Schlagwort: Chiasso
Frage der Woche: Ist das frühe Cup-Ausscheiden gegen einen Unterklassigen für den FCZ Ausgabe 20/21 ein schlechtes Omen?
Von den zehn letzten Absteigern (Vaduz und FCZ ausgenommen) schieden gemäss Statistik von Züri Live-Experte Toni Gassmann die Hälfte in der Abstiegssaison früh gegen einen Unterklassigen aus dem Cup aus.
Magnin verzichtet diesmal auf Systemumstellung zur Lösung des Pressingproblems / Chiasso – FCZ 3:2 in der Analyse
Für eine ausgesprochene Cupmannschaft wie den FC Zürich ist so eine Niederlage wie in Chiasso gleich zum Auftakt der Saison 20/21 kolossal. Nicht nur ist der FCZ seit neun Jahren (damals gegen den Challenge League-isten St. Gallen: Link zum Spiel) nicht mehr gegen einen Unterklassigen ausgeschieden, sondern auch gegen gleichklassige Mannschaften gab es im Schnitt deutlich bessere Resultate als in der Meisterschaft – selbst gegen Spitzenteams. Dabei hat man jeweils in den Cup-Partien nicht besser gespielt, man geriet nicht selten in Rückstand und es wurde selbst gegen Underdogs immer wieder eng. Aber im Cup zeigte der FCZ unter verschiedenen Trainern immer wieder die Winner-Mentalität, auch schwierige Spiele noch zu gewinnen.
Breston Malula: bester Mann in seinem ersten Profieinsatz
Cup-Spiele gegen Unterklassige wie in Chiasso, die ausgeglichen verliefen, oder sogar mit leichten Vorteilen für den Aussenseiter, gab es immer wieder. Dann erzwangen die Zürcher ihr Glück jeweils beispielsweise mit einem Standard. Diesmal entschieden zwei Standards und ein Konter zugunsten der Südtessiner. Chiasso hatte gegen den FCZ mehr Ballbesitz, mehr Abschlüsse und einen höheren Wert an erwartbaren Toren – wenn auch letzteres nur aufgrund des Penaltys. Dieser Penalty war durchaus gerechtfertigt. Koide hatte einen Bahloul-Freistoss mit gutem Timing eigentlich optimal per Kopf geklärt. Domgjonis Arm vergrösserte dessen Körperfläche und machte im eigenen Strafraum eine leichte Bewegung zum Ball. Der Stammspieler der letzten Saison war diesmal erst in der 77. Minute für Hekuran Kryeziu eingewechselt worden und fand nicht richtig ins Spiel.
Der Wechsel stand im Zusammenhang mit einem taktischen Problem, das der FCZ im Riva IV seit Beginn des Spiels mehr schlecht als recht zu bewältigen versuchte. Dieses erinnerte stark an die Anfangsphase des Auswärtsspiels in Thun am 1. Juli (2:3 nach frühem 0:3-Rückstand: Link zum Spiel). Damals fokussierte man das Pressing der zwei Stürmer gegen den Thuner Spielaufbau mit dem zentralen Dreizack (zwei Innenverteidiger, ein Sechser) vor allem darauf, Leonardo Bertone aus dem Spiel zu nehmen – was auch gelang. Aber die Innenverteidiger Havenaar und vor allem Stillhart nutzten ihre dadurch gewonnenen Freiheiten, um ungeahnte Spielmacherqualitäten von hinten heraus an den Tag zu legen und die frühe hohe Führung der Berner Oberländer entscheidend einzuleiten. Diesmal versuchte der FCZ zu Beginn eher die Innenverteidiger an der Entfaltung zu hindern und liess den Sechser Breston Malula gewähren. Dieser wurde so zum besten Mann auf dem Platz – und dies in seinem allerersten Spiel im Profibereich. Die langen Bälle des 19-jährigen hinter die aufgerückte Zürcher Viererkette taten dem FCZ weh – zum Beispiel beim 2:0 Chiassos in der 35. Minute.
Chiasso profitiert von YBs fast inexistenter Integration des eigenen Nachwuchses
Malula, aus dem YB-Nachwuchs als Mittelfeldpuncher bekannt, ist wie Stillhart ein Spieler, der im Duell mit dem FCZ erstmals zusätzliche Facetten seines Könnens auf den Platz bringen und ausleben konnte. Der 1,94m-Mann gehört zu denjenigen Talenten, die man sich durchaus bei YB in der 1. Mannschaft hätte vorstellen können und in einem Klub wie Luzern, FCZ, St. Gallen und möglicherweise selbst Basel diesen Schritt wohl auch geschafft hätte. Beim dreifachen Schweizer Meister hingegen sind die Ansprüche hoch, und der eigene Nachwuchs hat es sehr schwer. In den letzten sechs Jahren ist Mittelfeldspieler Michel Aebischer der einzige (!) eigene Nachwuchsmann, welcher bei YB den Durchbruch in der 1. Mannschaft geschafft hat. Selbst beim nicht als die grösste Nachwuchshochburg der Schweiz bekannten FC Sion waren es in der gleichen Zeitperiode je nach Zählweise sechs bis acht (Maceiras, Toma, Grégory Karlen, Sierro, Akolo und Edimilson – plus Morgado und Follonier, die beide eine halbe Saison Stammspieler waren) – zwei davon spielen heute notabene bei YB.
In der aktuellen Saison wurden gerade mal zwei Spieler aus dem Nachwuchs offiziell nach SFL-Seite in die 1. Mannschaft transferiert – aber einer (Schüpbach) wurde gleich weiter an Winterthur verliehen, der andere (Maier) spielt weiterhin in der U21. Und selbst das absolute Top-Talent Mambimbi hat es schwer, sich einen ähnlichen Status wie beim FCZ sein Juniorennati-Kollege Simon Sohm zu erkämpfen, der mittlerweile für die A-Nationalmannschaft aufgeboten worden ist. Trotzdem war es im Sommer erstaunlich, dass Chiasso nicht nur Sofian Bahloul halten und mit einem längerfristigen Vertrag ausstatten, sondern auch einen Breston Malula ins Mendrisiotto holen konnte. Auch das dritte Chiasso-Tor bereitete dieser mit einem erfolgreichen Zweikampf mit seinem Konterpart Simon Sohm an der Seitenlinie vor. Der daraus resultierende Freistoss führte zum Elfmeter. Dem um ein halbes Jahr jüngeren Sohm gelang abgesehen von zwei, drei entscheidenden Fouls weitgehend eine gute Partie. Es war erfrischend zu sehen, wie selbstverständlich er die Spielmacherrolle übernahm. Das, was bei ihm letzte Saison ansatzweise zu sehen war, will er jetzt konstant auf den Platz bringen.
Ludovic Magnin verzichtet auf Systemumstellung während der 1. Halbzeit wie in Thun
Sohms Mittelfeldkollege Hekuran Kryeziu wurde etwa nach einer halben Stunde dazu verknurrt, die Lücke im Pressing behelfsmässig zu schliessen, in dem er ständig zwischen vorderster und mittlerer Pressinglinie hin- und herrannte und so manchmal den Sechser Malula stören konnte und manchmal auch nicht – eine ermüdende Aufgabe: daher wohl die Auswechslung für Domgjoni, welcher danach dieselbe Rolle übernahm. In Thun hatte Magnin das Problem noch anders gelöst: mit einer Systemumstellung auf ein 3-4-1-2. Eine solche wäre in Chiasso mit dem vorhandenen Personal ebenfalls sehr gut möglich gewesen: Brecher – Britto, Bangura, Nathan – Schönbächler, H. Kryeziu, Sohm, Schättin – Kololli – Kramer, Ceesay.
Dass man bei einem Gegner mit einer komplett neuen Mannschaft und neuem Trainer vorgängig nur schwer erahnen kann, wie dieser im ersten Wettbewerbsspiel agieren wird (4-1-4-1 System, möglichst flach im Aufbau), ist verständlich – die fehlende Systemumstellung während der 1. Halbzeit bleibt hingegen vorderhand ein Rätsel. Chiasso seinerseits, welches schon seit vielen Jahren unter verschiedenen Trainern zu den taktisch ausgereiftesten Teams der ganzen Swiss Football League gehört, war sogar in der Lage, bei Pressing-Vorstössen Kryezius den Spielaufbau kurzfristig von einem Dreieck auf einen Rhombus umzustellen. Zumindest teilweise hätte man aus Zürcher Sicht das Problem lösen können, wenn Kramer und Ceesay eine etwas geschicktere Staffelung hingekriegt, oder Benjamin Kololli mehr mitgeholfen hätte, anstatt sich beispielsweise während eines Hohen Pressings der Teamkollegen auf der anderen Platzseite auszuruhen.
Beim zweiten Gegentor war zudem einmal mehr die mangelhafte Defensivarbeit Marco Schönbächlers ein entscheidender Faktor. Weil der von Schönbächler nicht unterstützte Britto gegen Andrist und den ebenfalls nach vorne Richtung nahen Pfosten stürmenden Linksverteidiger Conus auf sich alleine gestellt war, musste Nathan rauskommen, um zu helfen. Damit musste der leichtgewichtige Bangura die Deckungsarbeit gegen den grossgewachsenen Stürmer Sifneos übernehmen und vermochte diesem beim hohen Ball prompt nicht standzuhalten. Weil Yanick Brecher zudem spekulativ einen Schritt in die falsche Richtung machte, konnte er bei Sifneos‘ Kopfball ebenfalls nicht mehr eingreifen.
Auch Kololli liess seinen Hintermann Schättin in der Verteidigungsarbeit auf der linken Seite viel zu häufig alleine, machte es im Gegensatz zu Schönbächler dann aber zumindest im Spiel mit Ball besser, als er beispielsweise vor dem 1:2-Anschlusstor mit einem guten Laufweg seinen Gegenspieler Stabile so lange in der MItte „festnagelte“, dass dieser schlussendlich zu spät Richtung Schättin rausstürmte und von diesem vor der erfolgreichen Flanke auf Ceesay einfach ausgetanzt werden konnte. Zugute kam dem FCZ in dieser Situation auch, dass Bahloul ebenfalls zu spät in der Defensive mithalf und so die linke Zürcher Seite komplett „leergeräumt“ war.
Umaru Bangura ist MVP – irregulärer Eckball-Treffer zum 1:0
Wie in den Testspielen angedeutet, hat Assan Ceesay die Zeit bei Osnabrück gut getan. Der Gambische Stürmer wirkt schnörkelloser und vielseitiger in seinem Spiel, hat unter anderem im Kopfballspiel und bei eigenen Flanken Fortschritte gemacht. Tobias Schättins grösste Stärke, häufig präzise Flanken schlagen zu können, konnte man ebenfalls bereits in den Tests und zuvor bei Winterthur beobachten – ebenso wie sein defensives Steigerungspotential. Salim Khelifis Auftritt war hingegen völlig missraten: da ändert auch sein eher zufälliges Assist zum zufälligen 2:2 Assan Ceesays (bewirkt immerhin durch ein Forechecking des in dieser Szene engagierten Kololli) nichts. Der Waadtländer verlor ansonsten sowohl Offensiv- wie Defensivzweikämpfe zum Teil auf klägliche Art und Weise. Der für den schlecht in die Partie startenden und sich dann auch noch verletzenden Becir Omeragic früh eingewechselte Umaru Bangura war hingegen trotz der Nicht-Verhinderung des 0:2 mit seinen starken Spieleröffnungen und Rettungsaktionen vorne wie hinten (manchmal nur wenige Sekunden nacheinander an völlig verschiedenen Orten auf dem Feld) zusammen mit Henri Koide der beste Zürcher in einer Mannschaft, die mit einem ungenügenden Züri Live-Notenschnitt von 4,7 in die Saison startet.
Einen Fehlentscheid von Schiedsrichter Fedayi San gilt es noch anzufügen: beim 1:0 Chiassos durch einen direkt verwandelten Corner Sofian Bahlouls wurde Torhüter Yanick Brecher im Fünfmeterraum von Stephan Andrist unterlaufen und verfehlte deshalb den Ball. Andrist kümmerte sich dabei überhaupt nicht um den Ball, sondern hatte alleine das Ziel, Brecher in dessen eigenes Tornetz zu stossen – eine schon vorher so einstudierte Variante, weil Chiasso wusste, dass auf diese Art und Weise ein direkt verwandelter Eckball möglich ist. Mit VAR wäre der Treffer ziemlich sicher aberkannt worden. Bei einem ähnlichen, aber viel geringeren Vergehen des ehemaligen FCZ-Juniors Luka Stevic an Marco Schönbächler im Mittelfeld hat Schiedsrichter Fedayi San kurz darauf auf Foul entschieden – und der Torhüter müsste im eigenen Fünfmeterraum eigentlich zusätzlichen Schutz geniessen.
Chiasso – FC Zürich 3:2 (2:1)
Tore: 17. Bahloul 1:0, 35. Sifneos (Andrist) 2:0, 40. Ceesay (Schättin) 2:1; 76. Ceesay (Khelifi) 2:2, 88. Bahloul (Handspenalty) 3:2.
Chiasso: Jacot; Stabile, Magnin, Gamarra, Conus (77. Zunic); Malula; Bahloul, Nzila (63. Strechie), Stevic (51. Pasquarelli), Andrist; Sifneos.
FCZ – Brecher; Britto, Nathan, Omeragic (30. Bangura), Schättin; Schönbächler (61. Koide), H. Kryeziu (77. Domgjoni), Sohm, Kololli; Kramer (61. Khelifi), Ceesay.
(Standbilder: SRF)
Ludovic Magnin verspricht personelle Wechsel nach der Cup-Pleite in Chiasso: YB – FCZ Vorschau mit Frage zum Spiel
Gegen Chiasso hat der FCZ im Cup gegen eine junge, noch kaum eingespielte Mannschaft schon wieder drei Gegentore kassiert. Die defensive Schwäche auf den Seiten traten auch gegen die Südtessiner wieder zutage mit einem ersten Gegentor durch Corner von der linken Zürcher Seite (begünstigt durch ein Stürmerfoul von Andrist an Brecher) ein zweites durch einen Konter über die eigene rechte Seite und ein drittes wiederum durch ein Handspiel Domgjonis im Anschluss an einen Freistoss auf der eigenen linken Seite – verursacht durch Simon Sohm nach einem Zweikampf mit dem besten Mann auf dem Platz, Breston Malula. Und nun warten mit YB die Schweizer „Könige“ des Spiels über die Flügel und der hohen Bälle in den Strafraum, die sich auf diesen Positionen mit dem St. Galler „Aussenverteidigermonster“ Silvan Hefti noch weiter verstärkt haben.
Beim FCZ glaubt man an Mannschaft und Trainer und hofft, dass das Gezeigte im Training so umgesetzt werden kann, dass es zu einem besseren Saisonstart als letzte Saison reicht. Mit Fabian Rohner und Aiyegun Tosin werden dabei die beiden für rechts wohl als Stammspieler vorgesehenen Akteure in Bern voraussichtlich weiterhin fehlen. Trotzdem äussert Trainer Magnin an der Pressekonferenz vom Freitag im FCZ Museum, dass er für Bern personelle Änderungen in der Mannschaft vornehmen will. Naheliegende Personalien sind dabei sicherlich der im Tessin gesperrte Antonio Marchesano oder Neuverpflichtung Lasse Sobiech. Henri Koide hätte nach seinem erneut sehr guten Einsatz im Cup vor Wochenfrist (bester Zürcher neben dem ebenfalls eingewechselten Umaru Bangura) sicherlich eine Startelfnominierung verdient. Kommt auch Toni Domgjoni in die Startformation zurück, obwohl er in Chiasso nach seiner Einwechslung schlecht gespielt hat? Mit grosser Wahrscheinlichkeit weiterhin nicht dabei sein wird Mirlind Kryeziu. Der FCZ glaubt weiterhin an sein Potential und deshalb will man ihn nicht fix abgeben, sondern sucht eine Lösung für eine Leihe.
Ex-Chiassese Ceesay stürmt mit Kramer! Aufstellungen zum Cup-Duell Chiasso – FCZ
Baldo Raineri ist zum dritten Mal in den letzten vier Jahren beim FC Chiasso engagiert. Der Tessiner sprang ein, nachdem sich diesen Sommer der neue Sportdirektor Ezequiel Carboni mit dem ebenfalls neu verpflichteten Trainer Giovanni Zichella verkrachte und beide gehen mussten. In der Aufstellung heute findet sich mit Luka Stevic ein ehemaliger FCZ-Junior (bis U16). Fabio Dixon wird hingegen als verletzt gemeldet. Überraschend konnte Chiasso ihre Top-Offensivkraft Sofian Bahloul diesen Sommer halten und gar mit einem langfristigen Vertrag ausstatten. Der Holländer Mark Sifneos hat letzte Saison in der Zweiten Griechischen Liga bei Larissa sieben Tore erzielt. Der Simmentaler Stefan Andrist ist nach langen Jahren in Deutschland zurück in der Schweiz und in der Challenge League, wo er beim ersten Abstieg des FC Thun bereits einmal kurz gespielt hatte. Breston Malula ist ein physisch starker Zentraler Mittelfeldspieler aus dem YB-Nachwuchs. Junior Nzila kam vor einem Jahr aus Frankreich und wurde letzte Saison an Paradiso ausgeliehen. Die Aussenverteidiger Stabile und Conus stammen aus dem FCB-Nachwuchs, wobei Stabile eine Art „Massimo Ceccaroni“-Verschnitt ist – ein kleingewachsener Kämpfer, welcher die letzten beiden Saisons aber wenig gespielt hat. Loic Jacot ist ein Schweizer U21-Nationaltorhüter aus der Region Neuenburg und des FCZ-Trainers Namensvetter Mathis Magnin ist aus dem Servette-Nachwuchs ausgeliehen. In der Startaufstellung Chiassos ist selbst der drittälteste Spieler nur 22 Jahre alt.
Der FCZ startet offensiv mit einem nominellen Zweimannsturm, wobei Ceesay und Kramer dabei abwechslungsweise zurückhängend agieren könnten. Tobias Schättin kommt erstmals nach seiner Rückkehr in einem Wettbewerbsspiel zum Einsatz. Willie Britto beginnt rechts, Rohner ist nicht im Aufgebot, Domgjoni und Sobiech zusammen mit Bangura, Khelifi, Koide, Winter und Kostadinovic auf der Ersatzbank.
Im Riva IV braucht es einen „Alain Nef“ – Vorschau Chiasso – FCZ mit Frage zum Spiel
Der FCZ startet die Saison 20/21 mit der Zweitrundenpartie im Schweizer Cup. Bisher haben sich abgesehen vom 3:0-Sieg von Vevey gegen Köniz die Favoriten überall durchgesetzt, wenn auch durchweg mit Mühe. Lugano musste beispielsweise gegen Schaffhausen, das letzte Saison genauso wie Chiasso ganz unten in der Tabelle platziert war, in die Verlängerung. Chiasso selbst hat im Riva IV in den Cupbegegnungen mit Luzern (0:2), Basel (0:1) und YB (0:2) dem jeweiligen Favoriten alles abverlangt. Auf dem stumpfen Rasen an der Südspitze der Schweiz haben spielerisch starke Mannschaften Mühe. Das hat auch der FCZ in der Challenge League-Saison bei den zwei Auswärtssiegen (0:2, 1:2) erfahren dürfen.
Alain Nef hält bei den Desperados dagegen
Mit dem 2:0 Ende November (Artikel zum Spiel) konnte damals der FCZ den herausgespielten Vorsprung an der Tabellenspitze halten. Entscheidender Mann war in jener chancenarmen Partie gegen defensiv mit einer Fünferabwehr massierte Chiassesi Alain Nef gewesen, der wie eine Klette an Chiasso-Zielspieler Mujic hing. Züri Live kommentierte: „Alain Nef mit einer kämpferisch überragenden Leistung war überall auf dem Platz anzutreffen und zeigte vorbildmässig mit welcher Einstellung man gegen einen Gegner wie Chiasso spielen muss.“ In der zweiten Begegnung jener Saison im Riva IV (Artikel zum Spiel) sorgte der initiative Adrian Winter für die Entscheidung, nachdem aussergewöhnlicherweise eher Chiasso das Spiel bestimmt hatte: „In der Zweiten Halbzeit erzwang der initiative Adrian Winter nach einem Doppelpass mit Moussa Koné diagonal von halblinks im Strafraum das Game Winning Goal.“ Der aus Lothringen stammende damalige Chiasso-Torschütze Younes Bnou Marzouk (17 Tore in 28 Challenge League-Partien) ist seit letzter Saison in Chiasso wieder dabei – hat aber aufgrund eines Kreuzbandrisses seit Monaten kein Wettbewerbsspiel mehr bestritten.
Der FC Chiasso hält sich nun schon zehn Jahre in Folge in der Challenge League – wenn auch immer wieder knapp. Vorletzte Spielzeit konnten sich die Chiassesi am letzten Spieltag im dramatischen Fernduell mit Rapperswil-Jona retten – und im abgelaufenen Spieljahr wurden die Südtessiner durch den Corona-Virus „gerettet“, zusammen mit der Entscheidung, dass es keinen Aufsteiger aus der Promotion League gäbe – was das dort mit grossem Vorsprung führende und grösseren Mitteln ausgestattete Yverdon-Sports natürlich verärgerte. Speziell am FCC ist Sommer für Sommer die enorm grosse Spielerfluktuation. Man positioniert sich quasi als Klub der jungen „Desperados“. Junge Spieler im Alter von 18-19 Jahren aus den Akademien von Super League- und Serie A-Klubs, die dort keinen Vertrag erhalten haben, versuchen ihre letzte Chance auf eine Profi-Karriere zu packen – häufig für eine Entschädigung, die nicht oder kaum zur Deckung der fundamentalen Lebenskosten wie Essen und Logis reicht.
Profitiert der FCZ von einem erneuten Chiasso-Fehlstart?
Einer der Desperados (Artikel: Izer Aliu bei den Desperados) ist Fabio Dixon. Der Zürcher gehört zu der Gruppe von Spielern, die mit der Erfahrung von letztem Jahr im Gepäck in ihre zweite Challenge League-Saison steigen. In seinen Europa League-Einsätzen gegen AEK Larnaca und Ludogorets Razgrad hatte er mit dem FCZ Lehrgeld bezahlt, dann aber auch in seinem ersten Super League-Einsatz in Neuenburg entscheidend zur Aufholjagd zu einem wichtigen 3:3 beigetragen. Für Chiasso hat er 19/20 sechs Assists beigesteuert, und war Stammspieler, konnte aber seine technischen und defensiven Schwachpunkte auch in der zweithöchsten Spielklasse nicht ganz verbergen.
Die letzten drei Saisons hat Chiasso von den jeweils ersten drei Spielen keines gewonnen – die letzten beiden Spielzeiten gar alle drei Spiele verloren. In jeder dieser Saions spielten die Südtessiner das vierte Spiel zu Hause und holten da jeweils den ersten Saisonsieg. Diese Bilanz ist sicherlich in erster Linie der Sommer-Fluktuation geschuldet und heute im ersten Saisonspiel neben dem nominellen Klassenunterschied ein zweiter Vorteil für den eingespielteren FCZ.
Izer Aliu bei den Desperados – wer wird der neue Almen Abdi?
Mittelfeldspieler Izer Aliu wechselt für die Rückrunde zum FC Chiasso und erweitert das Kontingent der vom FCZ in die Challenge League und Super League ausgeliehenen jungen Spieler. Wie Lindrit Kamberi, Fabian Rohner, Bledian Krasniqi oder Maren Haile-Selassie wird auch Aliu der Schritt in den künftigen 18er-Matchkader beim FCZ zugetraut. Auf der Position des „10-ers“ beziehungsweise je nach Spielsystem „spielmachenden 8-ers“ hat der FC Zürich in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Talenten mit viel Perspektive in der eigenen Academy entwickelt. Auf der Suche nach Verstärkungen von aussen sollte diese Position daher in den nächsten Jahren im Normalfall nicht im Fokus stehen. Antonio Marchesano hat sich in dieser Rolle in einem über Jahre dauernden Prozess unter anderem dank verbesserter Fitness zu einem Super League-Leistungsträger entwickelt und seinen Vertrag kürzlich bis 2023 verlängert. Der Tessiner gehört schon seit langem zu den technisch und spielerisch stärksten Spielern der Schweiz.
Nach der Leihe von Aliu und dem möglichen Abgang Popovics ist der mit Aliu gleichaltrige Lavdim Zumberi (beide November ’99) der zweite „Offensive Mittelfeldspieler“ im Kader der 1. Mannschaft. Sowohl Aliu wie auch Zumberi wurden von Trainer Ludovic Magnin schon in der Academy stark gefördert, nahmen aber einen unterschiedlichen Weg. Aliu hatte seinen ersten Profieinsatz bereits mit 16 Jahren. Der damalige Trainer Uli Forte konnte für seinen Fussballstil mit einem solchen Spielertypen allerdings wenig anfangen, testete ihn unter anderem zwischendurch mal wohl eher halbherzig auf der Position des Linken Aussenläufers. Mit dem Trainerwechsel zu Magnin war Aliu dann vor zwei Jahren von einem Moment auf den anderen zeitweise Stammspieler. In diese Phase fiel sein bisheriges Highlight im Trikot der 1. Mannschaft, als er im Heimspiel gegen Lugano innerhalb der ersten 19 Minuten zwei Assists und ein Pre-Assist zur bereits vorentscheidenden 3:0-Führung lieferte:
https://www.youtube.com/watch?v=BW46IzC4ajQ
In die darauffolgende Saison startete Aliu gleich mit einem Assist nach 16 Minuten gegen den FC Thun zum Führungstreffer von Marco Schönbächler, musste dann aber in der Pause angeschlagen ausgewechselt werden. Als die Bänderverletzung dann verheilt schien, kam der Hammer: Kreuzbandriss im Training des Europa League-Auswärtstrips nach Zypern. Nach langer Genesungszeit meldete sich Aliu beinahe ein Jahr später zum Saisonstart diesen Sommer wieder gesund. Gesund heisst aber noch lange nicht in Form. Wie üblich dauert es nach einem Kreuzbandriss ein halbes bis ein ganzes Jahr, um allenfalls wieder auf das alte Level zu kommen. Daher spielte Aliu in der Vorrunde vorwiegend in der Promotion League und ist jetzt bereit für den nächsten Schritt auf dem Weg zurück – die Challenge League.
Lavdim Zumberi brauchte länger auf seinem Weg in die 1. Mannschaft. Während sich Aliu als Vorlagengeber par excellence hervortut (sowohl aus dem Spiel heraus wie auf Standards), geht „Zumbi“ dank Schussqualitäten, wie sie im FCZ in dieser Form ansonsten eher dünn gesät sind, häufig selbst in den Abschluss. Sowohl Aliu wie auch Zumberi wurden immer wieder mal auch auf der „Doppelsechs“ eingesetzt, vermochten ihre Defizite in dieser Rolle aber bisher nicht zu verbergen. Und beide müssen vor allem an der Konstanz ihrer Leistungen sowohl innerhalb eines Spiels wie auch über mehrere Spiele hinweg arbeiten: eine Grundvoraussetzung, um sich langfristig als Profifussballer etablieren zu können. Mit dem zwei Jahre jüngeren Bledian Krasniqi (Jahrgang ’01) ist ein weiterer potentieller künftiger „Almen Abdi“ aktuell an den FC Wil ausgeliehen. Er ist dasjenige aktuelle FCZ-Talent, welches vom Stil her als beweglicher und technisch starker Instinktfussballer dem früheren FCZ-Meisterspieler am nächsten kommt. Wie Abdi in einer ersten Phase unter Lucien Favre spielt Krasniqi aktuell sowohl bei Wil wie auch zuvor in einzelnen Testpartien mit dem FCZ auch auf dem offensiven Flügel. Seine Paradeposition ist aber auf der „Zehn“.
Es ist nicht so, dass es seit Almen Abdi keine ernsthaften Kandidaten aus dem Nachwuchs auf dessen Nachfolge gegeben hätte. In erster Linie wäre da sicherlich U17-Weltmeister Oliver Buff zu nennen, der immerhin als Stammspieler mit dem FCZ zwei Mal Cupsieger wurde, für eine noch bessere Entwicklung aber in entscheidenden Phasen etwas zu unkonstant agierte und dem von den jeweiligen Trainern wohl etwas zu spät das Vertrauen auf der 10er-Position geschenkt wurde – auch weil er lange im Schatten eines Davide Chiumiento oder Yassine Chikhaoui stand. Davide Mariani ist das zweite Beispiel – ein ähnlicher Spielertyp wie Lavdim Zumberi, welcher es gegen die sehr grosse damalige Konkurrenz im Zentralen und Offensiven Mittelfeld des FCZ schwer hatte.
Mit Aliu, Zumberi und Krasniqi ist die Kandidatenliste auf den „neuen Abdi“ aber noch längst nicht abgeschlossen. Mit Vasilije Janjicic (Jahrgang ’98) ist eines der grössten FCZ-Talente der letzten Jahre ebenfalls ein Kreativspieler und in der Offensivreihe wohl am effektivsten. Janjicic ist aber etwas vielseitiger als Aliu oder Zumberi veranlagt, und kann auch weiter hinten eingesetzt werden. Ebenfalls ein ’98er-Jahrgang wie Janjicic ist der aktuell zum U21-Kader gehörende Lavdrim Rexhepi – ebenfalls ein 10-er und ein junger Mann für offensive Glanzpunkte mit einem aussergewöhnlichen Linken Fuss, welchem aber die defensive Diszplin und notwendige Stabilität für den Profifussball bisher abgeht. Im ’02-er Jahrgang und jünger gibt es weitere interessante 10-er Kandidaten in der Academy.
Das Team des FC Chiasso, in welches sich Aliu innerhalb von wenigen Tagen integrieren will, kann man als die „Desperados“ des Schweizer Profifussballs bezeichnen. Seit mehreren Jahren wird jeden Sommer die Mannschaft der Südtessiner fast komplett ausgetauscht. Diese Saison sind es mittlerweile insgesamt schon 30 neue Spieler, von denen ein Teil nach einem halben Jahr auch schon wieder weg ist. Chiasso besteht jeweils zum grössten Teil aus jungen Spielern, die den Sprung zum Profi noch nicht geschafft haben und sich an der Italienischen Grenze entschädigt meist deutlich unter dem Minimallohn-Niveau ein (häufig letztes oder vorletztes) Jahr Zeit geben wollen, um auf diesem Weg ihre Chance noch zu packen. Nach dem einen Jahr strömen die Spieler dann in alle Windrichtungen wieder auseinander. Viele wechseln in den Spitzenamateurfussball zu Mendrisio, Bellinzona, Brühl, Black Stars oder Köniz und bauen gleichzeitig an ihrer Zukunft neben dem Fussball. Andere schaffen hingegen den Schritt zu einem etwas besser situierten Challenge League-Klub wie Wil, Schaffhausen oder Vaduz. Glücklich schätzen kann sich, wer es zu einem Bulgarischen oder Rumänischen Mittelfeldklub wie Beroe Stara Zagora oder Gaz Metan Medias schafft – oder gar zum FC Thun!
Die fussballerische Qualität, die im Kader des FC Chiasso steckt, ist dabei vergleichsweise hoch. Die meisten Spieler sind gut ausgebildet, Konkurrenten auf der Position von Aliu wie Bahloul, Antunes, Doldur, Wolf oder Huser gehören zu den talentiertesten Mittelfeldspielern der Challenge League. Liga-Konkurrenten wie Stade Lausanne-Ouchy oder Kriens bringen aber den Vorteil mit, dass sie ein über Jahre gewachsenes Mannschaftsgefüge zur Verfügung haben. In den letzten Saisons haben die wild zusammengewürfelten „Desperados“ aus Chiasso im Abstiegskampf trotzdem immer wieder einen erstaunlichen Teamgeist und Überlebenswillen entwickelt und sich schlussendlich (teils dramatisch) retten können. Diese Qualitäten werden sie nach nur drei Siegen in der Vorrunde (gegen Lausanne, Aarau und Wil!) diesmal speziell benötigen. Wie viel Aliu angesichts des grossen Kaders zum Einsatz kommen wird, ist noch nicht klar. Wenn er aber die Ansätze, welche er zuletzt in den Testspielen mit der 1. Mannschaft des FCZ gezeigt hat, zu einer Reihe von reifen Leistungen ausbauen kann, dann könnte der 20-jährige Adliswiler zu einem wichtigen Baustein einer weiteren wundersamen Geschichte der Desperados aus Chiasso werden.
Mehr zu Izer Aliu auf Züri Live: zum Lesen…
…und zum Hören (Interviews mit und über Izer Aliu aus den letzten drei Jahren):
Chiasso schafft in extremis den Klassenerhalt (26.05.2019):