Frage zum Spiel: Erzielt der FCZ heute Abend erneut ein Standardtor?

Seit Xamax und der FCZ im August 2016 erstmals seit mehreren Jahren wieder aufeinander getroffen sind, waren die Duelle dieser beiden Teams immer umkämpft. Mit einer Ausnahme gab es in elf Duellen nie ein Resultat mit mehr als einem Tor Differenz. Gleichzeitig verlor Zürich in dieser Zeitperiode kein Spiel gegen die Xamaxiens. Die letzte Niederlage rührt vom November 2011, als die Neuenburger zu Chagaev-Zeiten mit mehreren sehr gut bezahlten Akteuren (so lange die Liquidität vorhanden war) aufliefen, die in ihrer Karriere bei Teams wie Valencia oder Espanyol Stammspieler waren. Admir Mehmedi gelang zwar nach einer halben Stunde der zwischenzeitliche Ausgleich, aber Arizmendi und zwei Mal Kalu Uche sorgten für das Neuenburger 3:1.

Swissfootdata sieht den FCZ als Favoriten in der Maladière, allerdings als kleinster Favorit der 29. Runde mit 56% Gewinnchance. Unberechenbar ist der kurzfristige Einfluss des Trainerwechsels auf die Leistung von Neuchâtel Xamax. Die Neuenburger hatten das wichtige Spiel nach dem Wiederbeginn gegen Thun 2:1 gewonnen und anschliessend vier Spiele in Folge gegen die drei Spitzenteams Basel (2x), YB und St. Gallen gespielt. Nach null Punkten aus diesen vier Partien, in welchen die Neuenburger drei Mal nahe an einem Punktgewinn dran waren, wurde Trainer Joel Magnin vor die Türe gestellt. Und damit wahrscheinlich auch der konstruktive, offfensive Fussball. Unter Rückkehrer Henchoz (ehemaliger Teamkollege und Bruder im Geiste von Sami Hyypiä) wird wieder Kampf und defensive Stabilität an erster Stelle der Prioritätenliste stehen.

Ob unter diesen veränderten Umständen die kürzliche Prognose von swissfootdata bezüglich einem Absteiger Xamax mit vier bis fünf Punkten Rückstand auf das Duo Sion / Thun immer noch aufrechterhalten wird, ist die interessante Frage. Der FCZ, welcher bisher mehr Punkte gesammelt hat, als in seinem ersten beiden Saisons nach dem Aufstieg zum gleichen Zeitpunkt, wird auf Rang fünf getippt, und YB als Meister.

Zuletzt konnte man auf Zürcher Seite stark auf die frisch gewonnene Standardstärke bauen. Zu diesem Thema unsere Umfrage…

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Xamax: die unbequeme Wahrheit

Pünktlich anschliessend zum Spitzenkampf zwischen dem FCZ und Xamax findet morgen und übermorgen in Neuenburg der Prozess in Sachen des ehemaligen Klubbesitzers Bulat Chagaev statt. In der NZZ von heute ist in Bezug auf die damalige Zeit von einer «totalen Entfremdung zwischen Klub und Region» die Rede. Dies beschreibt die Konstellation aber nur unzureichend.

In Tat und Wahrheit entsprach die Übernahme des Klubs durch den Tschetschenen letztendlich dem Willen der Neuenburger rund um Xamax. Die Ambitionen des Umfelds vom einfachen Fan bis zum Sponsoren waren in Neuenburg immer sehr hoch. Mit Mittelfeldplätzen in der Super League wollten sich viele nicht mehr begnügen. Als dann aber der Moment der Wahrheit gekommen war, und der vormalige Mehrheitsbesitzer Sylvio Bernasconi während Jahren händeringend nach einem Nachfolger in der Region suchte, gab es keine ernsthaften Angebote.

Bulat Chagaev war schlussendlich derjenige, der den Xamaxiens das versprach, was sie hören wollten: grosse Erfolge, Meistertitel, Champions League. Die Aktionäre stimmten der Übernahme zu, und auch die Mehrheit der eingefleischten Fans war begeistert. Es wurden tolle Spieler geholt, es gab verschiedene Vergünstigungen für die Fans, und der sportliche Erfolg war da. Im Internetforum der Xamax-Fans ging man damals mit den wenigen kritischen Stimmen ziemlich brüsk um. Die Mehrheit wollte Chagaev und glaubte an alles, was er versprach. Jemanden, der weniger versprochen hätte, hätte man nicht akzeptiert. Dementsprechend musste der neue Xamax-Besitzer damals zwangsläufig eine Person mit wenig Bezug zur Realität werden. Es war der Wille der Fans und Sponsoren.

Heute herrscht bei Xamax eine andere Denkweise. Die Verantwortlichen im Klub sind sich bewusst, dass man von der Fan- und Sponsorenbasis her zwischen Challenge League und Super League anzusiedeln ist – ähnlich wie beispielsweise ein FC Aarau. Der jetzige Präsident Christian Binggeli sagt im Gespräch mit der NZZ aber auch, dass er letzte Saison «eine Dummheit» gemacht habe, als er als Ziel den Klassenerhalt in der Challenge League definiert habe. Dadurch habe man Zuschauer verloren.

Da ist sie wieder: die übertriebene Erwartungshaltung der eigenen Fans. Sie ist auch in der Nach-Chagaev-Ära nicht komplett verschwunden. Und sie ist auch in keinster Art und Weise eine Spezialität von Neuenburg. Der FCZ hat auch nach der glanzvollen Favre-Ära eine Mannschaft unterhalten, die vom Talent her in einer optimalen Saison um den Meistertitel mitspielen konnte. Es war gleichzeitig aber auch eine Mannschaft, welche die Möglichkeit des totalen Absturzes in sich trug. Mehr als einmal brachen die Resultate ab dem Zeitpunkt regelrecht ein, wo in einer Saison der Meisterzug abgefahren war.

Der FCZ hat nur einmal vom Geldsegen der Champions League profitieren können, und ist heute vom Budget her in der Super League ein Mittelfeld-Klub. Dementsprechend wird nun auch eine etwas weniger talentierte, dafür stabilere Mannschaft aufgebaut. Thun oder Luzern sind realistischere Orientierungspunkte, als Basel. Das grosse zusätzliche Plus allerdings bleibt die Nachwuchsabteilung. Wenn von einem guten Jahrgang die zwei, drei besten Spieler zwei Jahre oder mehr in der 1.Mannschaft gehalten werden können, dann sind auch in Zukunft Ausschläge nach oben möglich.