Im Fahrplan – grosse Halbzeitbilanz der Challenge League, 3.Teil

Die Rückrunde hat begonnen. Nach der Hälfte der absolvierten Meisterschaft in der Challenge League können die zehn beteiligten Clubs in folgende drei Kategorien eingeteilt werden, je nachdem ob sie über, unter oder den Erwartungen entsprechend klassiert sind:

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Im Ersten Teil haben wir auf die drei Teams geschaut, welche in der Vorrunde die Erwartungen übertroffen haben. Im zweiten Teil waren die „Underachievers“ dran. Der dritte und letzte Teil behandelt die Teams, welche die Erwartungen erfüllt haben.

FC Chiasso – die Grenzstädter im ständigen Balanceakt

Der angeblich notwendige Zusammenschluss von mehreren Tessiner Traditionsvereinen zu einem Retortenklub «FC Ticino» war eine Zeit lang ein beliebtes Thema vor allem in der Deutschschweizer Presse. Es war die Zeit, als mit Bellinzona, Locarno, Lugano und Chiasso gleich vier Mannschaften aus dem 350’000-Einwohnerkanton (4% der Schweiz) in der Swiss Football League spielten, und damit 20% der Super League und Challenge League ausmachten. Es war damals gemessen an den engräumigen Schweizer Verhältnissen zwar «zeitraubend», aber eben auch schön, häufig ins sonnige Tessin zu fahren. Mittlerweile sind noch Lugano und Chiasso übriggeblieben, und die Sache mit dem Zusammenschluss hat sich wenig überraschend ebenfalls erledigt. Denn kommen tatsächlich «zu viele» Klubs aus einer bestimmten Region, dann hat sich ein solches «Problem» bisher noch immer mit der Zeit automatisch gelöst, ohne dass Traditionsklubs zerstört werden mussten. So auch diesmal.

Lugano spielt in der Super League, Chiasso ist als einzige Mannschaft in der Challenge League verblieben. Locarno ist mittlerweile in der comunale-chiasso-floodlights-hellviertklassigen 1.Liga angelangt, wo es um den Klassenerhalt bangen muss und in der Gruppe Ost hinter den Tessiner Konkurrenten Bellinzona und Mendrisio liegt. Das mit einigen ehemaligen Challenge League- und Super League-Spielern bestückte Bellinzona könnte Chiasso mittelfristig als Nummer 2 des Kantons ablösen. Aktuell halten sich die Grenzstädter aber trotz grossen sportlichen und finanziellen Herausforderungen weiter tapfer in der zweithöchsten Liga – bereits in der siebten Saison hintereinander. Wird es die verflixte siebte? Ein grosser Spielerumschlag sowohl im Sommer wie auch im Winter verheisst nichts Gutes. Es kommen praktisch nur noch junge Talente aus der Dritt- und Viertklassigkeit. Mit Milosavljevic und Lurati musste das «Tafelsilber» an Sion abgegeben werden. Dazu setzt Trainer Giuseppe Scienza die erfahrenen Regazzoni, Monighetti und Guatelli auf die Ersatzbank. Und erstmals seit dem Aufstieg zeigt der Marktwert-Trend auf transfermarkt.ch wieder abwärts.

Auswärts hat Chiasso in der Vorrunde nur zwei Mal verloren und im Vergleich zu den Heimspielen nur halb so viele Gegentore kassiert. Nur den Spitzenteams FCZ und Xamax konnte man in der Fremde keine Punkte abknöpfen. Vor der Winterpause haben die Rossoblu in Schaffhausen beim letzten Wettbewerbsspiel auf der altwehrwürdigen Breite einen grandiosen 2:1-Erfolg feiern können. Ob man die verstärkten und im neuen LIPO Park hausierenden Munotstädtern bei deren Ansturm aus dem Tabellenkeller aufhalten kann, ist fraglich. Also müsste man ein weiter vorne liegendes Team überholen, um den Abstieg zu verhindern – zum Beispiel Wohlen oder Winterthur. Oder wieder einmal mit Ach und Krach selbst die Lizenz für die kommende Saison erhalten, gleichzeitig aber vom Rückzug (Le Mont) oder Konkurs (Wil) eines Konkurrenten profitieren.

Servette FC – grosse Ambitionen und vergeudetes Talent

Der Genfer Traditionsklub (17 Meistertitel, 7 Cupsiege) hat sich das klare Ziel gesteckt, im Sommer 2018 nach zwei Challenge League-Jahren in die Super League aufzusteigen. Und teilt dieses Ziel unter anderem mit dem FC Aarau. Die Ambitionen wurden in der Winterpause mit dem Trainerwechsel von Anthony Braizat zu Meho Kodro unterstrichen, und nach drei Runden steht dessen Team als einziges noch verlustpunktlos da. Natürlich profitieren sie dabei auch von der Treffsicherheit ihres Kamerunischen Stürmers Jean-Pierre Nsamé (18 Tore in 17 Partien), der ohne einen privaten Schicksalsschlag niemals in der Challenge League gelandet wäre.

stade-de-geneve-vs-fcz-negativ-bildDas Zuschauerinteresse in der Calvinstadt ist volatil und stark vom Erfolg abhängig. Im September kamen im Heimspiel gegen den FCZ über 8’000 Fans. Als die Zürcher dann aber im Februar mit einem grossen Punktevorsprung im Gepäck erneut in die Calvinstadt reisten, waren nur noch 2’600 vor Ort. Nach dem 2:1-Heimspielerfolg gegen den Leader war die Euphorie aber sofort wieder da – in Winterthur waren am darauffolgenden Wochenende so viele Servette-Fans vor Ort wie schon lange nicht mehr an einem Auswärtsspiel. Der Stamm der Mannschaft ist immer noch der gleiche, welcher letzte Saison in der Promotion League den Aufstieg geschafft hat, als man im Heerenschürli gegen die 2.Mannschaft des FCZ antrat, anstatt im Letzigrund gegen das Fanionteam.

Etwas überraschend wurde das Stürmertalent Adler Da Silva zuletzt gleich zwei Ligen tiefer zu Etoile Carouge verliehen. Zwar ist Carouge ein Partnerklub von Servette und im Abstiegskampf, aber der Entwicklung des Juniorennationalspielers wird dies kaum guttun. Dies nachdem Servette in den letzten Jahren seine Toptalente wie Lorenzo Gonzalez (Manchester City), Jeremy Guillemenot (Barcelona), Dereck Kutesa (Basel) und Denis Zakaria (YB) einer nach dem anderen sehr früh verloren hat.

FCZ – ein Halbjahr reich an unvergesslichen Momenten

Der Herbst 2016 wird in Erinnerung bleiben – so viel ist sicher! Und am Ursprung von allem stand die vorhergende Saison mit dem Misserfolg in der Liga und gleichzeitig starken Leistungen im Cup. Der FCZ ist zum zweiten Mal innert zwei Jahren im Madrigal von Villarreal zu Gast und bereits nach 70 Sekunden dreht Armando Sadiku jubelnd ab. Nach 70 Sekunden traf Züri in dieser Vorrunde gleich mehrmals. Fortes Mannen waren in den meisten Spielen von der ersten Minute an parat. Der Herbst 2016 ist die Geburtsstunde für so vieles: vor allem ist es die Geburtstunde des Kantonsderbys. 13’000 Fans kommen zum Auftakt gegen Winterthur bei Regenwetter in den Letzigrund und auf einer übervollen Schützenwiese versuchen kaum weniger Fussballinteressierte im Dezember die Spieler durch den Nebel zu erspähen. Es war mehr als ein Fussballspiel mit Fussballfans – es war ein gesellschaftlicher Anlass.

Im Herbst 2016 spielt sich auch die Wiedergeburt von Marco Schönbächler ab. Der Urdorfer, schon seit 10 Jahren in der 1.Mannschaft, kehrt letzigrund-scho-mal-gschlage-nomal-schlah-comicnach anderthalbjähriger Verletzungspause Anfang August gegen Wohlen als noch 30 Minuten zu spielen sind zurück – Gänsehautstimmung im Letzigrund! Aus der Gänsehaut wird im ersten Europa League-Heimspiel als Zweitligist gegen Osmanlispor eine Eruption – Schönbächlers Tor nach einem Solo über den halben Platz ist schon früh das Tor des Jahres – bis ein 18-jähriger Testspieler mit Namen Khalil Elnouby beim Freundschaftsspiel gegen Vaduz an der Churer Ringstrasse mit einem spektakulären Fallrückzieher nach einer flüssigen Kombination über die rechte Seite Schönbis Treffer zumindest starke Konkurrenz machte.

Nur wenige Tage nach dem Osmanlispor-Spiel: ein Bild für die Ewigkeit. Sonnyboy Moussa Koné nach seinem 5:0 in der Niedermatten mit einem «Stage Dive» mitten in die Fans. Überhaupt: die Fans. Die Unterstützung der Mannschaft ist in der Challenge League im übertragenen Sinne auf Champions League-Niveau. Im übertragenen Sinne deshalb, weil in der Realität die Stimmung bei vielen Champions League-Partien nicht an diejenige von FCZ-Spielen in der Challenge League herankommt. Die Kreativität und der Aufwand bei den Choreos ist Extraklasse wie eh und je.

Es ist ein vertrautes Bild – einerseits. Sechs Busse vollbepackt mit Fussballfans werden von Polizeiautos Richtung Stadion eskortiert. Man kennt solche Bilder aus Rom, Paris, Amsterdam. Nicht aber aus Vuiteboeuf. Nicht auf einer schmalen Landstrasse quer durch die lieblichen Matten des Waadtländer Jurasüdfusses. Im fernen Baulmes füllten die FCZ-Fans den gesamten Fansektor komplett und konnten Schönbächlers schönes Weitschusstor bestaunen – sein Premierentreffer nach dem Comeback. Die Südkurve reagierte aber auch grossartig, als der auch auf den Strassen von Zürich ausgetragene innertürkische Konflikt ins Letzigrundstadion überschwappte: sie machte klar, dass im Letzi Fussball und der FCZ regiert, und sang die ganze Pause des Spiels gegen Osmanlispor durch. Sie dämpfte damit die politisch erhitzten Gemüter, und erstickte die Eskalation im Keim.

FCZ als erster Schweizer Klub mit dem Europäischen Triple

Der nächste Monat wird für den FCZ und seine Supporter ereignisreich auch wegen der vielen internationalen Begegnungen. Hier eine Übersicht über den Kalender der Profis, Frauen und Junioren in den europäischen Wettbewerben:

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Der FCZ ist der erste Schweizer Klub, der parallel in allen drei Bereichen (Profis, Frauen, Junioren) in den Europäischen Wettbewerben mit dabei ist. Es zeigt die starke Entwicklung des Gesamtvereins, welche in der öffentlichen Wahrnehmung durch den Abstieg der Profis in die Challenge League im letzten Frühling etwas in den Hintergrund gerückt ist. In ganz Europa sind aktuell nur sechs weitere Klubs ebenfalls in allen drei Bereichen europäisch vertreten: FC Barcelona, Bayern München, Manchester City, Olympique Lyonnais (Titelverteidiger und Gegner der FCZ Frauen im Achtelfinal), Paris St-Germain und Sparta Prag. Der FCZ ist dabei der einzige Klub, der in allen drei Bereichen als Titelträger teilnimmt (Meisterschaft, Cupsieg)! Bei den anderen aufgezählten Klubs dürfen entweder die Junioren auch ohne nationalen Titel als Anhängsel der Champions League spielenden Profis an der UEFA Youth League teilnehmen, und/oder die Profis bzw. Frauen nehmen als Zweit- oder Drittplatzierter der Liga teil.

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FCZ: mit Dreierabwehr statistisch auf Platz 6

Italien besiegte gestern im 3-5-2 System an der EM Favorit Belgien trotz offensichtlichen individuellen Abnützungserscheinungen. Höchste Zeit, die Performance des FCZ 2015/2016 in Abhängigkeit des Spielsystemes zu analysieren.

Der Stadtclub ist in 14 Meisterschaftsspielen mit einer Dreierabwehr angetreten, grundsätzlich in einem 3-4-3, wobei die drei Offensivspieler unterschiedlich gruppiert waren (3-4-2-1, 3-4-1-2). Im Spiel ohne Ball wurde dies häufig zu einer 5-4-1 Formation. Mit Dreierabwehr erreichte der FC Zürich einen Punkteschnitt von 1.214, was hochgerechnet auf die ganze Saison 44 Punkte und Platz 6 ergeben hätte – vor Thun, St.Gallen, Vaduz und Lugano.

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Die Mehrzahl der Meisterschaftspartien (22) spielte der FCZ letzte Saison aber mit Viererabwehr, sei es im klassischen 4-4-2 flach, mit Raute oder in einem 4-2-3-1. Mit dieser Grundausrichtung kam die Mannschaft auf ganze 0.77 Punkte pro Partie.

Unter Trainer Urs Meier hatte der FCZ meist mit Dreierabwehr agiert. Im Heimspiel gegen Villareal konnte Zürich den Gegner mit der Umstellung auf eine Viererabwehr überraschen, was mit zum grandios herausgespielten 3:2-Heimsieg beitrug.

Als die Mannschaft im Frühling 2015 auch durch eine unheimliche Serie von falschen Schiedsrichterentscheidungen in eine Resultatkrise geriet, half der Griff in die Trickkiste mit der Viererabwehr mit, der Mannschaft den Glauben an die Wende zu geben. Und diese wurde im zweiten Teil der Rückrunde auch geschafft.

Vielleicht auch aufgrund dieser Erfahrung behielt das Trainerduo Meier/Rizzo die Viererabwehr zu Beginn der neuen Saison bei. Spielerisch zeigte die Mannschaft gegen YB, in Vaduz und im Derby gute Leistungen, aber die Resultate stimmten nicht. Der neue Trainer Hyypiä hielt trotzdem bis nach der Winterpause an der Viererabwehr fest. Beim Auswärtsspiel in Luzern wechselte der Finne dann erstmals wieder zurück auf die Dreierabwehr, was die beste Phase der Saison einläutete.

Nachdem der mit privaten Sorgen kämpfende Kecojevic in Bern und Thun die Niederlagen mit seinen individuellen Fehlern wesentlich mit eingeleitet hatte, und auch das Heimspiel gegen Basel nach dem Patzer von Brecher verloren ging, wollte der FCZ Lugano im vorentscheidenden Duell im Letzigrund mit dem Wechsel zurück auf die Viererabwehr überraschen – mit Koch und Buff rechts, Brunner und Simonyan links, und Grgic als zweiter Stürmer neben Kerzhakov. Dazu kehrten die noch nicht hundertprozentig fitten Sanchez und Yapi in die Startformation zurück. Der Stadtclub kam zwar gut in die Partie – am Ende stand trotzdem eine 0:4-Klatsche.

Erneut kam es zum Trainerwechsel, aber nicht zum Systemwechsel. Forte blieb in St.Gallen beim 4-4-2 und setzte dabei auf Sarr und Koné im Mittelfeld. Der Letzigrund-Club blieb trotz grossartiger Fan-Unterstützung in der AFG Arena ohne Chance. Für die letzten drei Spiele (inklusive Cupfinal) wechselte Forte daher wieder zurück auf Dreierabwehr – was den gewünschten Effekt brachte – aber zu spät.

8 Vorwürfe an Ancillo (und Heliane) Canepa und was von ihnen zu halten ist

Vorwurf 1: «Ancillo Canepa hinterlässt verbrannte Erde.»

JA. Der FCZ hätte theoretisch ein enormes Netzwerk an Topspielern aus der eigenen Jugendabteilung, an Experten und Sympathisanten, die einmal für den Klub gearbeitet haben oder sich anderweitig mit ihm verbunden fühlen. Ein viel zu grosser Anteil davon hat zur Zeit ein eher gespaltenes Verhältnis zum Klub wegen der Person Ancillo Canepa und der Art und Weise wie man sich irgendwann einmal getrennt hat. Es ist wohl der grösste echte Kritikpunkt an Canepas Führung und diesbezüglich MUSS er sich verbessern.

Vorwurf 2: «Ancillo Canepa hat zu viel Macht»

NEIN. Die gleichen Leute, die Canepa zu viel Macht attestieren, schnöden gleichzeitig über die «Unübersichtlichkeit» der Machtverhältnisse bei GC mit seinen Owners, und dass bei so einer Struktur «alle dreinreden» würden. Jede Struktur hat ihre Vor- und Nachteile. Den Fünfer und das Weggli gibt es nicht. Soll jemand im siebenstelligen Bereich einen Verein mit dem persönlichen Vermögen absichern, dann will diese Person auch das Sagen im Verein haben. Kann ein potentieller Gönner die Entscheidungen nicht wesentlich beeinflussen, sinkt der Wille zum finanziellen Engagement tief runter in den fünfstelligen Bereich. Darum läuft es bei Fussballklubs, die auf Mäzenatengelder angewiesen sind, um ihrem eigenen Anspruch gerecht zu werden, praktisch immer auf eine «Alleinherrschaft» eines einzelnen Eigentümers hinaus. Einzige Alternative wäre, die sportlichen Ansprüche und Träume auf ein natürliches und nachhaltiges Niveau zu senken. Dann kann man ohne Mäzen an der Spitze auskommen.

Vorwurf 3: «Ancillo Canepa hat in der Trainerwahl einen schlechten Job gemacht»

JEIN. Es war Ancillo Canepa, welcher an Urs Fischer als Trainer geglaubt und ihm die Chance in der Super League gegeben hat. Die Zürcher Medien waren bezüglich dieser Wahl damals skeptisch – nur geben sie dies heute natürlich nicht mehr gerne zu. Auch Bernard Challandes und Urs Meier haben Titel geholt, gute internationale Auftritte gehabt, und einen erfolgreichen Fussball spielen lassen. Vertan hat sich Canepa bei Fringer und Hyypiä – nicht nur bezüglich der Wahl, sondern vor allem auch in Bezug auf das Timing. Es gibt eine gewisse Parallele zwischen den wild im eigenen Strafraum grätschenden Brecher oder Sanchez, und dem übermotivierten Trainerwechsel nach drei guten und einem schlechten Spiel zu Beginn der Saison. Aber: auch andere Vereine liegen in der Trainerwahl immer wieder mal falsch. Deshalb: über die ganze Amtszeit hinweg gibt es eine Durchschnittsnote.

Vorwurf 4: «Ancillo Canepa hat eine Kompetenzausblutung in der sportlichen Führung zu verantworten.»

JA. Auch wenn die Situation nicht so dramatisch ist, wie manchmal dargestellt, aber ein gewisses Korrektiv und eine klare Linie fehlt im sportlichen Bereich. Einer, der an den richtigen Orten Geld sparen kann, und die Mittel effizienter einsetzt – mit einem noch grösseren Fokus auf der Nachwuchsförderung und mehr Qualität statt Quantität bei der Verpflichtung von auswärtigen Spielern. So jemanden zu finden, ist aber nicht einfach – es muss ein guter Mann sein, der neben seiner Fachkompetenz und konsequenten Arbeitsweise auch in der Lage ist, eine gute Balance im Dreieck mit Präsident und Trainer herzustellen. Einfach einen Sportchef verpflichten, nur damit man einen Sportchef hat, würden hingegen eher kontraproduktiv sein. Man muss übrigens nicht immer zum Branchenprimus nach Basel schielen. Auch ein Dölf Früh in St.Gallen könnte in gewissen Bereichen ein gutes Vorbild für die Führung eines Schweizer Profiklubs abgeben.

Vorwurf 5: «Der Name «Canepa» taucht im Organigramm 13 Mal auf – das ist unprofessionell»

NEIN. Dieser Vorwurf stammt von Leuten, die kein Organigramm lesen können. Auch in einem klassischen Organigramm mit einer Geschäftsleitung bestehend aus CEO und Funktions-/Spartenleitern entscheidet der CEO in allen Bereichen mit. Der Unterschied zum im Tages-Anzeiger wie das Amen in der Kirche allwöchentlich zitierten Organigramm vom Juli 2014 mit den verschiedenen Kommissionen besteht in der Praxis alleine darin, dass dort die Spezialisten für den Finanz-, den Marketing- oder den Sportbereich nur in ihrem eigenen Bereich mitentscheiden, und nicht auch noch in die jeweils anderen Bereiche reinreden. Das kann man auch durchaus als sinnvoll betrachten. Wie häufig der Name des Full-time Präsidenten im Organigramm auftaucht, ist eine Frage des Detaillierungsgrades und Transparenz der Graphik. Offenbar war diejenige vom Juli 2014 für den einen oder anderen Journalisten zu kompliziert. Daher hat der FCZ mittlerweile wieder eine simplere und dementsprechend weniger aussagekräftige publiziert.

Vorwurf 6: «Die Kaderzusammenstellung unter Ancillo Canepa ist ungenügend»

JEIN. Zuerst mal muss festgehalten werden, dass diese Ancillo Canepa nicht allein zu verantworten hat. Und es gab durchaus immer wieder gelungene Transfers in den letzten Jahren: Pedro Henrique, Kukeli, Etoundi oder Yapi. Auch Bua, Sangoné Sarr, Sanchez oder Kerzhakov wird man zu diesen zählen können. Gerade die von den Medien zu Beginn am meisten kritisierten Transfers stellten sich immer wieder als richtig heraus, währenddem die vom Blätterwald gelobten Transfers zu Enttäuschungen wurden. Die Kaderzusammenstellung auf die aktuelle Saison entsprach zudem mehr oder weniger dem Konzept und Spielsystem von Trainer Urs Meier. Für das Konzept des neuen Trainers Sami Hyypiä hingegen war der Kader dann im Nachhinein gesehen falsch zusammengestellt. Ein wichtiger zusätzlicher Punkt, welcher gegen einen Trainerwechsel nach Saisonbeginn sprach. Zudem schien es, als wusste Hyypiä zum Zeitpunkt seiner Verpflichtung nicht, dass ihm im Winter aufgrund der fast vollen Kontingentsliste kaum Spielraum für Veränderungen zur Verfügung stehen würde. Zu allem Übel kam dann auch noch die Verletzungshexe auf der für Hyypiä zu dünn besetzten Aussenläuferposition hinzu.

Langfristig waren die Verpflichtung von Chiumiento und das lange Festhalten an Chikhaoui und Chermiti im Sinne der Mannschaftsentwicklung, einem effizienten Einsatz der Mittel und auch vor dem Hintergrund der Entwicklung des eigenen Toptalentes Oliver Buff überflüssig. Die Verpflichtung von Cabral, der schon immer ein fehlerhafter und launischer Mitläufer gewesen war, war zudem komplett unverständlich. Weil einem zu grossen Teil der Mannschaft gewisse taktische, technische oder läuferische Qualitäten fehlten, konnte der FCZ in Sachen mannschaftlicher Geschlossenheit mit Teams wie Thun oder Luzern in den letzten Jahren nie mithalten, und dem jeweiligen Trainer waren taktisch die Hände gebunden. Auch das Timing und die Auswahl in Bezug auf die Aufnahme von Nachwuchsspielern in die 1.Mannschaft stimmte nicht immer. So war das offensichtliche Toptalent Djibril Sow für die Saison 15/16 erstaunlicherweise nicht für die 1.Mannschaft vorgesehen. Andere Nachwuchsspieler kamen zu früh in die 1.Mannschaft. Am unglücklichsten lief die Entwicklung bei den Torhütern ab. Der mit sehr guten Anlagen ausgestattete Andres Malloth wurde aufs Abstellgleis gestellt, wohingegen der in vielerlei Hinsicht in seinem Potential beschränkte Yanick Brecher gepusht wurde.

Vorwurf 7: «Ancillo Canepa ist für die Aufgabe als Sportverantwortlicher nicht qualifiziert»

NEIN. Es gibt keine Ausbildung, die nachgewiesenermassen die besten Sportchefs produziert. Fredy Bickel oder Georg Heitz waren Journalisten, und brachten dadurch einen gewissen Background in Bezug auf Öffentlichkeitskommunikation mit. Canepa hatte dafür als ehemaliger CEO von Ernst&Young Schweiz deutlich mehr Erfahrung in der Führung einer Organisation, dem Vertragswesen, Analyse, Verhandlungserfahrung, Finanzen, Compliance und vielen anderen Gebieten. Von seinem Werdegang her weniger qualifiziert für die Aufgabe als Heitz oder Bickel war Canepa zu Beginn seiner Tätigkeit auf keinen Fall. Und heute umso mehr nicht, wo er 10 Jahre Erfahrung in der sportlichen Führung eines Super League-Klubs mitbringt.

Vorwurf 8: Die Pfeife, die Körpergrösse, die Haare, der Hund….

NEIN. Die Schweizer Sportmedien haben eine Tendenz entwickelt, die Besitzer und die Klubführung von Fussballklubs in boshafter und teilweise ehrverletzender Weise persönlich anzugreifen. Dies gilt speziell auch für die Berichterstattung über Ancillo und Heliane Canepa auf dem Platz Zürich. Vor diesem Hintergrund ist es keine Überraschung, dass langjährige für Stabilität garantierende Vereinsoberen zermürbt werden, und von den guten Leuten niemand, der einigermassen vernünftig urteilen kann, Lust hat, bei einem Fussballklub einzusteigen.

Man kann in dieser Rolle nur verlieren – neben dem enormen zeitlichen und finanziellen Aufwand wird man persönlich verunglimpft, die Familie und die eigene Firma leiden ebenfalls darunter, und im schlimmsten Fall erwarten einen gar rechtliche Konsequenzen, weil Fehler im Lichte der Öffentlichkeit viel häufiger aufgedeckt und stärker skandalisiert werden. Der Besitz eines Fussballklubs wird so unattraktiv gemacht, dass am Ende häufig nur noch irrationale Hasardeure wie Häfeli oder Chagaev echtes Interesse an einer Übernahme zeigen.

Selbst Bernhard Heusler und früher Gigi Oeri vom FC Basel werden ständig in der Öffentlichkeit im Zusammenhang mit ihrem Engagement beim FCB persönlich attackiert. Vor diesem Hintergrund muss man «positiv Verrückte» wie Christian Constantin oder Ancillo Canepa mit ihrer dicken Haut und viel persönlicher und wirtschaftlicher Unabhängigkeit im Rücken als Glücksfälle für ihre jeweiligen Vereine bezeichnen.

Kerzhakov: «Kann mir vorstellen, beim FCZ zu bleiben»

Seit Januar schnürt die St.Petersburger Stürmer-Legende Aleksandr Kerzhakov seine Fussballschuhe für den FCZ. Jetzt spricht der Russe im Gespräch mit dem FCZ-Stadionmagazin «Eisnull» und «Züri Live» erstmals über seine Zukunft: «Ich habe schon ein paar Mal mit FCZ-Präsident Canepa darüber gesprochen. Meine erste Priorität ist weiterhin, nächste Saison wieder für Zenit St.Petersburg zu spielen. Aber wenn sie mich dort nicht brauchen, dann ist der FCZ auf jeden Fall eine Option. Ich würde dies sicherlich prüfen. Mir gefällt es sehr gut hier.»

Aleksandr Kerzhakov spielt beim FCZ, weil der Portugiesische Zenit-Trainer André Villas Boas (ex-Tottenham, -Chelsea) nicht mehr mit  ihm arbeiten wollte. Wer Zenit nächste Saison trainieren wird, ist noch nicht klar. Die Zenit-Klubführung verhält sich in der Sache professionell, und überlässt trotz der grossen Verdienste Kerzhakovs für den Klub die Entscheidung über dessen Rückkehr als Spieler zu hundert Prozent dem künftigen Trainer. Falls nicht als Spieler, könnte Kerzhakov durchaus später in anderer Funktion zu Zenit zurückkehren. So hat «Sascha» in der Vergangenheit bereits einmal geäussert, in Zukunft gerne Sportdirektor von Zenit werden zu wollen. Wo Kerzhakov die Unterschiede der Schweizer Liga mit der Russischen und Spanischen sieht, und was er in der Freizeit gerne unternimmt, verrät er im kommenden «Eisnull».

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