In der Kurz-Umfrage zum Heimsieg gegen YB sehen mehr als ein Drittel der Befragten die wieder verbesserte Abschlusseffizienz als wichtigsten Grund für die drei Punkte. Das gemeinsame Standhalten gegen den YB-Druck in den ersten 30 Minuten und das unvergleichliche Konterduo Marchesano / Ceesay wurden ebenfalls häufig als wichtigster Grund genannt. 11% sehen die ominöse Positivspirale als Hauptgrund – „wenns läuft, dann läufts“. Man of the Match war für eine Mehrheit der Befragten Assan Ceesay mit Antonio Marchesano, Mirlind Kryeziu, Lindrit Kamberi und Ousmane Doumbia auf den folgenden Plätzen. Mittlerweile sind 77% vom Meistertitel des FCZ in dieser Saison überzeugt, 23% schauen weiterhin diszpliniert „von Spiel zu Spiel“, während nur Einzelne (gerundet: 0%) mit „Nein“ oder „Ich weiss nicht“ geantwortet haben.
Die Saison 2021/22 geht ins letzte Viertel. Neben dem klar führenden FCZ hat zumindest der FCB noch eine Chance auf den Titel. Man kann aber schon jetzt konstatieren, dass das Spieljahr für den FCZ nicht nur voraussichtlich einen neuen Zuschauer-Klubrekord bringen wird, sondern es ist auch die Saison der Beendigung von Negativserien. Und dies speziell im Zusammenhang mit den Young Boys. Nachdem der Bann in der Vorrunde bereits mit dem 1:0-Sieg im Letzigrund gebrochen worden war, folgt nun gleich auch noch der erste Liga-Auswärtssieg seit März 2014. Kein anderer Super League-Klub hatte in den letzten Jahren eine so schlechte Bilanz gegen die Gelb-Schwarzen gehabt wie der FCZ – auch nicht Thun, Lugano oder Vaduz.
Spielanalyse
YB trat im Wankdorf wieder mit dem gleichen 4-3-3 an, mit welchem es bereits im November im Letzigrund seine Aufwartung gemacht hatte. Der FCZ startete ebenfalls mit seiner üblichen Grundformation, aber mit einer im Vergleich zu damals deutlich verfeinerten Spielweise. Vergleicht man die drei Saisonduelle der beiden Teams, ist eine klare Entwicklung erkennbar.
Im ersten Direktduell im September im Wankdorf hatte der FCZ noch nach dem Hoffnungsprinzip gegen einen in den letzten Jahren unbezwingbaren Gegner einiges ausprobiert mit einem 5-3-2 und intensivem Hohem Pressing in den ersten 30 Minuten. Nachdem sich der Zürcher Junglöwe couragiert ausgetobt hatte, übernahm in der Folge der Berner Bär das Szepter und profitierte dabei auch davon, dass der Gegner aus der Limmatstadt zum damaligen Zeitpunkt personell noch nicht seine Bestformation gefunden hatte.
Vor dem zweiten Duell im November hatte der FCZ mit Siegen in Genf und Sion den Sprung zurück auf den Leaderthron geschafft. Die Situation und Stärkeverhältnisse hatten sich inzwischen bereits etwas verändert, denn nun war es YB, das sein Spielsystem auf den Gegner anpasste. Erstmals in der laufenden Saison wich Trainer David Wagner von seinem 4-4-2 ab und liess sein Team ein 4-3-3 spielen, um eine Zürcher Überzahl im Zentrum zu verhindern. Das tat er auch gegen Mannschaften, die das gleiche System wie der FCZ spielen, vorher nicht. Es entwickelte sich ein ziemlich chaotisches Spiel auf Augenhöhe mit leichten Vorteilen für YB, bei welchem der FCZ am Ende mit dem Siegtreffer Wilfried Gnontos die effizientere Mannschaft war – Aebischer traf aus der Distanz den Pfosten.
Für das dritte Aufeinandertreffen hatte sich YB ganz offensichtlich viel vorgenommen. Die Berner starteten mit einer hohen Intensität in die Partie. Coach Matteo Vanetta hatte Recht, als er von einem guten Auftritt seiner Mannschaft sprach. Ein FCZ in der Verfassung von letzter Saison oder selbst Anfang dieser Saison wäre von so auftretenden Bernern überrollt worden. Dass die Gelb-Schwarzen nun aber auch dieses Duell verloren, lag in erster Linie an ihrem Gegner. Es kommt selten vor, dass ein Gast im Wankdorf es schafft, die Seiten so gut dichtzumachen wie in diesem Spiel der FCZ – und YB dadurch seiner Stärken beraubt. Es waren auf der Berner Angriffsseite jeweils konsequent drei, manchmal vier Zürcher hinter dem Ball. Trotzdem vermochten beim schnellen Umschalten in den Angriff gleichzeitig sofort genug FCZ-ler auszuschwärmen, um vorne für Präsenz und Gefahr zu sorgen.
Schon seit längerer Zeit nutzt der FCZ vor allem bei eigenen Abstössen für den Spielaufbau eine 4-2-3-1 Formation. Dabei rückt Boranijasevic zurück auf die Rechtsverteidigerposition, der linke Innenverteidiger (in Bern Mets) nach aussen und der linke Aussenläufer (normalerweise Guerrero, diesmal Aliti) weit nach vorne auf den Linken Flügel, einer der zwei Stürmer (in Bern Gnonto) positioniert sich auf dem Rechten Flügel. Die Wechsel zwischen dieser Formation und dem 3-4-1-2 funktionieren nahtlos und vor allem im richtigen Moment – so bleibt man in Umschaltsituationen erstmal in der Formation und wechselt diese erst wieder, wenn sich dafür die Gelegenheit ergibt. In Bern kam bei gegnerischem Spielaufbau zu Beginn als dritte Formation ein 5-4-1 hinzu. Coric half mit, die linke Seite zuzumachen, Gnonto rechts. In ballferner Position übernahmen sie zudem jeweils die Deckung des Achters (Fernandes / Rieder). Ceesay blieb auch alleine vorne ein steter Gefahrenherd. Nach rund sieben Minuten kam der FCZ zu zwei Standards in der gegnerischen Hälfte hintereinander. Dies nutzte Trainer Breitenreiter, um zu kommunizieren, dass von nun an nur noch im 3-4-1-2 verteidigt werden soll. Das 5-4-1 wurde aufgrund der YB-Ausrichtung im 4-3-3 (4-1-2-3) begraben. So konnte das YB-Dreieck im Mittelfeld eins-zu-eins gedeckt werden.
Speziell wenn man sich in der 3-4-1-2 Formation befand, war die Unterstützung Doumbias auf der linken Seite ein wesentlicher Faktor für die Stabilität und kompensierte dadurch die kleinen Lücken, welche Coric offen liess. Rechts vermochte Dzemaili nicht im gleichen Ausmass Beton anzumischen – dies wurde aber fabelhaft durch Gnonto kompensiert, welcher einige entscheidende Läufe nach hinten machte. Die so entscheidende Balance zwischen Defensive und Offensive stimmte, der FCZ hatte die Partie über weite Strecken unter Kontrolle. Nach der Pause allerdings liessen Dzemaili und Coric nach, was YB einen Aufschwung ermöglichte. Die Berner waren nahe dran, die Partie auf ihre Seite zu drehen. Entscheidend war dann die Einwechslung von Marchesano (und in geringerem Masse Hornschuh). Ab diesem Moment schloss sich das Opportunitätsfenster für die Berner wieder. Insgesamt lässt sich sagen: langsam, aber sicher spielt der FCZ immer mehr so, wie es hier an dieser Stelle in verschiedensten Analyseartikeln seit Sommer 2019 für dieses Team vorgeschlagen wurde.
Performance & Stats
Notizen
Becir Omeragic fühlte sich gegen St. Gallen in seinem Element und war erstmals in dieser Saison MVP. Wie es leider nicht ganz unüblich für den Genfer ist, folgte auf diesen starken Auftritt in Bern eine ungenügende Leistung als Schlechtester der Mannschaft. Sein Notenschnitt in dieser Saison liegt nach drei Vierteln der Meisterschaft bei 5,9 und damit deutlich hinter den Verteidigerkollegen Mets (7,2), Kryeziu (6,9) und Aliti (6,9).
Alle Zürcher waren in Bern mental voll da. Wie schön, wenn man so etwas schreiben kann, wenn man sich an die letzten Jahre zurückerinnert, wo es immer zwei, drei Spieler gab, bei denen dies jeweils nicht der Fall schien. Speziell positiv hervorzuheben in Sachen Mentalität in Bern: Karol Mets und Wilfried Gnonto.
Die Partie kippte mit der Einwechslung von Antonio Marchesano auf die Seite des FCZ. Ab diesem Moment war die nach der Pause aufkommende Dominanz YB’s vorbei. Marchesanos (und in geringerem Masse Hornschuhs) entscheidende Unterstützung bei Doumbias Ballgewinn vor dem 0:1 zeigt exemplarisch den Unterschied zu den Minuten davor, als Doumbia von Coric und Dzemaili immer mehr alleine gelassen worden war.
Sicherlich einer der Besten bei YB war Cédric Zesiger. In der Vorrunde hatte er im ersten Duell mit dem FCZ nach einem Luftkampf im Strafraum seine Mittelfussprellung erlitten und fiel bis fast zur Winterpause aus. Nun lief und grätschte er hinten für zwei, beging aber auch exzessiv Stürmerfouls bei Standards vorne. Verschiedene YB-Spieler hatten in dieser Partie zudem häufig die Hände und Arme im Gesicht der Gegner, was wieder etwas an Zeiten von Sanogo oder Nsamé erinnerte.
Ousmane Doumbia sammelt in dieser Partie die meisten Züri Live-Offensivpunkte und auch -Defensivpunkte. Ohne sein schlechtes drittes Viertel der Partie wäre er MVP geworden. Mit der Einwechslung von Marchesano und Hornschuh lief es dem Ivorer dann wieder deutlich besser und er war entscheidend an beiden Toren beteiligt – wie er ganz allgemein immer mehr offensiv aufs Zürcher Spiel Einfluss nimmt.
Offensiv wenig erbaulich war hingegen Mirlind Kryezius Spiel in Bern. Normalerweise ist seine Spieleröffnung eine Stärke, in Bern war er hingegen nur defensiv solide.
Szenen
74. Minute, 0:1: Nach einem Berner Einwurf helfen Marchesano und Hornschuh Doumbia beim Ballgewinn gegen Lauper. Der Ivorer schickt sofort den schnellen Kramer auf die Reise. Lustenberger kann dem Slowenen nicht folgen, Zesiger mit einem generösen Diagonallauf Kramer zwar noch stellen, aber nicht mehr in einer idealen Verteidigungsposition, was der mental parate FCZ-Stürmer zwei Ballberührungen später zur Führung nutzt – mit dem schwächeren Linken Fuss Innenrist zwischen den Beinen von Goalie Von Ballmoos hindurch.
79. Minute, 0:2: Wilfried Gnonto wird von Cédric Zesiger in den Rücken gestossen und hinkt mit der Hand im Kreuz durch die Gegend, als er von Doumbia angespielt wird. Alle Schmerzen sind vergessen! Der Italiener lässt im Strafraum Lauper aussteigen, kurvt an die Grundlinie wie eine Moto Guzzi und Marchesano verwertet nach Kramer-Abschluss den Rebound mit dem Rücken zum Tor aus der Drehung.
90.+5 Minute, 1:2: Marc Hornschuh weist Schiedsrichter San zwischen zwei YB-Eckbällen darauf hin, dass er das Spiel abpfeifen soll. In der Zwischenzeit macht sich Ulisses Garcia sofort daran, den Corner auszuführen und Hornschuhs Gegenspieler Mambimbi stellt sich für ein kurzes Zuspiel frei. Da Garcia sowieso beim ersten Eckball Tosins Gegenspieler gewesen war, ist der Nigerianer grad in der Nähe und übernimmt für den abgelenkten Hornschuh die Deckung Mambimbis. Dadurch ist nun natürlich ein anderer Mann frei, den Hornschuh übernehmen müsste – aber wer ist es? Der Deutsche Defensivspezialist sucht in der Hektik nach einem freien YB-Mann, entscheidet sich auf die Schnelle für Zesiger und begleitet diesen dann genauso wie dessen eigentlicher Gegenspieler Aliti – zu zweit. Völlig frei steht dadurch der Mann, den eigentlich Tosin oder dann eben Hornschuh hätten übernehmen müssen – Vincent Sierro, der zuvor den ersten Corner von der anderen Seite ausgeführt hatte. Dazu kommt, dass der ansonsten deckungsstarke Mets Kanga nicht an der Kopfballweiterleitung am nahen Pfosten hindern kann und Brecher die alte Angewohnheit, im entscheidenden Moment nicht beide Füsse am Boden zu haben, noch nicht ganz ablegen konnte und daher beim Verschieben einen halben Schritt zu spät kommt. Nach dem St. Gallen-Heimspiel erhält der FCZ zum zweiten Mal hintereinander ein Eckball-Gegentor. Gegen GC (nächster Gegner) hat man diese Saison auch schon zwei Gegentore auf Corner erhalten. Die kritische Zone am nahen Pfosten scheint noch nicht gelöst zu sein. Nachdem zuvor Marchesano für diesen schwierig zu verteidigenden Raum zuständig war, haben ihn auch Ceesay beziehungsweise Kramer nicht im Griff.
Nach sieben langen Jahren ist der Bann gebrochen. Der FCZ gewinnt erstmals wieder in der Super League gegen YB. In dieser ganzen Zeit hatte man nie wirklich aus den Misserfolgen gegen die Berner gelernt. Eine solche Partie auf Züri Live in voller Länge zu kommentieren, welche trotz „guten Ansätzen“ zum dutzendsten Mal auf das übliche 0:4 zusteuerte, wurde mit der Zeit qualvoll. Man fragte sich immer wieder: Warum kann der FCZ nicht mal gegen YB so aufspielen, wie dies Servette immer wieder zustande bringt? Oder zumindest einen Punkt ermauern wie Lugano oder GC?
FCZ verwickelt YB in viele Zweikämpfe
Nur die Formbaisse YB’s hätte auch diesmal nicht gereicht. Es brauchte wirklich die davor jahrelang in solchen Spielen fehlende Pragmatik und Demut des Trainerduos Breitenreiter / Scholtysik, um die unheilvolle Serie zu brechen. Die Idee, der FCZ müsse auch gegen einen Gegner wie YB mitspielen, wurde hochkant über Bord geworfen. Der verführerische Stolz überwunden. Der FCZ stand deutlich tiefer als noch im mit 0:4 verlorenen Hinspiel im Wankdorf und verteidigte auf allen Positionen Eins zu Eins, Mann gegen Mann – und dies fokussiert sowie diszipliniert. Dies war auch notwendig, denn bei Aussenläufern, welche die gegnerischen Aussenverteidiger angreifen und einer Dreierabwehr, die sich Mann gegen Mann um den YB-Dreimannsturm kümmert, war in der Regel keine Absicherung vorhanden. Hefti und Garcia versuchten jeweils mit Vorstössen mit Ball am Fuss Richtung Zentrum die Blockade zu brechen, ihre Doppelpässe seitlich in der Angriffszone waren aber nicht erfolgreich. Viele Zweikämpfe, Fouls und Einwürfe brachen den Rhythmus des Spiels, was Aussenseiter FCZ zugute kam. Der Spitzenkampf wurde so schlussendlich zu einem der ereignislosesten Super League-Spiele der letzten Jahre. Normalerweise füllen die Notizen von Züri Live zu einem analysierten Spiel fünf bis sechs A4-Seiten – diesmal knapp anderthalb.
Ein Spiel für Fidan Aliti
Beide Mannschaften kamen kaum zu Abschlüssen. Die mit Abstand beste Torchance der 1. Halbzeit hatte Adrian Guerrero alleine vor YB-Keeper Guillaume Faivre nach Vorarbeit von Ceesay, Dzemaili, Doumbia und Aliti. Es war eine Abwehrschlacht mit 140 Top-Defensivaktionen, eine Partie, in welcher ein Fidan Aliti wieder mal so richtig in seinem Element war – so wie es letzte Saison häufiger der Fall gewesen war. Szenenapplaus erhielt der Linksfuss in der 38. Minute, als er im eigenen Strafraum auf dem Hintern rutschend Meschack Elia gezielt den Ball wegstibitzte. Mirlind Kryeziu hatte seinen Gegenspieler Jordan Siebatcheu fast komplett im Griff – so eng wurde in dieser Saison wohl noch kein Gegenspieler vom FCZ gedeckt. Becir Omeragic setzte zusätzlich zu seiner guten Defensivarbeit Offensivakzente.
Ante Coric desorientiert und unkonzentriert
In der 1. Halbzeit hatte das Zürcher Mittelfeldzentrum defensiv grosse Probleme. Dzemaili und Doumbia hatten ihre Positionen vor der Abwehr gegen Aebischer und Sierro nicht im Griff und waren in der Rückwärtsbewegung zu langsam. Antonio Marchesano musste nach zwei hohen Beinen gegen Christopher Martins vorsichtshalber schon vor der Pause ausgewechselt werden. Sein Ersatz Ante Coric wirkte desorientiert. Seine lasche Körpersprache setzte sich nahtlos fort in unüberlegte Aktionen. In der Nachspielzeit war das schlechte Zweikampfverhalten des Kroaten hauptverantwortlich dafür, dass Aebischer zu seinem Pfostenschuss (beste YB-Chance der Partie) kam und anschliessend nach einem unnötigen Foul Corics an Fabian Lustenberger nochmal einen Freistoss in Strafraumnähe treten durfte.
Probleme im Zentrum und „Maskottchen“ Kramer
Offensiv wurde das Zürcher Mittelfeldzentrum sowieso in der Regel mit Hohen Bällen aus der Hintermannschaft auf die Forwards überspielt und “innen vor“ gelassen. Dzemaili mit seinen Schwankungen zwischen Übermotivation und Passivität war erneut einer der fehlerbehaftetsten Spieler beim FCZ – diesmal wurde dies aber durch überdurchschnittlich viele gelungene Defensivaktionen (mehr als) kompensiert. Nach der Pause konnten sich Dzemaili und Doumbia dann steigern, ohne allerdings ihre Fehler ganz abstellen zu können. Bei Blaz Kramer verlief die Formkurve umgekehrt: mit mehreren engagierten und effektiven Defensivsprints und guten Kopfballweiterleitungen in die Partie gestartet, baute der Slowene nach der Halbzeitpause stark ab. Die Trainer scheinen ihn auch etwas als das „Maskottchen“ des Teams zu sehen – 6 Einsätze, 6 Siege. Mit weniger Einsätzen eine hundertprozentige Siegquote haben bisher auch Tosin, Kamberi und der zur Zeit zwischen Ersatzbank und Militärdienst pendelnde Seiler.
Joker Tosin nutzt Berner Schwachstelle
Wie so häufig in der Super League kam der FCZ in einem typischen 0:0-Spiel schlussendlich durch die Ausnutzung der Schwachstelle des Gegners zum Erfolg. Die Aussenverteidiger-Backups Lefort und Maceiras vermögen mit dem Niveau des Restes der gelb-schwarzen Mannschaft nicht mitzuhalten. Der zum dritten Mal eingewechselte Comebacker Tosin brachte zum dritten Mal entscheidende Impulse, stibitzte Maceiras im Pressing den Ball weg, bediente erst Doumbia, dann Boranijasevic, dieser liess ebenfalls Maceiras aussteigen und brachte mit dem schwächeren linken Fuss eine butterweiche für die Berner Abwehrreihe nicht zu verteidigende Flanke auf den mit idealem Timing startenden Wilfried Gnonto. Der 18-jährige Italiener feierte sein zweites Super League-Kopfballtor.
Tabellensituation: für FCZ-Anhänger in 20/21 ein Déjà Vu. Wie immer seit dem Wiederaufstieg konnte man sich erst gegen Ende der Saison aus der Abstiegsgefahr retten. Alles wie gehabt? Nein, denn bezüglich Jugendförderung in der 1. Mannschaft hat der FCZ gleichzeitig einen brutalen Absturz erlebt. In der Magnin-Ära hatte man sich kontinuierlich wie schon zu Favre-Zeiten oder zu Beginn der Meier-Periode zum grössten Jugendförderer der Liga entwickelt. In der Saison «danach» fällt der Stadtclub nun aber auch in dieser Wertung abrupt zurück ins biedere «abstiegsgefährdete» Mittelfeld.
Langzeitbetrachtung der „Big6“ seit der Saison 10/11
Dies ergibt das Update der im letzten Oktober gestarteten Auswertung der Einsatzminuten von U21-Spielern von Züri Live. Der Fokus liegt dabei auf der Langzeitbetrachtung seit der Saison 10/11 und den «Big6» des Schweizer Fussballs: GC, Basel, Servette, YB, FCZ und Lausanne-Sport. Diese sechs Klubs stammen aus den fünf grössten Städten der Schweiz (logischerweise zwei davon aus Zürich, welches doppelt so gross ist wie die zweitgrösste Stadt Genf) mit dem grössten Einzugsgebiet für Zuschauer und Talenten. Diese Klubs haben nicht nur in der obersten Liga am meisten Erfolge gefeiert, sondern über die Jahrzehnte hinweg auch am meisten Talente für die Schweizer Nationalmannschaften entwickelt. Die anderen Super League-Klubs werden in der Betrachtung der aktuellen Saison allerdings mit einbezogen. Gemessen wird einerseits die Gesamtzahl der Einsatzminuten aller U21-Spieler und andererseits der U21-Spieler, welche aus dem eigenen Nachwuchs stammen. Als U21-Spieler werden nach UEFA-Standard für die Saison 20/21 Fussballer mit Jahrgang 1999 und jünger bezeichnet. «Eigene Junioren» werden hier definiert als Talente, die mindestens in einem Juniorenteam des gleichen Vereins (bis und mit U18) gespielt haben.
Ist Massimo Rizzo kein Jugendförderer?
Nur weil ein Trainer in der Vergangenheit im Juniorenbereich aktiv war, heisst das noch lange nicht, dass er auch bei den Profis auf den Nachwuchs setzt. So tendiert beispielsweise der ehemalige FCZ-Nachwuchstrainer Urs Fischer eher dazu, auf Erfahrung zu setzen. Gilt dies also ebenso für Massimo Rizzo? Dies kann man nicht abschliessend beurteilen. Wenn Daten über mehrere Saisons vorliegen, sind klare Aussagen möglich. In einer einzelnen Saison können hingegen auch Sonderfaktoren wie Verletzungen oder schlechte Jahrgänge eine Rolle spielen. Oder wie beim FCZ, dass die viel eingesetzten Domgjoni, Rohner (und Tosin) als 98-er Jahrgang auf die Saison 20/21 hin aus der U21-Wertung herausgefallen sind. Die Frage stellt sich trotzdem, warum zuletzt zu wenig (gute) Talente aus dem Nachwuchs nachrücken konnten.
Bei Peter Zeidler kriegt jeder seine Chance
Würde der FCZ die Jungen so forcieren, wie aktuell St. Gallen, dann wären auf jeden Fall sehr viel mehr aus dem eigenen Nachwuchs zum Einsatz gekommen. Die Ostschweizer stehen diese Saison an der Spitze der Juniorenförderungsrangliste mit dem Einsatz von nicht weniger als 14 U21-Spielern, davon neun aus dem eigenen Nachwuchs. Und dies obwohl die Ostschweizer immer noch eine deutlich kleinere Anzahl an Spitzentalenten hervorbringen, als der FCZ und alle anderen Klubs der «Big6». Peter Zeidler setzte wirklich jeden ein, der auch nur im Entferntesten ein gewisses Potential für den Profibereich mitbringt.
GC und Lausanne bisher deutlich besser als ihr Ruf
Die beiden Klubs mit ausländischen Besitzern, GC und Lausanne, werden mit dem Vorurteil oder der Befürchtung verbunden, sich zu wenig um die Nachwuchsentwicklung zu kümmern. Genau das Gegenteil scheint aber der Fall zu sein. Fosun-GC und Ineos-Lausanne Sport stehen an der Spitze bei der Anzahl eingesetzter U21-Spieler. Und: sogar bezüglich der Einsatzminuten von Junioren aus dem eigenen Nachwuchs liegt GC 20/21 an dritter und Lausanne an vierter Position der elf untersuchten Teams (Super League plus Aufsteiger) – auch wenn dieser Indikator sowohl bei Lausanne wie auch bei GC in der letzten Saison gesunken ist. Bei den Hoppers waren es 20/21 vor allem Petar Pusic, Fabio Fehr, Giotto Morandi und Robin Kalem, die forciert wurden – bei Lausanne Gabriel Barès, Marc Tsoungui, Isaac Schmidt oder Josias Lukembila. Die Top 4 in beiden Wertungen mit GC, Lausanne und St. Gallen wird komplettiert durch den FC Luzern mit Ugrinic, Burch, Emini… Der FCL hat zuletzt ein, zwei sehr gute Jahrgänge hervorgebracht. Ob sich die Innerschweizer im Jugendbereich dauerhaft auf diesem hohen Niveau werden halten können, wird sich in den kommenden Jahren zeigen.
Serienmeister YB Schlusslicht in der Juniorenförderung,…
Schlusslicht bezüglich Einsatzminuten und Anzahl eingesetzter junger Spieler ist YB. Der Erfolg wirft in einer oberflächlichen Betrachtung seinen Glanz auf alle Aspekte und Elemente in einem Verein. So erhält man beim Konsumieren der deutschschweizer Sportmedien den Eindruck, YB sei der grosse Juniorenförderer – diese Saison vor allem mit Stories über den Debütanten Fabian Rieder. Komplett unter geht dabei, dass bei den Bernern 20/21 neben Rieder mit Felix Mambimbi nur ein einziger weiterer U21-Spieler regelmässig zu Liga-Einsätzen kam. Nico Maier und Joshua Neuenschwander hatten auch noch ein bisschen Einsatzzeit. Insgesamt ganze vier Spieler in einer Saison! Trotz souveräner Führung in der Tabelle. Selbst Lugano oder Vaduz setzten mehr junge Spieler ein und gaben ihnen auch mehr Spielzeit. Bei den gegen den Abstieg kämpfenden Liechtensteinern konnten sich sechs junge Spieler in der Super League-Saison beweisen, bei Lugano neun, beim bezüglich Juniorenförderung stark unterschätzten Sion gar zehn. Und dies ist kein Zufall oder ein Ausnahmejahr. Seit Christoph Spycher als Sportchef übernommen hat, rasselte die unter Vorgänger Fredy Bickel vorbildliche Integration des eigenen Nachwuchses in der 1. Mannschaft in den Keller. Und dies obwohl parallel die Juniorenteams der YB Academy unter Ernst Graf als zuständigem Verwaltungsrat immer erfolgreicher wurden.
…und gleichzeitig in der Ausbildung mittlerweile mit an der Spitze
In den beiden wichtigsten Juniorenkategorien (U18 und U16) stand YB am Ende der Saison 20/21 an der Spitze – und die Reserve-Mannschaft (U21) stieg in die Promotion League auf. Sie komplettiert nun also das maximal erlaubte Quartett an U21-Teams auf dieser Stufe mit dem FCB, FCZ und Sion. Nur wenn einer dieser vier absteigt, darf ab jetzt ein anderes U21-Team aufsteigen. Nachdem YB II in den letzten Jahren den Aufstieg jeweils knapp (unter anderem in den Playoffs) verpasst hatte, klappte es nun in einer verkürzten Saison mit einem kurzfristig angepassten Modus ohne Playoffs, in welcher am Ende die U21-Teams gegenüber den Amateurteams klar bevorteilt waren, weil sie in einer kurzfristig organisierten U21-Runde in der COVID-Pause im Spielrhythmus hatten bleiben können.
Mancher Super League-Trainer nähme einzelne YB U21-Spieler mit Handkuss
In jedem anderen Super League-Klub wären einige Spieler aus der YB U21 bereits vor Monaten zu ihren ersten Einsätzen im Profibereich gekommen. Peter Zeidler hätte gar die halbe Mannschaft bei sich integriert. Denn diese Jungs sind im Schnitt talentierter, als diejenigen, welche der Deutsche Coach aus dem Ostschweizer Nachwuchs (von einzelnen Ausnahmen wie Alessio Besio abgesehen) zur Verfügung hat. Ein Kwadwo Duah, Linus Obexer, Elia Alessandrini, Léo Seydoux, Yannick Touré, Samuel Kasongo oder Breston Malula hätten unter einem Sportchef und Kaderplaner wie Fredy Bickel in den letzten Jahren sicherlich gute bis sehr gute Chancen auf einen Stammplatz in der Super League-Mannschaft von YB gehabt. Und beispielsweise ein Shkelqim Vladi, Jonathan De Donno, Mischa Eberhard, Benjamin Kabeya oder Markus Wenger aus dem aktuellen U21-Team würden fest zum Kader gehören. Sie mussten / wollten sich nun aber alle anderweitig orientieren, oder werden erst mal wieder ausgeliehen.
FCB: abrupter Kurswechsel mitten in der Ära Burgener
Beim FC Basel wurde in den ersten zwei Jahren der Ära Burgener der eigene Anspruch des stärkeren Einbaus von eigenen Junioren voll erfüllt, die Kurve stieg steil an und bereits in der Saison 18/19 war der FCB unter den «Big6» diesbezüglich auf der Spitzenposition. Die letzten zwei Saison zeigte der Trend dann aber wieder klar in die entgegengesetzte Richtung. Die Einsatzminuten eigener Junioren nahmen trotz gleichzeitigem Sparkurs wieder stark ab. Ganz allgemein ist erstaunlich, dass trotz COVID-Zeiten und knapper Budgets mehrere Klubs in der Saison 20/21 deutlich weniger eigene Junioren eingesetzt haben, als in den Saisons davor. Von den sechs grossen Schweizer Vereinen hatten nur Servette und YB eine leichte Steigerung zu verzeichnen – allerdings beide von einem sehr tiefen Niveau ausgehend. Bei den Genfern lässt sich ein ähnlicher Trend wie bei den Bernern feststellen. Mit der Übernahme des Vereins durch Kreise um die Hans Wilsdorf Stiftung kehrte Ruhe in den Verein ein, man baute Stück für Stück eine erfolgreiche Mannschaft auf – und die Juniorenförderung in der 1. Mannschaft ging gleichzeitig den Bach runter.
Ist André Breitenreiter ein Jugendförderer?
Stand heute beschränkt sich das Kontingent an U21-Spielern aus dem eigenen Nachwuchs im Kader der kommenden Saison beim FCZ auf Bledian Krasniqi, Stephan Seiler, Henri Koide, Nils Reichmuth, Silvan Wallner und dem Dritten Goalie Gianni De Nitti. Kommt noch ein Kedus Haile-Selassie hinzu? Lenny Janko? Oder gar ein Fabian Gloor? Der neue Trainer André Breitenreiter betreute mit Hannover und Paderborn die ältesten Teams ihrer damaligen Ligen. Dazwischen hatte er bei Schalke eine Saison lang ein junges und unfassbar talentiertes Team aus der «Knappenschmiede» zur Verfügung. Leon Goretzka (damals 20), Leroy Sané (19) oder Max Meyer (19) spielten regelmässig, während Thilo Kehrer (18) und Alexander Nübel (18) unter Breitenreiter in der Liga nicht zum Einsatz kamen. Kann er das Ruder in Richtung stärkerer Jugendförderung beim FCZ wie zu Favres oder Magnins Zeiten wieder herumreissen? Denn über das letzte Jahrzehnt betrachtet liegt der FCZ unter den „Big6“ immer noch klar an der Spitze bezüglich Einsatzminuten und Anteil von U21-Spielern aus dem eigenen Nachwuchs.
Der FCZ kann zur Zeit beinahe in Bestformation antreten. In Sion standen neun der elf meisteingesetzten Spieler in der Startformation. Und die zwei eingesetzten Spieler, die nicht zur „Top 11“ gehören, würde man eigentlich da erwarten: Hekuran Kryeziu und Benjamin Kololli.
Gegen YB tritt Massimo Rizzo mit einem Triple-D Mittelfeld mit Blerim Dzemaili, Ousmane Doumbia und Toni Domgjoni an. Fabian Rohner spielt von Beginn weg – wohl als Rechtsverteidiger.
YB hingegen lässt schon seit einiger Zeit alle Kaderspieler mal ran. Beim 3:0-Heimsieg gegen Lugano hatte es im Vergleich zum 2:0 gegen St. Gallen auf sieben Positionen Wechsel in der Startformation gegeben. Auch diesmal wird wieder acht Mal gewechselt.