In der „Supercoppa“ in der zweitletzten Super League-Runde der denkwürdigen Saison 21/22 herrschte von Beginn weg eine lockere, festliche Atmosphäre. Die Heimmannschaft war bis etwa drei Minuten vor dem offiziellen Anpfiff mit ihrer Ehrenrunde mit Trophäe durchs Stadionrund und der Verabschiedung von verdienten Spielern (Lavanchy, Lovric, Martic) beschäftigt. Um die 80. Minute herum liessen FCZ-Fans hinter dem Gästesektor eine veritable Meisterfeuerwerk-Show steigen, welche auch von den Lugano-Supportern dankbar bestaunt und mit Applaus bedacht wurde. Dann wurde die Partie fortgesetzt.
Andy Gogia erneut mit laschem Auftritt
Gleich mit dem ersten Konterangriff über Doumbia, Krasniqi, Ceesay und Rohner nach zwei Minuten ging der FCZ in Führung. Ex FCZ-Captain Rüegg hatte den Ball im Mittelfeld verloren und Gogia die butterweiche Flanke Assan Ceesays (mit Rechts!) am entfernten linken Pfosten per Direktabnahme versenkt. Das Tor motivierte Gogia aber nicht, sich von seiner besten Seite zu präsentieren, ganz im Gegenteil: der Rest seines Auftrittes im Cornaredo war ein Ärgernis und er wurde dann auch in der 58. Minute ausgewechselt. Auch Silvan Wallner und Ante Coric vermochten ihre Einsatzchance in der Startformation nicht zu nutzen.
Einwechslungen und taktische Umstellung bringen wenig
Most Valuable Player der Partie aus FCZ-Sicht war Zivko Kostadinovic, der mit einigen starken Interventionen eine höhere Niederlage verhinderte. Lugano zeigte eine bessere Körpersprache als einige Akteure beim FCZ und war wenige Tage nach dem Triumph von Bern emotional noch im Hoch – ähnlich wie der FCZ zuletzt in St. Gallen. Auch von den Einwechselspielern konnte nur Stephan Seiler überzeugen. Die Umstellung auf ein 4-4-2 in der 66. Minute mit vier nominellen Stürmern auf dem Platz (Tosin und Gnonto besetzten die Aussenpositionen im Mittelfeld) zeigte ebenfalls nur beschränkt Wirkung.
Wer schon direkt nach einer Party-Nacht zur Arbeit gegangen ist, wird möglicherweise überrascht festgestellt haben, wie gut es am Vormittag gelaufen ist. Das Licht des neu anbrechenden Tages zusammen mit dem Adrenalin kann einen noch weit in den nächsten Tag hinein tragen. Wirklich heftig wird dann aber der Nachmittag. Je nach Art der Tätigkeit benötigt man grösste Anstrengung, nicht einzunicken. Ähnlich fühlte sich das Lausanne-Spiel an. Speziell die 1. Halbzeit war in der Meisterschaft die wohl schlechteste der ganzen Saison – und dies nach einer Top-Leistung in St. Gallen im ersten Spiel nach der Meisterparty. Auch nach der gesamten Spielzeit resultierte eine der tiefsten Züri Live-Durchschnittsnoten und Anzahl Defensivpunkte der Saison.
FCZ mit taktischen Problemen
Trainer André Breitenreiter erschien légère in Jeans an der Seitenlinie und griff trotz offensichtlichen taktischen Problemen seines Teams nicht ein. Da bei Lausanne Stürmer Zeki Amdouni weit zurückhängend agierte, hatten die Waadtländer über weite Strecken der Partie im Mittelfeld eine vier gegen drei-Überzahl, womit der FCZ als Team nicht zurechtkam – zumal die Defensivarbeit der Stürmer für einmal eher zu wünschen übrig liess.
Andy Gogia verpatzt erneut seine Startelf-Chance
Ante Coric war im Vergleich zu seinem starken St. Gallen-Spiel nicht mehr wiederzuerkennen. Und Andy Gogia konnte seine Chance erneut nicht nutzen. Als der Deutsche ab der 5. Runde drei Mal in Folge in der Startformation stand, waren dies die ersten drei von vier sieglosen Partien in Folge: die mit Abstand schlechteste Serie der FCZ-Meistersaison. Die in diesen Partien auflaufende Mannschaft hätte keinen Platz unter den ersten drei der Liga erreicht. Aufgrunddessen auf die Bank verbannt, bekam Gogia später in Yverdon eine erneute Chance und war mit seinem schlechten Auftritt in der 1. Halbzeit mitverantwortlich für das Ausscheiden. Mit Gogia auf der Ersatzbank ging es mit dem FCZ hingegen aufwärts. Nach gewonnener Meisterschaft erhielt er nun also nochmal die Möglichkeit, sich als Starter zu beweisen. Wieder wirkte Gogia lustlos und „neben seinen Schuhen stehend“, als würde er die Aufgabe gegen Gegner wie Yverdon oder Lausanne unterschätzen. In beiden Fällen nahm ihn Trainer Breitenreiter zur Pause raus.
Gogia, der Mann mit der Brechstange im Gepäck
Einen positiven Impact hatte Gogia in denjenigen Situationen, wo er zwischen der 70. und 75. Minute bei Rückstand oder Unentschieden eingewechselt wurde und in drei Fällen noch wesentlich zu Last Minute-Punktgewinnen beitrug: beim 2:1-Derbysieg in der 4. Runde, dem verrückten 3:3 gegen den FCB in der 12. Runde und dem 1:1 in Sion in Runde 22. Gogia ist als Einwechselspieler das Gegenstück zu seinem Landsmann Hornschuh. Dieser wird bei Vorsprung eingewechselt und schliesst mit seinem Positionsspiel und Fleissarbeit die Lücken, um den Vorsprung zu verteidigen. Gogia hingegen ist ein eher chaotischer, positiv ausgedrückt: unberechenbarer Spieler, der bei einem Rückstand mithelfen kann, mit der Brechstange noch ein Tor zu erzwingen. Aufgrund der erfolgreich verlaufenden Saison waren Hornschuhs Dienste häufiger gefragt, als diejenigen von Gogia. Dazu kam die Fussverletzung des georgischstämmigen Deutschen in der Rückrunde, zugezogen beim Herausholen des Penaltys in Sion gegen Cavaré.
Guerrero bringt Laufbereitschaft, Dominanz und Siegeswillen
Nach dem Dreifachwechsel zur Pause trat der FCZ besser auf. Speziell MVP Adrian Guerrero brachte mit seinen proaktiven Laufwegen auf der linken Seite viel mehr Dominanz und Siegeswillen ins Zürcher Spiel. Karol Mets und Stephan Seiler spielten während der ganzen Partie nicht mehr so überragend wie in St. Gallen, aber immer noch gut. Die Bestätigung ist bei beiden geglückt. Und der nach der Cupniederlage in Yverdon bei einem Teil der FCZ-Fans nicht hoch im Kurs stehende Zivko Kostadinovic zeigte, dass er eine gute Nummer Zwei ist. Dass dem aus dem Lausanne-Nachwuchs stammenden Keeper in der Nachspielzeit aber mit seinem schwächeren linken Fuss sogar ein grandioser Ball in Richtung Assan Ceesay gelang, der für den späten 2:2-Ausgleich Marchesanos entscheidend war, muss ihn wohl selbst fast am meisten überrascht haben. Denn mit den Füssen kann er grundsätzlich nicht mit dem Niveau eines Yanick Brecher mithalten.
Chapeau! Der FCZ schlägt eine Woche nach dem feststehenden Meistertitel die sich in guter Form befindliche zweitbeste Rückrundenmannschaft auswärts im ausverkauften Kybunpark – und dies letztendlich verdient. In einer ausgeglichenen 1. Halbzeit hatte der FCZ bei zwei Fifty-Fifty-Entscheidungen (Offsidetor Guillemenot, mögliches Handspiel Boranijasevics im Strafraum) das Glück zu Beginn auf seiner Seite – und ging mit seiner ersten Torchance in Führung. Leonidas Stergiou liess sich von Ante Coric übertölpeln. Dieser zog den selbst herausgeholten Corner ideal an den nahen Pfosten und ermöglichte Karol Mets dessen erstes Tor im FCZ-Dress.
Brecher mit einer Abwehrquote von 0%
In der 2. Halbzeit hatte der FCZ die besseren Tormöglichkeiten. St. Gallen kam zwar immer wieder zum Abschluss, aber der von Assan Ceesay noch berührte raffiniert geschlagene Direkte Freistosstreffer Quintillas war statistisch der einzige Schuss der Grünweissen, der auf den Kasten von Yanick Brecher kam. Die Abwehrquote des Zürcher Keepers lag also in dieser Partie bei 0%. Dank seinen Offensivqualitäten hat Brecher trotz des letztlich fürs Resultat unerheblichen Patzers beim Offsidetor Guillemenots die Note “6“.
Mets, Gogias Comeback und neu formiertes Zentrum machen Freude
Auch wenn die Gesamtleistung der Mannschaft stark war, gab es im Einzelnen Unterschiede. Das Sturmduo Tosin / Ceesay schien in der 1. Halbzeit noch etwas mit den Gedanken bei der Meisterfeier. Und die rechte Seite war trotz Boranijasevic in der Startformation wie schon gegen Sion in beiden Halbzeiten eine Problemzone. Freude machte das neu formierte Zentrum mit Seiler, Krasniqi und Coric. Auch Karol Mets nutzte in dieser Partie seine Chance – über weite Strecken auf der zentralen Position, nach der Einwechslung Kryezius halblinks. Erfreulich das Comeback Akaki Gogias nach dessen wichtigem Beitrag zum Auswärtspunkt in Sion, bei welchem er sich verletzt hatte.
Ante Coric besteht in St. Gallen mit Technik und Spielwitz
Lindrit Kamberi begann schlecht, konnte sich im Verlauf der Partie dann aber steigern. Wilfried Gnonto vermochte sich auch eingekreist von vier oder gar fünf St. Gallern immer wieder gut zu lösen und Raum für die Mitspieler zu schaffen. Wenn ein Spieler nicht zu den Schnelleren gehört, kann man dies auf Super League-Niveau mit guter Technik in der Regel nicht kompensieren. Ante Corics Technik und Spielwitz ist allerdings nicht gut, sondern herausragend. Der Kroate bewies, dass er auch gegen einen Gegner wie St. Gallen bestehen und dem FCZ mit zum Sieg verhelfen kann – zumal seine defensive Laufleistung im Vergleich zu früheren Saisonpartien ebenfalls verbessert war.
Seiler übernimmt von Beginn weg das Spieldiktat
Most Valuable Player ist aber Stephan Seiler – zuletzt war der 21-jährige Zürcher dies vor einem Jahr bei einer Heimniederlage gegen Luzern gewesen. Damals hatte er noch deutlich mehr Einsatzzeit gehabt, als in der aktuellen Saison. In der 1. Halbzeit lag Seilers Fokus auf der Offensive, im 2. Durchgang war der Zentrale Mittelfeldspieler stärker defensiv gefordert. Vor dem Spiel schien Seiler als Motto mitbekommen zu haben, frisch von der Leber weg zu spielen und etwas zu wagen. Mit der grössten Selbstverständlichkeit übernahm Seiler mit seiner Laufbereitschaft und im Vergleich zu früher stark verbessertem Passspiel von Beginn weg das Spieldiktat. Praktisch jeder gefährliche Zürcher Angriff der 1. Halbzeit lief über ihn. Seine Diagonal- und Steilpässe beschäftigten die Grünweissen mehr als diesen lieb war und verhinderten einen Sturmlauf des Heimteams in der Anfangsphase.
Ähnliches Profil wie Doumbia
In den zweiten 45 Minuten schloss Seiler viele Lücken und half entscheidend mit, die St. Galler Angriffe zu bremsen und entschärfen. Seiler ist von seinem Stärken-/Schwächen-Profil ein sehr ähnlicher Spieler wie Ousmane Doumbia. Und in St. Gallen war er gar besser als der Ivorer: weniger Fehler, besseres Positionsspiel, Technik, Ballführung, Antritt, Beweglichkeit und Handlungsschnelligkeit. Die für Doumbia typischen spektakulären Balleroberungen in der gegnerischen Hälfte sind auch eine Stärke von Seiler. Wenn der Gegner Sion geheissen hätte, wäre dies auch mehr zur Geltung gekommen. Der mögliche Doumbia-Ersatz spielt also bereits beim FCZ.
Beim FCZ ist Ousmane Doumbia gesperrt. Der fraglich gemeldete Kramer ist genauso wie Blerim Dzemaili und Moritz Leitner nicht im Aufgebot. Der FCZ läuft in St. Gallen zum Rückrundenspitzenkampf mit einem komplett neuen Zentrum auf: Stephan Seiler, Bledian Krasniqi und Ante Coric. Marchesano und Kryeziu sitzen auf der Bank. In der Hinterreihe kommt Karol Mets rein. Lindrit Kamberi könnte in der Dreierabwehr im Zentrum auflaufen.
Beim FC St. Gallen wird mit Lukas Görtler ebenfalls der Mittelfeldkämpfer als krank gemeldet, Von Moos war vor der Partie fraglich, nimmt aber auf der Ersatzbank Platz.
Das Zeidler-Team ist zuletzt jeweils auswärts mit Raute und zu Hause mit einem Dreimannsturm angetreten – so auch heute wieder, wobei zu Beginn der ehemalige Juniorennationalspieler Lungoyi Von Moos ersetzt. Beim Spiel mit Raute (auswärts) hatte sich im Spiel mit Ball in der Angriffszone häufig entweder Victor Ruiz oder Lukas Görtler auf die Position des Rechten Flügels verschoben, so dass ebenfalls situativ ein Dreimannsturm entstand.
Ein typisches Tourbillon-Spiel entwickelte sich im Rückrundenduell zwischen dem FC Sion und dem FC Zürich bei schönem Wetter, zahlreich mitgereisten Zürchern und Walliser Fans, die sich nach dem guten Rückrundenstart ihres Teams etwas ausrechneten und sich freuten, wieder mal ohne Restriktionen ins Stadion zu pilgern. Die Partie kann man in vier sehr unterschiedliche Phasen aufteilen:
1. bis 12. Minute (Auswechslung Bua)
12. bis 60. Minute (erste Sion-Torchance)
60. bis 67. Minute (Platzverweis Cipriano)
67. bis 99. Minute (Schlusspfiff)
Sion spiegelt den FCZ – Teams verzahnen sich ineinander
In dem Teil der ersten zwölf Minuten, in dem effektiv gespielt wurde, war es eine relativ offene Partie mit Vorteilen für den FCZ, aber einem potentiell auf Konter gefährlichen Sion. Die Walliser zogen sich in der eigenen Platzhälfte in ein 5-3-2 zurück. In Ballbesitz wurde daraus ein 3-4-3 mit dem Brasilianer Wesley, der je nach Spielsituation zwischen Achterposition und Rechtem Flügel hin- und herswitschte. Nachdem Itaitinga für den angeschlagenen Bua eingewechselt worden war, begann Sion sowohl mit wie auch ohne Ball in einem 3-3-2-2 mit der vordersten Linie höher zu stehen und die Formation des FCZ auf dem ganzen Platz zu spiegeln. Dies trug dazu bei, dass sich die beiden Teams ineinander verzahnten mit vielen Zweikämpfen und Fouls. Der FCZ kam nicht mehr so gut ins Pressing und Dzemaili musste sich tiefer positionieren. Auch in dieser längsten Phase der Partie lagen die Vorteile auf Seiten des FCZ. Sions Sechser Anto Grgic hatte dabei Antonio Marchesano aber recht gut im Griff und die Walliser Dreierabwehr liess Assan Ceesay nicht aus den Augen.
Zweites Pressinggegentor der Saison
In der 60. Minute erhöhte Sion dann von einem Moment auf den anderen das Tempo. Der FCZ wurde davon etwas auf dem falschen Fuss erwischt. Die Walliser kamen zu drei Chancen im Minutentakt, wovon die dritte durch Wesley im Netz landete. Gnonto versprang nach einer Kopfballverlängerung Ceesays der Ball, Bamert reagierte sofort und Wesley kann gegen einen sich in der Vorwärtsbewegung befindlichen FC Zürich mit einem Diagonallauf und Abschluss zwischen Kryeziu und Aliti hindurch in die entfernte Ecke davon profitieren. Es war nach dem 1:0-Führungstreffer Dominik Schmids im letzten Derby (Ballverlust Guerrero gegen Bolla) erst das zweite aus einem Pressing des Gegners entstandenes Gegentor. Eine immer noch unglaublich starke Bilanz in Sachen Pressingresistenz!
Von Euphorie über Hektik zur Unterzahl in zweieinhalb Minuten
Was danach folgte, war wieder mal ein Sion-Lehrstück, wie man sich mit überbordender Euphorie und Emotionen selbst im Weg stehen kann. Beim Jubeln über den Führungstreffer riss Dimitri Cavaré unvermittelt mit Blick in Richtung Spielerbank den rechten Arm zur Jubelgeste hoch und bemerkte dabei gar nicht, dass er seinem seitlich daneben stehenden Mitspieler Anto Grgic einen schmerzhaften Nasenhaken verpasste. Der blutende Grgic musste an der Seitenlinie gepflegt werden, was auf und neben dem Platz bei den Wallisern grosse Hektik auslöste. Die Feldspieler wurden immer wieder frenetisch angewiesen, irgendetwas zu tun, um das Spiel zu unterbrechen. Die Angst vor zwei, drei Minuten Unterzahlspiel führte schlussendlich zur Unterzahl für den Rest der Partie. Nach einem normal scheinenden Zweikampf im Mittelfeld zwischen Boranijasevic und Itaitinga blieb der Brasilianer liegen. Das fruchtete aber nicht. Der nahe des Geschehens postierte Schiedsrichter Schärer liess richtigerweise weiterlaufen, was Sion in doppelte Unterzahl brachte. Nun explodierte die Walliser Bank, Trainer Tramezzani rannte bei laufendem Spiel mehrere Meter in den Platz hinein. Und Cipriano foulte Becir Omeragic rotwürdig von hinten, was nach VAR-Konsultation den Platzverweis gegen den Sion-Aussenläufer zur Folge hatte.
Eingewechseltes Trio Coric / Gogia / Rohner mit wichtigem Beitrag zum Punktgewinn
Gäbe es den VAR nicht, hätte die Rote Karte die Walliser wohl noch mehr emotionalisiert. Stattdessen beruhigte die ganz offensichtlich vorliegende Beweislage die Gemüter wieder und Becir Omeragic kam glücklicherweise ohne Verletzung aus der heissen Situation heraus. Es folgte die vierte Phase der Partie, in welcher der FCZ fast pausenlos auf den Ausgleich drückte, welcher in der 97. Minute durch den verwandelten Penalty Antonio Marchesanos schlussendlich auch gelang. Vor allem das in der 71. Minute eingewechselte Trio Coric / Gogia / Rohner hatte am verdienten Punktgewinn entscheidenden Anteil. Gogia macht als Einwechselspieler auf der linken Aussenbahn in der Rückrunde einen guten Eindruck mit deutlich weniger Fehlern als noch in der Vorrunde. Der Deutsche holte nach einem Coric-Eckball mit seinem generösen Einsatz im Kampf mit Cavaré um den Abpraller im Strafraum den Penalty heraus. Er musste für das eingegangene Risiko dabei mit einer Fussverletzung bezahlen. Daran sollte man sich erinnern, speziell falls dieser Punkt im Tourbillon in der Endabrechnung noch entscheidend sein sollte. Ermöglicht wurde diese und viele andere gefährliche Situationen im Sion-Strafraum vor allem auch durch Ante Coric. Die Standards und Flanken des Kroaten sind in dieser Saisonphase fast ausschliesslich hochkarätig. Sion kam so nicht zum Verschnaufen.
Schlechter Rückrundenstart von Tosin
Ousmane Doumbia spielte speziell in der 1. Halbzeit eine starke Partie. Dies kann man von Tosin auf der anderen Seite überhaupt nicht behaupten. Der Nigerianer nimmt in Umschaltsituationen immer wieder unnötig Tempo raus, investiert in Eins gegen Eins-Situationen viel zu wenig und fällt durch schlechte Zuspiele und Ballannahmen auf. Seine ersten drei Rückrundeneinsätze wurden alle mit einer ungenügenden Noten bewertet. Auch Boranijasevic, Dzemaili und Kramer hatten im Wallis nicht einen guten Tag. Dzemaili beispielsweise liess in der heissen Sion-Phase um die 60. Minute seinem Gegenspieler Wesley zu viele Freiheiten. Bei Berardis Zweikampf mit Tosin an der Seitenlinie in der 45. Minute erzürnten sich im Nachhinein mehrere Journalisten, dass es keinen Platzverweis gegen den Tessiner gab. Gelb war in der Szene aber korrekt. Berardi kam mit etwas viel Tempo, stiess aber nur im Hüftbereich mit dem sich in Rücklage befindlichen und etwas theatralisch sich windenden Tosin zusammen. Eine Attacke auf die Beine war in dieser Szene überhaupt nicht vorhanden.
Dritter Saisonsieg im dritten Spiel gegen den früheren „Angstgegner“ Luzern. Wie schon gegen Basel erarbeitet sich der FCZ auch in der Innerschweiz viele gute Torchancen. Es ist ein Spiel mit vielen kurzen, intensiven Spielphasen, hohen Bällen und einem Saisonrekord über 90 Minuten von total 130 Offensivpunkten auf Seiten des FCZ. Kurz: es ist eine der besten Saisonleistungen der Mannschaft. Die Durchschnittsnote von 7,3 ist gar die beste der Saison. Die zweitbeste Durchschnittsnote erreichte das Team übrigens ebenfalls gegen Luzern, beim 4:0-Heimsieg in der Vorrunde. Damals versuchten die Innerschweizer unter Interimstrainer Chieffo noch konsequent flach von hinten herauszuspielen und scheiterten dabei am starken Zürcher Pressing. Mittlerweile nutzt der FCL vermehrt auch Hohe Bälle.
Spielkontrolle wie noch selten
Das herausragende Element des FCZ-Spiels war diesmal das Gegenpressing. Die jeweils schnelle Rückeroberung verlorener Bälle zusammen mit dem Selbstvertrauen der Mannschaft etablierte eine Zürcher Spielkontrolle, wie man sie auf der Luzerner Allmend von Zürcher Seite aus wohl noch selten gesehen hat. Wenn der FCZ in der Vergangenheit mal am Pilatus Spiele für sich zu entscheiden vermochte, dann aufgrund des Spielverlaufs oder individueller Qualitäten – aber so gut wie nie weil man tatsächlich das Spiel kontrollieren konnte. Und als Luzern in der Phase vor der Pause versuchte, Druck zu machen, spürte dies das Letzigrund-Team sofort und investierte in dieser Phase viel ins Verteidigen, hielt kollektiv stark dagegen.
MVP Adrian Guerrero macht sehr viel für die Offensive
Die Auswahl eines MVP oder Best Players war schwierig. Adrian Guerrero, Ousmane Doumbia und Nikola Boranijasevic lagen punktemässig nahe beieinander. Guerrero verrichtete auf der Allmend fast über 90 Minuten überragende Offensivarbeit – unter anderem in der starken Vorbereitung des Führungstreffers im Doppelpass über links mit Antonio Marchesano, mit welchem er sich auf und neben dem Platz sehr gut versteht. Gegen Luzern profitierte Guerrero auch etwas davon, dass sein Gegenüber Mohamed Dräger einige Defensivschwächen mitbringt, die von seinen für einen Super League-Rechtsverteidiger überdurchschnittlichen Offensivqualitäten in der Wahrnehmung etwas kaschiert werden. Die Standards Guerreros sind allerdings zur Zeit nicht mehr so zwingend wie noch in der Vorrunde.
Coric top bei Standards
Blerim Dzemaili hatte eine fehlerhafte Startviertelstunde. Sein mit ausgezeichnetem Timing gespielter Pass auf Assan Ceesay beim 1:0 war die erste gute Aktion. Ab da lief es ihm besser, bis er dann in der Phase vor seiner Auswechslung aufgrund von Müdigkeit wieder nachliess. Ousmane Doumbia und Assan Ceesay machen auch in der Rückrunde bisher eine sehr gute Entwicklung durch und treten physisch sowie am Ball immer souveräner auf. Aiyegun Tosin und Blaz Kramer hingegen haben nach der Winterpause ihre Form noch nicht gefunden. Ante Coric seinerseits verbessert weiterhin seine hervorragende Plus-/Minusbilanz. Vor allem ist der Kroate in der aktuellen Phase der mit Abstand beste Standardschütze im Team. Sein Eckball führte zum 2:0 durch Wilfried Gnonto (Assist: Karols Mets) und auch sein Freistoss war hervorragend getreten (Kramer lenkte den Ball sechs Meter vor dem Gehäuse links vorbei).