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«In der Champions League rennen wir zehn bis zwölf Kilometer»: Inka Grings und Julia Stierli vor dem Highlight gegen Arsenal
Es ist die abschliessende Pressekonferenz von Inka Grings nach zwei Jahren als Cheftrainerin das FC Zürich. Leider hat sich ausser Züri Live kein anderes Medium dafür interessiert. Zwischen 4. Advent und Weihnachtsfeier steht als Krönung im Adventskalender das abschliessende Champions League-Heimspiel gegen den Englischen Meister und Champions League-Mitfavoriten Arsenal an.
Nach dem historischen Double-Gewinn im Frühling konnten die FCZ Frauen sich diese Saison über den einfacheren «Meisterweg» souverän für die zum zweiten Mal ausgetragene Gruppenphase qualifizieren. Das Jahr zuvor war man auf dem schwierigeren «Ligaweg» im Letzigrund noch mit 1:2 an der AC Milan gescheitert. Insgesamt ist die Partie gegen Arsenal bereits die 63. Partie der FCZ Frauen in der UEFA Women’s Champions League. Und, wie fcz.ch weiss, war Rekordspielerin Fabienne Humm bei der grossen Mehrheit dieser Partien aktiv dabei, nämlich bei 54.
Mit Inka Grings ist diesmal allerdings Julia Stierli zur Pressekonferenz gekommen. Die angehende Physiotherapeutin hat sich von einer Linksverteidigerin mit einzelnen guten Aktionen zu einer absoluten Leistungsträgerin in der Innenverteidigung sowohl ihres Klubs wie auch der Nationalmannschaft gemausert. Interessanterweise spielt die Linksfüsserin mittlerweile gar auf der Rechten Innenverteidigerposition. Die Entwicklung und Reifung als Spielerin sieht Stierli durchaus verbunden mit der Ankunft von Inka Grings als Cheftrainerin im Winter 20/21. Zuletzt spielten aber auch die Abgänge von erfahrenen Mitspielerinnen im Sommer eine wichtige Rolle, durch welche die 25-jährige in einem jüngeren Team noch mehr Verantwortung übernehmen konnte.
Die Rede kommt erstmal auf die Entwicklung der Mannschaft in der laufenden Champions League-Kampagne. Von Spiel zu Spiel gingen die FCZ Frauen mehr Risiko, kamen so auch zu mehr Torchancen, mussten gleichzeitig aber auch zunehmend mehr Gegentore zulassen. Wenns um Fussball und die Entwicklung ihres Teams geht, ist Inka Grings mit ihrer druckreifen Analyse wie so häufig kaum zu stoppen.
Inka Grings: Ja, wir sind mehr Risiko eingegangen. Wir versuchten, unser Spiel zu spielen. Wir hatten gegen jede Top-Mannschaft Top-Chancen. Wenn wir sie nicht nutzen, wird es natürlich schwierig. Im Gegenzug haben wir zu einfache Gegentore kassiert, was einen faden Beigeschmack mit sich bringt. Es gab nämlich kaum Gegentore, die gut herausgespielt waren, sondern es waren tendenziell eher Standards. Das missfällt sowohl dem Trainer-Team, als auch den Spielerinnen selbst, die zu Recht etwas angesäuert sind. Trotzdem können wir wahnsinnig stolz sein. Es war sehr intensiv, nicht zuletzt die Reisen aufgrund dessen, dass sie keine Profis sind. Das ist dann schon fast eine Drei- oder Vierfachbelastung. Vor diesem Hintergrund ein Riesenkompliment an die Spielerinnen, was sie abgeliefert haben. Wir haben in fast allen Spielen sehr lange mithalten können. Dass sich irgendwann dann aber die Qualität der Gegnerinnen durchsetzt, ist verständlich.
Es ist extrem interessant zu sehen, wie unsere Spielerinnen als Persönlichkeiten gewachsen sind. Für mich am wichtigsten aber war, dass sie als Mannschaft stärker zusammenwachsen. Auch in den Niederlagen sind sie zusammengerückt und das stimmt mich positiv, vor allem im Hinblick auf die Rückrunde, wo sie viele und intensive Spiele haben werden und viel vorhaben. Diese Erfahrungen, die wir aus dieser Champions League-Kampagne herausnehmen, sind Gold wert für jede einzelne Spielerin – für mich als Trainerin aber auch. Daher bin ich sehr stolz auch auf alle drumherum, die wirklich sehr viel investiert haben. Das hat sehr viel Spass gemacht. Deshalb freue ich mich nochmal sehr auf die Partie gegen Arsenal.
Wenn Grings von ärgerlichen Gegentoren auf Standards redet, denkt sie wohl in erster Linie an die beiden frühen Gegentreffer auf Eckball zuletzt gegen Juve, bei denen jeweils die erfahrene Vanessa Bernauer am nahen Pfosten nicht aufgepasst hatte und noch in der 1. Halbzeit von Grings ausgewechselt wurde. Allerdings war wohl die Bezeichnung der jungen Stürmerin Alayah Pilgrim als Manndeckerin von Juves Toptorjägerin Cristiana Girelli in solchen Situationen auch nicht die beste Wahl. Beeindruckend im Zürcher Spiel war vor allem das hohe Pressing über lange Spielphasen gegen diese Top-Gegner. So etwas hat man international von einer Schweizer Frauenmannschaft so noch nie gesehen. In der UEFA-Statistik der Balleroberungen liegen die FCZ Frauen denn auch in der Gruppenphase auf dem 6. Platz von 16 Teams – nur die Gruppengegnerinnen Lyon und Arsenal liegen in dieser Wertung klar weiter vorne. Bezüglich Tacklings und Paraden liegt man noch weiter vorne in der Wertung.

Julia Stierli: Daran zeigt sich der grosse Wille, den wir im Team haben. Wir können nur etwas reissen, wenn wir eine Super-Mannschaftsleistung abrufen. Dafür braucht es alle. Wir müssen viel laufen, weil die Anderen so viel Qualität haben. Wir konnten zeigen, dass wir mit viel Willen und Überzeugung etwas herausholen können. Klar fehlt uns noch etwas. Zum Beispiel, dass wir nach den Balleroberungen unsere Gegenstösse schön und ohne Fehler zu Ende spielen. Aber es ist überhaupt schon mal gut, dass wir diese Balleroberungen haben und dass wir zu Torchancen kommen. Wir hatten in gewissen Spielen recht viel Ballbesitz – das ist ein gutes Zeichen. Gerade auch im Vergleich mit früheren Spielen von Schweizer Frauenmannschaften gegen Top-Teams.
In welchen Bereichen haben die Spielerinnen in den Champions League-Gruppenphasenpartien gegen die Top-Gegnerinnen am meisten gelernt? Was können sie für ihre weitere Entwicklung mitnehmen?
Julia Stierli: Defensiv waren wir natürlich noch mehr gefordert als jeweils in der Meisterschaft. Die Champions League-Spiele haben uns gezeigt, dass wenn wir als Team kompakt verteidigen und den Matchplan umsetzen, es auch für ein Lyon oder Arsenal schwierig ist, Tore gegen uns zu erzielen. Offensiv sind wir in jeder Partie zu Chancen gekommen. Wir haben Qualität in der Offensive, Wir können in vielen Aktionen mit den Top-Gegnern mithalten. Der Unterschied zeigt sich dann aber über die vollen 90 Minuten.
Inka Grings: Die Erfahrung auf internationalem Niveau bestehen zu können. Im ersten Spiel gegen Juventus waren wir noch etwas passiv und entsprachen etwas dem Cliché der Schweizer Mentalität, erst mal abzuwarten. Wir haben dann aber gemerkt, dass wenn wir mutig und die Spielerinnen von sich selbst überzeugt sind, wir nicht nur über uns hinauswachsen, sondern sogar mithalten können. Wir haben selbst ebenfalls Top-Spielerinnen auf wirklich gutem Niveau.
Für mich war wichtig zu sehen, dass die Intensität in der wir in den zwei Jahren trainiert haben, mit all den Tests, die für die Spielerinnen sicherlich manchmal langweilig und nervig waren, auch funktionieren. Wir hatten (klopft auf den Tisch) bisher keine schweren Verletzungen, auch muskulär nicht. Wir können auf 90 Minuten hohe Intensität gehen. In der Liga haben wir in einem Top-Spiel vielleicht mal acht bis neun, höchstens zehn Kilometer zu laufen, je nach Position. Auf hohem Niveau kommen wir auf zehn bis zwölf Kilometer. Dass wir irgendwann auch mal den Faden verlieren, weil wir nicht ganz die Breite im Kader haben, das ist normal.
Aber zu sehen, dass die Spielerinnen erkennen, wenn sie mutig sind, an sich glauben, kompakt auftreten, sie wahnsinnig viel erreichen können: das ist Fussball. Man sieht das weltweit. Marokko kommt in den Halbfinal. Das sind alles Beispiele, die man als Spielerin aufnehmen muss. Es ist immer alles möglich. Ich versuche das auch immer wieder zu vermitteln. Und dass die Anstrengungen auch mal nicht von Erfolg gekrönt sind, so wie zuletzt, als wir bei Juve untergegangen sind, finde ich völlig normal. Auch dass man dann frustriert ist. Aber man kann auf Dauer auf diese Intensität aufbauen und stolz sein. Wir möchten im letzten Spiel nochmal alles abrufen. Ich bin davon überzeugt, dass wir es Arsenal so schwer wie möglich machen werden. Wir möchten zu Hause erhobenen Hauptes vom Platz gehen. Dann hat die Mannschaft wirklich viel richtig gemacht.
Arsenal muss in Schaffhausen auf ihre Weltklasse-Stürmerinnen Beth Mead und Vivianne Miedema verzichten, die kurz hintereinander beide einen Kreuzbandriss erlitten haben. Zuletzt kursierte eine Statistik, dass 25% aller Ballon d’Or-Kandidatinnen von dieser Verletzung betroffen seien. Kreuzbandriss ist allgemein im Fussball und speziell im Frauenfussball eine allzu häufige Verletzung. Dass es aber die Weltklasse-Profis, die im Vergleich zu einer in der Schweizer Liga engagierten Spielerin viel mehr Erholungszeit und sehr professionelle Bedingungen zur Verfügung haben, besonders häufig zu treffen scheint, erstaunt auf den ersten Blick.
Inka Grings: Die Statistik kenne ich nicht, da kann ich nicht darauf eingehen. Aber es ist natürlich bitter für die beiden Spielerinnen und für Arsenal. Da leide ich ein bisschen mit. Das hat immer auch mit Belastungssteuerung zu tun. Wie die Top-Vereine genau trainieren, kann ich nicht beurteilen. Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass der präventive Bereich wichtig ist. Dazu gehört einerseits Erholung, aber auf der anderen Seite auch mehr Krafttraining. Das ist elementar für die Frauen, die auf hohem Niveau spielen. Das Niveau, die Ansprüche, die Leistungsdichte wird höher. Man muss noch mehr investieren. Jeder Verein, jede Mannschaft hat andere Prinzipien und Philosophien, wie man mit Reha, Prävention, Kraft und Belastungssteuerung umgeht. Es gibt in der Schweiz und auch in Deutschland immer noch sehr viele Kreuzbandverletzungen. Das ist ein allgemeines Thema im Frauenfussball. Anatomisch bedingt ist das bei uns Frauen halt einfach die grösste Gefahr. Ich hoffe natürlich für jede Spielerin, dass sie es nicht erfahren muss.
Neben den Verletzungen ist die letzte Partie in Schaffhausen auch dadurch bestimmt, dass der FCZ bereits ausgeschieden und Arsenal wegen den Resultaten in den Direktbegegnungen mit Juventus und Lyon für die K.O.-Phase bereits qualifiziert ist. Hat dies einen Einfluss auf das Spiel?
Inka Grings: Nein, das hat keine Auswirkungen. Dass die beiden Spielerinnen ersetzt werden müssen, ist bitter, denn das sind Ausnahmespielerinnen. Miedema stand zwar nicht immer in der Startformation, hat aber zuletzt wieder eine wichtigere Rolle eingenommen und Tore geschossen. Mead ist natürlich auf einem noch höheren Niveau, was man an der EM gesehen hat. Aber Arsenal hat so einen starken Kader, dass wir einen Teufel tun würden, nur darauf zu setzen, dass es aufgrund der Tabellenkonstellation einfacher werden könnte. Im Gegenteil. Arsenal will sicherlich die Gruppenphase als Tabellenführer beenden. Für uns wird es keinen Deut einfacher.
Die vor rund einer Woche gerade erst 16 Jahre alt gewordene Stürmerin Leela Egli kam in dieser Champions League-Kampagne ebenfalls zu ihren Einsätzen. Wie sieht die angehende Nationaltrainerin Grings ihre Entwicklung?
Inka Grings: Ihre Entwicklung ist spannend. Sie bringt tolle Voraussetzungen mit, bindet sich auch gut ins Mannschaftsgefüge ein. Die Mannschaft macht es ihr auch leicht. Aber das fussballerische Potential sieht man mit jedem ihrer Einsätze. Hoffen wir, dass es fürs Arsenal-Spiel reicht, denn sie fällt gerade gesundheitlich aus. Sie hat einen Riesensprung gemacht, durfte in der Champions League spielen. Das hat sie nicht erhalten, weil ich nett bin oder sie nett ist, sondern weil sie die sportlichen Voraussetzungen mitbringt und der Mannschaft hilft. Sie ist frech, dynamisch. Ihr wünsche ich natürlich ebenfalls, dass sie gesund bleibt. Und dass sie nun wie man so schön sagt, Blut geleckt hat und noch mehr will. Die Bühne ist da. Nun liegt es an ihr, da hochzugehen. Aber das bedingt natürlich dann immer, dass man arbeiten muss.
Sich für eine gute Leistung zu wenig belohnt – FCZ Frauen nach dem 0:3 gegen Lyon
Den FCZ Frauen gelingt auch im dritten Champions League-Spiel der Saison 22/23 eine gute und phasenweise sogar äusserst starke Leistung gegen ein weiteres europäisches Spitzenteam, diesmal die Langzeitdominatorinnen des europäischen Frauenfussballs, Olympique Lyonnais. Im Gegensatz zu den Duellen vor sechs Jahren, als der FCZ gegen die Französinnen bei einem 0:8 und 0:9 chancenlos geblieben war, hätte diesmal mit etwas mehr Abschlusskonsequenz und Wettkampfglück auch ein Unentschieden rausschauen können – wie schon gegen Juve und Arsenal.
Naomi Mégroz und Julia Stierli hatten schon vor sechs Jahren bei den hohen Niederlagen gegen Lyon gespielt. Gerade die formidable Entwicklung Stierlis in den letzten Jahren steht symbolhaft für das diesmal deutlich kompetitivere Auftreten des ganzen Teams. Zwar startete dieses gegen die Titelverteidigerinnen aus Lyon zum ersten Mal in dieser Champions League-Kampagne etwas indisponiert in die Partie, was auch das etwas zu schnelle 0:1 durch die aktuell beste Lyon-Champions League-Torschützin Melvine Malard zur Folge hatte. Die Frauen von Inka Grings konnten sich dann aber nach etwa einer Viertelstunde fangen und kamen besser ins Spiel. In der 2. Halbzeit zogen sie sogar immer wieder ein beeindruckendes Pressing und phasenweise Powerplay auf mit der hintersten Linie zuweilen weit in der gegnerischen Hälfte.
Die junge dänische Top-Stürmerin Signe Bruun entschied die Partie dann aber mit je einem Treffer vor und nach der Pause. Während die Zürcher Hintermannschaft den Gegner am Boden sehr gut verteidigte, hatten die Verteidigerinnen und Torhüterin Friedli manchmal etwas Mühe bei Flanken. Friedli konnte dafür ihre Stärken im Eins gegen Eins und auf der Linie ausspielen. Im Umschaltspiel brachten die Zürcherinnen immer wieder schnell eine hohe Präsenz von fünf, sechs Spielerinnen an und in den gegnerischen Strafraum, machten aus diesen Situationen aber zu wenig. Anstatt eines Abschlusses aufs Tor folgte oft noch ein (unpräziser) Letzter Pass zu viel.
Beide Teams konnten sich in der 2. Halbzeit über eine spezielle Einwechslung freuen. Bei Lyon griff nach halbjähriger Verletzungspause die langjährige Weltklassespielerin Dzsenifer Marozsan erstmals wieder ins Geschehen ein und beim FCZ kam die 15 Jahre junge Stürmerin Leela Egli (beste Spielerin und Torschützin am letzten Blue Stars / FIFA Youth Cup) zu ihrem Champions League-Début – und ersetzte dabei Fabienne Humm. Die junge Stürmerin konnte in der Schlussphase ein, zwei Akzente in einem jungen Sturm mit Alayah Pilgrim (19) setzen. Akzente setzte zudem einmal mehr ein Teil der Südkurve, der eine für die Frauen Champions League aussergewöhnliche Stimmung in die zu einem Viertel gefüllte wefox Arena brachte.
Mégroz und Stierli wollen sich rehabilitieren / FCZ – Olympique Lyonnais Matchblatt
Olympique Lyonnais ist der langjährige Dominator und Krösus im europäischen Frauenfussball. In den letzten sieben Jahren gewannen die Französinnen sechs Mal den europäischen Klubwettbewerb – und acht Mal in den letzten zwölf Jahren. Über viele Jahre war Wolfsburg der einzige einigermassen ernsthafte Konkurrent. Zuletzt hat sich die Situation aber relativ schnell gewandelt. Die englischen Teams sind deutlich stärker geworden und vorletzte Saison schnappte sich erstmals Barcelona die Champions League-Krone.
Zwar holte sich Lyon im Juni den Titel im direkten Duell mit einem 3:1 gegen Barcelona zurück. Aber in der neuen Saison ist das Team von Coach Sonia Bompastor mit nur einem Punkt aus den ersten beiden Gruppenphasen-Partien gegen Arsenal (1:5) und Juve (1:1) gestartet. Die Heimklatsche gegen die Engländerinnen war ein Schock. Lyon war sich gar nicht mehr gewohnt, so wenig Ballbesitz zu haben und wirkte etwas ratlos. Bei Juve ging Olympique auch etwas sorglos mit seinen Torchancen um.
Nur einen Punkt und mit „-4“ dieselbe Tordifferenz wie der FCZ hat Lyon also auf dem Konto. Die Favoritinnen sind also unter Druck. In der Meisterschaft gewann man bisher mit einer Ausnahme (0:0 in Guingamp) alle Partien – allerdings nicht mehr mit so hohen Resultaten wie vielfach früher. Ein Zeichen, dass in der Mannschaft zur Zeit etwas der Wurm drin ist. Einige Starspielerinnen sind schon sehr lange dabei, haben sich aber zuletzt nicht mehr weiterentwickelt und befinden sich schon etwas über dem Zenit. Dazu kommen eine Reihe von Verletzungen.
Bompastors Team tritt in der Regel im 4-3-3 an. Heute stehen mit Van De Donk und Horan aber nur zwei nominelle Zentrale Mittelfeldspielerinnen in der Startformation.

Die bisherige Bilanz in Direktduellen der beiden heutigen Konkurrrenten ist aus Zürcher Sicht niederschmetternd: 1:7, 0:8, 0:9. Fast unglaublich mutet an, dass beim ersten Duell vor 14 Jahren auf beiden Seiten bereits eine der aktuellen Akteurinnen auf dem Platz standen: Vanessa Bernauer (FCZ) und Wendie Renard (OL). Die heutige Lyon-Trainerin Bompastor stand zudem ebenfalls auf dem Feld. In den beiden Duellen der Saison 16/17 (beide von Züri Live direkt übertragen) waren bereits Mégroz und Stierli bei den Zürcherinnen und Renard, Hegerberg, Mbock, Maroszan und Le Sommer für Lyon dabei.
Der FCZ lief in den ersten beiden Partien unterschiedlich auf. Gegen Juve agierte das Team von Trainerin Inka Grings im 4-3-3, während man in London in einem 4-4-2 mit Torschützin Seraina Piubel neben Fabienne Humm, die defensiv sehr viel mitarbeitete, antrat. Vom Matchblatt alleine ist noch nicht hundertprozentig klar, welche der beiden Varianten es heute geben wird. Auf jeden Fall sind Julia Stierli und Naomi Mégroz von Anfang an mit dabei. Sie wollen sich für die zwei hohen Niederlagen vor sechs Jahren revanchieren.

Einmaliges Doppelduell: Arsenal – FCZ im Emirates, Teil 1
Arsenal ist wieder die Nummer 1 – und führt nicht nur bei den Männern, sondern gleichzeitig auch bei den Frauen die beste Liga Europas an. Der FCZ darf im Emirates Stadion innert einer Woche zwei Mal gegen den aktuellen englischen Primus antreten. Die Frauen sind vorausgereist und wärmen die Sitze auf der Gästebank schon mal vor. Letzte Saison spielte die Frauenequipe von Arsenal in der Gruppenphase nur das letzte von drei Champions League-Heimspielen im Emirates. Zu den ersten beiden gegen Hoffenheim und Köge im Meadow Park kamen 800 Zuschauer, zum dritten gegen Barcelona im grossen Stadion dann 12’000. Das Viertelfinal-Heimspiel gegen Wolfsburg verfolgten 5’000 Augenpaare im Emirates Stadium. Diesmal findet bereits die erste Partie im Premier League-Stadion statt. Gegen den weniger prominenten Gegner aus Zürich kann man also wohl mit etwa 3’000 Zuschauern im grossen Rund rechnen.
Arsenal schockt Titelverteidiger Lyon
2008 trafen die beiden Teams im Europacup bereits einmal aufeinander. In Lyon gewann Arsenal dabei mit 7:2. Das war ein Jahr nach dem bisher immer noch einzigen europäischen Titelgewinn der weiblichen Gunners. Damals bereits dabei war der heutige Captain Kim Little! Sie gab 2008 gegen den FC Zürich ihr internationales Début mit drei Toren! Heute gehört die schottische Nationalspielerin nach zwischenzeitlichen Abstechern in die USA und nach Australien zum Stammpersonal im Arsenal-Mittelfeld. Die Arsenal-Aussenverteidigerin Noelle Maritz spielte 2011 bis 2013 zur selben Zeit in der 1. Mannschaft der FC Zürich Frauen wie die heutige FCZ-Trainerin Inka Grings. In der Schweizer Nationalmannschaft ist Maritz eine unverzichtbare Leistungsträgerin, bei Arsenal muss sie sich hingegen häufig hinter der Österreicherin Wienroither (nicht näher verwandt mit der GC-Stürmerin Wienerroither) hintanstellen.
Nach einer etwas harzigen Qualifikation für die besten 16 Europas gegen Ajax (2:2, 1:0) hätte der Start in die Gruppenphase für Arsenal nicht mit einem eindrücklicheren Statement beginnen können. Titelverteidiger Lyon wurde mit 5:1 aus deren eigenem Stadion geschossen. Ein Meilenstein! Auch wenn die Startruppe der Französinnen stark von der Verletzungshexe (Däbritz, Marozsan, Macario, Carpenter, Mbock) gezeichnet war. Das in der eigenen Meisterschaft weiterhin meist hochüberlegene Lyon konnte nicht damit umgehen, dass es gegen Arsenal aussergewöhnlich wenig Ballbesitz zu verzeichnen hatte.
Weltklasse-Spielerin auf der Ersatzbank
In der erst Mitte September gestarteten Meisterschaft ist Arsenal mit vier Siegen gestartet, zuletzt einem 2:0 in Liverpool. Am Sonntag wartet das Derby gegen West Ham. Wird Coach Jonas Eidevall gegen den FCZ etwas rotieren? Wenn man eine zur Weltklasse gehörende Stürmerin wie Vivianne Miedema als „Ersatz“ in der Hinterhand hat, scheint dies mit nicht allzu viel Risiko verbunden zu sein. Möglich ist unter anderem auch der erstmalige Europacup-Einsatz der amerikanischen Nr. 2 zwischen den Pfosten, Kaylan Marckese (24), die im Sommer vom dänischen Meister Köge gekommen ist. Die Nr. 1 ist mit der Österreicherin Manuela Zinsberger eine der besten Torhüterinnen der Welt.

Beim FCZ stellt sich die Frage, ob Stammtorhüterin Seraina Friedli bereits wieder fit ist. Zum Europacup-Auftakt gegen Juventus fieberte sie noch auf der Tribüne mit. Die junge Lourdes Romero machte ihre Sache im Kasten der Zürcherinnen allerdings gut. Mögliche Wechsel im Vergleich zum Spiel in Schaffhausen bieten sich zum Beispiel auf der linken Seite an (Wos und Pando für Rey und Dubs).

FCZ Frauen scheitern an Details
Die FCZ Frauen bringen zum Auftakt der Gruppenphase 22/23 der besten 16 Mannschaften Europas eine insgesamt gute Leistung auf den Platz. Das konsequente defensive Verschieben bringt die Gegnerinnen immer wieder zur Verzweiflung. Nadine Riesen, Fabienne Humm, Vanessa Bernauer und Laura Vetterlein gelingt gar eine Top-Leistung. Letztendlich nutzt Juventus die wenigen Schwachpunkte der Zürcherinnen aber aus und gewinnt in Schaffhausen durch Tore Cernoias und Bonanseas spät mit 2:0. Eleni Markou nach der Partie und Alissia Piperata in der Pause standen Züri Live für Kommentare zur Verfügung.
Link: Vorschau FCZ – Juventus
„Haben interessanten Plan“ / Champions League FCZ Frauen – Juventus Vorschau mit Interviews
Nach 13/14, 14/15, 16/17 und 18/19 haben es die FCZ Frauen in zehn Saisons zum fünften Mal unter die besten 16 Europas geschafft. Anstatt eines Achtelfinals mit Hin- und Rückspielen tragen diese 16 Teams seit letzter Saison eine Gruppenphase aus. Die Gegner sind mit Titelverteidiger und Champions League-Rekordsieger Lyon, sowie den beiden letztjährigen Viertelfinalisten Juventus und Arsenal ziemlich nahrhaft. Die Gruppe ist sogar noch etwas stärker als diejenige von Servette letzte Saison. Die Genferinnen haben vor Jahresfrist die Gruppenphase mit null Punkten und 0:23 Toren beendet.
Juventus ohne Starspielerin Beerensteyn
Gegen den Zürcher Auftaktgegner Juventus hat Servette letzte Saison 0:3 sowie 0:4 verloren. FCZ-Trainerin Inka Grings lobt das direkte Spiel durch die Mitte, aber auch über die Flügel, sieht aber für ihre Mannschaft gewisse Vorteile darin, dass die italienischen Serienmeisterinnen zu diesem Zeitpunkt der Saison noch nicht ganz eingespielt seien. Tatsächlich hat der australische Coach Joe Montemurro in Partien gegen schwächere Gegner einigen Akteurinnen aus der 2. Reihe eine Chance gegeben.

Es hat sich aber trotzdem in den ersten Runden der Liga und des Europacups (Juve setzte sich unter anderem gegen die dänischen Meisterinnen aus Köge durch) eine Stammformation und das 4-3-3 als durchgehend implementiertes Spielsystem etabliert. Das Grundprinzip der Mannschaftszusammenstellung dabei: nordische Defensive hinter einer italienischen Offensive mit einigen äusserst erfahrenen Nationalspielerinnen wie Gunnarsdottir, Gama, Girelli oder Bonansea. Juve nimmt die Auftaktpartie in die Gruppenphase sehr ernst, muss aber auf die angeschlagene holländische Starspielerin Lyneth Beerenstein (Sommer-Transfer von Bayern) verzichten.
„Zu jung“ – Top-Talent Schertenleib wird von UEFA Spielberechtigung verweigert

Der FCZ liegt aktuell in der Liga-Tabelle auf dem 3. Platz hinter Servette und YB. Durch den verletzungsbedingten Ausfall von Torhüterin Seraina Friedli wurde die 19-jährige Lourdes Romero (wie Friedli eine Rückkehrerin zum FCZ) zu Beginn der Saison ins kalte Wasser geworfen, was seinen Teil zu den beiden Niederlagen gegen Servette und im Derby beitrug. Inka Grings lobt aber die Entwicklung der aus Konstanz stammenden Romero in den letzten Partien. Auch dass sich das Team nach dem grossen Umbruch im Sommer relativ schnell gefunden hat, erwähnt Grings als positiven Aspekt. Die neue Mannschaft wirkt aus Züri Live-Sicht gar ausgewogener besetzt, zielstrebiger und physisch stärker.
Die FCZ Frauen spielen aktuell ebenfalls am liebsten im 4-3-3. Allerdings hat Inka Grings für die Startaufstellung beziehungsweise Spielweise einen „interessanten Plan“ angekündigt. Im Durchschnitt ist das Team des FCZ etwas jünger, als dasjenige von Juventus. Die Extrembeispiele dafür sind die beiden grossen Zürcher Talente Leela Egli und Sydney Schertenleib (beide 15 Jahre jung). Stürmerin Egli wird im Kader gegen Juventus mit dabei sein, während Schertenleib als Jahrgang 2007 aufgrund einer UEFA-Regel noch nicht mittun darf. Zuletzt hat die sowohl technisch wie physisch starke Mittelfeldspielerin in der Liga gegen St.Gallen die Siegsicherung zum 5:3-Auswärtssieg sichergestellt. Egli und Schertenleib sind auch die ersten, die bei den Jungs in der U16 von Coach Dani Gygax mittrainieren und auch zum Einsatz kommen könnten (bisher war das Maximum-Level für Mädchen die U15).
Laura Vetterlein über Fabienne Humm: „Hatte fast Tränen in den Augen“
Zu den erfahreneren Spielerinnen im Kader des FCZ gehört hingegen die aus Rheinfelden (DE) stammende Laura Vetterlein, die damit wie Romero unweit Zürichs knapp ennet der Grenze aufgewachsen ist. Nach Erfahrungen in Wolfsburg und bei West Ham will sie den FCZ Frauen in ihrer zweiten Saison weiter Stabilität und Ruhe im Spielaufbau vermitteln.
FCZ Podcast: Züri i weniger als 93 Minute – Folg 7/22: Knall auf Fall – mit Fredy Bickel
Pinther schiesst die FCZ Frauen in die 2. Runde der Champions League
In den Halbfinal der 1.Runde der Champions League gegen Klaksvik von den Färöer-Inseln stiegen die FCZ Frauen als Favorit und wurden dieser Rolle mit einem 6:0-Sieg auch gerecht. Die Apollon Ladies im Final waren hingegen ein Gegner auf Augenhöhe. Die Zypriotinnen haben es im letzten Jahrzehnt regelmässig unter die besten 32 Teams Europas geschafft. Auf der Mittelmeerinsel findet schon seit längerer Zeit eines der internationalsten Teams im Frauenfussball zusammen – mit Spielerinnen aus der ganzen Welt von Indien über Uganda bis Chile. Darunter sind neben Talenten im Teenageralter und etwas älteren ehemaligen College-Spielerinnen auch sehr erfahrene Akteurinnen, die in den höchsten Ligen Spaniens, Italiens, Frankreichs und Deutschlands engagiert waren.
Pinther reagiert schnell auf Torhüterinnenfehler
Dementsprechend war die Aufgabe für die FCZ Frauen auch nicht einfach. Nach rund einer halben Stunde hatte für Apollon die Rumänin Iordachiusi eine gute Chance nach einem erfolgreichen Pressing und die Zypriotin Savva erwischte FCZ-Keeperin Friedli beinahe mit einem direkt verwandelten Eckball. In der Schlussphase verpasste auf der anderen Seite Aussenverteidigerin Naomi Mégroz nach Flanke der anderen Aussenverteidierin Nadine Riesen per Kopf freistehend die Siegsicherung. Mit Friedli, Rey, Bernauer und Pinther standen vier Neuverpflichtungen in der Startformation, wobei Friedli und Bernauer Rückkehrerinnen sind. Zur Pause wechselte FCZ-Trainerin Inka Grings zudem unter anderem die ehemalige Apollon-Spielerin Eleni Markou ein.
Die am linken Flügel im Dreiersturm auflaufende Österreicherin Viktoria Pinther sorgte bei einem Konter in der 60. Minute für die Entscheidung. Seraina Piubel hatte einen Ball unerreichbar für Fabienne Humm zu steil in die Tiefe gespielt, was die amerikanische Apollon-Torhüterin Jenkins dazu verlockte, weit aus dem Strafraum herauszukommen. Sie schoss aber Humm an den angelegten Arm, von wo der Ball zu Pinther prallte, die schnell schaltete, und aus etwa 30 Metern mit Links direkt ins verwaiste Tor traf. Der FCZ wird für die 2. Runde Ende September, in der es in Hin- und Rückspiel um den Einzug in die Gruppenphase geht, voraussichtlich gesetzt sein. Mögliche Gegner sind: Rangers, Valur Reykjavik, Köge, Kharkiv, SFK-2000. Brann Bergen und Kuopio. Fünf mögliche Gegner sind also im Norden beheimatet, zwei im Osten.
Auf dem „Ligaweg“ hat die AS Rom Paris FC ausgeschaltet, Ajax obsiegte gegen Frankfurt und Real Madrid gegen Manchester City. Diese Resultate zeigen, dass die Spitze des europäischen Frauenfussballs breiter geworden ist und die Resultate in der UEFA Women’s Champions League nicht mehr so extrem vorhersagbar sind, wie noch vor ein paar Jahren.
Telegramm
Apollon Ladies – FCZ Frauen 0:1 (0:0)
Tor: 60. Pinther 0:1.
Apollon: Jenkins; Taylor, Gomez, Hardy, Ricks (73. Anokye); Iordachiusi (73. Kalyan), Bedoya; Helmvall (84. Oppong), Panagiotou, Savva; Rojas (73. Acheampong).
FCZ: Friedli; Riesen, Stierli, Vetterlein, Rey (46. Mégroz); Bernauer (46. Markou); Höbinger (87. Schärz), Piubel; Dubs (69. Pando), Humm, Pinther (81. Wos).
P.S.: Am 3. Dezember 2014 spielte die 1. Mannschaft es FCZ das bisher einzige Mal im Cup gegen den SC Cham. Eine Woche davor empfing man im Letzigrund Apollon (3:1). Nun spielten acht Jahre später die FCZ Frauen am gleichen Tag im Europacup gegen die Apollon Ladies, wo die Männer zum zweiten Mal dem SC Cham begegneten.
Apollon auf Züri Live
„Mannschaft für die Liga“ trifft auf Team für den Europacup / FCZ – Qarabag in der Züri Live-Analyse
Man muss kein junger Spieler sein, um Anfängerfehler zu begehen. Ole Selnaes (28) und Ivan Santini (33) unterliefen die Malheurs, die zu den beiden Gegentreffern im Letzigrund führten. Beim ersten Gegentor spielte Qarabag einen perfekten Konter – bis zur Hereingabe des Rechten Flügels Sheydaev in den Strafraum, die bei Selnaes landete. Dieser hätte den Ball ins Seitenaus spedieren können, ja müssen! Stattdessen versuchte der Norweger den Ball in einer unübersichtlichen Situation im eigenen Strafraum gegen einen anstürmenden Gegner zu stoppen, als hätte er alle Zeit und Musse der Welt. Der Ball versprang ihm dann sogar noch an den Fuss von Condé und spickte von dort vor die Füsse Kadys, der sich nicht zwei Mal bitten liess. Selnaes ist das Sinnbild einer Mannschaft, die explizit für die Liga zusammengestellt wurde. Man nahm in Kauf, Spieler zu holen, von denen man wusste, dass sie zu Beginn Anlaufzeit brauchen.
Mehrere FCZ-Akteure weit von Bestverfassung entfernt
Selnaes hat drei Jahre in der Chinesischen Super League gespielt, die ein deutlich tieferes Niveau aufweist, als die Schweizer Super League. Seine Erste Halbzeit gegen Qarabag war ordentlich bis gut (Züri Live-Note: 6). Nach der Pause baute er dann aber relativ rasch ab und beging so den entscheidenden Fehler (Züri Live-Note Zweite Halbzeit: 2). Ausgewechselt wurde er erst in der 70. Minute. Schon im Auswärtsspiel in Baku wollte Trainer Foda zu Beginn mit Marc Hornschuh Routine ins Mittelfeld bringen: was schief ging – Schnelligkeit, Wendigkeit, Technik sind auf diesem Niveau wichtiger. Ivan Santini hatte gegen Luzern gute Ansätze gezeigt. Gegen Qarabag verlor er aber die Mehrzahl der Kopfballduelle und verursachte mit seinem Ballverlust im Mittelfeld hauptsächlich den zweiten Gegentreffer. Bei diesem verteidigte Mirlind Kryeziu in einer zwei gegen zwei-Situation wie in einer Dreierabwehr, obwohl sein Team mittlerweile auf Viererabwehr umgestellt hatte. Yanick Brecher verschob sich ausserdem zu langsam und liess die nahe Torecke für den Schützen Owusu weit offen.

Ganz anders Qarabag: Qurban Qurbanovs’s Team spielt personell und von der taktischen Formation her praktisch immer gleich. So wie der FCZ letzte Saison. Bezüglich Spielweise war Qarabag in den vier Partien gegen Lech Poznan und den FCZ hingegen sehr variabel: mal mit Angriffen über die Seiten, dann wieder durch die Mitte, mal mit aggressivem Gegenpressing in Baku, dann wieder eher auf Konter lauernd wie im Rückspiel im Letzigrund. Die Stammformation von Qarabag ist qualitativ mit YB vergleichbar – auf einigen Positionen etwas besser besetzt, auf anderen etwas schlechter. Einen Spieler, der wie Kady in einem wichtigen Spiel einen Eckball von links mit dem linken Aussenrist äusserst scharf direkt aufs Tor ziehen kann, gibt es in der Super League nicht. Beim Vergleich der Ersatzbänke ist YB aber besser. Qarabag ist eine eingespielte Equipe mit mehrheitlich Fussballern im Zenit ihres Schaffens. Der Marktwert ist tiefer, als derjenige des FCZ. Dies ist aber eine Messgrösse des individuellen Zukunftspotentials der Spieler eines Kaders.
Qarabag mit weniger Energie und mehr Fehlern als im Hinspiel
Qarabag zeigte in den Begegnungen mit dem FCZ hingegen mehr „Gegenwartspotential“ als Team. Ein Grossteil der Marktwertdifferenz zwischen den beiden Mannschaften machen Becir Omeragic und Wilfried Gnonto aus, die beide in diesen Partien keine wesentliche Rolle spielen konnten. Der letztjährige Top-Joker Gnonto wird aktuell als Stammspieler in die Verantwortung genommen und hat es in den ersten Saisonpartien noch nicht geschafft, diese neue Rolle mit genügend Inhalt zu füllen. Speziell in den ersten 45 Minuten kommt von ihm jeweils zu wenig. Omeragic ist im Aufbau nach seiner Meniskusverletzung. Mehrere ältere Spieler sind noch auf der Suche nach dem Rhythmus oder ihrer Form. Der FCZ hatte im Vergleich mit Qarabag zu viele Spieler an Bord, die möglicherweise mal gut werden oder früher mal gut waren – anstatt solchen, die im Hier und Jetzt gut sind und performen.

Vieles sprach in diesem Spiel eigentlich für den FCZ. Qarabag trat deutlich weniger überzeugend auf, als in den Heimspielen. Der Auftritt erinnerte eher etwas an die 0:1-Niederlage bei Lech Poznan. Das frühe 1:0 des FCZ ähnelte dem damaligen Führungstreffer der Polen sehr stark: schnelles Umschaltspiel über rechts und in der Mitte ist der Captain der Aserbaidschanischen Nationalmannschaft Medvedev indisponiert. Man schien dem Gästeteam die Reisestrapazen anzumerken – auch wenn der Jet Lag bei einem Flug Richtung Westen weniger schlimm sein soll, als umgekehrt. Sie gingen nicht so intensiv ins Pressing wie zuhause, viele Bälle versprangen oder kamen nicht beim Mitspieler an – speziell Spielgestalter Almeida zog einen schwachen Tag ein. Und während der Partie musste Coach Qurban Qurbanov nach und nach seine ganze Defensivabteilung austauschen, so dass ab der Zweiten Halbzeit die Reserve-Defensive auf dem Platz stand. Qarabag setzte in Zürich zudem immerhin zehn Aserbeidschanische Spieler ein.
Defensive Steigerung von Spiel zu Spiel beim FCZ
Wie im Hinspiel war die Schiedsrichterleistung grundsätzlich gut, aber trotzdem mit einzelnen fragwürdigen Entscheiden in heiklen, unübersichtlichen Szenen auf beiden Seiten. Und es waren die gleichen Themen wie in Baku. Der FCZ profitierte dort von einem Offsidetor Kamberis bei Freistoss Guerrero – diesmal stand Santini beim 2:1 in der Nachspielzeit der Zweiten Halbzeit mit einem Fuss wohl ganz knapp im Offside, auch wenn es mit den vorhandenen Kameraperspektiven nicht hundertprozentig auflösbar ist. Wie in Baku hätte es auch in Zürich eine Rote Karte wegen Notbremse gegen einen Qarabag-Verteidiger geben müssen – beide Male wurde der schnelle Rohner von hinten umgestossen, diesmal von Badavi Hüseynov. Ausserdem profitierte Qarabag davon, dass die Fouls von Bajramov gegen Kamberi sowie Wadji gegen Rohner in der Entstehung des 1:1-Ausgleichs von den Unparteiischen übersehen wurden.
Insgesamt kann nach eingehender Analyse der Partie die Leistung des FCZ aber positiver beurteilt werden, als dies in der Schlussanalyse der Radio-Übertragung direkt nach dem Spiel noch der Fall gewesen war. Die Durschnittsnote der Mannschaft ist 6,5, die höchste bisher in dieser Saison, knapp vor dem Auswärtsspiel in Baku (6,3) – wobei es in der Verlängerung einen Leistungsabfall gab (5,5). Neun Spieler kamen gegen Qarabag zu Abschlüssen. Es gab sehr viele gute Offensivaktionen, der FCZ kam vor allem häufig erfolgsversprechend über die Seiten. „Uhrwerk“ Nikola Boranijasevic (MVP) spielte sich mit insgesamt zehn qualitativ hochstehenden Flanken fast schon in einen Rausch. Und die Defensivnoten der Mannschaft haben sich bisher von Spiel zu Spiel gesteigert. Auch Stürmer wie Tosin, Okita oder Gnonto erledigen ihre Defensivaufgaben diszipliniert. Die Qualifikation Qarabags für die nächste Runde war zwar nicht gestohlen, aber nach Expected Goals und Offensivszenen hätte der FCZ eher weiterkommen müssen. Im Rückspiel gehörte die erste halbe Stunde beider Halbzeiten und auch die Zweite Halbzeit der Verlängerung fast komplett dem Heimteam. Im Hinspiel in Baku spielte in der Zweiten Halbzeit ebenfalls praktisch nur der FCZ. Vor allem haben die Zürcher für die kommenden Wochen und Monate noch einiges an Potential nach oben bei Neuzugängen, letztjährigen Schlüsselspielern und auch jüngeren Akteuren, die einen Schritt nach vorne gemacht haben.