie in den letzten Jahren häufig auch gegen Mannschaften wie YB oder Servette.
Manndeckung auf dem ganzen Platz tut dem FCZ gut
André Breitenreiters Team spielte aber nicht während der ganzen Saison gleich. Zu Beginn lebte man von einer einmaligen Serie von direkt verwandelten Freistössen und vom Konterspiel aus einer sicheren Deckung. Breitenreiter experimentierte mit einem 4-3-3 und nicht alle Akteure, welchen er zu Beginn der Saison das Vertrauen gab, zahlten dies auch zurück. Das Jubiläumsspiel gegen Sion mit der Leistungssteigerung in der 2. Halbzeit zum 6:2 mit vielen Kindern im Stadion und dem Umzug aller Teams des Vereins auf der Tartanbahn war dann ein emotionaler Booster. Dazu kam eine Mischung von Wettkampfglück und Willensleistung mit dem Last Minute-Siegtreffer Ceesays im ersten Derby, dem unglaublichen Ende mit ebenfalls einem Last Minute-Ceesay Treffer beim 3:3 gegen Basel und dem ersten Liga-Sieg gegen YB seit langer Zeit – eher entgegen dem Spielverlauf.
Breitenreiter hatte mittlerweile seine Stammformation gefunden und hielt in der Folge daran fest. Taktisch gab es aber durchaus eine Entwicklung im Verlauf der Saison. Spielte man zu Beginn noch vorwiegend aus einer tiefen Position auf Konter, nahmen im Verlauf der Saison die Pressingphasen immer mehr zu. Das Grundprinzip Umschaltspiel blieb, die Bälle wurden einfach häufiger weiter vorne gewonnen. Der FCZ spielte Manndeckung auf dem ganzen Platz, was eine hohe Aufmerksamkeit und Laufbereitschaft erforderte. Aber genau deshalb scheint ein solcher Ansatz dem FCZ gut zu tun. Die Jungs müssen gefordert werden, damit sie gar nie ins Studieren oder in den „08/15-Verwaltungsmodus“ geraten, welcher dem Team in den letzten Jahren noch nie gut getan hat.
Nach Expected Goals verlor Foda nur drei von 18 Partien
21/22 war die Mannschaft meist gut im Spiel und erzielte in der Liga fast drei Mal so viele Tore als in der Ära Foda (2.19 statt 0.75). Berücksichtigt man alle Wettbewerbe, sind es 64% mehr. Allerdings können 75% dieser enormen Differenz durch die bessere Chancenverwertung erklärt werden. Wie gross dieser Effekt ist, wird unter anderem dadurch illustriert, dass Franco Foda gemessen an den Torchancen (Expected Goals, gerundet) nur drei seiner 18 Partien verloren hat: Sion (H), Arsenal (H) und Bodö/Glimt (A)! Der Unterschied bei den Erwarteten Toren und den Abschlüssen ist im Vergleich Breitenreiter vs. Foda nicht gross. Die Mannschaft erspielte sich in der Meistersaison also nur wenig mehr Torchancen, aber diese wurden viel besser verwertet. Letzte Saison wurden zudem mehr als doppelt so viele Konterangriffe gefahren und 40% mehr „intelligente Pässe“ (Smart Passes) gespielt als nun in der Foda-Zeit.
Etwa 20% der Differenz zur letzten Saison bei den erzielten Toren macht der Faktor aus, dass die Torchancen letzte Saison im Durchschnitt etwas gefährlicher waren und nur zu 5% gab es mehr Tore aufgrund einer grösseren Anzahl an Torchancen.
Santini und Avdijaj am gefährlichsten im Abschluss
Mit Abstand am meisten Abschlüsse hatte Aiyegun Tosin (38) und machte unter Foda fünf davon rein – drei gegen den SC Cham. Die klar beste Abschlusseffizienz kann Donis Avdijaj mit 27.3% vorweisen – und dies im Gegensatz zu den auf den nachfolgenden Plätzen liegenden Dzemaili und Kryeziu ohne einen Penalty treten zu dürfen. Am meisten Tore erzielt aber eigentlich Ivan Santini. Der Kroate schoss unter Franco Foda pro 90 Minuten 0.6 Treffer. Dass es insgesamt bisher nur zwei waren, lag an der geringen Einsatzzeit. Antonio Marchesano und Willy Gnonto trafen trotz vieler Abschlusschancen das Tor nur je ein Mal. Nikola Boranijasevic gelang trotz 13 Abschlüssen unter Foda kein einziger Treffer.
Boranijasevic hatte unter Foda trotz grundsätzlich guter Leistungen eine tiefe Torbeteiligung (0,6 pro 90 Minuten) und Abschlussbeteiligung (4,3 pro 90 Minuten), Noch weniger an Toren und Abschlüssen beteiligt waren Becir Omeragic und Mirlind Kryeziu. Willy Gnonto hatte unter dem neuen Trainer kaum Wirkung nach vorne. Bei Okita, Krasniqi oder Rohner ist die Abschlussbeteiligung sehr gut, aber es fielen aus diesen Aktionen zu wenig Tore, was daran liegen kann, dass beispielsweise in der Abschlussvorbereitung ein Spieler zu stark gezögert hat – wodurch aus einer Top-Chance nur noch eine „Halbchance“ wurde. Die hohen Werte von Kostadinovic, Hodza und Gogia sind nicht sehr aussagekräftig, da diese drei Spieler (fast) ausschliesslich gegen den SC Cham zum Einsatz gekommen sind. Unter dem Strich am besten in den Bereichen Tor- und Abschlussbeteiligungen pro 90 Minuten schneidet daher erneut Ivan Santini ab. Krasniqi, Rohner, Okita und in geringerem Masse Dzemaili sind sehr häufig an der Entstehung von Abschlusschancen beteiligt.
Yanick Brecher nach der Vertragsverlängerung im Tief
Unter Foda wurde der Ballbesitz in Liga-Partien um mehr als 11% auf 51.8% erhöht. Bis und mit dem Heimspiel gegen Basel (2:4) waren es gar um die 57% gewesen – wenn man von der Auftaktpartie bei YB absieht. Danach wurde der Ballbesitz gegen Lugano (1:2) und in Genf (2:3) auf unter 50% reduziert, was Foda letztendlich aber auch nicht mehr half. Das Pressing unter Breitenreiter war insgesamt etwas intensiver, bewegte sich aber auch damals nicht im Top-Bereich der Liga, in dem sich St. Gallen, YB und Basel bewegen. In beiden Saisons liegt der FCZ beim Pressing im Super League-Vergleich auf dem 5. Platz.
Auch bei den Erwarteten Gegentoren ist der Unterschied zwischen der Breitenreiter- und Foda-Ära erstaunlich klein – bei den tatsächlichen Gegentoren, speziell in der Liga, hingegen sehr gross. Die Differenz zwischen Gegentoren und Erwarteten Gegentoren ist eine Messgrösse für die Defensivleistung des Torhüters. Neben Marchesanos, Gnontos und Boranijasevics Ladehemmung im Abschluss und den Anlaufschwierigkeiten einiger neuer Spieler, ist von den Einzelleistungen also vor allem auch die verschlechterte Abwehrleistung von Yanick Brecher nach seiner Vertragsverlängerung im Sommer für die schlechteren Resultate verantwortlich.
Offensivstandards das grosse Plus unter Breitenreiter
Defensiv ist das Team unter Franco Foda (abgesehen von Torhüter Brecher) im Vergleich zur Meistersaison kaum schlechter geworden – bei der Verteidigung von Standards sogar besser, nicht nur relativ, sondern auch in absoluten Zahlen. Dies wird den ein oder anderen Beobachter nach der grossen Diskussion um die Defensivstandards nach dem Heimspiel gegen den FC Basel (2:4) erstaunen. Tatsache ist aber, dass diese Partie untypisch für Foda’s FCZ war. Wegen Taulant Xhaka war der Anteil an Freistossgegentoren unter Foda im Vergleich zu Breitenreiter identisch, aber Corner- und Penaltygegentreffer gab es weniger. Die Pressingresistenz, eine der grossen Stärken des Breitenreiter-Teams, hat hingegen unter Foda deutlich abgenommen. Bereits in der ersten Partie in Bern kassierten die Zürcher gleich viele Pressing-Gegentore wie die ganze vorherige Saison zusammengezählt!
Erzielte Tore pro Spiel gab es unter Breitenreiter in absoluten Zahlen in jeder Kategorie (Aufbauspiel, Umschaltspiel, Standards) mehr als unter Foda. Relativ dominieren bei Foda wenig überraschend die Tore aus dem Aufbauspiel. Umschaltspieltore sind prozentual etwa auf gleicher Höhe – in absoluten Zahlen waren es deutlich mehr unter Breitenrreiter. Der grösste Unterschied zwischen den beiden Coaches besteht aber bei den Offensivstandards. Ein grosser Faktor spielten dabei natürlich die direkt verwandelten Freistösse zu Beginn der Saison durch Marchesano, Kryeziu und Coric. Aber auch bei Eckbällen war man deutlich besser – während Foda’s Truppe anteilsmässig mehr von verwandelten Penaltys profitierte.
Routiniers gegen starke Gegner zu langsam
Adrian Guerrero schlug unter André Breitenreiter fast die Hälfte aller Standards. In der neuen Saison wurde er unter den Linksfüssern von Neuverpflichtung Ole Selnaes auf die zweite Position verdrängt. Bei den Rechtsfüssern blieb Antonio Marchesano der Nummer 1-Standardschütze, sein Standard-Anteil nahm sogar zu. Die Nummer Zwei bei den Rechtsfüssern war letzte Saison Ante Coric – nun teilen sich diese Rolle Bledian Krasniqi und Neuzugang Jonathan Okita. Auch Blerim Dzemaijli tritt wie letzte Saison aus bestimmten Positionen immer wieder mal einen Freistoss. Guerrero, Marchesano und Coric waren letzte Saison alle aussergewöhnlich gefährlich bei Standards. Selnaes, Krasniqi und Okita sind diese Saison alle ganz ansprechend, aber nicht herausragend. Marchesano und Guerrero traten ihre Bälle nicht mehr auf dem Niveau der Vorsaison.
Den besten Züri Live-Notenschnitt in den 18 Spielen unter Trainer Franco Foda hatten Antonio Marchesano und Fabian Rohner mit 6,9, dicht gefolgt von Bledian Krasniqi (6,8) sowie Nikola Boranijasevic und Bohdan Vyunnik (beide 6,7). Danach folgt ein Abstand von einer halben Note zu Kryeziu, Guerrero, Condé und Aliti. Die deutlich schlechtesten Noten erhielten der noch in der Sommerpause nach Dresden gewechselte Andy Gogia sowie Blerim Dzemaili und Becir Omeragic. Die letzteren beiden hatten speziell in defensiver Hinsicht einige nicht Super League-würdige Auftritte, welche die insgesamt ziemlich gute Defensivarbeit der Mannschaft immer wieder zunichte machten. Das defensiv grösste Problem unter Foda lag im Zentralen Mittelfeld, wo neben Dzemaili auch Hornschuh und Selnaes einen defensiv ungenügenden Notenschnitt haben. Foda tendierte in der Rotation dazu, die erfahrenen Spieler gegen starke Gegner zu bringen, was aber wegen fehlender Schnelligkeit und Laufvermögen immer wieder schief ging. Durfte hingegen mal ein junger, flinker Mann wie Krasniqi gegen einen starken Gegner wie Arsenal im Zentrum ran, funktionierte es sofort deutlich besser.
Die Besten unter Foda: Rohner, Marchesano, Krasniqi, Boranijasevic, Vyunnik
Von den Neuen waren Vyunnik und Condé gut. Vyunniks bester Auftritt war gleich sein erster in Winterthur, wo er fast als Einziger für Betrieb sorgen konnte und für den wichtigen Punktgewinn in der Schlussphase entscheidend war. Condé begann stark mit Top-Auftritten in den beiden Partien gegen Qarabag sowie in St. Gallen. Ab dem Hearts-Auswärtsspiel fiel er aber etwas in ein Loch. Speziell in der Rückwärtsbewegung brachte der Guineer in dieser Phase zu wenig. Donis Avdijaj wirkte noch nicht ganz integriert in der Mannschaft, zeigte aber speziell in den Heimspielen gegen Sion und Arsenal sehr gute Leistungen. Es gab aber auch schlechte Auftritte wie bei seinem Ex-Klub Hearts (wo die Fans nicht gut auf ihn zu sprechen waren) und in Genf, als er in Unterzahl als eingewechselter Mittelstürmer vorne keinen Ball halten konnte. Auf das Testspielduell mit seinem Jugendklub Schalke in der Winterpause freute er sich sehr, fiel aber angeschlagen aus.
Ole Selnaes war eine wichtige Rolle zugedacht worden. Der Norweger war wie Blerim Dzemaili beim Shenzhen FC engagiert gewesen – spielte dort im Gegensatz zu Blerim aber auch wirklich – insgesamt waren es dreieinhalb Jahre in China. In der Schweiz hatte er zu Beginn grosse Mühe mit dem höheren Rhythmus, vermochte sich dann aber gegen Ende der Foda-Zeit kontinuierlich zu steigern. Die neuen Stürmer Santini und Okita hatten unter dem Strich unter Franco Foda eine ungenügende Note. Santini spielte gegen Luzern, Linfield sowie in der Cup-Partie in Lausanne sehr gut. Er brachte aber nach drei Jahren hauptsächlich in China und Saudi-Arabien ähnliche Rhythmus-Probleme wie Selnaes mit – allerdings mit den erschwerenden Faktoren, dass er fünf Jahre älter ist und in Zürich weniger Einsatzzeit und Vertrauen erhielt, um den Rhythmus zu finden. In manchen Partien sah Santini kaum einen Ball, da die Gegenspieler jeweils schneller waren. Er kam eher selten zum Abschluss, aber wenn, dann war er fast immer torgefährlich – unter dem Strich im Abschluss der gefährlichste Mann zusammen mit Donis Avdijaj. Jonathan Okita schwankte zwischen Top und Flop. Sein Potential ist für Super League-Verhältnisse grundsätzlich hoch, aber er muss in seinem Spiel noch etwas intelligenter, pragmatischer werden. Willy Gnonto wirkte unter Franco Foda wie ausgewechselt und schien nicht bei der Sache zu sein. Tosin konnte die Erwartungen auch nicht erfüllen.
Brecher am Polarkreis spielerisch brilliant
Die beiden Aussenläufer Boranijasevic und Guerrero tauschten im Züri Live-Ranking die Positionen. Guerrero hatte unter Breitenreiter den besseren Notenschnitt gehabt. Unter Foda steigerte sich Boranijasevic, während Guerrero auf immer noch gutem Niveau nachliess. Vermutlich gehörten speziell Guerrero und dessen Kumpel Marchesano zu den Spielern, die auf der kommunikativen Ebene am meisten von Breitenreiter profitierten und mit Foda weniger gut zurecht kamen – obwohl beide italienisch sprechen und Foda italienische Wurzeln hat. Die Leistungen von Gnonto, Omeragic, Dzemaili, Gogia, Seiler und Mets litten unter dem Trainerwechsel aber am meisten. Es gab aber auch Spieler, die sich unter Foda steigerten – allen voran Krasniqi, aber auch Rohner und Boranijasevic. Die Steigerungen von Hodza und Kostadinovic sind aufgrund der geringen Einsatzzeit nicht aussagekräftig.
Die grösste Diskrepanz zwischen Offensiv- und Defensivnote hatte Marc Hornschuh und zwar zugunsten der Offensive. Der eigentlich als Defensivspezialist bekannte Deutsche hatte in seinem Kerngebiet grosse Probleme, vor allem mit der Schnelligkeit und Wendigkeit von guten Gegenspielern. Die 2:4-Heimniederlage gegen Basel verschuldete er fast im Alleingang. Ebenfalls offensiv deutlich besser als defensiv waren Rohner, Aliti und Selnaes. Rohner war schon immer offensiv überragend und defensiv mit Schwierigkeiten. Den ausgezeichneten Passspielern Aliti und Selnaes kam offensiv der Spielstil unter Franco Foda entgegen. Beide hatten aber gleichzeitig wie Hornschuh, Dzemaili oder Santini Probleme gegen schnelle, wendige Gegner. Rohner war offensiv der beste FCZ-ler in der Foda-Ära. Yanick Brecher baute defensiv im Vergleich zur letzten Saison deutlich ab, spielte andererseits offensiv ein paar ganz starke Partien – vor allem im Auswärtsspiel in Bodö war brilliant, wie gut der Männedorfer mit seinen fussballerischen Qualitäten auf dem Kunstrasen das gefürchtete Hohe Pressing der Norweger immer wieder aushebeln konnte.
Teamleader verschlechterten sich unter Foda am meisten
Defensiv am stärksten war Bledian Krasniqi, was bemerkenswert ist, lebte er doch während seiner Juniorenzeit fast ausschliesslich von seinen Offensivqualitäten und seinem Spielwitz. Vor allem die zwei Jahre in der Challenge League beim FC Wil, aber auch die Zeit seit seiner Rückkehr haben ihm geholfen, ein ausgewogenerer Spieler zu werden. Krasniqi ist auch heute kein Defensivstratege vor dem eigenen Strafraum, aber in der Umschaltphase bei Ballverlust von seiner Achter- oder Zehnerposition aus wohl mittlerweile der stärkste Spieler beim FCZ. Teilweise war er auch im Pressing erfolgreich. Seiler, Gogia, Okita und Gnonto waren ebenfalls alle defensiv klar besser, als offensiv, was aber bei diesen Spielern eher an den offensiv über weite Strecken enttäuschenden Auftritten lag, als an besonders starken Defensivleistungen.
Zusammenfassend kann rekapituliert werden: in gewissen Bereichen war der FCZ unter Foda wirklich schlechter, als unter Breitenreiter. An erster Stelle steht hier die Pressingresistenz. Ausserdem fällt auf, dass speziell die Teamleader der letzten Saison (Marchesano, Dzemaili, Brecher (im Defensivbereich), Gnonto und Guerrero) unter Foda einen Leistungsabfall erlitten. Diejenigen Spieler, die sich unter Foda steigerten und von seiner Art von Fussball profitierten (Krasniqi, Rohner, Boranijasevic), gehören hingegen nicht zu den einflussreichen „Lautsprechern“ im Team. Defensiv war das Team unter Foda grundsätzlich gut organisiert. Defensive Schwachpunkte waren aber das Zentrale Mittelfeld und der Torhüter. Der Leistungsabfall dieser zwei Mannschaftsteile in den zwei Monaten Wettbewerbspartien unter Foda war entscheidend.
Unglaubliche 16 Tore Unterschied in 16 Spielen zwischen Erwarteter und tatsächlicher Tordifferenz
Der Vergleich zwischen Breitenreiter und Foda besteht aus zwei Komponenten. Einerseits dem über dem eigentlichen Leistungsvermögen liegenden Erfolg von 21/22 – und andererseits dem Absturz weit unter das erwartbare Tabellenmittelfeld bei Foda. Ein Sonderfaktor bei ersterem Phänomen bildet die unglaubliche Serie an direkt verwandelten Freistössen gleich zu Beginn der Breitenreiter-Saison, welche einen grossen Einfluss auf den weiteren Saisonverlauf hatte. Dazu der emotionale Boost durch das Vereinsjubiläum und den Einzug ins Home of FCZ. Der mit Abstand grösste Unterschied zwischen der Zeit der beiden Trainer machte aber die Abschlusseffizienz sowohl offensiv wie auch defensiv aus. Letzte Saison war man sehr effizient unterwegs. Diese Vorrunde hätte man nach Erwarteten Toren in 16 LIga-Partien eine um 16 (!) Tore bessere Tordifferenz haben müssen. Das ist eine unglaublich hohe Zahl und möglicherweise Europarekord. Nach Expected Goals verlor Franco Foda nur drei seiner 18 Wettbewerbspartien. Es liefen sehr viele Details auf dem Platz gegen ihn.
Erster Schneefall beim ersten Test des FC Zürich nach der „Winterpause“ 22/23. Nicht mit von der Partie sind Marchesano, Kryeziu, Hornschuh, Dzemaili, Hodza, Reichmuth, Avdijaj, Kostadinovic und De Nitti. Der Gegner im Heerenschürli ist ein österreichischer Zweitligist aus dem nahen Dornbirn mit Sportdirektor Eric Orie und Coach Thomas Janeschitz (unter Marcel Koller Co-Trainer der Österreichischen Nationalmannschaft und des FC Basel). Bei Dornbirn wird auf dem Platz Schweizerdeutsch gesprochen. Beim FCZ Englisch. Der FCZ hat in der Vergangenheit immer gerne gegen vorarlbergische Zweitligisten getestet, vor allem Austria Lustenau (heute ein Erstligist). Seit den Ligavergrösserungen hat das Niveau der zweithöchsten Liga in Österreich allerdings deutlich abgenommen und das merkte man auch bei diesem Test.
Angriffsauslösung: einfach und vorhersehbar
Trotzdem hatte der FC Zürich Mühe mit dem Gegner. Das lag in erster Linie daran, dass Dornbirn sichtlich motivierter war, in diesem Test auch ein gutes Resultat zu holen. Nach wenigen Trainingstagen überwiegen beim FCZ im Vergleich zu vor der Winterpause die Konstanten. Bo Henriksen lässt seine Mannschaft weiterhin einen ähnlichen Fussball wie Vorgänger Foda spielen. Dazu gehört Ballbesitz und kontrollierter Spielaufbau mit punktuellen Tempoverschärfungen. Schnelles Umschaltspiel sah man nicht. Als „Breitenreiter-Element“ erkennbar war hingegen der Trend zu einer gewissen Einfachheit und Vorhersehbarkeit im Aufbauspiel. Mit der Idee: der Gegner weiss genau, was wir machen, aber wir machen es so gut, dass er es trotzdem nicht verteidigen kann. Man eruiert dabei einzelne hervorstechende Qualitäten von einzelnen Spielern und versucht diese repetitiv wieder und wieder auszunutzen.
Letzte Saison war das zum Beispiel die Aktion Steilpass Marchesano auf Ceesay, der mit dem richtigen Timing hinter die Abwehr in die Tiefe läuft. Gegen Dornbirn hatte der FCZ zwei Standard-Angriffsvarianten – eine für die Erste Halbzeit, die andere für die Zweite. In der Ersten Halbzeit wurde jeweils Linksfuss Selnaes am rechten Flügel angespielt und dieser schlug von dort eine Richtung Tor gezogene Flanke. In der Zweiten Halbzeit wurde Jonathan Okita auf der linken Seite angespielt. Dieser ging ins Eins-gegen-Eins gegen immer denselben Gegenspieler. Unterschiedlich war nur der Zeitpunkt in welchem Okita in die Mitte zieht – und ob er für einen Mitspieler ablegt oder (erfolglos) selber schiesst. Die Repetition immer gleicher Angriffszüge in einem Testspiel muss allerdings nicht zwingend darauf hindeuten, dass man es dann in der Meisterschaft ebenso macht – es kann auch eine in ein Testspiel integrierte Form von Training sein.
Geändertes Aufbauspiel in der 2. Halbzeit
Die taktische Formation war das übliche 3-3-2-2. In der Ersten Halbzeit tauschten die Achter mit den Aussenläufern jeweils die Position, sobald sie in die Angriffszone kamen: der Achter (Selnaes, Seiler) bewegte sich auf den Flügel, der Aussenläufer (Boranijasevic, Guerrero) zog nach innen. Dies ist nicht eine neue Angriffsform. Neu war aber, dass man es bei jedem Angriff so machte – mit Ausnahme ausgerechnet desjenigen, der zum 1:0-Führungstreffer führte. Da blieb Selnaes ausnahmsweise zentral und Boranijasevic lief über aussen durch und spielte mit seinem starken Rechten Fuss von rechts hinter die Abwehr, wo Okita freistehend einschieben konnte.
In der Zweiten Halbzeit wechselte Selnaes von der rechten Achter- auf die Sechserposition und Okita vom Sturm auf die linke Aussenbahn. Ob der 26-jährige auf dieser Position auch defensiv seine Aufgabe zufriedenstellend erledigen könnte, konnte gegen einen Gegner wie Dornbirn nicht getestet werden. Tosin musste im Verlauf der Ersten Halbzeit angeschlagen den Platz verlassen und wurde frühzeitig durch Bohdan Vyunnik ersetzt. Der Ukrainer gefällt wie gehabt durch Engagement und Laufbereitschaft – ebenso fehlt ihm weiterhin häufig noch etwas die Ruhe und das richtige Timing vor dem gegnerischen Gehäuse. Sein 2:1-Siegtreffer entstand eher zufällig als Santini am Ball ausrutschte und dieser so überraschend zu Vyunnik sprang.
Dreierabwehr noch eingerostet beim ersten Test
Santini selbst hat weiterhin grosse Mühe überhaupt ins Spiel zu finden. Fabian Rohner gelang auf der Rechten Seite in der Zweiten Halbzeit mit Ausnahme einer tollen Flanke ebenfalls wenig. Er sollte wie Okita über aussen selbst bis auf Strafraumhöhe vorstossen, was ihm selten gelang. Im Gegensatz zum ersten Durchgang wurde also nach der Pause der Positionstausch zwischen Achter und Aussenläufer nicht mehr vorgenommen: Seiler und Krasniqi versuchten sich durch die Mitte mit Tempodribblings durchzusetzen, was sie recht gut machten. Seiler lässt in der Rückwärtsbewegung aber weiterhin dem Gegner häufig zu viel Raum.
Noch grössere Probleme in der Rückwärtsbewegung hatte die Dreierabwehrkette der Ersten Halbzeit Kamberi – Katic – Sauter. Sie war für den Gegner extrem einfach mit einem langen Ball zu überwinden und stellte sich in den Zweikämpfen auch nicht geschickt an, so dass Dornbirn in den ersten 45 Minuten ohne viel vom Spiel zu haben zu einem Chancenplus kam. Auch das einzige Gegentor entstand aus einer Situation, wo sich die Dreierabwehr im Spielaufbau unnötig in Nöte brachte, worauf der in die Mitte zum Helfen geeilte Boranijasevic in Bedrängnis einen Rückpass spielte, der im eigenen Tor landete, weil Yannick Brecher nicht darauf gefasst war. Omeragic – Mets – Aliti in der Zweiten Halbzeit wirkten etwas sicherer.
Der neue Trainer Franco Foda folgt beim FCZ auf eine historische Saison: vielleicht sogar die beste der Vereinsgeschichte? Zumindest kann man mit Fug und Recht Trainer André Breitenreiter die beste Meisterschafts-Bilanz eines FCZ-Trainers attestieren. Bei den ersten zwei Meistertiteln 1902 und 1924 gab es noch keine Spitzenliga im eigentlichen Sinn. Alle anderen Meistertitel folgten ab den 60er-Jahren. Seit 1960 hat nur ein FCZ-Coach umgerechnet nach Dreipunkteregel einen besseren Punkteschnitt als Breitenreiter erreicht: der Basler René Brodmann, welcher zum Ende seiner fünfjährigen Aktivzeit beim FCZ in der Rückrunde 1967 als Spielertrainer waltete (trotz der Top-Rückrunde blieb damals am Ende der FCB einen Punkt vor dem FCZ und Lugano). Brodmann kam gemäss FCZ-Biographie „Eine Stadt, Ein Verein, Eine Geschichte“ im Jahr 2000 auf tragische Art und Weise bei einem Unfall ausgerechnet direkt vor dem Letzigrund-Stadion ums Leben.
Lehren aus der Geschichte
Breitenreiter ist trotz zweitbestem Punkteschnitt in unserem Trainer-Ranking an erster Position, denn wir haben den Punkteschnitt mit der Qualität der Gegner gewichtet, gegen welche diese Punkte geholt wurden. So liegt beispielsweise Albert Sing, der 1980 durchschnittlich 1,3 Punkte in der Finalrunde gegen die Top 6-Mannschaften der Schweiz geholt hat, vor Uli Forte mit dessen 1,99 Punkten vorwiegend gegen die Nummern 11 bis 20 des Schweizer Fussballs und in zweiter Linie gegen die besten 10. Oder Gilbert Gress mit 1,31 Punkten gegen vorwiegend die besten 12, teilweise die besten 8 und die Nummern 9 bis 16 liegt vor Herbert Neumann mit 1,40 Punkten zu grossen Teilen gegen die Nummern 9 bis 24 der Schweiz. Und so werden die 2,10 Punkte Breitenreiters gegen die Top 10 etwas höher gewichtet, als Brodmanns 2,23 Punkte gegen die Top 14.
Die beiden grossen Figuren sind Breitenreiter und Favre – gefolgt von den erfolgreichen Coaches zuerst der 70er- (Cajkovski, Konietzka) und dann der 60er-Jahre (Gawliczek, Maurer, Mantula). Eine aufschlussreiche Lehre ergibt sich aus der Geschichte, wenn die Zeit nach den „Überfliegern“ Favre und Konietzka / Cajkovski betrachtet wird. Die Nachfolger (Jeandupeux sowie Challandes / Fischer / Meier) erreichten nicht mehr die Top-Punktzahlen von zuvor, arbeiteten aber trotzdem immer noch ziemlich erfolgreich. Jeandupeux und Challandes vermochten gar in Sachen Meistertitel nachzudoppeln. Mit Challandes, Fischer und Meier schien vor dem Hintergrund der Favre-Zeit jeweils die Geduld etwas zu fehlen. Eine kleine Resultatbaisse führte in den jeweiligen Fällen zur Freistellung. Besser wurde es danach aber nicht – im Gegenteil. Die Gefahr besteht, dass man an die Nachfolgetrainer zu hohe Ansprüche stellt und dadurch vom Regen in die Traufe gerät.