Nicht mehr im Feuerwehrmodus, drei Tore nach Marchesano-Standards / Luzern – FCZ in der Züri Live-Analyse

Was macht eigentlich Aliti? Wo ist Doumbia? Und womit beschäftigt sich zur Zeit Antonio Marchesano? Solche Fragen stellen sich während der detaillierten Nach-Analyse des dritten FCZ-Saisonsieges immer wieder. Man ist es sich von letzter Saison gewohnt, dass Aliti, Doumbia und Marchesano ständig im Zentrum des Geschehens stehen. Es waren diejenigen Spieler, welche als Feuerwehrmänner fortlaufend Lücken stopften, fehlende Laufarbeit von Mitspielern kompensierten und taktische oder technische Fehler ausbügeln mussten. Zum Saisonstart 21/22 ist alles anders. Die Spieler mit der zu geringen Laufleistung und unnötigen Fehlern sind grösstenteils nicht mehr da. Alle elf Mann auf dem Platz bringen das, was man in der Super League von ihnen erwarten kann. Die Last wird auf viel mehr Schultern verteilt. So fällt es kaum auf, dass Aliti bisher einen eher durchschnittlichen Saisonstart erwischt hat, Doumbia nach einer Stunde ausgewechselt wird und Marchesano zwischen seinen hervorragenden Offensivaktionen auch mal für zwei, drei Minuten nicht im Fokus steht.

Zehn Mann, die laufen – Marchesano mit hoher Standard-Effizienz

Zwar läuft Marchesano auch in Luzern viel, aber er befindet sich nicht mehr wie letzte Saison als Führungsspieler 70 bis 90 Minuten im mentalen Dauerstress. Das gewohnte Lamentieren in Richtung Mitspieler, wenn diese schon wieder das Kommando fürs Pressing verschlafen haben, fällt weg. So kann sich der Tessiner noch besser auf die entscheidenden Aktionen nach vorne fokussieren. In Luzern erzielt der FCZ drei Tore – alle nach Marchesano-Standards. Erst ein kurz gespielter Eckball auf Guerrero, den der Spanier ideal auf den Kopf von Mirlind Kryeziu zirkelt, welcher von Gegenspieler Holger Badstuber (nicht das einzige Mal) aus den Augen verloren worden ist. Dann ein stark von links aus dem Halbfeld an den entfernten Pfosten gezogener Freistoss, welcher Frydek zu einem penaltyreifen Foul an Omeragic verleitet. Und schliesslich der direkt verwandelte Freistoss, der eine so tückische Flugbahn nahm, dass Filip Ugrinic in der Mauer sich in die falsche Richtung bewegte und den Weg für den Ball frei machte.

Positiv wie sie sich bewegen und geduldig sind (Luzern – FCZ Kommentare)

Débutant Gogia defensiv noch ungenügend

Wie „aus dem Nichts“ ging Luzern in der 5. Minute nach einem zu riskanten Zweikampfverhalten Mirlind Kryezius gegen Ugrinic in Führung. Gegen Ende der Partie passierte übrigens Fidan Aliti gegen den eingewechselten Lorik Emini dasselbe noch einmal. Der FCZ reagierte aber mit Ruhe und Geduld und hatte dann im zweiten Viertel der Partie seine bisher beste Phase der noch jungen Saison. Auch nach der Pause und der 2:1-Führung kam das Breitenreiter-Team zu einigen sehr guten Torchancen, um das Skore frühzeitig auszubauen. Erst im letzten Viertel der Partie baute man ein bisschen ab, teilweise aufgrund der etwas nachlassenden Kraft und Konzentration, teilweise weil nicht alle Einwechselspieler das Niveau der Startelf weiterziehen konnten. Dies betrifft im Speziellen den Débutanten Akaki „Andy“ Gogia. Dem in Georgien geborenen Deutschen Offensivspieler war das halbe Jahr ohne Wettbewerbseinsätze in Berlin anzumerken. Neben Ungenauigkeiten, falschen Einschätzungen und Stockfehlern mit Ball (einmal direkt vor dem eigenen Strafraum), ist vor allem das Spiel ohne Ball noch stark ungenügend. Nach der Umstellung Breitenreiters auf ein 5-4-1 ab der 76. Minute unterstützt Gogia seinen Hintermann Guerrero auf der linken Seite deutlich zu wenig.

Gute taktische Umstellungen von Celestini – aber es reicht für Luzern trotzdem nicht

Sowohl Luzern-Coach Fabio Celestini wie auch André Breitenreiter hatten taktisch eine Änderung vorgenommen. Luzern spielte erstmals in dieser Saison gegen eine Dreierabwehr und stellte dementsprechend vom üblichen 4-4-2 auf ein 4-2-3-1 um, mit der Möglichkeit ein Hohes Pressing aufzuziehen, aus welchem sich der FCZ aber von Anfang an gut herauslösen konnte. Dies obwohl Luzern diesmal taktisch viel besser eingestellt war, als noch in St. Gallen. Christian Gentner bereitete dem FCZ am meisten Probleme. Mit seinen Laufwegen vermochte er ab und zu Löcher im Zürcher Defensivverbund aufzureissen. Filip Ugrinic war ebenfalls viel unterwegs, aber abgesehen von seinem Tor nicht mit der aus Luzerner Sicht gewünschten Effektivität. Marco Burch hatte mit einem mediokren Holger Badstuber neben sich in der Innenverteidigung alle Hände voll zu tun und arbeitete für anderthalb. Der 20-jährige wirkte wie ein Routinier, der einen unerfahrenen Jungspund neben sich führen muss. Ausserdem vermisste Luzern den verletzten Torhüter Marius Müller sowie den gesperrten Marvin Schulz.

Krasniqi findet über den Kampf ins Spiel

Der FCZ seinerseits nimmt von einer soliden Basis ausgehend Schritt für Schritt. Er hat in Lugano sehr tief stehend und mit minimem Ballbesitz begonnen und steht nun von Spiel zu Spiel etwas höher und steigert seinen Ballbesitz – auch wenn das Zürcher Spiel weiterhin hauptsächlich auf schnelle Konter ausgelegt ist. Da Luzern im Gegensatz zu Lugano und Lausanne mit zwei Sechsern spielt, reagierte Breitenreiter, indem er Bledian Krasniqi auf die Achterposition vorzog. Mit nun einem Sechser (Doumbia gegen Ugrinic) und zwei Achtern (Marchesano gegen Wehrmann, Krasniqi gegen Gentner) ergab sich so an Stelle eines 3-4-1-2 ein 3-3-2-2. Bledian Krasniqi steigerte sich in seinem dritten Super League-Einsatz im Vergleich zum Lausanne-Spiel nochmal deutlich. Auch wenn ihm schon bei seinem Einsatz in der Europa League in Napoli eine gute Leistung gelang, vermochte er in Luzern erstmals sein Potential auf Super League-Niveau umzusetzen. Dies vor allem auch, weil er in der Anfangsphase dank zwei, drei starken Balleroberungen gut ins Spiel fand. Selten war die Umschreibung „über den Kampf ins Spiel finden“ zutreffender. Unter anderem auch deshalb liess Breitenreiter den 20-jährigen bis in die Nachspielzeit hinein im Spiel und nahm Doumbia bei der Einwechslung von Hornschuh raus.

Telegramm

Luzern – FC Zürich 1:3 (1:2)
Tore: 5. Ugrinic (Tasar) 1:0, 35. Kryeziu (Guerrero) 1:1, 44. Kramer (Penalty-Nachschuss, Omeragic) 1:2; 75. Marchesano (Freistoss, Boranijasevic) 1:3.
Luzern – Vasic; Farkas (80. Sidler), Burch, Badstuber (55. Domgjoni), Frydek; Gentner, Wehrmann (55. Emini); Tasar (55. Alounga), Ugrinic, Ndiayé; Sorgic (80. Rupp).
FCZ – Brecher; Omeragic, Kryeziu, Aliti; Boranijasevic, Doumbia (61. Hornschuh), Guerrero; Marchesano (76. Rohner), Krasniqi (90.+1 Seiler); Ceesay (90.+1 Gnonto), Kramer (61. Gogia).

Kryeziu macht endlich sein Kopfball-Tor (Luzern – FCZ Highlights)

Mehr Quantität als Qualität im Zentrum / FCZ – Luzern Stats & Spielinfos

Obwohl der FCZ gegen Luzern nicht verloren hat, resultiert mit 4,5 in der Züri Live-Leistungsbewertung der tiefste Notenschnitt der Saison. Dies vor allem, weil gleich sechs Spieler eine ungenügende Note (unter 5) erhalten und die Maximalnote 8 beträgt, welche nur von zwei Spielern (Pa Modou, Dwamena) erreicht wird. Auffallend dabei vor allem das gegen die Innerschweizer individuell schwache Zentrum, obwohl es im 3-5-2 im Vergleich zum üblichen 3-4-3 quantitativ verstärkt worden war. Vielleicht gerade deswegen? Führte die zahlenmässige Verstärkung zu einem falschen Sicherheitsgefühl / weniger Biss? Marchesano produzierte vor allem in der Ersten Halbzeit so viele Fehlpässe wie noch selten zuvor in seiner Karriere, Rodriguez fand nicht ins Spiel, Sarr hatte einen seiner schlechten Tage, und Palsson fehlen für das Abwehrzentrum die notwendigen Qualitäten.

Nach dem Sieg in St. Gallen war die Schlussfolgerung: «Frey gut, alle gut». Dies gilt weiterhin. Denn gegen Luzern war Frey deutlich weniger gut, als noch in St. Gallen – ein gemischter Auftritt – unter dem Strich durchschnittlich. Pa Modou ist zum zweiten Mal nach dem 2:0-Heimsieg gegen Lausanne Most Valuable Player, und verhält sich damit zur Zeit «antizyklisch», hatte er doch in St. Gallen, wo die Durchschnittsnote des Teams um 1,1 höher war, eine ungenügende «4». Raphael Dwamena hingegen zeigt bisher im 2018 konstant Aufwärtstendenz. Andris Vanins musste und konnte mehr Topchancen abwehren als im Durchschnitt dieser Saison und war an der Erarbeitung von zwei der 12 Torchancen beteiligt, gleichzeitig aber auch am Gegentor mitschuldig. Débutant Lavdrim Rexhepi kam als erster Einwechselspieler rein, musste sich zu Beginn bezüglich Handlungsschnelligkeit und physischem Dagegenhalten erst orientieren, konnte dann aber den Ball ein, zwei Mal gut direkt weiterleiten / zirkulieren lassen.