Man muss kein junger Spieler sein, um Anfängerfehler zu begehen. Ole Selnaes (28) und Ivan Santini (33) unterliefen die Malheurs, die zu den beiden Gegentreffern im Letzigrund führten. Beim ersten Gegentor spielte Qarabag einen perfekten Konter – bis zur Hereingabe des Rechten Flügels Sheydaev in den Strafraum, die bei Selnaes landete. Dieser hätte den Ball ins Seitenaus spedieren können, ja müssen! Stattdessen versuchte der Norweger den Ball in einer unübersichtlichen Situation im eigenen Strafraum gegen einen anstürmenden Gegner zu stoppen, als hätte er alle Zeit und Musse der Welt. Der Ball versprang ihm dann sogar noch an den Fuss von Condé und spickte von dort vor die Füsse Kadys, der sich nicht zwei Mal bitten liess. Selnaes ist das Sinnbild einer Mannschaft, die explizit für die Liga zusammengestellt wurde. Man nahm in Kauf, Spieler zu holen, von denen man wusste, dass sie zu Beginn Anlaufzeit brauchen.

Mehrere FCZ-Akteure weit von Bestverfassung entfernt

Selnaes hat drei Jahre in der Chinesischen Super League gespielt, die ein deutlich tieferes Niveau aufweist, als die Schweizer Super League. Seine Erste Halbzeit gegen Qarabag war ordentlich bis gut (Züri Live-Note: 6). Nach der Pause baute er dann aber relativ rasch ab und beging so den entscheidenden Fehler (Züri Live-Note Zweite Halbzeit: 2). Ausgewechselt wurde er erst in der 70. Minute. Schon im Auswärtsspiel in Baku wollte Trainer Foda zu Beginn mit Marc Hornschuh Routine ins Mittelfeld bringen: was schief ging – Schnelligkeit, Wendigkeit, Technik sind auf diesem Niveau wichtiger. Ivan Santini hatte gegen Luzern gute Ansätze gezeigt. Gegen Qarabag verlor er aber die Mehrzahl der Kopfballduelle und verursachte mit seinem Ballverlust im Mittelfeld hauptsächlich den zweiten Gegentreffer. Bei diesem verteidigte Mirlind Kryeziu in einer zwei gegen zwei-Situation wie in einer Dreierabwehr, obwohl sein Team mittlerweile auf Viererabwehr umgestellt hatte. Yanick Brecher verschob sich ausserdem zu langsam und liess die nahe Torecke für den Schützen Owusu weit offen.

Ganz anders Qarabag: Qurban Qurbanovs’s Team spielt personell und von der taktischen Formation her praktisch immer gleich. So wie der FCZ letzte Saison. Bezüglich Spielweise war Qarabag in den vier Partien gegen Lech Poznan und den FCZ hingegen sehr variabel: mal mit Angriffen über die Seiten, dann wieder durch die Mitte, mal mit aggressivem Gegenpressing in Baku, dann wieder eher auf Konter lauernd wie im Rückspiel im Letzigrund. Die Stammformation von Qarabag ist qualitativ mit YB vergleichbar – auf einigen Positionen etwas besser besetzt, auf anderen etwas schlechter. Einen Spieler, der wie Kady in einem wichtigen Spiel einen Eckball von links mit dem linken Aussenrist äusserst scharf direkt aufs Tor ziehen kann, gibt es in der Super League nicht. Beim Vergleich der Ersatzbänke ist YB aber besser. Qarabag ist eine eingespielte Equipe mit mehrheitlich Fussballern im Zenit ihres Schaffens. Der Marktwert ist tiefer, als derjenige des FCZ. Dies ist aber eine Messgrösse des individuellen Zukunftspotentials der Spieler eines Kaders.

Qarabag mit weniger Energie und mehr Fehlern als im Hinspiel

Qarabag zeigte in den Begegnungen mit dem FCZ hingegen mehr „Gegenwartspotential“ als Team. Ein Grossteil der Marktwertdifferenz zwischen den beiden Mannschaften machen Becir Omeragic und Wilfried Gnonto aus, die beide in diesen Partien keine wesentliche Rolle spielen konnten. Der letztjährige Top-Joker Gnonto wird aktuell als Stammspieler in die Verantwortung genommen und hat es in den ersten Saisonpartien noch nicht geschafft, diese neue Rolle mit genügend Inhalt zu füllen. Speziell in den ersten 45 Minuten kommt von ihm jeweils zu wenig. Omeragic ist im Aufbau nach seiner Meniskusverletzung. Mehrere ältere Spieler sind noch auf der Suche nach dem Rhythmus oder ihrer Form. Der FCZ hatte im Vergleich mit Qarabag zu viele Spieler an Bord, die möglicherweise mal gut werden oder früher mal gut waren – anstatt solchen, die im Hier und Jetzt gut sind und performen.

Vieles sprach in diesem Spiel eigentlich für den FCZ. Qarabag trat deutlich weniger überzeugend auf, als in den Heimspielen. Der Auftritt erinnerte eher etwas an die 0:1-Niederlage bei Lech Poznan. Das frühe 1:0 des FCZ ähnelte dem damaligen Führungstreffer der Polen sehr stark: schnelles Umschaltspiel über rechts und in der Mitte ist der Captain der Aserbaidschanischen Nationalmannschaft Medvedev indisponiert. Man schien dem Gästeteam die Reisestrapazen anzumerken – auch wenn der Jet Lag bei einem Flug Richtung Westen weniger schlimm sein soll, als umgekehrt. Sie gingen nicht so intensiv ins Pressing wie zuhause, viele Bälle versprangen oder kamen nicht beim Mitspieler an – speziell Spielgestalter Almeida zog einen schwachen Tag ein. Und während der Partie musste Coach Qurban Qurbanov nach und nach seine ganze Defensivabteilung austauschen, so dass ab der Zweiten Halbzeit die Reserve-Defensive auf dem Platz stand. Qarabag setzte in Zürich zudem immerhin zehn Aserbeidschanische Spieler ein.

Defensive Steigerung von Spiel zu Spiel beim FCZ

Wie im Hinspiel war die Schiedsrichterleistung grundsätzlich gut, aber trotzdem mit einzelnen fragwürdigen Entscheiden in heiklen, unübersichtlichen Szenen auf beiden Seiten. Und es waren die gleichen Themen wie in Baku. Der FCZ profitierte dort von einem Offsidetor Kamberis bei Freistoss Guerrero – diesmal stand Santini beim 2:1 in der Nachspielzeit der Zweiten Halbzeit mit einem Fuss wohl ganz knapp im Offside, auch wenn es mit den vorhandenen Kameraperspektiven nicht hundertprozentig auflösbar ist. Wie in Baku hätte es auch in Zürich eine Rote Karte wegen Notbremse gegen einen Qarabag-Verteidiger geben müssen – beide Male wurde der schnelle Rohner von hinten umgestossen, diesmal von Badavi Hüseynov. Ausserdem profitierte Qarabag davon, dass die Fouls von Bajramov gegen Kamberi sowie Wadji gegen Rohner in der Entstehung des 1:1-Ausgleichs von den Unparteiischen übersehen wurden.

Insgesamt kann nach eingehender Analyse der Partie die Leistung des FCZ aber positiver beurteilt werden, als dies in der Schlussanalyse der Radio-Übertragung direkt nach dem Spiel noch der Fall gewesen war. Die Durschnittsnote der Mannschaft ist 6,5, die höchste bisher in dieser Saison, knapp vor dem Auswärtsspiel in Baku (6,3) – wobei es in der Verlängerung einen Leistungsabfall gab (5,5). Neun Spieler kamen gegen Qarabag zu Abschlüssen. Es gab sehr viele gute Offensivaktionen, der FCZ kam vor allem häufig erfolgsversprechend über die Seiten. „Uhrwerk“ Nikola Boranijasevic (MVP) spielte sich mit insgesamt zehn qualitativ hochstehenden Flanken fast schon in einen Rausch. Und die Defensivnoten der Mannschaft haben sich bisher von Spiel zu Spiel gesteigert. Auch Stürmer wie Tosin, Okita oder Gnonto erledigen ihre Defensivaufgaben diszipliniert. Die Qualifikation Qarabags für die nächste Runde war zwar nicht gestohlen, aber nach Expected Goals und Offensivszenen hätte der FCZ eher weiterkommen müssen. Im Rückspiel gehörte die erste halbe Stunde beider Halbzeiten und auch die Zweite Halbzeit der Verlängerung fast komplett dem Heimteam. Im Hinspiel in Baku spielte in der Zweiten Halbzeit ebenfalls praktisch nur der FCZ. Vor allem haben die Zürcher für die kommenden Wochen und Monate noch einiges an Potential nach oben bei Neuzugängen, letztjährigen Schlüsselspielern und auch jüngeren Akteuren, die einen Schritt nach vorne gemacht haben.



Von den ersten drei Wettbewerbspartien der Saison haben die Spieler des FCZ sowohl in der Offensive wie auch in der Defensive gegen Qarabag am meisten gute Aktionen gehabt. In der 2. Halbzeit war in Baku wegen der Müdigkeit von Qarabag der FCZ das optisch dominierende Team. Nach „Expected Goals“ hätte der FCZ die Partie mit 2:1 gewinnen müssen, verlor aber 2:3. Die Mannschaft war fokussiert, konnte aber den vor allem in den ersten 20 Minuten mit viel Energie angreifenden Gegner trotzdem nicht bändigen. Schafft Aussenseiter FC Zürich im Rückspiel den Sprung in die Dritte Runde der Champions League-Qualifikation?

Beeindruckende europäische Bilanz von Qarabag

In den bisherigen drei Champions League-Qualifikationsspielen gegen Lech Poznan und den FC Zürich hat Qarabag mit einer jeweils fast identischen Mannschaft gespielt. Einzig zwischen dem Hin- und Rückspiel gegen den Polnischen Meister hatte Trainer Qurban Qurbanov im Mittelfeld Qarayev und den Portugiesen Leandro Andrade durch den Montenegriner Jankovic und den in Aserbaidschan assimilierten Kroaten Ozobic ersetzt. Immer von Beginn an spielte als dritter zentraler Spieler im Bunde der ebenfalls für Aserbeidschan auflaufende Brasilianer Richard Almeida.

In der heimischen Meisterschaft tritt Qarabag hingegen fast nie in Bestformation an. Die aus dem Ausland stammenden Spieler rotieren und laufen nur in etwa der Hälfte der Partien auf. So kommen die heimischen Talente zu viel Spielzeit in einer Liga, die Qarabaq in den letzten neun Jahren mit einer Ausnahme jeweils mit klarem Vorsprung gewonnen hat – üblicherweise vor dem Konkurrenten Neftchi Baku. Letztendlich ist der Kräftehaushalt und das Teambuilding ganz auf die internationalen Qualifikationsspiele im Sommer ausgerichtet. Und in den europäischen Wettbewerben hat der Klub aus dem mittelgrossen Land am Kaspischen Meer (Fläche und Einwohnerzahl vergleichbar mit Österreich) grosse Erfolge feiern dürfen. Seit 2009 hat man Jahr für Jahr immer mindestens zwei Gegner aus dem Wettbewerb geworfen und seit 2014 ununterbrochen immer eine Gruppenphase erreicht.

Trainerlegende Qurban Qurbanov: 25 Jahre nach der „DeBaku“-Revanche wieder in Zürich

Die Erfolge sind eng verknüpft mit dem 50-jährigen Einheimischen Qurban Qurbanov, einem der amtsältesten Trainer im europäischen Fussball. Qurbanov stand beim legendären „DeBaku“ der Schweiz 1996 gegen das Team von Neo-Nationalcoach Rolf Fringer auf dem Platz (1:0-Sieg Aserbeidschans) und ein Jahr später dann auch bei der Revanche im Hardturm (5:0 für die Schweiz, drei Tore von Kubilay Türkyilmaz). Von daher stammt wohl auch etwas die Verwunderung bei den Gästen über den Spielort Letzigrund und die anfänglichen Verwechslungen des FCZ mit GC bei deren Fans, die zuhause in zwei Lager gespalten die Mannschaft aus zwei unterschiedlichen Fansektoren anfeuern und sich dabei gegenseitig konkurrenzieren.

Nach 14 Toren in 68 Länderspielen und einer Klubkarriere in Aserbaidschan, Georgien sowie in der Zweiten und Ersten Russischen Liga machte Qurbanov als 34-jähriger bei Neftchi Baku den direkten Schritt vom Spieler zum Trainer. Zwei Jahre später, 2008, kam er als neuer Coach zu Qarabaq, qualifizierte sich mit der zuvor jahrelang wenig erfolgreichen Mannschaft gleich im ersten Jahr für den Europacup – und damit begann die oben beschriebene erfolgreiche internationale Geschichte des Vereins. Nun bereits 14 Jahre im Amt, ist der aktuelle Vertrag Qurbanovs bis 2025 datiert.

Qarabag: taktisch flexibel, aber auch mit Einschränkungen

In Zürich wird Qurbanov von einem Heer an Staff-Mitgliedern begleitet und unterstützt, welches eine ähnliche Grösse wie das Spielerkader selbst annimmt. Im Verlauf des laufenden Wettbewerbes haben sich Qurbanov und sein Staff taktisch gewieft und anpassungsfähig gezeigt. Nachdem die Aseris von Lech Poznan in Polen ausgekontert worden waren, wurden zwei Umstellungen getätigt und im Rückspiel der polnische Meister von Beginn weg mit einem intensiven Gegenpressing unter Druck gesetzt. In beiden Partien liess Qurbanov seine Mannschaft über die Seiten angreifen: im Hinspiel war der Linke Flügel Zoubir am auffälligsten, im Rückspiel der Rechte Flügel Kady. Gegen den FCZ wählte Qurbanov hingegen eine taktische Marschroute mit Angriffen durch die Mitte, womit Mittelstürmer Wadji (zwei Tore) eine Schlüsselrolle zukam. Zudem passte sich Qurbanov relativ schnell an den Wechsel des FCZ zur Pause von Manndeckung auf Raumdeckung an und zog Schlüsselspieler Kady vom Flügel ins Zentrum, von wo der Brasilianer zwischen den Zürcher Linien mit einer Klasseaktion das 3:1 vorbereitete.

Bei der Pressekonferenz vor dem Rückspiel im Letzigrund ist Qurbanov zuversichtlich, dass seine Mannschaft hier die Qualifikation für die nächste Runde klar machen wird – und zwar schon nach 90 Minuten. Er sieht den Vorsprung von einem Tor als grossen Vorteil für sein Team zu Beginn der Partie. Sein Gegner ist gezwungen, etwas zu kreieren. Zwei Stunden davor im Presseraum des Heerenschürlis hatte Franco Foda gemahnt, dass man nicht gleich zu Beginn in Führung gehen und ins offene Messer laufen muss.

Qurbanov hat seinem eigenen Vernehmen nach nicht vor, personell Wesentliches an seiner Mannschaft zu ändern. Taktisch hingegen sind beide Coaches und Teams sehr variabel. Ein sich nur hinten hineinstellendes und auf Konter lauerndes Qarabaq kann man sich allerdings nicht vorstellen. Dies auch weil das Verteidigen von Flanken und Standards eher ein Schwachpunkt der Mannschaft ist. Sie scheinen fast dazu gezwungen zu sein, das Spiel zu dominieren und mit Gegenpressing den Gegner an der Lancierung von Konterangriffen zu hindern. Angesprochen auf den Vergleich zum letzten Jahr mit den Duellen gegen den FC Basel meinte Qurbanov, dass die Champions League (-Qualifikation) eine andere Liga sei als damals die Conference League, und deshalb auch der Gegner besser. Da war es dann doch wieder: das übliche Grossreden des Gegners im Vorfeld solcher Begegnungen.

Mets oder Aliti, Rohner oder Okita, 3-er oder 4-er Abwehr, Mann- oder Raumdeckung?

Der FC Zürich muss wohl auf Blerim Dzemaili verzichten, der im Hinspiel eine ungenügende Züri Live-Note hatte, als Einwechselspieler gegen das im Vergleich zu Qarabag schwächere Luzern dann aber MVP war. Die gegen Luzern geschonten Kryeziu und Aliti könnten wieder in die Startformation zurückkehren. Mets wurde defensiv gegen Luzern weit weniger gefordert, als Aliti zuvor in Aserbeidschan, und sah trotzdem in der potentiell entscheidenden Szene („hundertprozentige“ Torchance Ardaiz) mit seinem verlorenen Kopfballduell im Mittelfeld nicht gut aus. Mets ist im Antritt nicht schneller als Aliti, auf weitere Distanzen im Rückwärtssprinten allerdings schon. Ausserdem spricht für Mets, dass er bei Offensivstandards gefährlicher ist, was aufgrund der Schwäche von Qarabag in solchen Situationen ein entscheidender Faktor werden könnte. Aliti ist dafür im Passspiel präziser. Im Sturm könnte Trainer Foda wie in Baku erneut auf das schnelle Duo Rohner / Gnonto setzen. Okita ist ebenfalls eine Option, wohl noch vor dem weiterhin formschwachen Tosin. Santini und Selnaes sind vermutlich noch nicht bereit, um 60 und mehr Minuten auf diesem Niveau zu spielen. Trainer Foda bedauert in dieser Hinsicht, dass zur Zeit keine Testspiele möglich seien, wo man solche Spieler bedenkenlos mal 90 Minuten laufen lassen könnte.

Umfrage: schafft der FCZ den Sprung in die 3. Runde Champions League?

Kommt der FCZ heute abend in der Champions League gegen Qarabag eine Runde weiter?

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Aktuell sind 20 Mannschaften in der 2. Runde des „Champions-Weges“ der Champions League engagiert. Vier dieser zwanzig Mannschaften sind die möglichen Gegner des FC Zürich in der 3. Runde. Bei einem Weiterkommen gegen Qarabag würde man nächste Woche Dienstags oder Mittwochs zuhause in der nächsten Champions League-Runde gegen den Sieger des Duells Slovan Bratislava – Ferencvaros antreten. Bei einer Niederlage würde in der 3. Runde der Europa League-Qualifikation zuerst auswärts der Verlierer der Begegnung Bodö/Glimt – Linfield warten. Das Resultat von Bodö/Glimt – Linfield wird in der Pause (oder bei Verlängerung / Penaltyschiessen im Verlauf der 2. Halbzeit) der Partie FCZ – Qarabag feststehen. Slovan – Ferencvaros wird später am Abend gespielt. Spannend ist, dass in beiden Duellen die Aussenseiter Linfield und Slovan im Hinspiel mit einem knappen Sieg vorgelegt haben.

Nur für den FCZ ändert Luzern-Trainer Mario Frick bisher sein bewährtes Rhombus-System. Erstmals in der letzten Runde der abgelaufenen Saison im Letzigrund – und nun erneut. Luzern-Innenverteidiger Simani sprach nach dem Spiel davon, dass man zu Beginn zu viel Respekt vor dem Meister gehabt habe. Hätte Frick das System auch geändert, wenn er gewusst hätte, dass der FCZ nicht im üblichen 3-4-1-2 spielt? Dass beide Mannschaften in einem klassischen 4-4-2 antraten, trug auf jeden Fall seinen Teil dazu bei, dass die Partie letztendlich torlos blieb. Gemessen an den Züri Live-Durchschnittsnoten hat sich die Mannschaft von Franco Foda defensiv von Spiel zu Spiel gesteigert. Allerdings war gegen dieses Luzern zu verteidigen deutlich einfacher, als zuvor gegen Qarabag. Mit Andy Gogia war im Letzigrund nur ein einziger eingesetzter Akteur defensiv ungenügend. Der MVP des Qarabag-Auswärtsspiels, Cheick Condé, war diesmal hingegen vor allem offensiv stark.

Grund für Probleme mit gegnerischem Pressing wirklich nur vermeidbare individuelle Fehler?

Personelle Überlegungen werden auf Seiten von FCZ-Coach Foda ihren Teil dazu beigetragen haben, sich für ein 4-4-2 zu entscheiden. In dieser Formation konnte er Andy Gogia und Jonathan Okita von Anfang an eine Chance geben und dadurch andere Akteure schonen. Man sah in dieser Partie aber auch plastisch die Nachteile dieses Systems für die Mannschaft. Im 3-4-1-2 mit lauffreudigen Aussenläufern Guerrero und Boranijasevic hat der FCZ sowohl viel Breite wie auch viel Tiefe im Spiel. Breite: hinterste Reihe fünf, im Mittelfeld vier und vorne ebenfalls vier. Die Tiefe wird dadurch hergestellt, dass vier Reihen auf dem Platz stehen und nicht nur drei, was sowohl offensiv als auch defensiv Vorteile hat. Im 4-4-2 hingegen werden die beiden Schlüsselspieler Guerrero und Boranijasevic zurückgebunden und können ihre Qualitäten nicht voll einbringen. Für die Gegner eröffnet sich zudem die zusätzliche Option einen langen hohen Ball über die drei Reihen hinweg hinter die Abwehr zu spielen.

Den Spielaufbau hinten heraus bestritt der FCZ erneut vorwiegend flach und hatte wie in Bern mit dem Pressing des Gegners phasenweise grosse Probleme. Dies obwohl Luzern in diesen Situationen den Zürcher Sechser nicht in Manndeckung nahm und daher immer wenn Condé zurückkam und sich ausserhalb des Deckungsschattens der Stürmer anbieten konnte, das Frick-Team gezwungen war, zurückzuweichen. Captain Yanick Brecher sah nach der Partie im Interview mit Züri Live allein einfach vermeidbare individuelle Fehler als Ursache der Probleme. Schon vor der Breitenreiter-Zeit hatte die Mannschaft immer wieder etwas die Tendenz, die eigenen kollektiven und individuellen Fähigkeiten zu überschätzen und Niederlagen mit unerklärlichen Fehlern von einzelnen Spielern zu erklären – anstatt die Spielweise des Teams an die Realitäten und echten Kräfteverhältnisse anzupassen. Gegen Luzern war es viel eher so, dass sich der FCZ nur dank dem ungewöhnlich unpräzisen Passspiel Luzerns schadlos halten konnte.

Bessere Bank als in Bern – letztjährige Effizienz fehlt offensiv und defensiv

Der FCZ spielte wie sich das schon in der Vorbereitung angedeutet hatte, mehr über die Seiten. Man sieht mehr Flanken und Kopfbälle. Die letzte Viertelstunde vor der Pause war der FC Zürich aber völlig von der Rolle und gewann praktisch keine Zweiten Bälle im Mittelfeld mehr. Luzern kam zu Chancen beinahe im Minutentakt. Eine positive Veränderung zum YB-Spiel war, dass diesmal beim FCZ Einwechselspieler (namentlich Dzemaili, Rohner und Santini) einiges bewegen konnten und ihre Mannschaft nochmal in die Nähe des möglichen Siegtreffers brachten. Insgesamt hatte der FCZ mehr Ballbesitz und in der 1. Halbzeit ein Plus an Grosschancen. Ganz generell hätte das Spiel nach „Expected Goals“ tatsächlich ebenfalls Unentschieden enden müssen – allerdings 1:1. In Bern wäre nach diesem Kriterium ein 2:2-Unentschieden anstatt der 0:4-Niederlage korrekt gewesen und in Baku hätte man gar 2:1 gewinnen müssen. Dies vor allem auch, weil die Tore Qarabags aus Positionen erzielt wurden, die häufig nicht einen Torerfolg zur Folge haben. Torhüter Brecher konnte die wuchtigen Abschlüsse von Wadji und Kady aber jeweils nicht parieren.



In Bern war der FCZ gegen einen sehr motivierten Alt-Meister bis zu den Wechseln in der 72. Minute ebenbürtig. In Baku steigerten sich Schlüsselspieler wie Marchesano, Guerrero oder Kryeziu. Eine weitere Leistungssteigerung ist das Ziel im ersten Heimspiel gegen Luzern. Mehrere Spieler (Krasniqi, Kryeziu, Tosin,…) können vor der Partie ihre persönlich guten Erinnerungen an Spiele gegen diesen Gegner visualisieren. Auch wenn das letzte Spiel der Meistersaison im Letzigrund vor einer historischen Rekordkulisse im Duell dieser beiden Klubs mit 2:3 verloren ging.

Kann sich Krasniqi etablieren?

In den ersten beiden Partien der Saison hat der FCZ zwei Mal mit der „Breitenreiterschen“ Manndeckung begonnen und dann während der Partie auf Raumdeckung umgestellt. Die grosse Frage lautet nun: bleibt Franco Foda bei der Manndeckung als Grundprinzip, oder deutet sich ein schrittweiser Übergang zurück zur Raumdeckung an? Eine ähnliche Frage stellt sich bei der Grundformation. Bei der taktischen Analyse der ersten beiden Partien muss dabei aber auch die personelle Situation und der Auftritt der Gegner berücksichtigt werden. So haben sich Veränderungen im Spielverlauf in den jeweiligen 2. Halbzeiten nicht in erster Linie wegen Änderungen der taktischen Formation ergeben, sondern wegen verändertem Energie-Level des Gegners (Qarabag) und einer deutlich stärkeren Ersatzbank (YB). Gegen Luzern herrschen wieder andere Voraussetzungen und es braucht andere Qualitäten. Auch Spieler, die in Baku in der 1. Halbzeit oberflächlich schlecht ausgesehen haben mögen, könnten gegen Luzern wichtig fürs Team sein.

Bledian Krasniqi hatte einen guten Saisonstart. Schon letzte Saison war eine Partie in Luzern das Paradebeispiel dafür, dass der Techniker Krasniqi immer dann offensiv eine gute Leistung bringt, wenn er in der Anfangsphase der Partie über den Kampf ins Spiel kommt. Dies scheint er aktuell zu beherzigen. In Baku war er beim Doppelpass mit Boranijasevic bereits zum zweiten Mal hintereinander an der Entstehung eines Penaltys entscheidend beteiligt. Auf der Achterposition steht Krasniqi in Konkurrenz mit Dzemaili und Selnaes. Er ist aber auch eine Alternative für Marchesano auf der 10er-Position. Eine Entwicklung wie Rieder bei YB oder Jashari bei Luzern ist Krasniqi zuzutrauen.

Wer soll für den FCZ stürmen?

Im Sturm ist zur Zeit alles offen. Rohner ist zuletzt in Baku für seine in der 1. Halbzeit gute Arbeit schlecht belohnt worden. Gnonto startete schlecht in beide Partien, soll sich aber diese Saison als Stammspieler etablieren. Auch Tosin sollte bereit für diesen Schritt sein, ist aber häufig weiterhin als Joker effektiver. Auch der Einsatz von Okita in der Startformation ist nicht undenkbar. Franco Foda könnte versucht sein, die bisherige kleine „Torflaute“ der Zürcher Stürmer mit einem neuen Mann zu beheben.

Wer soll heute im Letzigrund gegen Luzern stürmen?

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Luzern: Kein Platz für Schürpf und Ndiayé?

Der noch eine Woche lang 19 Jahre alte Ardon Jashari wird den FC Luzern wohl als Captain aufs Feld führen, nachdem dies letzte Saison häufig der nicht viel ältere Marco Burch getan hatte. Der eigentliche Captain Christian Gentner hatte schon im Verlauf der letzten Saison seinen Stammplatz verloren (ohne den Routinier lief es den Innerschweizern deutlich besser) und diese Entwicklung wird er in der aktuellen Saison kaum noch rückgängig machen können. Im Mittelfeld hatte Luzern diesen Sommer am meisten Abgänge, was für den wiedergenesenen Alabi sowie die Neuzugänge Beloko und Dorn (in der Vergangenheit vorwiegend als Rechtsverteidiger eingesetzt) eine Chance bedeutet.

Samuele Campo hat mit dem Slowaken Jakub Kadak starke Konkurrenz erhalten. Weil Kadak aber erst vor einer Woche zum Team stiess und vielleicht auch etwas weil Campo gegen den FCZ oft seine besten Spiele macht, wird Kadak wohl erstmal auf der Reservebank beginnen. Challenge League-Topskorer Joaquin Ardaiz hat im letzten Vorbereitungsspiel gegen Genoa getroffen und wird wohl im Letzigrund in der Startformation stehen. Knifflige Fälle für Trainer Mario Frick sind Publikumsliebling Pascal Schürpf und Ibrahima Ndiayé. Sie sind beide etwas Opfer der Systemänderung im letzten Winter. Beide können sich auf der offensiven Flügelposition am besten entfalten, die es aktuell beim FC Luzern nicht mehr gibt – ausser es wird ausnahmsweise wie in der 36. Runde der letzten Saison im Letzigrund auf das alte 4-2-3-1 zurückgegriffen.

Auch das Corporate Identity-Gefährt mit den Ligasponsoren wird nach der Sommerpause heute im Letzigrund wieder aus der Ecke geholt.

Der FCZ kennt solche Spiele. Vor zwei bis drei Jahren lief es jeweils gegen St. Gallen so wie nun in Baku. Zu Beginn überrollt der Gegner den FC Zürich wie ein Tsunami, so dass man das Gefühl bekommt: diese zwei Mannschaften gehören eigentlich nicht in die gleiche Liga. Wenn die Kräfte des Gegners nach der anfänglichen Parforce-Leistung dann aber nachlassen, schlägt der FCZ zurück. Der Unterhaltungsfaktor solcher Spiele ist hoch. Da St. Gallen am Ende aber mehrheitlich auf der Verliererseite stand, sah dessen Coach Peter Zeidler irgendwann von solchen Matchplänen wieder ab. Sein Team hatte jeweils in der Hochenergiephase schlichtweg weniger Tore erzielt, als es danach im „übersäuerten“ Zustand kassierte. Im Unterschied zu St. Gallen vermochte Qarabaq auch in der 2. Halbzeit in vereinzelten Aktionen nochmal das Tempo zu erhöhen und Nadelstiche zu setzen, so dass der FCZ nach dem 2:3-Anschlusstreffer nicht mehr allzu viel riskieren wollte.

Qarabaq mit grosser taktischer Flexibilität

Wer die Leistung oder Taktik des FCZ in Baku beurteilen will, muss daher berücksichtigen, dass in den zwei Halbzeiten zwar personell der gleiche, vom Energie-Level her aber ein komplett unterschiedlicher Gegner auf dem Platz gegenüberstand. Natürlich hat der Auftritt des Letzigrund-Teams in der 2. Halbzeit optisch deutlich besser gewirkt, aber der Unterschied bezüglich Leistung war nicht so gross, wie es auf den ersten Blick scheint. In Problemen steckten in den besonders intensiven ersten 20 Minuten Qarabaqs beim FCZ viele. Bei Marc Hornschuh handelte es ich aber nicht nur um ein paar Probleme, sondern er war im Mittelfeldzentrum mit dem Tempo des Gegners überfordert. Und dass der sehr beständige Fidan Aliti in der Super League sein oberes Limit ausreizt und kaum Luft nach oben hat, war auch schon immer klar. Aber auch er machte natürlich sofort wieder eine bessere Figur, als Qarabaq die Puste ausging.

Dass die Aseris das Spiel schlussendlich gewannen, hat viel mit den Einzelleistungen von Ibrahima Wadji zu tun. Der 27-jährige Senegalese war vor einem Jahr als einer der besten Torschützen der Norwegischen Liga ans Kaspische Meer gezogen und in den Europacupduellen mit dem FC Basel die auffälligste Figur. In der 1. Runde der diesjährigen Saison gegen Lech Poznan lief das Spiel hingegen an ihm vorbei, auch weil Qarabaq jeweils über die Flügel spielte. Gegen den FCZ änderte Coach Qurban Qurbanov die Taktik. Das intensive Pressing / Gegenpressing aus dem Lech-Rückspiel wurde beibehalten, aber es wurde vorwiegend durch die Mitte angegriffen.

Selnaes-Début, Condé MVP, Marchesano und Guerrero steigern sich

In der 1. Halbzeit spielte der FC Zürich wie letzte Saison im 3-4-1-2 mit Manndeckung auf dem ganzen Platz. Der im Vergleich zum YB-Spiel verbessert auftretende Antonio Marchesano deckte im Spiel ohne Ball Jankovic, Dzemaili folgte Almeida auf Schritt und Tritt, und Hornschuh hätte Ozobic neutralisieren sollen. Die Lösung Qurbanovs gegen die Manndeckung: einer der beiden Flügel (Kady oder Zoubir) bot sich jeweils zusätzlich zentral an und trieb den Ball nach vorne, die Vier gegen drei-Überzahl ausnutzend. Nachdem der FCZ zur Pause auf ein 3-4-3 mit Raumdeckung umgestellt hatte, verlegte sich Qarabaq sofort darauf, die typischen Schwachstellen der Raumdeckung auszunutzen: die sich bietenden Lücken zwischen den Linien. Dazu stellte Qurbanov seinen besten Mann Kady vom Flügel auf die Zehnerposition, wo der Brasilianer nun häufig Raum vorfand und so das 3:1 vorbereiten konnte.

Der zur Pause für Hornschuh eingewechselte Cheikh Condé bestätigte die positiven Eindrücke seiner Spiele in Tschechien, der Vorbereitung und in Bern. Bereits in seinem zweiten Wettbewerbsspiel wird er zum Züri Live-MVP. Mit dem Guineer verbesserte sich schlagartig die Balance zwischen Offensive und Defensive. Mirlind Kryeziu und Blerim Dzemaili wirken (noch) fitter als letzte Saison. Als Qarabaq nicht mehr so intensiv ins Pressing ging, lancierte Kryeziu mit langen Bällen und Seitenwechseln das Zürcher Spiel und verwandelte den Foulpenalty zum 2:3 sicher. Offensiv war er der beste Spieler des FCZ in Baku. Bei Marchesano und Guerrero war bereits eine klare Steigerung im Vergleich zum Auftakt in Bern erkennbar. Fabian Rohner sorgte als Stürmer in der 1. Halbzeit immer wieder für Entlastung und provozierte Szenen, die zu einem Penalty oder Platzverweis des Gegners hätten führen können.

Ole Selnaes kam als Letzter der vier Neuzugänge und trotzdem überraschend früh zu seinem Wettbewerbsdébut für den FCZ – nicht überraschend mit guten Offensivaktionen und defensiven Defiziten. In der Match-Vorschau stand, dass das Duell zwischen Boranijasevic und Linksverteidiger Dzafarguliyev entscheidend werden könnte. Letztendlich führten zwei Fehler des für Dzafarguliyev eingewechselten Bajramov, der nach Krasniqi-Steilpass Boranijasevic im Strafraum zu Fall brachte, das späte 2:3. Insgesamt entsteht nach der Auswärtspartie in Aserbaidschan das Gefühl, dass die Mannschaft auf einem guten Weg ist und schon in den kommenden Partien die ersten positiven Resultate folgen werden.



Einer der FCZ-Erfolgsfaktoren der letzten Saison war die äusserst hohe Pressingresistenz. Ganze drei Pressing-Gegentore kassierte gemäss Züri LIve-Auswertung das Breitenreiter-Team in 39 Wettbewerbspartien: eines gegen GC, eines gegen Sion und eines gegen YB (alle in der Rückrunde). Nun hat man in einer einzigen Partie zum Auftakt bereits die gleiche Anzahl Pressing-Gegentore hinnehmen müssen. Gelegen hat dies unter anderem an der veränderten Spielweise sowohl von YB, wie auch des FCZ.

Von der Politik der Fehlervermeidung abgewichen

Letzte Saison mit Ex-Trainer André Breitenreiter spielte der FC Zürich einen konservativen Fussball, ganz unter dem Motto: „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste“. Es wurde alles unternommen, um mögliche Fehlerquellen von vornherein auszuschliessen: jeder Spieler fokussierte sich darauf, was er am besten kann, keine Wechsel bei System und Personal, Einsatzzeit für junge Talente aus dem eigenen Nachwuchs nur in homöopathischen Dosen – und aus der eigenen Zone wurden die Bälle vorwiegend im hohen Bogen nach vorne geschlagen. Auf diese Art und Weise hatten die Gegner kaum mal eine echte Chance, in der Nähe des Zürcher Tores einen Ballgewinn verzeichnen zu können. Unter Franco Foda wurde gegen YB im Aufbauspiel wieder viel mehr flach gespielt – wie in den Zeiten vor Breitenreiter. Die einstudierten Spielzüge vom Abstosspunkt funktionierten dabei gut – trotz äussert hohem Pressing von YB bis beinahe an die Grundlinie. Sobald aber Improvisation ins Spiel kam und sich einzelne Spieler zu viel zutrauten, konnten die Bundesstädter in der 2. Halbzeit mehrere Male die Zürcher erfolgreich in die Pressingfalle laufen lassen.

Auswärtsresultate des FCZ bei YB in den letzten vier Jahren

Die andere Seite der Gleichung ist YB – ebenfalls mit neuem Trainer, Spielweise und Taktik. Vor genau fünf Jahren hatte dieser zum Saisonauftakt mit dem FCB im Wankdorf mit 0:2 verloren. Am Ende jener Saison hatte Basel zwar in der Champions League sowohl Manchester United als auch Manchester City geschlagen – in der nationalen Meisterschaft war die Vorherrschaft aber gebrochen. Die entscheidenden Niederlagen passierten rund um den Start in die Champions League-Saison und den Achtelfinal gegen ManCity. Trotzdem verloren die Rot-Blauen in jener Saison in Super League-Partien auch die Dominanz auf dem Platz und erlangten sie in der Folge auch nach Wicky nicht mehr zurück.

Wicky mit neuer Version der Köbi Kuhn-Nati bei YB

Wie in der Vorschau zur Saisonauftaktpartie geschrieben, ist Raphaël Wicky bekannt dafür, seine Mannschaften auf direktes Spiel durch die Mitte auszurichten. Als Aktiver war er in der Nationalmannschaft jahrelang zusammen mit Ricardo Cabanas einer der beiden Achter in einem als Rhombus formierten Mittelfeld. Die gleiche Grundformation liess Wicky nun auch zum Meisterschaftsauftakt gegen den FCZ auflaufen – mit ebenfalls einem Walliser (Sierro) und einem Zürcher (Fassnacht) in der Rolle von Wicky und Cabanas. Auch die Handschrift des neuen YB-Trainers ist zu erkennen: im Aufbauspiel erst Ballkontrolle in der eigenen Hälfte und dann möglichst mit One Touch-Fussball durch die Mitte. Die jahrelang typische YB-Spielweise über die Seiten mit vielen Flanken in den Strafraum wird stark reduziert. Gegen den FCZ gab es so gut wie keine Angriffe über rechts – Rechtsverteidiger Lewin Blum schien zeitweise nur als Staffage auf dem Platz zu stehen. Und bei den Angriffen, die über links mit Garcia und Sierro eingeleitet wurden, zog es die Berner in der gegnerischen Hälfte mit Läufen und Passspiel ebenfalls zwischen Mittelinie und gegnerischem Strafraum schnell mal zur Mitte.

Defensiv praktizierte YB gegen den FCZ ein hohes Pressing ähnlich dem des FC St. Gallen. Offensiv zeichnete sich ihr Spiel durch eine äusserst grosse Variabilität aus, wie man sie in den letzten Jahren kaum mal von einer Mannschaft in der Super League gesehen hat. YB hatte sich auf diese Startpartie hin einiges ausgedacht und wechselte zu Beginn im Spielaufbau in virtuoser Weise die Positionierungen. Wicky rief dabei in der Anfangsphase fast ununterbrochen Anweisungen auf den Platz. Der FC Zürich war darauf aber vorbereitet. Die Spieler hatten so präzise Anweisungen mit auf den Weg mitbekommen, dass sie zumindest in den ersten 18 Minuten in der von Breitenreiter übernommenen Manndeckung trotz ständig wechselnder Konstellationen in jeder Situation defensiv optimal standen. Das war genauso beeindruckend zu beobachten wie die variablen Spielformen YB’s. Irgendwann wurde es dann aber zu viel. Zwischen der 18. und 22. Minute gerieten die Zürcher auf dem wild rotierenden Berner Karussell aus der Balance und vermochten sich nur noch notdürftig festzuhalten. Dann stoppte Schiedsrichter Schärer das Karussell durch die Anordnung einer Trinkpause. Genau im richtigen Moment für den Stadtclub!

FCZ nutzt Pausen und taktische Umstellungen, um besser ins Spiel zu finden

Durch die Trinkpause gerieten die Bundesstädter etwas aus dem Rhythmus und der FCZ konnte sich danach aus der Umklammerung lösen. Foda hatte seinem Team mit illustrativer Hilfe seines Tablets zusätzliche Anweisungen mit auf den Weg gegeben. Offensiv lief nun für die Gäste mehr – mit dem vorläufigen Höhepunkt in der 39. Minute, als nach einem Ballgewinn Krasniqis im Angriffspressing der zu Beginn neben seinen Schuhen stehende Gnonto mit einem starken Solo in den Strafraum vordrang. Mit einer kollektiven Meisterleistung verhinderten die Gelb-Schwarzen den Zürcher Führungstreffer. Zesiger blockte reaktionsschnell Krasniqis Abschluss aus kurzer Distanz. Der Nachschuss von Tosin hätte dann drin sein müssen. Garcia warf sich aber im letzten Moment so in den Ball, dass der Schuss in der Geschwindigkeit stark abgebremst wurde, so dass ihn Von Ballmoos gerade noch zwischen seiner Hüfte und dem Kunstrasen einklemmen und dann wegspedieren konnte. Die Grosschance für den FCZ war auch deshalb zustandegekommen, weil er defensiv von Manndeckung im 3-4-1-2 auf Raumdeckung in einem 3-4-3 umgestellt und den Gegner damit etwas verwirrt hatte. Beim Berner Konter mit einer Vier gegen drei-Situation parierte Brecher den Versuch Fassnachts aus spitzem Winkel. In dieser Phase enervierte sich der ansonsten ruhige Franco Foda ein paar Mal an der Seitenlinie, weil seine Mannschaft mehrmals vielversprechende Umschaltmomente wegen Missverständnissen oder verpatzten Zuspielen in den Sand setzte.

Mit Beginn der 2. Halbzeit verschoben sich die Kräfteverhältnisse noch stärker zugunsten des FC Zürich, der nun die bessere Mannschaft auf dem Platz wurde – dank kontinuierlicher Steigerung und optimaler Nutzung der Trinkpause und Halbzeitpause. In der 52. Minute parierte YB-Keeper Von Ballmoos ein weiteres Mal mirakulös einen Kopfball Kamberis nach Marchesano-Corner. Vincent Sierro, der Kamberi ungenügend gedeckt hatte, lenkte dann auch noch den Nachschuss Krasniqis mit dem ausgestreckten Arm ab – Penalty! Diesen setzte Antonio Marchesano aber über den Kasten. Er führte den Elfmeter dabei nicht wesentlich anders aus, als bei den vielen erfolgreichen Versuchen in den letzten Jahren. Im Gegensatz zum letzten Sommer, als der Tessiner in der bisherigen Form seines Lebens war und unter anderem mit seinen Standards einen wichtigen Grundstock zum späteren Meistertitel legte, hat er nun zum ersten Spiel hin noch nicht zu seiner Bestform gefunden. Seine häufig unglücklichen Offensivaktionen im Spiel selbst spiegelten sich auch in diesem Penalty. Einsatz und Körpersprache sind aber wie immer top. Daher muss man sich um Marchesano keine Sorgen machen.

Historische Parallele: Das Team von Trainer Urs Fischer hatte 10/11 eine starke Saison hingelegt. Mit den damaligen 72 Punkten wäre man 21/22 souverän Meister geworden, aber damals reichte es um einen Punkt nicht. Zum Auftakt der neuen Saison 11/12 verschoss Xavier Margairaz mit einem Panenka-Versuch seinen Penalty und der FCZ verlor in Sion 0:1. In der Folge kam man gegen das belgische Standard in der Champions League-Qualifikation eine Runde weiter, als Admir Mehmedi im Rückspiel ebenfalls einen Penalty verschoss – danach aber aus dem Spiel heraus traf.

YB nutzt durch riskante Zürcher Wechsel entblösste Defensive

Der verschossene Penalty weckte in Bern zwar das Publikum auf. Auf dem Platz änderte sich aber vorläufig noch nicht viel. In der 60. Minute haute Kanga zum dritten Mal innert 15 Minuten ungeahndet einem Zürcher den Arm ins Gesicht (1x Aliti, 2x Kamberi) – Gelb erhielt Kamberi wegen Reklamierens. In den folgenden zwei Minuten schlichen sich bei Aliti und Kryeziu kleine Unpräzisionen ein, die schlussendlich zum Fehlpass von Condé in der eigenen Platzhälfte führten, den YB in der Person von Fassnacht zur 1:0-Führung nutzte. Von allen Gegnern gegen die der ehemalige FCZ-Junior in seiner Profikarriere mindestens sieben Mal gespielt hat, hat er nur gegen Lausanne-Sport eine vergleichbare Bilanz an Skorerpunkten pro Spiel (0,65) wie gegen den FCZ.

In der Folge war die Partie ausgeglichen. Mit dem Dreifachwechsel in der 72. Minute ging FCZ-Trainer Foda dann relativ früh viel Risiko ein. Es standen nun mit Okita, Tosin, Gnonto, Rohner und Marchesano fünf Mann auf dem Feld, die in der Vorbereitung weitgehend im Sturm gespielt hatten. Vor allem das Mittelfeldzentrum mit dem nach vorne orientierten Marchesano und dem in der Vorbereitung auf dieser Position schlecht spielenden Hornschuh wurde sehr schnell löchrig. So konnten in der 77. Minute Niasse und Fassnacht locker mit Doppelpass durchs Zentrum durchkombinieren. Man kann dabei nicht mal den Vergleich „wie im Training“ verwenden, denn selbst im Training geht das nicht so einfach. So war für Niasse unbedrängt in zentraler Position 30 Meter vor dem Tor ein flaches Zuspiel nach rechts auf Itten möglich, welcher seinen Raum nutzte und den wie immer sehr lauffreudigen Guerrero im Stile eines Nationalspielers aussteigen liess. Nicht zwingend die Umstellung auf ein 4-4-2 aber in erster Linie die personelle Besetzung dieses 4-4-2 war für einen so frühen Zeitpunkt zu riskant. Dazu kam, dass Hornschuh seine Rolle als defensives Gewissen im Mittelfeld wie schon in den Testspielen überhaupt nicht wahrnehmen konnte. In der Phase davor hatte der FCZ eine Fifty-Fifty Chance auf den Ausgleich gehabt. Nach dem 0:2 hingegen war die Partie verloren.

Kamberi und Krasniqi mit reifer Leistung

Ein Teil des Problems wurde dabei mit der Transferpolitik in Kauf genommen. Man hat Spieler mit einer etwas höheren Qualität verpflichtet, als man normalerweise mit den finanziellen Mitteln des FCZ bekommen könnte, dafür brauchen diese Spieler aus unterschiedlichen Gründen alle noch etwas Anlaufzeit. Dies in Übereinstimmung mit der Kommunikation, dass man in erster Linie ein Kader „für die Super League“ zusammenstelle, also für den Zeitrahmen Juli bis Mai. Dadurch fehlen Foda zum Saisonstart teilweise etwas die valablen Alternativen. Im Gegensatz zu YB, wo die hochkarätigen Einwechselspieler die Entscheidung brachten, führten beim FCZ die Einwechslungen zu einem Leistungsabfall.

Grundsätzlich hat der neue Trainer Foda einiges von den Stärken des letztjährigen Teams übernommen. Man überliess dem Gegner weitgehend den Ball und setzte auf schnelles Umschaltspiel durch die Mitte – und nutzte dabei die Tatsache, dass YB nur mit einem Sechser und defensiv nicht so starken Achtern spielte. Die üblichen FCZ-Leistungsträger waren aber noch nicht in Form. Speziell beim Meisterspiel in Basel führten die immer volle Rückendeckung geniessenden Captains Brecher, Marchesano, Dzemaili die Mannschaft mit guten Leistungen an. Nun zum Saisonauftakt bei YB war Dzemaili nicht auf dem Platz, Marchesano und Brecher waren nicht in Bestverfassung. Dafür konnten Lindrit Kamberi und Bledian Krasniqi überzeugen. Beide lieferten ihre bisher wohl reifste Leistung im FCZ-Trikot ab und scheinen in kurzer Zeit einen wichtigen Schritt nach vorne gemacht zu haben. Die Durchschnittsnote 4,9 ist allerdings so tief wie nur einmal letzte Saison: in der zweitletzten Partie in Lugano. Trotzdem wäre ein Punktgewinn durchaus verdient gewesen, angesichts des Expected Goals-Verhältnisses von 2,0 : 2,11 aus Sicht des FCZ. Speziell die Stürmer agierten aber im Vergleich zur letzten Saison vorderhand zu wenig effizient im Abschluss. Positiv zu bemerken ist, dass die Mannschaft auch gegen einen in dieser Disziplin sehr starken Gegner wie YB die Eckbälle wie in der Meistersaison weiterhin gut verteidigt.