Warum Brecher die neue Nr. 1 ist – Kadertalk nach der Disco-Party in Basel

Die Disco-Party vom Samstagabend in Basel konnte leider auf Züri Live nicht kommentiert werden, da auch das Netz des Telekomanbieters weitgehend zusammengebrochen war. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Match zu einem späteren Zeitpunkt diesen Frühling neu angesetzt wird. So zogen Mannschaft, Fans und auch Medienleute unverrichteter Dinge wieder ab. Oder doch nicht ganz? Denn das Spielchen rund um die Aufstellungen der beiden Equipen war vor dem Match gespielt worden. Beim FCB hätte Samuele Campo eine Chance in der Startformation bekommen, und der Ex-FCZ-ler Kevin Bua hätte an Stelle des ehemaligen Zürcher Nachwuchsmannes Dimitri Oberlin ebenfalls die Partie auf dem Platz begonnen. Angesichts des weiterhin verletzten Eder Balanta und des gesperrten Taulant Xhaka hätte Basel-Coach Raphaël Wicky fast schon gezwungenermassen im Gegensatz zum mit 0:2 verlorenen Cup-Halbfinal in Bern auf eine Viererabwehr gesetzt – mit dem Paraguayer Blas Riveros an Stelle von Raoul Petretta auf der linken Seite. Fabian Frei und Valentin Stocker wären auf der Ersatzbank gesessen.

Beim FCZ waren nach Trainer Ludovic Magnins Ankündigung («wer gegen Basel in der Startformation steht, ist die (vorläufige) Nummer 1») die Ereignisse vor der Partie diesmal wichtiger und vor allem entscheidender als das Spiel selbst. Das Trainerteam hat sich für Yanick Brecher (24) entschieden, der nun aller Voraussicht nach bis Ende Saison zwischen den Pfosten stehen wird. Aus Magnins Begründung war herauszulesen, dass es durchaus gute Gründe für Andris Vanins (37) gegeben hat, schlussendlich aber den Ausschlag gab, dass Brecher besser zur von Magnin angestrebten Spielidee passt. Auch wenn dies nicht weiter erläutert wurde, ist klar, worum es dabei in erster Linie geht. Brecher ist mit den Füssen überdurchschnittlich gut und kann mit seinen Spieleröffnungen zu einem wichtigen Puzzleteil im Angriffsspiel des FCZ werden. Die Erfolgschancen eines jeden Vorstosses werden mit einem schnellen und gleichzeitig präzisen Ersten Pass deutlich erhöht. Wie wenn man im Schach «einen Zug voraus» ist. Die immer wiederkehrenden Probleme Brechers im Timing und in der Entscheidungsfindung können Magnin nicht entgangen sein. Aber es geht ihm sicherlich vor allem auch darum, seine Spielidee mit der ganzen Mannschaft möglichst rasch zu implementieren und braucht dafür einen Torhüter, mit welchem dies möglich ist. Der Torhüter sollte die mittelfristige taktische Entwicklung des Teams als Ganzem nicht bremsen.

Das offensive Denken hat Priorität. Letzte Saison hat Lucien Favre bei Nizza einem Innenverteidiger, der sich viel zugemutet, und dabei mit einem Fehlpass ein Gegentor verursacht hatte, in der Pause mitgeteilt: «Ich wechsle dich nicht wegen diesem Pass aus. Aber ich werde dich auswechseln, wenn du diesen Pass nicht wieder genau gleich zu spielen versuchst.» Magnin hat sicherlich von verschiedenen Trainern Ideen übernommen, aber die «Favre-Schule» ist bereits jetzt in verschiedenster Hinsicht am deutlichsten erkennbar. Magnin will Mut und Risiko belohnen. Wer Risiko nimmt, hat kurzfristig eine erhöhte Fehlerwahrscheinlichkeit, lernt gleichzeitig aber mehr. Und wer das Risiko beherrschen lernt, erreicht individuell und als Team ein höheres Level. Vor diesem Hintergrund kann davon ausgegangen werden, dass die Zeit von Andris Vanins als Nummer 1 auch mittelfristig abgelaufen ist. Was aber nicht automatisch bedeutet, dass Brecher auch nächste Saison sicher die Nummer 1 sein wird.

Lässt sich ein Torhüter finden, der mit den Füssen ähnlich gut wie Brecher, gleichzeitig in der Kernarbeit eines Torhüters noch solider ist, wäre ein Transfer nicht ausgeschlossen. Der nach Rapperswil ausgeliehene Novem Baumann (22) steht in der Hierarchie zu Recht hinter Yanick Brecher und kommt kaum in Frage. Yann-Alexandre Fillion (22) soll in der U21 zu Einsatzzeit kommen, aber ob der Kanadier auf der Basis der neuen Prioritäten in der «Torhüterdoktrin» noch als mögliche künftige Nummer 1 gesehen wird, steht stark auf dem Prüfstand. Calvin Heim (17) hat einiges an Potential, aber dass er bereits im Sommer ein ernsthafter Nummer 1-Kandidat in der 1. Mannschaft sein könnte, ist aufgrund der noch fehlenden Erfahrung eher unwahrscheinlich.

Aufgrund der Startformation ist am wahrscheinlichsten, dass der FCZ in Basel mit einem modifizierten 4-4-2 (4-4-1-1 beziehungsweise 4-2-3-1) angetreten wäre. Aber auch das zuletzt übliche 3-4-1-2 wäre mit dieser Formation denkbar gewesen. Dass Ludovic Magnin Izer Aliu im Zentralen Mittelfeld das Vertrauen schenkt, ist wie schon zu einem früheren Zeitpunkt besprochen, keine Überraschung. Somit konnte erwartet werden, dass dieser in dieser Englischen Woche zwei Mal zum Einsatz kommt. Das wäre nach der Pause im Cup-Halbfinal in Basel wieder der Fall gewesen. Der zur Zeit formschwache Rasmus Thelander wäre auf der Bank gesessen. Wenn Mirlind Kryeziu im Training Gas gibt, hat er sicherlich Chancen, in nächster Zeit zu Einsätzen zu kommen. Kevin Rüegg sieht Magnin grundsätzlich auf der Rechten Seite (ist aber natürlich bei Bedarf immer auch eine Option im Zentrum) und Fabian Rohner wohl vorwiegend im Sturm (mit Option Flügelpositionen).

Auf der Ersatzbank in Basel wären neben Roberto Rodriguez und Stephen Odey ausserdem Toni Domgjoni und Maren Haile-Selassie gewesen, während Lavdrim Rexhepi beim Rückrundenauftakt der U21 im Heerenschürli gegen Promotion League-Leader Kriens ein Tor zum 3:1-Heimsieg beitrug (weitere Torschützen; Yannick Kouamé und Liridon Berisha). Die Innerschweizer (mit den ehemaligen FCZ U21-Spielern Stefano Cirelli und Marco Mangold, sowie dem früheren U18-Coach Bruno Berner an der Seitenlinie) sind wie letzte Saison Aufstiegsfavorit, haben personell eine Topmannschaft und eine gute Spielanlage, machen sich aber mit Unaufmerksamkeiten in gewissen Spielphasen das Leben immer wieder selbst schwer. Den Jungs aus der FCZ U21 könnte die Ernennung ihres bisherigen Trainers zum Chefcoach der 1. Mannschaft nochmal einen zusätzlichen Schub verleihen, weil die Chancen jedes Einzelnen auf Einsätze im Profiteam weiter gestiegen sind.

Interimistisch wird die Mannschaft zur Zeit von Academy-Leiter Heinz Russheim betreut. Bemerkenswert, dass Lindrit Kamberi (18) in der Dreierabwehr diesmal im Zentrum agierte und Florian Stahel halbrechts. Vor allem aber erfreulich: nach 16-monatiger Verletzungs- und Rehapause steht Marvin Graf (22) erstmals wieder in einem Wettbewerbsspiel auf dem Platz und zwar in der Sturmspitze. In der Wintervorbereitung hatte der schnelle Offensivmann auch Trainings mit der 1. Mannschaft absolviert. Eingewechselt wurde der ebenfalls längere Zeit verletzt gewesene Juniorennationalspieler Kenith Catari (18), genauso wie der aus der U18 aufgerückte Defensivmann Noah Lovisa (17). Auf der Ersatzbank sass der ebenso neu aus der U18 dazugestossene Offensivspieler Guillaume Furrer (16). Stürmer Filip Stojilkovic (17) gehört genauso neu der U21 an. Laut unbestätigten Quellen soll auch Mittelfeldspieler Sandro Stalder (21) von Winterthur zurückgekehrt sein. Der in der Winterpause auf der linken Seite getestete Ambre Nsumbu (20) tauchte hingegen (noch?) nicht im Matchkader auf.

Transfernews: Auch U21-Captain Salija, Cirelli und Jovanovic verlassen FCZ

Neben Oliver Buff, Davide Chiumiento und Ivan Kecojevic sind auf Ende Saison drei weitere Abgänge bekannt geworden. Lulzim Salija (Captain, Mittelfeld, 23), Stefano Cirelli (Defensivallrounder, 21) und Stefan Jovanovic (Aussenverteidiger, 18) verlassen die Promotion League-Mannschaft des FCZ. Salija ist seit der Einführung der Promotion League vor fünf Jahren ununterbrochen Stammspieler der Züri Reserven gewesen. Er wurde zum Herz der Mannschaft und war folgerichtig zuletzt auch ihr Captain. Wenn Salija mal nicht dabei war, merkte man dies jeweils sofort – der Mannschaft fehlte in solchen Spielen jeweils die Struktur.

In der abgelaufenen Saison vermochte Salija im Zusammenspiel mit Jungtalent Izer Aliu (17) manchen Promotion League-Gegner lulzim-salija-fcz-training-1607spielerisch zu dominieren. Bereits vor Jahresfrist hatte sich „Luli“ allerdings mit Abgangsgedanken getragen. Als Zückerchen kam er unter Trainer Uli Forte nun noch zum ein oder anderen Testspiel-Kurzeinsatz mit der 1. Mannschaft. Nun war der für das Team wertvolle Captain aber verständlicherweise nicht mehr länger zu halten. Eine Rückkehr zum FC Wil würde nicht erstaunen, zumal es mit dem Neuaufbau der Challenge League-Mannschaft im Bergholz der perfekte Moment für den Einstieg wäre. Aber auch die Beendigung der Profikarriere liegt im Bereich des Möglichen.

Stefano Cirelli war die letzten zwei Saisons Stammspieler bei den Züri Reserven. Der vielseitige Defensivspezialist ist taktisch und technisch sehr gut geschult, macht kaum Fehler und wird von vielen Beobachtern unterschätzt. Das Potential für eine Profikarriere hätte er. Der Rechte Aussenverteidiger Stefan Jovanovic war erst gerade vor Jahresfrist aus der U18 in die U21 gekommen. Bereits in der U18 war er nicht unumstrittener Stammspieler gewesen und in seinem U21-Jahr kämpfte er mit Verletzungen. Dazu kommt die interne Konkurrenz: der FCZ hat in den Juniorennationalteams verschiedener Altersstufen die Position des Rechtsverteidigers quasi für sich „gepachtet“: Stettler, Von Niederhäusern, Catari, Corvalan – dazu kommt der ebenso talentierte Sadiku.

Die zu grossen Teilen aus der letzjährigen U18-Meistermannschaft bestehende Zweite Mannschaft (FCZ U21) beendete die Saison in der Promotion League mit 48 Punkten auf dem sehr guten 5.Platz. Es ist sowohl bezüglich Rang, wie auch Punkten das bisher beste Ergebnis dieses Teams. In der ersten Saison der neuen eingleisigen und nationalen Promotion League erreichte der FCZ II 2012/2013 den 6.Platz, danach ging es in kleinen Schritten abwärts ( 7., 8. und letzte Saison 11., und bis zuletzt im Abstiegskampf involviert). In der „Ewigen Rangliste“ der Promotion League liegt der FCZ hinter Basel U21 und YF Juventus auf dem 3. Platz.

Die Ausgabe 16/17 ist, wenn auch nur knapp, das jüngste FCZ U21-Team der Promotion League-Ära. Die elf am meisten eingesetzten Spieler waren zu Saisonbeginn im Schnitt 18,82 Jahre alt. Der Altersschnitt lag in den bisherigen vier Saisons mit zwischen 18,9 und 19 Jahren allerdings nur unwesentlich darüber. Auf Erfahrung setzten die beiden Trainer Artur Petrosyan und sein Nachfolger Massimo Rizzo vor allem in der Offensive mit dem 21-jährigen Stürmer Shpetim Sulejmani und dem mittlerweile 23-jährigen Teamcaptain und –oldie Lulzim Salija. Sulejmani stammt aus der Ostschweiz. machte dann aber in erster Linie in Basel und in den Juniorennationalmannschaften dank seiner früh entwickelten Physis bis ins U17-Alter einen steilen Aufstieg, fiel danach aus dem Tritt und fand diesen auch bei den Reserven von Bochum und St. Gallen nicht wieder.

Anders in Zürich: die 15 Promotion League-Tore der abgelaufenen Saison krönen die bisher mit Abstand erfolgreichste Saison Sulejmanis. In Testspielen mit der 1. Mannschaft hat Sulejmani gar alle 23 Minuten einen Skorerpunkt verbucht, auch wenn dabei berücksichtigt werden muss, dass seine Einsätze fast ausschliesslich gegen unterklassige Teams zustandekamen. Auf jeden Fall hat bisher noch nie ein FCZ-ler in der Promotion League häufiger getroffen – Rekordhalter war bisher Aldin Turkes mit 12 Treffern (Saison 2015/2016) gewesen. Weitere regelmässige Skorer in der aktuellen Saison waren Flügelspieler André Ribeiro (zur Zeit mit Portugal an der U20-WM unterwegs) und Lulzim Salija. Dem lange krank gewesenen Fabian Rohner gelangen acht Skorerpunkte in nur 685 Einsatzminuten.