Nachwuchs: bezeichnende 0:6-Klatsche im U18-Final

Gleich mit 0:6 verlor der FCZ zum Abschluss der Saison 22/23 den U18-Final im für das Zuschauerinteresse eines solchen Spiels viel zu klein bemessenen FCB Campus in Münchenstein. Basels 3:0-Führung nach nur elf Minuten entschied bereits die Partie. Beim FCZ war keine Reaktion zu sehen. Dabei ging es nicht nur um den Schweizer Meistertitel der höchsten Juniorenstufe, sondern zusätzlich um die Qualifikation für die UEFA Youth League. Somit bleiben die Frauen kommende Saison der einzige FCZ-Vertreter im Europacup.

„FCB U17“ schlägt „FCZ U18“ diskussionslos

Man muss sich dabei vor Augen halten: der FCB dominierte den FCZ total mit einer Startformation, die im Schnitt beinahe ein ganzes Jahr jünger war! (FCB: 1×15, 1×16, 6×17, 3×18; FCZ: 2×17, 9×18) Eigentlich hat eine „FCB U17“ eine „FCZ U18“ klar und deutlich geschlagen. Nicht nur das: es handelt sich bei dieser U18 auch noch um einen eigentlich herausragenden FCZ-Jahrgang. Bereits im Footeco-Alter und in der U16 zeigte sich dieser als überdurchschnittlich talentiert – und wurde durch aussergewöhnliche Transfers auch noch extrem verstärkt.

Bereits vor zwei Jahren kamen Im Zuge der „Affäre Malenovic“ auf dem GC Campus Labinot Bajrami und Bleon Xhemaili in die Obhut des damals neu verpflichteten FCZ U18-Trainers Umberto Romano. Es waren die „Kronjuwelen“ von GC. Bajrami war damals der Torjäger vom Dienst der Schweizer U17-Nationalmannschaft – Xhemaili lenkte das Spiel des Schweizer Nachwuchses von der Sechserposition aus. Nach zwei Jahren unter Romano wirkt Xhemaili mittlerweile wie ein Schatten seiner selbst und spielt beim SFV gar keine Rolle mehr. Bajrami durfte sich hingegen nach einer U18-Saison in die U21-Equipe verabschieden, wo er als 17-jähriger in der Promotion League zehn Tore erzielt hat – eine aussergewöhnliche Statistik. Für die Playoffs wurde der seit drei Wochen 18-jänrige Winterthurer als Verstärkung in die U18 zurückgeholt, hinterliess aber im Final einen ungewöhnlich desorientierten und unkonzentrierten Eindruck.

Unter Genesio Colatrella spielen die U18-Jungs befreit auf

Anfang der aktuellen Saison kamen mit Cheveyo Tsawa und Cosimo Fiorini zwei weitere hochkarätige Verpflichtungen für die U18-Equipe hinzu. Tsawa, Sohn des FCZ Leiter Athletik und früher erfolgreichen Frauen-Coaches Dorjee, ist nach dem von Red Bull Salzburg verpflichteten Federico Crescenti das zweitgrösste Talent aus dem St. Gallen-Nachwuchs der letzten Jahre. Auch er hat im Verlaufe der Saison 22/23 etwas stagniert. Ähnliches kann man von Fiorini sagen: bei seiner Verpflichtung vor Jahresfrist von Fiorentina noch Captain der Italienischen U16- und U17-Natiionalmannschaft, wurde er zwar einerseits von einer Verletzung gebremst, entwickelte sich aber auch als er wieder spielte wenig weiter.

Dass der FCZ Fiorini überhaupt verpflichten konnte, war sicherlich nicht unwesentlich dem Beispiel Willy Gnontos zu verdanken. Diese Karte konnte der FCZ optimal ausspielen und in die Waagschale werfen. Umso mehr schade, was zumindest im ersten Jahr daraus geworden ist. Es ist anzunehmen, dass Fiorini im Sommer in die neuformierte U19- oder sogar noch eher die U21-Equipe wechselt. Er würde dort viel besser aufgehoben sein. Dies sah man unter anderem am Blue Stars/FIFA Youth Cup, als Fiorini wie viele seiner Kollegen unter der Obhut von U21-Coach Genesio Colatrella aufblühte. Das Turnier gewann man verdient und war dabei auch im Spiel gegen dieselbe Basler Equipe, gegen die man im U18-Final nun so erbärmlich „auf die Kappe“ bekam, eher die etwas bessere Mannschaft gewesen.

Fit mit Malenovic-Klient Hediger

Spielerberater Milos Malenovic (genauso wie dessen Mitarbeiter Vero Salatic) war in Basel für einmal persönlich vor Ort. Normalerweise decken Malenovics Assistenten die Schweizer Juniorenligen ab, während er selbst eher international unterwegs ist. Zur Pause verliess er kopfschüttelnd die Tribüne. Nicht nur Xhemaili und Bajrami, auch der bei Malenovic als Praktikant arbeitende Calixte Ligue hatte gar nichts zustande gebracht. Der gleiche Ligue, der früher in der U16 unter Dani Gygax, am FIFA Youth Cup oder in der U21 unter Genesio Colatrella – und auch in der 1. Mannschaft unter Bo Henriksen jeweils Engagement und Herzblut in Person verköpert, stolperte in den U18-Playoffs (nicht nur im Final) als weiterer Verstärkungs-Spieler für Romanos Team händeringend auf dem Platz herum. Nun geht er verspätet in die Ferien und wird für die neue Saison mit Rückstand ins Training der 1. Mannschaft einsteigen.

Dafür glänzte das Team von Basels U18-Coach Dennis Hediger, ebenfalls ein Malenovic-Klient, umso mehr. Zwar musste Iman Beney, die 16-jährige Schweizer Sturmhoffnung für die Frauen-WM, mit ansehen, wie ihr in der FCB U18 engagierter älterer Bruder Romeo frühzeitig ausgewechselt werden musste. Der Titelgewinn der Rot-Blauen war aber zu keinem Zeitpunkt gefährdet. Nicht überraschend wirkten die Jungs des ehemaligen Personal Trainers und Ernährungsberaters Hediger fit. Trotz hoher Temperaturen hetzten die Stürmer auch beim Stand von 5:0 im Forechecking jedem Ball nach, was beim FCB-Nachwuchs in der Vor-Hediger-Zeit in diesem Ausmass auch bei milderen Temperaturen jeweils nicht der Fall gewesen war. Im Viertelfinal gegen das individuell klar schlechtere Aarau hatte sich der FCB U18-Coach noch einige anspruchsvolle taktische Experimente erlaubt. Daher kam sein Team nur knapp weiter. Im Halbfinal gegen Servette und nun im Final gegen den FCZ zeigte es dann aber sein wahres Gesicht.

FCZ hat meist ein gutes Händchen bei der Wahl der Nachwuchstrainer

Ganz anders der FC Zürich. Die U18 spielte mit einer sehr talentierten Equipe reinen Resultatfussball – ohne dabei wirklich gute Resultate zu erreichen. Schon in der Qualifikation erzielte der FCB fast doppelt so viele Tore. Taktik, Spielweise und Personalpolitik der FCZ U18 waren nicht auf Talententwicklung ausgerichtet. Der Fokus galt auf Vorsicht und Fehlervermeidung im Spiel. Und wenn immer möglich wurden Spieler des älteren Jahrganges bevorzugt eingesetzt. So mogelte man sich mit Verstärkung der zwei etablierten Promotion League-Stürmer Bajrami und Ligue im Duell mit Winterthur und im Penaltyschiessen gegen YB in den Final. Das Coaching an der Seitenlinie wirkte dabei schon seit der letzten Saison eher unprofessionell und diente mehr dem Frustabbau des Trainers, als dem Lernprozess der Spieler.

Die Arbeit eines Trainers zu beurteilen ist immer schwierig. In diesem Fall sind die Indizien hingegen so überwältigend, dass man bei Umberto Romano auch von aussen betrachtet von einem Fehlgriff sprechen muss. Einer, der zu einem „Bottleneck“ auf einer sehr wichtigen Stufe der Talententwicklung geworden ist und neben Stagnation auch zu weiteren Abgängen von guten Talenten führen kann. Ansonsten beweist der FCZ bei der Wahl seiner Nachwuchstrainer häufig ein gutes Händchen. Einer der Ehemaligen hat beispielsweise mit einem Bundesliga-Underdog gerade die Champions League erreicht, ein Zweiter arbeitet seit sechs Jahren erfolgreich im Nachwuchs des in Deutschland im Jugendbereich wegweisenden SC Freiburg, zwei weitere wurden kürzlich vom SFV rekrutiert.

U16: FCZ gewinnt Qualifikation souverän, Luzern setzt sich mit Kontertaktik in Playoffs durch

Unter dem langjährigen U16-Trainer Dani Gygax sieht man Jahr für Jahr eine gute Entwicklung jedes Jahrganges auf dieser Stufe. Gygax scheint mit seiner fordernden und gleichzeitig einfühlsamen Art speziell zu Jungs dieser Alterskategorie einen guten Draht zu finden. Man könnte ihn sich auch sehr gut als beliebten Oberstufenlehrer vorstellen unter dem viele Jugendliche erstmals in ihrem Leben gerne in die Schule gehen. Die aktuelle U16, die vom Talentniveau her in der Breite sicherlich in keiner Weise an die U18 herankommt, hat erneut den Cup gewonnen und die Meisterschaft nach der Qualifikation mit grossem Vorsprung auf dem 1. Platz abgeschlossen. Der Playoff-Halbfinal ging ohne den frühzeitig zu Hoffenheim abgewanderten Zidan Tairi im Penaltyschiessen gegen GC verloren. Schweizer Meister wurde die U16 des FC Luzern, welche sich sowohl im Halbfinal gegen Servette als auch im Final gegen GC hinten einigelte und mit sporadischen, dafür konsequenten Konterangriffen speziell dank ihres Mittelstürmers Andrej Vasovic durchsetzte.

FC Luzern U16 feiert den Schweizer Meistertitel

FCZ dreht den Spiess um – und gewinnt erneut einen FIFA-Titel

Wie letztes Jahr kehrt der FC Zürich an Auffahrt 2023 erneut mit einem Turniersieg von der Buchlern nach Hause ins Heerenschürli. Nach den Juniorinnen 2022 sind diesmal die von den U21-Trainern Genesio Colatrella und Vincenzo Zinnà gecoachten Junioren erfolgreich – mit einem Finalsieg gegen Corinthians aus Sao Paolo. 2022 waren die Jungs Dritter geworden. Die Mädels platzierten sich diesmal im 4. Rang hinter Vancouver Whitecaps, FCB und YB. Resultatmässig schlecht schnitten die europäischen Grossklubs ab – Liverpool und Olympique de Marseille bei den Männern sowie Arsenal und Juventus bei den Frauen klassierten sich auf den hintersten Rängen. Die bei den Zuschauern beliebteste Mannschaft war das Männerteam der Académie Génération Foot aus Senegal (Dritter Platz). Die UEFA Youth League wurde dieses Jahr von AZ Alkmaar im Final gegen Hajduk Split gewonnen. Auch am FIFA Blue Stars Youth Cup bestätigt sich immer wieder, dass im Juniorenbereich Teams aus Ländern wie Kroatien, Holland, Portugal oder auch der Schweiz häufig besser arbeiten und sogar stärker spielen, als Gleichaltrige von Klubs deren 1. Mannschaft in einer Topliga engagiert ist.

Mehr Ausgeglichenheit und Konkurrenz im Männer-Turnier

Die FCZ-Teams und ihr Abschneiden stehen exemplarisch für die unterschiedliche Leistungsdichte der Blue Stars-Turniere bei den Frauen und Männern. 2022 dominierten die beiden damals 15-jährigen Leela Egli und Sydney Schertenleib dieses prestigeträchtige internationale U19-Turnier. Diesmal fehlten die beiden aufgrund ihrer Teilnahme mit der Schweizer U17-Nati an der EM-Endrunde in Estland (0:3-Niederlage gegen Spanien nach 4:0-Auftaktsieg gegen die Gastgeberinnen). Viele der älteren Spielerinnen aus der letztjährigen Siegermannschaft waren auch dieses Jahr wieder mit dabei, stellten aber ohne Egli und Schertenleib nur besseren Durchschnitt dar. Allerdings wurden verschiedene Zürcher Spielerinnen an diesem Turnier zu Ausbildungszwecken häufig nicht auf ihrer angestammten / stärksten Position eingesetzt. Trotzdem: YB hatte das fussballerisch deutlich besser entwickelte Team – und Basel landete mit dem Beinahe-Turniersieg (Ausgleich der Whitecaps in letzter Minute des Finals und anschliessende Niederlage im Penaltyschiessen) um ein Haar einen Coup.

Bei den FCZ Männern fehlten mit Léon Grando, Elohim Kamoko, Mattia Rizzo und Cheveyo Tsawa gleich vier Spieler aufgrund ihrer Teilnahme an der U17 EM-Endrunde (2:0-Sieg zum Auftakt gegen die Niederlande! Grando, Kamoko und Tsawa in der Startformation). Dies fiel aber nicht ins Gewicht, denn es wären wohl ohne EM höchstens zwei von ihnen überhaupt im FCZ-Aufgebot auf der Buchlern gestanden, und auch diese hätten im Turnierverlauf aktuell wohl noch kaum eine tragende Rolle gespielt. Im Männerturnier ist es für einen Spieler jüngeren Jahrgangs aufgrund der grösseren internen sowie auch externen Konkurrenz (speziell im physischen Bereich) deutlich schwieriger, einem solchen Turnier den Stempel aufzudrücken, als bei den Frauen.

Verdienter Turniersieg des FCZ

Speziell am diesjährigen Turnier waren die Resultate von Finalist Corinthians. Die Brasilianer entpuppten sich als defensives Bollwerk par excellence und kassierten in den fünf Partien keinen einzigen Gegentreffer. Ihr Innenverteidiger Moscardo wurde zum besten Spieler des Turniers gewählt – und ihr Torhüter Kaue zum besten Schlussmann. Allerdings trafen sie einzig in der Auftaktpartie gegen den alljährlichen Turnieraussenseiter Blue Stars ins Netz (3:0). Ihre vier weiteren Partien gingen alle 0:0 aus, wobei sie im Halbfinal das Penaltyschiessen gegen die Académie Génération Foot mit 4:3 gewannen und im Final dasselbige aufgrund von vier Fehlschüssen gegen den FCZ verloren.

Der FCZ war trotz des 2. Platzes in seiner Gruppe der verdiente Turniersieger. Der Stadtclub blieb als einziges Team ungeschlagen, erzielte die meisten Tore (7) und war sowohl im Halbfinalderby (2:0) wie im Final das bessere Team. Genesio Colatrellas Markenzeichen in der U21 ist, dass er grosso modo eine Stammformation die ganze Saison durchspielen lässt – Personal, Positionen und Spielweise werden kaum geändert. Und Standardsituationen sind jeweils ein wichtiges Offensivelement. Diese resultatorientierte Vorgehensweise wendete er auch in diesem Turnier an. Der Vorteil neben den Resultaten an und für sich ist dabei, dass die in der Stammformation eingesetzten Talente auf diese Art und Weise viel Erfahrung, Sicherheit und Selbstvertrauen sammeln können – und genug Zeit für ihre Entwicklung erhalten.

Sturmduo Ligue / Bajrami – die rare Spezies im FCZ-Universum

Schaut man sich die Siegermannschaft des Turniers 2023 genauer an, fällt sofort auf, dass gleich sieben der eingesetzten 15 Feldspieler Linksfüsser sind – in gewissen Partien traf dies gleich auf alle drei Zentralen Mittelfeldspieler auf dem Platz zu. Ein relativ hoher Anteil an LInksfüssern war auch ein Markenzeichen der FCZ-Meistermannschaft von 2022. Der FCZ spielte auf der Buchlern teilweise im 4-3-3 oder auch mal mit einem Zweimannsturm und Vierermittelfeld mit Rhombus. Der Kern der Mannschaft bestand aus der im Alltag von Umberto Romano trainierten U18. Dieses Team hat speziell im Mittelfeld, aber auch in der Abwehr eine aussergewöhnliche Anzahl an guten Talenten, die in der Meisterschaft durchaus jeweils noch deutlich mehr aus ihren Möglichkeiten herausholen könnten, und häufig etwas mit „angezogener Handbremse“ unterwegs zu sein scheinen.

Eigentlich müsste der FCZ aktuell auf dieser Altersstufe mit diesem Mittelfeld die Spiele deutlich mehr dominieren. Es ist unter Coach Romano auch wenig individuelle Entwicklung erkennbar. Allerdings fehlt es vorne auch etwas an Durchschlagskraft. Das für die U18 spielberechtigte Sturmduo Calixte Ligue und Labinot Bajrami spielt in der 1. Mannschaft und in der U21. Ein Sturmduo aus dem gleichen Jahrgang des eigenen Nachwuchses mit einer solchen Qualität hat der FCZ möglicherweise noch nie gehabt. Sturmtalente von diesem Niveau gibt es beim Stadtclub ganz allgemein selten, und wenn, dann ist es ein Einzelner pro Jahrgang. Während Ligue als Stadtzürcher früh zum FCZ gestossen ist, hat Bajrami das Fussball-ABC bei den Winterthurer Vereinen Veltheim und FCW gelernt und dann über einen kurzen Abstecher von 18 Monaten via Niederhasli in der U16 den Weg ins Heerenschürli gefunden. Die beiden ergänzen sich gut. Der dynamische Ligue hat unter Bo Henriksen schon neun Super League-Einsätze absolvieren können. Der klassische Strafraumstürmer und Torjäger (per Kopf und mit beiden Füssen) Bajrami scheint leistungsmässig ebenfalls nahe an der 1. Mannschaft dran zu sein.

Academy-Transfers: der FCZ dreht den Spiess um

Den gleichen Jahrgang wie Bajrami und Ligue hat Testspieler Joseph Sabobo Banda aus Sambia, der zu den grössten Offensivtalenten seines Landes zählt. Am Turnier benötigte er durchaus etwas Anlaufzeit, konnte dann aber sein Potential speziell in Sachen Antrittsschnelligkeit und Unberechenbarkeit am Ball andeuten. Noch ein halbes Jahr jünger ist der zum Saisonstart von Fiorentina in die FCZ U18 gewechselte Cosimo Fiorini. Zu dem Zeitpunkt war er Captain der italienischen U17-Nationalmannschaft. Fiorini schlägt gefährliche Standards und nimmt das Spiel in die Hand, scheint aber physisch ähnlich wie Becir Omeragic und anders als beispielsweise Landsmann Willy Gnonto etwas anfällig zu sein. Über viele Jahre waren externe Talente keine Erfolgsgeschichte im Zürcher Nachwuchszentrum gewesen. Viele Espoirs mit Vorschusslorbeeren kamen aus der Genfersee-Region nach Zürich Nord und schienen hier einfach nicht richtig gedeihen und sich entwickeln zu wollen. Im Endeffekt hatten jeweils die aus der Region Zürich stammenden Alterskollegen mehr Biss. Ausserdem gab es ausländische Youngster beispielsweise aus skandinavischen Ländern, die beim Stadtclub aufgenommen wurden, sich nicht durchsetzen konnten und schnell wieder weg waren.

Mittlerweile scheint sich der FCZ aber eine Position erarbeitet zu haben, in der man wählerisch sein kann und zu den in Zürich gut ausgebildeten Junioren von extern nur noch Talente dazuholt, die in ihren Juniorennationalteams bereits zu den Leistungsträgern gehören – wie Omeragic (Servette), Gnonto (Inter), Tsawa (St. Gallen), Fiorini (Fiorentina) oder Bajrami / Xhemaili (GC). Zuletzt war der Wechsel des Zürcher Talents Zidan Tairi nach Hoffenheim dem BLICK eine Schlagzeile wert. Zu Saisonbeginn wechselte bereits Niklas Sörensen zum gleichen Verein – und davor Filip Stojilkovic. Andi Hoti (Inter) ist ein weiteres kürzliches Beispiel. Im Unterschied zu früher sind mittlerweile aber die Zugänge in die FCZ Academy (U16, U18) und U21 mindestens so hochkarätig wie die Abgänge. Joseph Sabobo könnte ein weiteres Beispiel dafür werden. Kommt der Sambier nach Zürich, würde er analog dem Vorbild Willy Gnonto ziemlich sicher mit Einsätzen in der U21 starten. Er wäre damit nach Ligue und Bajrami der dritte hoffnungsvolle Stürmer mit 2005-er Jahrgang beim FC Zürich.

«Dann geh ins Footeco von GC…»

Blick ins FCZ-Leistungszentrum. Grosses Interview mit dem Leiter Academy, Heinz Russheim – TEIL 4 von 4

Züri Live: Heinz Russheim, wie kommt es überhaupt, dass Brüder in verschiedenen Nachwuchsabteilungen landen?

Heinz Russheim: Zum Beispiel weil der eine FCZ-Fan ist – und der andere GC. 

ZL: Heute sind ja aber die Gebiete für Footeco aufgeteilt…

HR: Ja. Wenn nun aber ein Junge kommt und sagt: «mein Herz schlägt für GC», sage ich: «Dann geh ins Footeco von GC». Ich könnte ihm das theoretisch verbieten, da die Gebiete zwischen den Klubs aufgeteilt sind. Was passiert dann aber? Variante A: Er sagt kategorisch: «Das FCZ-Trikot ziehe ich nicht an». Solche Fälle gibt es. Der würde dann in Wiedikon bleiben und verzichtet aufgrund seiner Liebe zu einem Verein auf Juniorenspitzenfussball. Variante B: Er kommt mit Murren trotzdem, wird aber niemals sein Potential abrufen können, wenn er das Trikot nicht gerne trägt. Darum haben wir schon vor längerer Zeit mit dem Technischen Leiter von GC ein klares Gentlemen’s Agreement gemacht. Wenn ein Talent sagt, es sei ein eingefleischter Fan vom anderen Klub, dann lassen wir ihn dorthin ziehen.

ZL: Die Einteilung in der Region Zürich ist etwas speziell. Der FCZ hat aus der Vergangenheit das Image als «Arbeiterverein», aber beim Footeco-Einzugsgebiet ist es eher umgekehrt. Der FCZ hat die Goldküste, den Züriberg, die schönen Lagen – auch Pfnüselküste, Greifensee und so weiter. GC hingegen hat das Unterland, oder in der Stadt Altstetten und Affoltern, wo eher die «Arbeiter» von heute leben.

HR: Ja, das ist speziell.

ZL: Im Eishockey gibt es ein ähnliches Phänomen: ein teurer Sport, der daher tendenziell von den Kindern der oberen Mittelschicht gespielt wird. Aber die Fans sind eher vom Land. Beim FCZ kommt ein nicht unwesentlicher Teil der eigenen Spieler eher aus bevorzugten Wohngegenden, die Zuschauer hingegen vielfach nicht.

HR: Das war ja damals eine ganz harte Verhandlung. Man kann Fan sein von der beschlossenen Aufteilung oder nicht. Ich respektiere beides. Persönlich finde ich es gut. Denn wenn wir das nicht hätten, müssten wir in der ganzen Grossregion Zürich mit rund 150 Vereinen scouten. Nach Rafz, nach Bülach, überall. Jetzt sind es 42. GC und Winterthur haben die anderen Gebiete. Wir gehen nur noch schauen, ob es bei unseren Vereinen noch mehr Talente hat, die in einer 1. Runde nicht gesehen worden sind.

Die Anzahl Talente im Gesamtgebiet ist fix – obs aufgeteilt ist oder nicht. So ist es effizienter und wir sind näher bei den Leuten. GC und der FCZ haben plus/minus gleich viele Junioren zur Verfügung – gemessen auf Stufe E-Junioren. Die Anzahl Vereine ist nicht bedeutend, sondern die Anzahl E-Junioren. Man weiss: pro 1’000 Junioren gibt es so und so viele Talente. Wie hat man also die Aufteilung gemacht? Man ist zusammengesessen und hat sich gefragt: wo ist GC zuhause? Antwort: im Unterland. Also hat man dort einen Kreis gemacht. Um den FC Winterthur hat man ebenfalls einen Kreis gemacht. FCZ: ebenfalls. Dann fingen die Diskussionen an. Zum Beispiel kann man nicht die ganze Stadt Zürich einem Verein zuteilen. Sonst hätte beispielsweise GC zu wenig. Dann bleibt noch das Oberland, die Pfnüselküste und Goldküste. Da muss man dann die Zuordnung so vornehmen, damit es ein Gleichgewicht  bei der Anzahl E-Junioren gibt.

ZL: Der Standort ist also in erster Linie entscheidend. Heerenschürli und Niederhasli.

HR: Genau. Dann muss man aber auch noch die Partnervereine berücksichtigen. Der Partner des FCZ war früher Rappi. Und Red Star war bei GC. Interessanterweise haben beide Vereine unabhängig voneinander das Gefühl gehabt, der andere Klub wäre der bessere Partner. Rapperswil-Jona ist also vor etwas mehr als zehn Jahren zu GC gekommen. Und Red Star zum FCZ. Wenn also Red Star der Partner ist, macht es ja Sinn, dass man auch gleich die nähere Umgebung als Partner beim Footeco hat. Weil es ein potentieller Standort ist. Und wenn der FCRJ Partner von GC ist, macht es natürlich Sinn, dass die Region rund um den Obersee mit Wangen, Lachen etc. zu GC geht. Die unmittelbar angrenzenden Gemeinden des Oberlands mit Wald und Rüti sind darum ebenfalls GC zugeteilt worden. Beide Vereine wollten eigentlich um keinen Preis zu GC. Das musste man ein bisschen erzwingen.

ZL: Ausgerechnet der Stammklub von Ancillo Canepa….

HR: Ja klar, auch meiner… Dann hat man geschaut, wie weit kann oder muss Winti Richtung GC- und FCZ-Gebiet vorstossen? Die Linie wurde dann bis Effretikon – Pfäffikon ZH gezogen. So ist das Ganze entstanden.

ZL: Aus Pfäffikon kommen doch aber die drei Kissling-Brüder beim FCZ?

HR: Ja, weil Pfäffikon zuvor mal im Einzugsgebiet des FCZ war. Dann hat man das mal bereinigt.

ZL: Für die Partnerklubs ist das Ganze ja auch ein grosser finanzieller Aufwand. Wie wird dies geregelt?

HR: Die erhalten Geld von uns. Für das Label gibt es Subventionen des Verbandes für die U16 und die U15 von Red Star. Das ist klar definiert. Ein U15-Trainer beispielsweise löst CHF 30’000.- aus. Der ganze Betrag, den wir wegen den Mannschaften von Red Star bekämen, gehen direkt zu Red Star. Das hat sich gut bewährt.

ZL: Wie viele Scouts sind insgesamt von Seiten FCZ für die Rekrutierung und Selektion für die Footeco-Stufen unterwegs?

HR: Wir haben einen Pool von 20-25 Leuten, die wir zu den uns zugeteilten Teams in der Region zu E-Junioren und D-Junioren- Spielen senden. Eher selten müssen wir auch noch C-Junioren anschauen. Denn es kann sein, dass ein eigentlicher D-Junior bereits bei den C-Junioren spielt. Diese Scouts sind nicht wirklich Angestellte.

ZL: Sie werden aber schon etwas entschädigt?

HR: Spesenaufwand. Und dann kann einer davon vielleicht noch einen Kaffee trinken, nachdem der Benzintank gefüllt ist. Auf höherer Stufe schauen wir uns dann natürlich die nationale Ebene an. Die harte Realität sieht so aus, dass ein U15-Spieler im Breitenfussball praktisch null Chancen hat, es noch zu schaffen.

ZL: Wobei ich das Gefühl habe, dass die Coca-Cola Liga an Qualität gewonnen hat in den letzten Jahren…

HR: Ja, aber die haben trotzdem praktisch keine Chance mehr. Es kann ausnahmsweise mal sein, da sind wir wieder bei den Beispielen Servette oder YB. Es gibt Spieler, bei denen kein Mensch weiss, warum die nie aufgefallen sind. Dann siehst du einen stämmigen Spieler und denkst: okay, für den Moment reicht es für ihn, es in den Kader zu schaffen. Er kann von der Physis her etwas bringen. Dann bringt er auch den Mitspielern was. Aber wenn es ein kleiner, filigraner ist, ist die Wahrscheinlichkeit sehr klein.

ZL: Weil er die technische Ausbildung nicht hat…?

HR: Ja. Es fehlt einfach das Trainingsalter. Ausnahmen gibt es, wenn einer zu einem frühen Zeitpunkt mental noch nicht bereit dazu ist, seinen Stammverein zu verlassen. Das gibt es ganz selten. Dass einer in der U12 noch nicht will und bis zur U13 wartet. Aber wenn er in der U14 nicht dabei ist, wird es ganz schwierig.

ZL: Nochmal zurück zu einzelnen Brüderpaaren. Die Haile-Selassies gehören zu denen, die zur Zeit auf dem Sprung sind wie ein paar andere Brüderpaare ebenfalls. Wir haben die Reichmuth-Brüder. Oder Hodzas. Was gibt es zu diesen Spielern zu sagen?

HR: Dass alle aufgezählten in dieser letzten Saison Freude gemacht haben. Bei den Reichmuths: einer ist ausgeliehen, der andere bei der 1. Mannschaft dabei. Es wäre sensationell, wenn es wieder einer packt für die 1. Mannschaft. Bei Haile-Selassie wurde der eine wegtransferiert, der andere stösst Richtung 1. Mannschaft. Ob er es schaffen wird, kann ich nicht beurteilen. Mirlind Kryeziu beispielsweise hatte lange Zeit Schwierigkeiten, sich zu etablieren. In der Meistersaison war er dann eine Säule der Mannschaft. Weil ein Trainer gekommen ist, der in ihn als Fussballer vernarrt war. Das gibt Rückenwind. Dass nicht alle Trainer gleich auf einen Spieler ansprechen, ist menschlich. Es soll keiner kommen und behaupten, er behandle alle gleich. Das gibt es nicht. Das Ziel muss sein, alle gleich FAIR zu behandeln. Das Potential haben alle. Von fünf bis sechs Spielern, die das Potential haben, wird am Ende nur einer oder zwei sich durchsetzen.  

ZL: Mit Maren Haile-Selassie habe ich ein paar mal geredet und habe ihm gesagt, dass ich bei seinem jüngeren Bruder Kedus etwas mehr Talent sehe. Und er hat dies sicherlich nicht nur von mir gehört. Ich hatte schon das Gefühl, dass ihn das nochmal am Ehrgeiz gepackt hat. Zuvor hatte er etwas zu wenig aus seinen Möglichkeiten gemacht. Als dann der jüngere Bruder angefangen hat von unten Richtung 1. Mannschaft zu pushen, scheint Maren nochmal einen Schub bekommen zu haben.

HR: Die grosse Frage ist: «Was ist ein Talent?». Ein Talent ist ein Mensch, der in seinem Gebiet überdurchschnittliche Ansätze hat. Was braucht es für den Fussball? Man kann das anhand des aus Holland stammenden TIPS-Schemas evaluieren. «T» steht für Technik. Da sind fünf Elemente drin. Ich kann in einem Element top sein und in den anderen vier nicht. Da ist es dann fragwürdig, ob man von einem Talent sprechen kann. «I» steht für Intelligenz / Kognition / taktisches Verständnis, «P» für Persönlichkeit, «S» für Schnelligkeit. In Holland sind sie zum Schluss gekommen, dass für die Talentdiagnostik Schnelligkeit der entscheidende Faktor ist, «S» steht aber auch allgemein für Athletik.

Es reicht nicht, wenn ich in einem der Bereiche weit überdurchschnittlich bin und in einem anderen weit unterdurchschnittlich. Man darf keinen Bereich haben, der «unter die Tischkante fällt». Ein einziger leistungslimitierender Bereich kann den Weg in die Super League verbauen. Alle Bereiche «knapp über der Tischkante» nützt aber auch nichts. Dann bräuchte ich zwingend mindestens einen, in dem ich beinahe unwiderstehlich bin. Es gibt aber auch Talente, die haben keinen unwiderstehlichen Bereich, sind aber in allen Bereichen gut bis sehr gut. Dominant bei Spielern ist letztendlich der Faktor Mentalität – analog der Sozialkompetenz bei den Trainern. Ohne Mentalität nützt der ganze Rest nichts. In allen Bereichen muss man «über der Tischkante» sein und im Endeffekt hilft die Mentalität, all diese Bereiche auszuprägen. Und das ist eben auch ein Talent.

TEIL 1: «Die Sozialkompetenz wird zu wenig berücksichtigt»

TEIL 2: «Wir sind nicht Ajax»

TEIL 3: «Bei Zwillingen wird es irgendwann schwierig»

«Bei Zwillingen wird es irgendwann schwierig»

Blick ins FCZ-Leistungszentrum. Grosses Interview mit dem Leiter Academy, Heinz Russheim – TEIL 3 von 4

Züri Live: Kommen wir zum Fokusthema dieses Interviews: Brüderpaare – und Schwestern. Aktuell gerade Liliane und Sydney Schertenleib. Die jüngere, Sydney, hat die letzte Saison bei den Jungs in der U15 gespielt. Am FIFA/Blue Stars U19-Frauenturnier war sie als 15-jährige aus meiner Sicht eine der zwei besten Spielerinnen…

Heinz Russheim: Ja, sie ist in der aktuellen Saison bei den Jungs in der U16, und wir schauen wie lange es geht. Wenn sie dieses Niveau bis Ende Saison mitgehen könnte, wäre das phänomenal, einmalig. Es ist immer noch so, dass bei den Jungs ein anderer Fussball gespielt wird, auch wenn bei den Mädchen das Niveau ebenfalls steigt. Es gibt keinen Grund, ein Mädchen, welches gut genug ist, nicht zu integrieren. Sie nimmt dadurch natürlich einem Jungen den Platz weg. Aber es gibt keinen «Sozialplatz» für die Jungs. Für Mädchen auch nicht. Und mit dem Spielerpass gibt es auch keine Probleme, da es keinen Vereinswechsel braucht.   

ZL: Ähnlich ist es ja für die Jungs. Sie profitieren davon, wenn sie so früh wie möglich wettkampfmässig mit und gegen Männer spielen können. Das scheint mir ein Vorteil der Schweiz gegenüber Ländern wie England zu sein. Schweizer Toptalente, die früh in die Akademien von Premier League-Klubs wechseln, stagnieren dort in der Regel und werden von weniger talentierten Gleichaltrigen, die in der Schweiz geblieben sind, in der Entwicklung überholt.

HR: Ja, das ist die Frage: was wäre passiert, wenn diese Toptalente in der Schweiz geblieben wären?

ZL: Man sieht es an Beispielen wie Granit Xhaka oder Xherdan Shaqiri. Sie haben die ganze Nachwuchsausbildung in der Schweiz durchlaufen und sich dann über die Super League bei den Profis etabliert. Sie sind heute die Leistungsträger der Nationalmannschaft.

HR: Die richtigen Karriereentscheidungen zu fällen, gehört halt eben auch zu den Eigenschaften eines echten Toptalentes.

ZL: Auf den ersten Blick scheint mir, dass es beim FCZ so viele Brüderpaare gibt wie bei keinem anderen Klub. Woher könnte das kommen?

HR: Zufall. Ob wir wirklich mehr haben als andere Vereine kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Gefühlsmässig haben wir relativ viele. Einen Grund dafür finde ich aber nicht. Grundsätzlich ist die Wahrscheinlichkeit grösser, dass ein jüngerer Bruder ein guter Fussballer wird, wenn der ältere auch gut ist. Denn der jüngere eifert häufig dem älteren nach. 

ZL: Gibt es auch den Fall, dass der jüngere Bruder als Talent entdeckt wird, und dann holt man im Nachhinein auch noch den älteren dazu? 

HR: Bei uns gibt es keinen Freipass für einen Bruder. Das wäre völlig falsch. Ein einfallsloses Auswahlkriterium. Wir haben eine begrenzte Anzahl Ausbildungsplätze. Wir nehmen diejenigen, die es verdient haben.

ZL: Das kann ich als Beobachter von aussen bestätigen. Die beim FCZ spielenden Brüder haben alle ihren Platz verdient. Manche gehören gar zu den Besten ihres Jahrganges. Wird es aber vielleicht in den Stammklubs in der Region zum Gesprächsthema unter den Gleichaltrigen, wenn der jüngere Bruder ein, zwei Jahre nach dem älteren auch noch zum FCZ wechselt?

HR: Bei uns ist es so, dass wirklich alleine die Qualität entscheidet. Ich weiss schon, dass im Schweizer Fussball manchmal Geschichten kursieren. Dass Eltern sagen: «der Talentierte kommt nur zu Euch, wenn ihr den Bruder auch nehmt». Ich habe null Sympathie für so eine Entscheidung. Aber ich weiss, wie das Geschäft läuft.

ZL: Interessant finde ich die Dynamik zwischen dem älteren und dem jüngeren Bruder…

HR: …es gibt ja auch noch Zwillinge….

ZL: Genau. Die Freis – und die Elvedis früher…

HR: Ja. Dort ist Jan dann weggegangen…

ZL: ..nach Winterthur…

HR: Ja. Inwiefern das sein musste, weiss ich nicht. Da war ich nicht involviert.

ZL: Der Vater war damals ja auch beim FCZ.

HR: Ja, er ist jetzt noch hier. Aber es war auf jeden Fall der einzig richtige Entscheid. Wenn Brüder altersmässig auseinander sind, dann geht’s. Bei Zwillingen hingegen wird es irgendwann mal schwierig. Nehmen wir als Beispiel das Zwillingspaar Filip und Luka Frei. Die habe ich auseinandergenommen. Das Problem ist: irgendwann kommt ein Verein und sagt: «wir wollen den Einen hier verpflichten – und den Anderen nicht». Bei einem internationalen Transfer kann man nicht zwei «im Multipack» verkaufen. Und dann würde es sehr schwierig, wenn die zwei das vorher nicht schon gelernt haben.

Wir haben die beiden auseinandergenommen nach der U16. Der eine ging in die U17, der andere in die U18. Es war ein Kampf, weil die beiden unbedingt zusammenbleiben wollten. Es gab auch Diskussionen mit den Eltern und dem Spielerberater. Nach einem halben Jahr sind dann diejenigen Beteiligten, die ursprünglich am kritischsten waren, gekommen und haben gesagt, dass es der einzig richtige Entscheid war. Es war positiv in jeder Beziehung. Die beiden haben immer noch eine enge Beziehung, aber sie konnten im Fussball eine eigene Identität entwickeln. Anders ist es nicht möglich. Bei den Elvedis ging einer zu einem anderen Verein. Letztendlich geht es um das Individuum. Dann haben wir die Brüder Janko…

ZL: Die sind ziemlich weit auseinander.

HR: Ja. Da ist natürlich die Problematik viel kleiner. Wir hatten aber auch Geschwisterpaare oder Cousin / Cousine. Wie Djibril und Coumba Sow.

ZL: Cavars sind ein Beispiel für Geschwister.

HR: Ja. Marin ist schon länger weg.

ZL: Jetzt sind noch Martina und Mihael da.

HR: Mihael ist in der U16. Dass es Geschwister sind, hat bei uns auf die Auswahl keinen Einfluss. Dafür würde ich beide Hände ins Feuer legen.

ZL: Wir publizieren bei Züri Live ja einen monatlichen Podcast. Eine Ausgabe war mit dem Spielerberater Dino Lamberti. Er betreut gleich zwei FCZ-Brüderpaare, die beiden Hodzas und die beiden Di Giustos. Für mich haben alle vier gemeinsam, dass sie neben ihren sonstigen Qualitäten alle eine sehr gute Mentalität mitbringen. Ist es in der Beziehung des Klubs mit den Eltern einfacher, wenn es um den jüngeren Bruder geht? Sie haben ja den ganzen Prozess bereits mit dem älteren durchgemacht.

HR: Ob das wirklich einfacher ist, weiss ich nicht. Würde ich nicht so unterschreiben. Es gibt schon Konstellationen, wo es schwieriger sein könnte: wenn der Ältere top ist und der Jüngere nicht. Ich kenne keinen konkreten Fall, aber theoretisch könnte von Angehörigen gesagt werden: «der Erste bleibt nur, wenn ihr den zweiten auch aufnehmt». Ich kenne keinen solchen Fall. Wenn es so wäre, dann würde ich dem nicht zustimmen. Dann müsste unter Umständen der Ältere wieder gehen. Erpressen lasse ich mich nicht.

Bei Matteo und Nevio Di Giusto war der Jüngere zuerst bei GC, der Ältere bei uns. Der Jüngere ist dann auch zu uns gekommen, weil für die Familie der Aufwand mit Jungs bei zwei verschiedenen Klubs zu gross war. Wenn die Mutter den Einen fahren muss und der Vater den Anderen… Wir wussten, dass beide gute Fussballer sind. Über die Qualitäten des Jüngeren mussten wir nicht lange diskutieren. Die waren top. Der Impuls kam von der Familie, dass entweder beide zu GC sollen oder beide zum FCZ.

ZL: GC wäre ja eigentlich von Baden aus etwas näher gewesen….

HR: Ja, das ist so. Der Jüngere war schon früh bei GC, als wir den Älteren von Baden geholt haben. Da kommt man als Familie natürlich in die Zwickmühle. Das kann man nicht bewältigen. Sowohl Niederhasli wie auch Schwamendingen lagen nicht gerade am Weg.

ZL: Bei den Rodriguez-Brüdern war es auch schon so, dass der Älteste bei GC war, der Mittlere beim FCZ,…

HR: Das ist dann aber natürlich nicht so ein Problem. Ricardo musste niemand ins Training fahren. Er hat im Quartier gewohnt. Höchstens Roberto musste zu GC gebracht werden.

hier geht’s zu Teil 4

TEIL 1 von 4 – «Die Sozialkompetenz wird zu wenig berücksichtigt»

TEIL 2 von 4 – «Wir sind nicht Ajax»

«Wir sind nicht Ajax»

Blick ins FCZ-Leistungszentrum. Grosses Interview mit dem Leiter Academy, Heinz Russheim – TEIL 2 von 4

U16 vor siegreichem Cupfinal gegen Team Vaud / Lausanne-Sport in Biel

Züri Live: Heinz Russheim, die 1. Mannschaft und die Frauen waren in der Saison 21/22 zusammen noch nie erfolgreicher. Wie lief es im Nachwuchs?

Heinz Russheim: In Bezug auf den sportlichen Erfolg: U16 Cupsieger und im Meisterschaftsfinal, U18 im Meisterschaftsfinal, U15 in der Ostgruppe auf dem 1. Rang, die 2. Mannschaft der U15 spielte ebenfalls in der Elitegruppe, war sogar vorne mit dabei – und erreichte zusätzlich den Cupfinal. Das ist der Beweis, dass gut gearbeitet wurde. Allerdings nicht in erster Linie in Bezug auf diese Saison. Man kann kurzfristig an gewissen Dingen schrauben, aber die Saat, die wir heute in der U15 bis U18 ernten, wurde vor drei bis vier Jahren gesetzt. Die Erfolge mit all diesen Teams sind schon ein klares Zeichen, dass wir zuvor auf der Stufe Footeco (FE-12 bis FE-14) sehr gut gearbeitet haben – und danach in der Academy auch.

Wir beobachten natürlich, was sich im Fussball entwickelt und wie wir uns in der Ausbildung verbessern können. Wir haben daher zuletzt wieder gewisse Anpassungen vorgenommen. Die Resultate davon ernten wir dann wiederum in etwa drei bis vier Jahren.

ZL: Ist zum Beispiel der physische Aspekt ein Bereich, den man noch mehr gewichten muss?

HR: Nein. In diesem Bereich sind wir schon seit Jahren top. Das Team um Dorjee Tsawa macht einen Riesenjob. Natürlich entwickeln wir uns weiter. Aber eine grosse Änderung haben wir nicht vorgenommen. Im Gegensatz zur Spielanalyse bei den Academy-Mannschaften. Das ist sozusagen das «i»-Pünktchen der Ausbildung: filmen und analysieren der eigenen Spiele, teilweise auch von Gegnern. Bis zur Coronapause haben wir zwar unsere Spiele auch gefilmt, besprochen und analysiert – aber nicht so wie heute. Letzte Saison haben wir da einen Sprung nach vorne gemacht. Auch die Betreuung der Talente mittels Talentmanagement wurde intensiviert.

ZL: Ich habe aber schon das Gefühl, dass beispielsweise YB bei der Selektion der Talente stärker auf den physischen Aspekt schaut.

HR: Das muss ich auch annehmen, wenn ich mich beispielsweise an den U18-Final erinnere, den wir zusammen in Bern gesehen haben. Möglicherweise wechseln dort auch einfach grössere Spieler aus der Region in den Klub. Dazu kommt: nur schon ein Südeuropäer ist im Vergleich mit einem Zentraleuropäer mit 16 Jahren im Schnitt körperlich weiter entwickelt. Bei afrikanischstämmigen Talenten ist es noch extremer. Beim U16-Final in Genf gegen Servette waren wir ja ebenfalls beide. Servette setzte acht afrikanischstämmige Spieler ein, sieben davon waren gleichzeitig auf dem Platz. Das macht einen Unterschied. Genf hat eine ganz andere Bevölkerungszusammensetzung als Zürich. Basel mit den grenznahen französischen und deutschen Gebieten auch. Das sind die Fakten. Schlussendlich ist es weder ein Vor-, noch ein Nachteil. Ich beschäftige mich nicht damit, was die Anderen allenfalls mehr haben. Wir schauen auf das, was wir haben. Wir haben eine gute Situation. Wenn allerdings all diese grossen, stämmigen Spieler bei YB und Servette dann tatsächlich in der 1. Mannschaft landen würden, müssten wir uns schon Gedanken machen. Das ist aber nicht der Fall. So relativiert sich das Ganze.

ZL: Auf Stufe Footeco gibt es keine Tabellen. In der Academy scheint der sportliche Erfolg aber durchaus auch ein wichtiger Aspekt zu sein. Ich hatte in den letzten Jahren das Gefühl, dass sich die FCZ Academy-Teams ähnlich wie die 1. Mannschaft in K.O.-Spielen im Vergleich zu normalen Wettbewerbspartien am meisten steigern. Wird im Hinblick auf die Profikarriere speziell ein Fokus darauf gelegt, dass die Talente lernen, im richtigen Moment die beste Leistung abzurufen?

HR: Grundsätzlich haben in der Academy die langfristigen Aspekte Vorrang vor den kurzfristigen. Während der regulären Meisterschaft arbeiten wir mit Sechs- oder Vierwochenplänen und wollen so das Beste herausholen. Man kann sich voll auf die Ausbildung fokussieren und das zahlt sich dann auch aus. In den Playoffs hingegen heisst es «heute oder nie», das Resultat ist am Tag X gefragt. Das beisst sich ja gegenseitig nicht.

ZL: Dieses «heute oder nie» kann man als Teil der Ausbildung betrachten…

HR: Für mich ist das mit den Playoffs in der Academy eine sehr gute Lösung des SFV. Nicht alle sind dieser Meinung, auch beim FCZ nicht. Das respektiere ich. Ich persönlich finde es gut. Es gibt dann nicht mehr ein «nächstes Spiel». In so einem Final wie gegen YB oder Servette mit der U18 oder U16 kann alles passieren. Aber neu werden die Playoff-Partien im Viertelfinal und Halbfinal ja in Hin- und Rückspiel ausgetragen. Wenn eine Mannschaft besser ist, setzt sie sich in zwei Spielen durch. In einem Spiel kann etwas Unvorhergesehenes passieren.

ZL: Allerdings hat Qualifikationssieger FCB U16 gegen den FCZ in den Playoffs im Hinspiel beim 2:6 einen schlechten Tag erwischt, und sie konnten diesen grossen Ausrutscher dann nicht mehr drehen…

HR: Ja, aber wenn man es richtig macht, passiert so etwas nicht. Wir haben es in dieser Partie richtig gemacht, Basel nicht so sehr. Sie waren bis dahin aufgrund der Tabelle klar die beste Mannschaft, hatten einen grossen Vorsprung. Dahinter herrschte aber eine grosse Leistungsdichte. Die Jungs müssen lernen, wie es ist, gewinnen zu MÜSSEN – nicht nur zu sollen oder zu wollen. Die Playoff-Situation ist attraktiv und in der Ausbildung wichtig. Selbst wenn wir vom FCZ nach der Qualifikation mal Erster sein sollten und am Ende dann eben nicht mehr. Dieses Jahr waren die Finalsieger in der Qualifikation beide besser klassiert, als die Finalgegner.

ZL: Die 2. Mannschaft auf Stufe U15 wurde vorhin kurz erwähnt. Wie wird diese zur Zeit überhaupt zusammengestellt?

HR: Über das Label müssen wir Partnerschaften haben. Wir haben eine Partnerschaft mit Red Star. Das ist nun quasi unsere dritte U15-Mannschaft. Vor zwei Jahren haben wir entschieden, einen Versuch zu machen mit 1. Mannschaft und 2. Mannschaft auf dieser Stufe. 21/22 gab es dann die Möglichkeit, dass die 2. Mannschaft («FCZ Oberland») in der gleichen Gruppe spielt, wie die Erste. Das gab es vorher nicht. Vorher waren alle Hauptvereine der Partnerschaften in der «Gruppe A». Jetzt gibt es neu eine West- und eine Ostgruppe. Damit es genug Teilnehmer gibt, wurde ermöglicht, dass drei Klubs auch eine 2. Mannschaft auf dieser Stufe anmelden dürfen. Aufgrund der Qualität, die wir zur Verfügung hatten, haben wir uns gemeldet. Wir waren nicht sicher, wie es rauskommen würde. Letztendlich können wir aber konstatieren: Top! Wir haben mit der 2. Mannschaft alle grossen Gegner zumindest ärgern können, Luzern und GC gar geschlagen. In der Liga waren wir mit dem «Zwei» vorne dabei und im Cup sogar im Final.

ZL: Registriert ist dieses Team aber unter dem FC Bauma….

HR: Das ist eine rechtliche Angelegenheit. Es darf nicht zwei Teams mit dem gleichen Namen geben. Wir wollten drei Mannschaften haben und deshalb haben wir neben Red Star noch einen Breitenfussballverein gesucht, der uns unterstützt.

ZL: 21/22 ist mir aufgefallen, dass sich einzelne Academy-Mannschaften zumindest phasenweise am aktuellen Spielsystem der 1. Mannschaft orientiert haben. Was ist da in der Academy die Grundidee? Soll langfristig durch den ganzen Klub ein System durchgängig umgesetzt werden oder sollen die Jungen eine Vielfalt an Systemen einüben?

HR: Man muss die Ausbildung immer wieder hinterfragen, sonst kommt man nicht vorwärts. Bis anhin haben wir es so gemacht, dass bis und mit U16 die gängigen Systeme umgesetzt wurden. U14 (als noch im 11er-Fussball gespielt wurde) und die U15 zwingend 4-4-2. Bei der U16 wird im Herbst ein halbes Jahr mit Dreierverteidigung ausgebildet, die Rückrunde dann mit Viererkette. Ab der U17 kann der Trainer frei entscheiden. Aus pädagogischen Gründen soll dabei aber mit demselben System mindestens sechs Wochen am Stück durchgespielt werden. Dann lernt man es besser, als wenn von Spiel zu Spiel immer wieder gewechselt wird. So sollte dann ein Spieler auch in taktischer Hinsicht für unsere 1. Mannschaft bereit sein. Wir haben nicht wie bei Ajax das Prinzip, dass der Klub das System der 1. Mannschaft bestimmt, und der Trainer sich danach zu richten hat. Wenn die Trainer in der 1. Mannschaft also unterschiedliche Ansätze verfolgen, müssen auch die Talente variabel ausgebildet werden.

Hier geht’s zu Teil 3

TEIL 1 von 4 – «Die Sozialkompetenz wird zu wenig berücksichtigt»

Der Fussballarbeiter: Henri Koide im Fokus

Grosse Talente, die in ihrer Entwicklung irgendwann zu stagnieren beginnen, gibt es beim FCZ genug. Henri Koide ist anders. Nie der Überflieger, aber Jahr für Jahr Fortschritte gemacht, und zielstrebig an sich gearbeitet. Wenn ein junger Spieler dank seinem Arbeitseifer nie unter ein gewisses Niveau fällt, ist dies ein aussergewöhnliches Merkmal. Bei Koide war dies bei den Spielen, bei denen Züri Live über die Jahre zugegen war, der Fall. Auch bei seinen Testauftritten in der 1. Mannschaft vorletzte und letzte Saison kam dem Teamplayer seine frühe fussballerische und persönliche Reife zugute. Lange davor konnte man ihn auch mal bei einem Training der 1. Mannschaft antreffen, einen Augenschein nehmend, was es braucht, um den Sprung zu schaffen.

Das Timing hätte nicht besser sein können: zum Heimspiel gegen Lugano Ende Juni (hier gehts zum Analyse-Artikel), als Koide sein Super League-Début feiern durfte, war bei Züri Live mit Daniel Salzmann Koides Jugendfreund zu Gast. Dieser war beim FCZ der erste Absolvent des Programmes „14/18-Coach“, hat als Assistenztrainer bereits in Jugendjahren Erfahrung bei den Letzikids und im Footeco-Bereich gesammelt, und ist auf der Suche nach einem Job im Juniorenspitzenfussball. Im Pausengespräch sprach er über seinen Werdegang, den richtigen Ansatz und Prioritäten auf verschiedenen Altersstufen der Juniorenentwicklung – und natürlich über Henri Koide…

1 2